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Оглавление[1]Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld
[2]Standpunkt: BASF SE
BASF SEBASF ist das weltweit führende Chemieunternehmen: The Chemical Company. Die BASF erzielte 2011 einen Umsatz von rund 73,5 Milliarden € und beschäftigte am Jahresende mehr als 111.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.www.basf.com | |
Dr. Kurt Bock, VorstandsvorsitzenderKurt Bock ist seit Mai 2011 Vorsitzender des Vorstands der BASF SE und verantwortlich für die Bereiche Legal, Taxes & Insurance, Strategic Planning & Controlling, Communications & Government Relations, Global Executive Human Resources, Investor Relations und Compliance. |
1. Welche Rolle spielen Szenarien der Weltwirtschaftsentwicklung bei der Entscheidung über das globale Engagement der BASF? Sind diese Prozesse formalisiert?
Schon heute wissen, was morgen gefragt ist – diese Eigenschaft zeichnet einen erfolgreichen Unternehmer aus. Beim Fußball ist es genauso: Wer gut ist, läuft dahin, wo der Ball ist. Gewinnen wird aber, wer dahin läuft, wo der Ball sein wird. Daher schauen wir ganz genau hin, wie sich die für uns wichtigen Länder und Abnehmerindustrien entwickeln werden und planen weit in die Zukunft voraus. Ein Beispiel: Wir werden uns weiter internationalisieren, da die heutigen Schwellenländer das Wachstum für die Chemieindustrie vorantreiben werden. Bei der BASF werden die aufstrebenden Volkswirtschaften 2020 mit 45% zum Umsatz (ohne Oil & Gas) beitragen. Darauf stellen wir uns heute schon ein, indem wir Produktionsstandorte aufbauen und unsere Forschung beispielsweise in Asien verstärken.
2. Welche Rolle spielt die Auslandserfahrung des Topmanagements für die Entwicklung erfolgreicher Internationalisierungsstrategien? Welche Bedeutung hat eine Auslandserfahrung für die Karriereplanung von Mitarbeitern?
Wir legen Wert darauf, dass unsere Nachwuchskräfte ihre ersten Auslandserfahrungen früh in ihrer Karriere erwerben. Voraussetzung für den Aufstieg in unser oberes Managementteam ist es, mindestens eine – besser mehrere mehrjährige Auslandsstationen erfolgreich absolviert zu haben. Denn wer in einem globalen Unternehmen eine Führungsaufgabe übernimmt, ist häufig für Mitarbeiter und Teams in verschiedenen Ländern verantwortlich. Das geht nur mit internationaler Erfahrung. Auch meine Stationen in Deutschland, Brasilien und in den USA waren für mich persönlich und beruflich unendlich wertvoll. Nicht nur weil globale Zusammenarbeit viel einfacher und erfolgreicher ist durch persönliche [3]Kontakte. Wer in verschiedenen Ländern lebt und arbeitet, muss sich mit anderen Kulturen auseinandersetzen. Auf neuen Märkten ist nur der erfolgreich, der Verständnis für die Wünsche, Bedürfnisse und Werte anderer Kulturen hat. Wer global denkt, muss das ganze Bild im Kopf haben und globale mit regionalen Interessen verbinden können. Wenn ich in Asien in eine Produktionsanlage investiere, was heißt das für unser Geschäft in den USA? Welche Auswirkungen hat das auf die Weltmarktpreise? Wenige Cent Preisunterschied können darüber entscheiden, ob Containerschiffe von West nach Ost fahren oder umgekehrt.
3. Welche Faktoren werden das globale Unternehmensumfeld in Zukunft bestimmen, was wird für den Erfolg globaler Unternehmen zentral sein?
Im Jahr 2050 werden 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Sie brauchen mehr Nahrungsmittel, mehr Energie und Zugang zu sauberem Trinkwasser. Sie alle wollen eine bessere Lebensqualität, vor allem in den Schwellenländern. Wenn wir weiterleben wie bisher, brauchen wir in Zukunft die Ressourcen von drei Planeten so groß wie unsere Erde, um die Menschheit zu versorgen. Nachhaltigkeit ist daher das entscheidende Thema für unsere Zukunft. Und auch heute schon: Kunden wollen nachhaltige Produkte, die Industrie nachhaltige Lösungen, Mitarbeiter wollen in Unternehmen arbeiten, die Nachhaltigkeit ernst nehmen. Mehr Nachhaltigkeit erreichen wir nur über mehr Innovationen: Genau hier liegen viele Chancen für die Chemieindustrie und ihre Kunden.
4. Wie kann der Wissenstransfer zwischen dem Stammhaus und den internationalen Einheiten sichergestellt werden? Welche Rolle spielt hierbei die Entsendung von Mitarbeitern aus dem Stammhaus?
Wissen und Know-how entsteht und wächst immer mehr dezentral in regionalen Exzellenzzentren. Umso wichtiger ist es, dass wir als ein Unternehmen unser Wissen teilen, damit es sich weiter entwickeln kann. Deshalb unterstützen wir unsere Mitarbeiter über Ländergrenzen hinweg, Wissen zu teilen. Ein direkter Weg sind Auslandsaufenthalte, sie dienen dem Wissensaustausch und sorgen zugleich für mehr Verständnis untereinander. Dabei geht es weniger um den Austausch zwischen der Zentrale und unseren Gruppengesellschaften als um den Wechsel von Mitarbeitern in und zwischen den Regionen. Aktuell sind rund 1.400 Mitarbeiter international auf einem Transfereinsatz tätig, ein weitaus größerer Teil arbeitet in internationalen Projekten zusammen. Ein anderes Beispiel: Seit Anfang 2010 haben wir ein eigenes globales Online-Netzwerk, das „connect.BASF“ heißt. Wir setzen damit auf Wissensaustausch, funktionierende Netzwerke und Zusammenarbeit über Einheits- und Ländergrenzen. Das alles bringt uns voran auf dem Weg zu einem noch besser vernetzten, kunden- und lösungsorientierten Unternehmen.
[4]5. Welche Rolle spielt das „Diversity Management“ bei der Besetzung von Spitzenpositionen in Ihrem Unternehmen?
Wir sind davon überzeugt, dass wir mit einem vielfältig zusammengesetzten Team erfolgreicher sind. Das gilt für die ganze BASF – überall auf der Welt und auf allen Hierarchiestufen. Wer neue Märkte betritt, der muss seine Perspektive wechseln, die Menschen vor Ort kennen, die Unterschiede sehen und aktiv nutzen, sonst wird er keinen Erfolg haben. Unsere Kunden erwarten von uns kreative Ideen und erkennen, dass diese Ideen von Mitarbeitern stammen, die eine breite Markterfahrung mitbringen. Neue Talente, die in der BASF Fuß fassen, erwarten Offenheit und Aufgeschlossenheit. Bei Vielfalt denken wir nicht nur an äußere Merkmale, wie Nationalität, Alter oder Geschlecht, sondern viel mehr an Erfahrungen und Werte. Wir arbeiten schon seit Jahrzehnten mit Kollegen aus anderen Nationen zusammen, was neu ist, ist, dass wir den Nutzen von Vielfalt erkennen und aktiv im Geschäft umsetzen. Und das ist eine Daueraufgabe.
6. Was ist die Zukunft des internationalen Personalmanagements, welche Themen werden hier die strategischen Entscheidungen bestimmen?
Wie schaffen wir es, die besten Mitarbeiter für uns zu gewinnen, auch wenn der Fachkräftemarkt immer enger wird? Wie begegnen wir der Herausforderung einer stark alternden Gesellschaft gerade in den Industrieländern? Wie stellen wir uns auf die Anforderungen der Generation Y ein? Um überall auf der Welt die besten Mitarbeiter zu gewinnen, zu halten und gemeinsam das beste Team zu bilden, braucht es dreierlei. Erstens ist es wichtig, das Talent jedes einzelnen Mitarbeiters zu erkennen, zu entwickeln und zu fördern. Zweitens müssen Unternehmen hervorragende Arbeitsbedingungen bieten – mit attraktiven Rahmenbedingungen. Und drittens brauchen wir hervorragende Führungskräfte und eine offene Führungskultur, die gegenseitiges Vertrauen, Respekt und hohe Leistungsbereitschaft fördert.
1 Dynamik des globalen Wettbewerbs
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist durch eine zunehmende Internationalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten gekennzeichnet. Stichworte wie „Globalisierung“ und „multinationale Unternehmen“ charakterisieren diesen Entwicklungsprozess, der neue Herausforderungen an die Unternehmensführung stellt. Gerade in jüngster Zeit ergaben sich in der Unternehmensumwelt zum Teil revolutionäre Veränderungen, die besonders die auslandsorientierten deutschen Unternehmen zu neuen Strategien und Konzepten zwingen, um dauerhaft ihre Wettbewerbsposition zu sichern. Beispiele für diese Veränderungen sind:
ein verstärktes Aufkommen von neuen, erfolgreichen Wettbewerbern aus den Schwellenländern, wie z.B. Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika (BRICS-Staaten),
[5]eine zunehmende Präsenz von weltweit operierenden Unternehmen aus den führenden Industrienationen auf dem deutschen Markt,
das Entstehen großer einheitlicher Wirtschaftsblöcke wie des EU-Binnenmarktes, der Nordamerika-Zone (NAFTA), der ASEAN-Staaten und der MERCOSUR-Staaten sowie
eine sich beschleunigende Entwicklung und Diffusion neuer Technologien, insbesondere im Informations- und Kommunikationsbereich.
Eines der ersten Beispiele für eine globale Strategiekonzeption stellte das „Triade-Denken“ von Ohmae (Ohmae, K., 2006) dar. In diesem Konzept wurden die drei großen Wirtschaftsregionen der Welt, Nordamerika, Japan und Westeuropa, in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen der Marktbearbeitung gerückt und die Ansicht vertreten, dass es in Zukunft von zentraler Bedeutung für den Unternehmenserfolg sein wird, in diesen wichtigsten Regionen der Weltwirtschaft gleichzeitig und dauerhaft präsent zu sein. Voraussetzung für dieses strategische Handlungskonzept ist allerdings die Erhaltung oder Gewinnung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens in allen drei Regionen. Im Rahmen der Globalisierung des Wettbewerbs wird die Erhaltung oder Gewinnung von internationalen Wettbewerbsvorteilen zur zentralen Herausforderung und Aufgabe der Unternehmensführung.
Die neuen Globalisierungskonzepte dürfen sich aber nicht nur auf den Absatz- bzw. Marketingbereich beschränken, sondern müssen alle betrieblichen Teilbereiche im Sinne einer Querschnittsaufgabe umfassen. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen wird somit nicht nur durch bestehende Produkte, Verfahren und Dienstleistungen, sondern auch durch die Innovationsfähigkeit des Managements, das Planungs- und Kontrollsystem sowie die effiziente Umsetzung strategischer Grundkonzepte in allen betrieblichen Teilbereichen bestimmt.
Im Hinblick auf die Konkurrenzsituation in den Weltmärkten kann die Struktur des (weltweiten) Wettbewerbs durch eine „Internationale Jagdlinie“ dargestellt werden (Perlitz, M., 1985b). Aus ihr wird deutlich, dass Unternehmen aus einer Reihe von Entwicklungsländern zunächst solche aus Schwellenländern „jagen“, d.h., dass diese einem verschärften Wettbewerb durch Unternehmen aus der genannten Ländergruppe ausgesetzt sind. Bei den Schwellenländern handelt es sich hauptsächlich um Staaten aus Südostasien und zum geringeren Teil aus Lateinamerika sowie aus dem früheren Ostblock. Die Unternehmen aus den Schwellenländern „jagen“ ihrerseits wiederum Unternehmen aus den Industrieländern. Zwischen diesen beiden Länderblöcken vollzieht sich im Grunde der gleiche Prozess, der vor 20 bis 25 Jahren zwischen Japan und den westlichen Industrieländern begonnen hat. Damals machten die Japaner den Europäern und den Amerikanern z.B. die Stahlindustrie, den Schiffsbau und die Uhrenindustrie streitig. Heute produzieren die Schwellenländer mehr Stahl, Schiffe und Uhren als die Industrieländer.
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Abbildung 1: Internationale Jagdlinie
Ähnliche Entwicklungen finden heute auf den Märkten für Automobile, Computer, Unterhaltungselektronik oder Kameras statt. So werden derzeit beispielsweise etwa 80% der Canon-Kameras außerhalb Japans gefertigt. Dieser Prozess der Verlagerung der Produktion von Industrieländern in erfolgreiche Schwellenländer setzt sich weiter fort.
Die großen Herausforderungen kommen derzeit aus China und Indien. Beide Länder konkurrieren durch ihre Unternehmen in zunehmendem Maße mit Unternehmen aus den Industrienationen.
Für die Unternehmen der Industrieländer ergibt sich aus der „Internationalen Jagdlinie“ die strategische Fragestellung, wen oder was sie eigentlich „jagen“? Für die Beantwortung dieser Frage sind grundsätzlich zwei strategische Denkansätze möglich.
Der erste strategische Denkansatz wird durch die rückwärts gerichteten Pfeile in Abbildung 1 symbolisiert. Mit ihnen soll verdeutlicht werden, dass Unternehmen aus Industrienationen in bestehenden Produktbereichen gegen Anbieter aus Entwicklungsländern konkurrieren bzw. mit Unternehmen aus dieser Ländergruppe wettbewerbsfähig bleiben wollen. Dieser internationale Wettbewerb spielt sich be ispielsweise auf den Gebieten des Massenstahls, der Massentextilien, der Massenchemikalien, der Massenlederwaren und der Agrarprodukte ab. Die gleiche Herausforderung ergibt sich aus dem Versuch der westlichen Unternehmen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit bei „höherwertigen“ Produkten gegenüber Unternehmen aus den Schwellenländern zu erhalten. Hierbei handelt es sich z.B. um Produkte wie Stahl, Schiffe, Automobile, Uhren, TV, Camcorder, oder Computer bzw. Computerchips.
Hierdurch gewinnt der zweite strategische Denkansatz zunehmend an Bedeutung: Nur durch Innovationen, welche einen langfristig orientierten Wettbewerbsvorteil gegenüber den Schwellenländern ermöglichen, können die klassischen Industrienationen sich im internationalen Wettkampf durchsetzen. Während Probleme der Produkt- und Prozessinnovationen [7]von Unternehmen aus Industrieländern – insbesondere im Vergleich zu chinesischen Unternehmen – häufig Gegenstand von Untersuchungen sind, ist die Betrachtung von Strategieinnovationen bisher nicht in ausreichendem Maße in das Bewusstsein des Managements vorgedrungen. Jedoch gewinnt dieser Aspekt immer mehr an Bedeutung (Sommerlatte, T., 2011; Schrank R., 2008). Heute kann bei westlichen Unternehmen gerade im Bereich der Strategie eine auffallende Gleichförmigkeit der Grundkonzepte festgestellt werden, die mit bestimmten Schlagworten, wie z.B. Qualitäts- oder Kostenführerschaft, Lean Management, Reengineering, Konzentration auf Kernkompetenzen, Outsourcing u.ä.m., die gerade „en vogue“ sind, belegt werden. Letztlich führt jedoch diese Gleichförmigkeit der strategischen Denkansätze zu einem durchschnittlichen Erfolg und lässt exzellente Unternehmen seltener oder bisher exzellente Unternehmen immer durchschnittlicher werden (Peters, T.J./Waterman, R.H., 2007).
Einerseits lässt sich das Aufholen asiatischer Unternehmen im Vergleich zu US-amerikanischen und europäischen Unternehmen erkennen, was eine zunehmende Veränderung der Wettbewerbssituation von Unternehmen aus westlichen Industrienationen gegenüber Konkurrenten aus anderen Regionen der Welt nach sich zieht. Andererseits gehörte 2011 ein großer Teil der wertvollsten Unternehmen der Welt nicht mehr zum produzierenden Gewerbe. Damit ergeben sich auch neue Problemstellungen für das Internationale Management, das sich bis heute sehr stark auf produzierende Unternehmen fokussiert hat.
Abbildung 2: Die teuersten Unternehmen der Welt
Quelle: o.V. (FAZ), 2012
[8]Im Zusammenhang mit der Tendenz einer weltweiten Strategieanpassung lässt sich feststellen, dass sich die unternehmerischen Probleme für alle Unternehmen „globalisiert“ haben. Solche Probleme sind z.B. zunehmender Wettbewerb, Globalisierung der Märkte, Marktsättigung, neue Spielregeln des Wettbewerbs oder stark schwankende Wechselkurse. So werden die Probleme für die Manager immer ähnlicher und es werden zunehmend die gleichen Methoden bzw. Konzepte benutzt, um diese Probleme strategisch zu bewältigen. Im Ergebnis kommt es damit heute zu einer „Globalisierung von Grundkonzepten und -methoden“, die von Amerika über Europa bis nach Japan bekannt sind und meist auch gleichzeitig angewandt werden. Die Zukunft wird zeigen, ob durch die neuen Schwellenländer China und Indien beziehungsweise Russland neue Wege des Managements gefunden werden.
Diese Entwicklung führt zu einer Strategieanpassung der Wettbewerber an die erfolgreichsten Unternehmen („best practice“), die letztlich zum Modell für alle anderen werden. Das Ergebnis ist eine weltweite Strategieimitation, die letztendlich wiederum zu der angedeuteten Durchschnittlichkeit führt. Exzellente Unternehmen sind jedoch durch eine Andersartigkeit geprägt, die sehr eng mit dem Phänomen der Strategieinnovation verbunden ist. Vielleicht sind die japanischen Unternehmen in der Vergangenheit u.a. gerade deshalb so erfolgreich gewesen, weil sie noch genügend Potenzial für eine ausgeprägte Andersartigkeit besaßen, während europäische bzw. amerikanische Unternehmen zu ähnlich geworden sind. In diesem Zusammenhang sind chinesische oder indische Unternehmensstrategien auch interessant zu beobachten. Die Ende der 1990er Jahre extrem hohe Bewertung der sogenannten „Net-World“-Unternehmen kann auch nur durch deren Andersartigkeit erklärt werden (teilweise betrugen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse dieser Unternehmen bis zu 4000).
Die Kurzlebigkeit solcher „Erfolgsstrategien“ zeigt sich anhand von Abbildung 3. Diese zeigt die – gemessen an ihrem Börsenwert – 20 wertvollsten Unternehmen der Welt der Jahre 1972, 1982, 1992 und 2011. Deutlich werden dabei vor allem zwei unterschiedliche Trends. Einerseits lässt sich das Aufholen der Japaner im Vergleich zu US-amerikanischen Unternehmen zumindest bis zu Beginn der 1990er Jahre erkennen, was eine zunehmende Veränderung der Wettbewerbssituation von Unternehmen aus westlichen Industrienationen gegenüber Konkurrenten aus anderen Regionen der Welt nach sich zog. Andererseits gehörte 2011 ein großer Teil der wertvollsten Unternehmen der Welt nicht mehr zum produzierenden Gewerbe und chinesische Unternehmen sind bereits sehr stark vertreten. Damit ergeben sich auch neue Problemstellungen für das Internationale Management, das sich bis heute sehr stark auf produzierende Unternehmen und westliche Managementmethoden fokussiert hat. In der Praxis lässt sich feststellen, dass seit ungefähr Mitte der 1960er Jahre die „Innovationslokomotiven“ in Gestalt der Unternehmen aus den Industrienationen auf vielen Gebieten immer langsamer vorankommen, während die Unternehmen aus den Schwellenländern, insbesondere aus Asien, gleichsam als „Waggons“, immer mehr an Tempo zulegen.
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Abbildung 3: Die 20 am Börsenwert gemessen wertvollsten Unternehmen in der Welt im Zeitvergleich (Werte in Mrd. $)
Quelle: Forbes, 2011, online
Aufgrund mangelnder Produkt-, Prozess- und Strategieinnovationen besteht für die „Lokomotive“ damit zunehmend die Gefahr, dass sie von einigen „Waggons“ überholt wird oder auf bestimmten Gebieten bereits überholt wurde. Die Bedeutung dieser Entwicklung für die Wirtschaft und die Gesellschaft in den Industrienationen zeigt sich z.B. darin, dass in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2011 fast jeder vierte Arbeitsplatz vom Export und damit von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft abhängig war (Rödl & Partner, 2012, online). Im Jahr 2008 hatte Deutschland mit 72,1 Prozent eine überdurchschnittlich hohe Außenhandelsquote. Im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise fiel die Außenhandelsquote Deutschlands im Jahr 2009 auf 61,2 Prozent. 2010 erreichte sie mit 70,7 Prozent wieder nahezu das Vorkrisenniveau (Bundeszentrale für politische Bildung, 2011; Statistisches Bundesamt, 2011, online). Ein Beispiel, wie durch ein gutes Innovationsmanagement die Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen werden kann, ist der heutige Erfolg der deutschen Automobil- und Chemieindustrie.
Von 1991 bis 2007 betrug das Wachstum bei den wissensintensiven Dienstleistungen rund 30 Prozent, in den anderen Dienstleistungsbranchen dagegen nur etwa zehn Prozent (Eickelpasch, A., 2011). Für Unternehmen stellt sich damit die Herausforderung, eine überlegene Innovationsfähigkeit zu entwickeln. Die Erhaltung oder die Gewinnung sowie die effiziente Ausnutzung von internationalen Wettbewerbsvorteilen im Ausland durch Innovationen ist ein zentraler Gegenstand des Internationalen Managements, das im Folgenden mit seinen wesentlichen Problemfeldern dargestellt werden soll.
[10] 2 Internationalisierung und Internationales Management
2.1 Begriffliche Grundlagen
2.1.1 Begriff der Internationalisierung
In der Literatur wird mit dem Begriff der Internationalisierung eine Vielzahl verschiedener Phänomene beschrieben. Das Spektrum der Betrachtungen reicht von bestimmten Formen des Markteintritts, d.h. Internationalisierung verstanden als Export, Direktinvestition im Ausland oder Lizenzvergabe ins Ausland, über Fragestellungen zur Führung ausländischer Tochterunternehmen, bis hin zur abstrakten Gleichsetzung von Internationalisierung und grenzüberschreitender Auslandstätigkeit (Macharzina, K., 1989; Colberg, W., 1989; Carl, V., 1989).
Die Trennlinie der verschiedenen Ansichten verläuft im Wesentlichen zwischen Ansätzen, die den Begriff auf ganz bestimmte funktionsbereichsspezifische Probleme beziehen und hauptsächlich am Absatzmarkt bzw. Marketing orientiert sind und solchen, die von einer funktionsübergreifenden Ausdehnung der Aktionsmöglichkeiten der Unternehmung in andere Länder ausgehen. Darüber hinaus versucht insbesondere die „Neue Institutionenökonomik“ die Internationalisierung in den Zusammenhang mit dem Überschreiten von nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen zu bringen (Erlei, M./Leschke, M./Sauerland,D., 2007; Schmidtchen, D./Schmidt-Tenz, H.-J., 2003).
Die Reduktion der Internationalisierung auf Marketingfragen und deren Problemfelder ist jedoch zu eng, da sich auch andere betriebliche Teilbereiche, wie z.B. Finanzierung, Beschaffung, Produktion oder Forschung und Entwicklung über Ländergrenzen hinweg ausdehnen können (von Behr, M., 2004; Krystek, U./Zur, E., 2002; Porter, M.E., 1989b). Die Internationalisierung ist ein Phänomen, das – zumindest konzeptionell – das Unternehmen als Ganzes umfasst. Eine ausschließlich funktionsbereichsspezifische Betrachtung der länderübergreifenden Aktionsfeldausdehnung erscheint daher nicht angebracht. Gleiches gilt für die Einschränkung des Begriffs auf die erstmalige Aufnahme von Auslandsaktivitäten.
Wie weit der Begriff der Internationalisierung ausgelegt werden kann, wird deutlich, wenn die möglichen Grundstrukturen des internationalen Wettbewerbs näher betrachtet werden. Abbildung 4 stellt diese Strukturen, die schon in den einleitenden Ausführungen zur „Internationalen Jagdlinie“ angedeutet wurden, schematisch dar.
Im Fall A konkurriert das inländische Unternehmen U1 mit dem ausländischen Unternehmen U2 auf dessen Heimatmarkt. Dieser Fall ist ebenso unproblematisch als internationaler Wettbewerb und damit als Problem der Internationalisierung anzusehen wie der Fall B, der beschreibt, dass das inländische Unternehmen U1 mit dem ausländischen Unternehmen U2 [11]auf einem Drittmarkt in Konkurrenz tritt. Von besonderem Interesse für die Begriffsbildung ist jedoch der Fall C, in dem das ausländische Unternehmen U2 mit dem inländischen Unternehmen U1 auf dessen Heimatmarkt, d.h. im Inland, in Konkurrenz tritt. Selbst bei einer solchen Situation muss im Grunde von Internationalisierung gesprochen werden, da zumindest in der Konkurrenzanalyse der Aktionsraum des Unternehmens U1 von dem Aktionsraum des ausländischen Unternehmens U2 abhängt. Eine einseitige Ausrichtung des Internationalisierungsbegriffs auf die Fälle A und B erscheint aufgrund der Zusammenhänge in Fall C nicht angebracht. Im Folgenden soll unter Internationalisierung die länderübergreifende Ausdehnung des unternehmerischen Aktionsfeldes verstanden werden, die die Fälle A, B und C einschließt.
Abbildung 4: Grundstruktur des internationalen Wettbewerbs
2.1.2 Begriff der internationalen Unternehmung
Neben der oben dargestellten prozessualen Sichtweise der Auslandsaktivität existiert in der Literatur ein institutioneller Ansatz, der das Phänomen der Internationalisierung mit dem jeweiligen Unternehmen verknüpft (Dülfer, E., 2008). Danach gilt ein Unternehmen als international, wenn es Aktivitäten im Ausland durchführt. Da eine solche Sichtweise nicht an einen bestimmten Funktionsbereich gebunden ist, erfolgt die Klassifikation der internationalen Unternehmung unabhängig von der Art der Auslandsaktivitäten. Bedeutsam ist allerdings die Frage, ab welchem Grad des Auslandsengagements eine Unternehmung als international gelten kann, da sinnvollerweise nicht jede Auslandsaktivität, wie z.B. die bloße Kreditaufnahme im Ausland, zu einer internationalen Unternehmung führt.
Trotz vieler unterschiedlicher Messkonzepte zur Beurteilung des Internationalisierungsgrades, die vom Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz über die Anzahl der Beschäftigten im Ausland bis hin zur Höhe der Direktinvestitionen bzw. der Anzahl der Tochterunternehmen im Ausland reichen, ist eine schlüssige und eindeutige Festlegung bis heute nicht gelungen (Dülfer, E., 2008). Vor dem Hintergrund der Heterogenität verschiedener Branchen und Unternehmen erscheint deshalb eine ausschließlich quantitative Festlegung aufgrund inadäquater Messkonzepte problematisch.
[12]Eine über die quantitative Abgrenzung hinausgehende Klassifikation stellt die qualitative Orientierung an den Unternehmenszielen dar. Demnach gilt eine Unternehmung dann als international, wenn die Auslandsaktivitäten zur Erreichung und Sicherstellung der Unternehmensziele von wesentlicher Bedeutung sind. In diesem Sinne soll nachfolgend auch der Begriff des internationalen Unternehmens Verwendung finden. Dabei stellt sich jedoch weiterhin das Problem, wie diese Bedeutung gemessen werden kann.
In der Literatur sind weitere Begriffe wie transnationale, multinationale oder globale Unternehmung vorzufinden (Carl, V., 1989). Hinter diesen Termini verbergen sich jedoch häufig ganz spezifische Konzepte international agierender Unternehmen, die weitere Eingrenzungen vornehmen (Müller, S., 1991; Bartlett, C.A., 1986).
2.2 Internationales Management im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre
Kaum ein anderes Themengebiet der Betriebswirtschaftslehre hat in den letzten Jahren in Wissenschaft und Praxis so viel Aufmerksamkeit erfahren wie das der Internationalisierung. Nahezu unübersehbar ist mittlerweile auch im deutschen Sprachraum die Anzahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema. Anders als in der angelsächsischen Betriebswirtschaftslehre, wo der Fachbereich „International Management“ eine lange Forschungstradition hat, ist dies in Deutschland erst seit Anfang der 1980er Jahre der Fall. Die Tagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre, die im Jahr 1982 in Berlin mit dem Generalthema „Internationalisierung der Unternehmung als Problem der Betriebswirtschaftslehre“ stattfand, kann als Geburtsstunde der umfassenden Auseinandersetzung mit Fragen der internationalen Unternehmenstätigkeit in der deutschen Betriebswirtschaftslehre gesehen werden (Lück, W./Trommsdorff, V., 1982).
In der Literatur gibt es verschiedene Konzeptionen zur Abgrenzung des Internationalen Managements (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Buckley, P.J., 1991; Carl, V., 1989; Macharzina, K./Engelhard, J., 1987; Albach, H., 1981). Dabei wird der Versuch unternommen, die konstitutiven Merkmale internationaler Unternehmenstätigkeit und deren Bedeutung für betriebswirtschaftliche Fragestellungen herauszuarbeiten. Insbesondere die spezifischen Umweltbedingungen der international tätigen Unternehmung, die im Wesentlichen in unterschiedlichen staatlichen Rahmenbedingungen und in einer fremdartigen Kultur gesehen werden, stehen im Mittelpunkt dieser Bemühungen (Dülfer, E., 2008; Buckley, P.J., 1991; Albach, H., 1981). Keines der Konzepte ist allerdings unumstritten, deshalb lässt sich bis heute das Internationale Management nicht als geschlossenes und konsistentes System wissenschaftlich geprüfter Aussagen darstellen (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Krystek, U./ Zur, E., 2002; Macharzina, K./Oesterle, M.-J., 2002; Perlitz, M., 1993; Hawkins, R., 1984).
Weit mehr Konsens ist in der Literatur hinsichtlich der Konkretisierung der Aufgaben des Internationalen Managements festzustellen. So besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, dass die Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit neue Problemstellungen [13]schafft, die für rein national agierende Unternehmen nicht von Bedeutung sind. Fragen des Währungsmanagements oder der Absicherung von Auslandsrisiken sind hier beispielhaft zu nennen. Aufgabe des Internationalen Managements ist es daher, Problemlösungen für die originären Fragestellungen zu erarbeiten, die sich aus der Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit ergeben. Hinsichtlich einer weitaus komplexeren Planungs- und Entscheidungssituation international agierender Unternehmen ist eine weitgehende Übereinstimmung vorzufinden. Zahlreiche Untersuchungen, die nationale und internationale Unternehmen in dieser Hinsicht vergleichen, teilen diese Auffassung (Wiesner, K. 2005; Macharzina, K./Oesterle, M.-J., 2002; Welge, M.K., 1981). Die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung oder Ergänzung des bestehenden betriebswirtschaftlichen Instrumentariums in Bezug auf die Komplexität der konkreten Planungsaufgabe stellt somit eine weitere zentrale Aufgabe des Internationalen Managements dar.
Trotz der weitgehenden Übereinstimmung bezüglich der Aufgaben des Internationalen Managements sind der eigenständige Charakter und die Einordnung des Faches weiterhin offen. Insbesondere sehen Vertreter aus bestehenden Funktionsbereichen in den dargestellten Problembereichen der Internationalisierung nur eine Ausdehnung der jeweiligen Funktionsbereiche um internationale Aspekte (Colberg, W., 1989). Internationales Marketing, internationale Beschaffung, internationale Finanzierung, internationale Personalpolitik etc. wären demnach als Erkenntnisobjekte der jeweiligen Teildisziplinen aufzufassen und deswegen eine eigenständige Disziplin Internationales Management bzw. Internationale Betriebswirtschaftslehre nicht notwendig.
Einer derartigen Sichtweise ist jedoch entgegenzuhalten, dass die ausschließliche Einengung der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Auslandsaktivität auf einen bestimmten Teilbereich bzw. eine Teilfunktion der Komplexität der realen Entscheidungssituation nicht gerecht werden kann und daher keine hinreichende Basis der Problemlösung darstellt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Porter, M.E., 1989b). Gerade die äußerst komplexen betrieblichen Entscheidungen internationaler Unternehmensaktivitäten sind aufgrund ihres spezifischen (Querschnitt-) Charakters funktionsübergreifend zu erforschen, was jedoch nicht heißen soll, dass eine Beschäftigung mit funktionsbereichsspezifischen Problemen der Internationalisierung sinnlos wäre. Abgesehen von der dargestellten inhaltlichsachlichen Notwendigkeit, muss eine funktionsübergreifende und damit auch eigenständige Betrachtungsweise des Faches Internationales Management einen wichtigen Beitrag für das „Denken in betrieblichen Gesamtzusammenhängen“ leisten. Ein derartiger Ansatz ist ganz im Sinne einer General-Management-Ausbildung, die an den Hochschulen jedoch mehr und mehr vernachlässigt wird. Die Betrachtung des Internationalen Managements im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Institutionslehre, wie z.B. Industrie-, Bank-, Versicherungsoder Handelsbetriebswirtschaftslehre, ist m.E. ebenfalls verfehlt. Eine Internationalisierung findet bei allen Institutionen statt. Damit müsste das Internationale Management neben den Besonderheiten der einzelnen Institutionen, die Gegenstand der institutionell orientierten Betriebswirtschaftslehre sind, die besonderen Aspekte untersuchen, die sich aus der [14]Internationalisierung dieser Institutionen ergeben. Das Internationale Management geht aber über eine reine Institutionslehre hinaus.
Damit geht der Anspruch des Internationalen Managements nicht in die Richtung einer neuen betriebswirtschaftlichen Funktions- oder Institutionslehre, sondern in Richtung einer General-Management-Lehre, die neben der Betriebs- und Volkswirtschaft auch eine Reihe von Hilfswissenschaften wie z.B. die Soziologie, die Politologie, die Rechtsoder andere Gesellschaftswissenschaften benötigt. Nur ein umfassendes Verständnis dieser Aspekte kann zu einem erfolgreichen Internationalen Management führen. Insofern ist das Forschungsgebiet „Internationales Management“ nicht als eine eigenständige betriebswirtschaftliche Funktionslehre zu sehen. Der Sinn des Internationalen Managements kann nur in der funktions- und einzelwissenschaftsübergreifenden Erfassung komplexer Tatbestände bei Auslandsentscheidungen von Unternehmen liegen. Werden diese Problembereiche von der Betriebswirtschaftslehre nicht erfasst, läuft sie Gefahr, dass die Unternehmenspraxis der wissenschaftlichen Erkenntnis immer weiter vorauseilt.
[15] 3 Triebkräfte der Internationalisierung
3.1 Märkte
Abbildung 5 macht deutlich, wie sich die Bedeutung der Regionen, gemessen am kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt, im Zeitablauf verändert hat. Von Christi Geburt an bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Asien die wirtschaftlich stärkste Region der Welt. Dann übernahm bis zum Ende des ersten Weltkrieges Europa diese Rolle. Von Ende des ersten Weltkrieges bis zum Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts war Amerika der Kontinent mit dem höchsten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt. Nun hat Asien diese Rolle wieder übernommen.
Abbildung 5: Anteil der Kontinente am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Prozent
Quelle: UNCTAD, 2012, eigene Berechnungen aus Länderdaten der Weltbank, online
Mit dieser Entwicklung kam es jeweils zu beträchtlichen Marktverschiebungen, die die Handelsströme, aber auch die Investitionstätigkeit von Unternehmen beträchtlich beeinflussten. Heute sind diese drei Weltregionen in etwa von gleicher Bedeutung für die Auslandsaktivitäten von Unternehmen mit einer Tendenz, dass Asien der am stärksten wachsende Markt der Welt ist.
3.1.1 Globale Integration der Weltwirtschaft
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam es zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung. Bis dahin hat sich die Welt weitgehend in politische Blöcke aufgeteilt (kommunistische, sowjetische, westliche und neutrale Staaten). Die neue Aufteilung der Welt stellen zunehmend Wirtschaftsblöcke dar, die unterschiedliche Formen annehmen können. Damit ergibt sich für Unternehmen ein neues Weltbild. Für unternehmerische Entscheidungen spielt es dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle, in welchen Wirtschaftsblöcken das Unternehmen in Zukunft tätig sein will. Die Vor- und Nachteile der Ausgestaltung der [16]Wirtschaftsräume spielen eine Rolle für Standortentscheidungen für die Produktion und Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen. Aber auch Fragen der Markteintrittsund Bearbeitungsstrategien hängen von den Bedingungen, die in den Wirtschaftsräumen bestehen, ab. Deshalb erscheint es sinnvoll, einen Blick auf die internationalen Wirtschaftsräume zu werfen.
Globalisierung vs. Regionalisierung
In den letzten Jahrzehnten wurde die Integration der Weltwirtschaft insbesondere durch die World Trade Organization (WTO) vorangetrieben. Durch multilaterale Handelsabkommen verfolgt die WTO das Ziel, den freien Handel von Gütern und Dienstleistungen zwischen den Mitgliedsstaaten zu sichern. Diese Abkommen haben vor allem zu der Abnahme von Zöllen und nichttarifärer Handelshemmnisse geführt (Hill, C., 2010; Welge, M.K./Holtbrügge, D., 2010).
Dem Globalisierungsprozess steht aber auch eine Regionalisierung der Wirtschaft gegenüber. Unter Regionalisierung versteht man die Bildung von regionalen Handelsblöcken, mit dem Ziel die Wirtschaft innerhalb dieser Region, durch den Abbau von Handelshemmnissen zu stärken (Hill, C., 2010).
Die Integration der Weltwirtschaft wurde insbesondere durch die Verbesserung der rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für den weltweiten Handel durch die WTO verstärkt (Welge, M.K./Holtbrügge, D., 2010). Neben dem Globalisierungstrend lässt sich auch eine wirtschaftliche Integration auf regionaler Ebene beobachten. Eine regionale wirtschaftliche Integration kommt durch Abkommen zum Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelsbeschränkungen für Güter, Dienstleistungen und Produktionsfaktoren zwischen Ländern einer geografischen Region zustande (Hill, C., 2010).
Multilaterale Handelsabkommen zwischen WTO-Mitgliedern
WTO-Mitglieder müssen die Organisation über alle regionalen Handelsabkommen informieren. Fast alle WTO-Mitglieder sind auch Mitglied eines regionalen Abkommens (Hill, C., 2010). Weltweit existieren 489 regionale Handelsabkommen/Präferenzzonen, bei denen die Waren und Dienstleistungen getrennt betrachtet werden. Weitere 380 Handelsabkommen, von denen 202 aktuell in Kraft sind, bestehen bis heute, bei denen nicht zwischen Waren und Dienstleistungen getrennt wird (World Trade Organization, 2011, online). Circa 60% des Welthandels wird durch regionale Abkommen beeinflusst (Cavusgil, T./Knight, G./ Riesenberger, J., 2012). Mitgliedsländer versprechen sich von einer wirtschaftlichen Integration einen höheren Lebensstandard durch erhöhte Spezialisierung, niedrigere Preise, größere Auswahl, höhere Produktivität und effizientere Nutzung von Ressourcen (Cavusgil, T./ Knight, G./Riesenberger, J., 2012; Hill, C., 2010).
Regionale Integrationsabkommen verfolgen das Ziel, durch steigenden Handel und Kostensenkungen Wachstums- und Entwicklungspotenziale auszuschöpfen. Für kleinere oder weniger entwickelte Länder steht der langfristig gesicherte Zugang zu Märkten mit hoher [17]Kaufkraft im Vordergrund. Große Länder erwarten gleichzeitig, dass sie trotz zusätzlicher Kosten und Verantwortung von der Kooperation profitieren. Die Motive der Zusammenschlüsse gehen allerdings über Handelsaspekte hinaus: Im Vordergrund stehen dabei politische Sicherheit, Bündelung von Interessen und die damit verbundene Stärkung der Verhandlungsmacht gegenüber anderen Gruppen und in internationalen Foren (Bundesfinanzministerium, 2012, online).
Durch die Uruguay- und Gatt-Runden versuchten Länder seit 1947 einen Abbau von Handelsbarrieren zu erreichen. Diese Bestrebungen wurden dann durch die Gründung der WTO institutionalisiert. Da diese jedoch weltweit agiert und viele Mitgliedstaaten zählt, sind Einigungen auf Abkommen sowie deren Umsetzung von längerer Dauer. Die größte Herausforderung liegt bei der Einhaltung der aufgestellten Regeln durch alle Mitglieder, insbesondere in der Agrarwirtschaft. Deshalb findet die wirtschaftliche Integration regional statt und nicht unter der Federführung der WTO. Heute verhandelt die WTO mit Wirtschaftsblöcken und versucht so die weitere Entwicklung zu steuern (Cavusgil, T./Knight, G./ Riesenberger, J., 2012; Hill, C., 2010).
Die zwei bekanntesten Wirtschafsträume/-blöcke sind die EU und die NAFTA. Man spricht von einem Wirtschaftsblock, wenn zwei oder mehrere Länder eine Freihandelszone bilden. Grenzübergreifende Investitionen sind auch charakteristisch für Wirtschaftsblöcke. In einer späteren Phase (z.B. EU) können die Liberalisierung des Kapitalmarktes und der Austausch von Arbeitskräften und Technologien hinzukommen. Die Harmonisierung der Finanz- und Währungspolitik sind weitere mögliche Schritte (Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012).
3.1.2 Entwicklungsstufen der wirtschaftlichen Integration
Die Vertiefung der wirtschaftlichen Integration in einer Region verläuft in Schüben und ist gekennzeichnet von Stillstand oder Rückschlägen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei eine stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik in den Mitgliedsländern.
Präferenzzonen sind gekennzeichnet durch Vereinbarungen von Vorzugsbedingungen, z.B. niedrigere Zölle oder höhere Einfuhrquoten für den Handel mit bestimmten Gütern.
Bei Freihandelszonen erfolgt ein weitgehender Abbau von Handelsbeschränkungen zwischen den Mitgliedsstaaten (Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 2009, online). In einer vollständigen Freihandelszone sind alle diskriminierenden Tarife, Quoten, Subventionen und administrative Behinderungen beseitigt. So wird der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten nicht verzerrt. Gegenüber Nichtmitgliedsstaaten kann jedes Land eine eigene Handelspolitik festlegen (Söllner, A., 2008). In einer Freihandelszone ist die Einführung von Herkunftsregeln („rules of origin“) unabdingbar. Sie stellen sicher, dass nur innerhalb der Freihandelszone hergestellte Güter zollbefreit sind. Die Herkunftsregeln sollen verhindern, dass Güter über das Mitgliedsland mit den niedrigsten Zöllen eingeführt und zollfrei in andere Länder innerhalb der Freihandelszone exportiert werden.
[18]Von einer Zollunion spricht man, wenn interne Handelsbeschränkungen und einheitliche Außenzölle festgelegt werden. Oftmals ist dies verbunden mit dem Abbau weiterer Hemmnisse, z.B. administrativer Art (Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 2009, online). Für die Verhandlungen über einheitliche Außenzölle, die Koordinierung der gemeinsamen Außenhandelspolitik und die Kontrolle der Handelsbeziehungen ist ein bedeutender Verwaltungsapparat notwendig. Gemeinsame Außenzölle ermöglichen andererseits die Abschaffung von komplizierten Herkunftsregeln (Söllner, A., 2008).
Ein gemeinsamer Markt liegt dann vor, wenn es zu einer Ausweitung der Freiheit des Güterverkehrs kommt. Zudem beinhaltet die Schaffung eines gemeinsamen Marktes oft auch die Liberalisierung des Kapitalmarktes, die Freizügigkeit der Arbeitskräfte und die Niederlassungsfreiheit von Unternehmen (Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 2009, online). Die freie Faktormobilität wird durch die Abschaffung von Restriktionen in Bezug auf Immigration und Emigration und freien grenzüberschreitenden Kapitalverkehr ermöglicht. Für einen gemeinsamen Markt ist ein hohes Maß an Harmonie und Kooperation in der Finanz-, Währungs- und Beschäftigungspolitik nötig (Söllner, A., 2008).
Eine Wirtschaftsunion resultiert aus der Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes mit weitgehender Vereinheitlichung der ökonomischen Rahmenbedingungen, die sowohl die Ordnungs- als auch die Prozesspolitik betreffen (Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 2009, online). Eine tiefere Integration wird durch eine gemeinsame Währung, die Harmonisierung der Steuerraten und eine gemeinsame Geld- und Finanzpolitik erreicht. Dieses hohe Maß an Integration setzt eine völlig neue Arbeitsteilung zwischen den gemeinsamen Organen und den einzelnen Regierungen voraus und erfordert einen entsprechenden Verwaltungsapparat (Söllner, A., 2008).
Abbildung 6: Entwicklungsstufen der wirtschaftlichen Integration
Quelle: In Anlehnung an: Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012; Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Welge, M.K./Holtbrügge, D., 2010
[19]Die letzte Stufe im Integrationsprozess ist eine politische Union. Sie wird durch die Schaffung gemeinsamer Institutionen für die Legislative, Judikative und Exekutive erreicht. Die EU verfügt als einziger Wirtschaftsraum bereits über supranationale Institutionen wie z.B. dem Rat der Staats- und Regierungschefs, der Kommission und dem Europäischen Parlament. Diese sind aber im Vergleich zu den nationalen Organen noch stark eingeschränkt (Welge, M.K./Holtbrügge, D., 2010; Schmidt, S./Schünemann, W. J., 2009).
3.1.3 Internationale Wirtschaftsräume
Abbildung 7: Wirtschaftsräume
EU – Europäische Union
Der europäische Binnenmarkt ist volumenmäßig der größte der Welt. Neben wirtschaftlichen Zielen will die EU auch die politische Stabilität sichern, kulturelle Vielfalt wahren und gemeinsame Werte pflegen (z.B. nachhaltige Entwicklung, gesunde Umwelt, Menschenrechte).
Die EG, in der die EU ihren Ursprung hat, wurde nach dem 2. Weltkrieg gegründet mit dem Ziel, durch politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit den Frieden zwischen den europäischen Ländern zu sichern und den Wiederaufbau des Kontinents zu beschleunigen (Europäische Union, 2012, online). Mit der abnehmenden Gefahr von Kriegen in Europa rückten in den 1950er Jahren wirtschaftliche Ziele in den Vordergrund (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010).
Nach der Einführung der Freihandelszone (1959) und der Zollunion (1968) und der Erweiterung der EU um weitere Mitglieder verlangsamte sich der Integrations- und Harmonisierungsprozess [20]in den 1970er Jahren aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen. Erst mit der Vollendung des Binnenmarktes zum 31.12.1992 erhielt die EU neuen Schwung (siehe „vier Freiheiten“ des Binnenmarktes).
Die „vier Freiheiten“ des Binnenmarktes sind (Welge, M.K./Holtbrügge, D., 2010):
1 Freiheit des WarenverkehrsErrichtung einer Zollunion, d.h. der Zusammenschluss einer Gruppe von Staaten zu einem einheitlichen ZollgebietZölle zwischen den Mitgliedsstaaten werden aufgehobenEinheitliche Zölle gegenüber DrittländernKeine mengenmäßigen Beschränkungen innerhalb der Mitgliedsstaaten (Wagner, H., 2009)Wegfall von Grenzkontrollen, Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung von Normen und Vorschriften, Steuerharmonisierung (Welge, M.K./Holtbrügge, D., 2010)
2 Freiheit des PersonenverkehrsWegfall von GrenzkontrollenNiederlassungs- und Beschäftigungsfreiheit (Wagner, H., 2009)
3 Freiheit des DienstleistungsverkehrsLiberalisierung der FinanzdiensteHarmonisierung der Banken- und VersicherungsaufsichtÖffnung der Transport- und Telekommunikationsmärkte (Wagner, H., 2009)
4 Freiheit des Kapital- und ZahlungsverkehrsKapitalverkehrskontrollen werden abgeschafftLiberalisierung des WertpapiermarktesVereinfachungen für Geld- und Kapitalbewegungen (Wagner, H., 2009)
Die Einführung des Euro war ein wichtiger Schritt zur Schaffung der Wirtschaftsunion. Ziel der Einführung des Euro ist es, die Transaktionskosten und Wechselkursrisiken zu senken und die Preistransparenz zu erhöhen (Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012).
Zunächst wurde die gemeinsame Währung 1999 in 11 Mitgliedsländern eingeführt. Am 1. Januar 2002 wurden Eurobanknoten und -münzen in 12 Mitgliedsländern in Umlauf gebracht (Europäische Union, 2012, online).
[21]Ein entscheidender Schritt in der wirtschaftlichen Vereinigung von West- und Ost- Europa war die „Osterweiterung“ um 10 Mitgliedsländer zum 1. Mai 2004 (Cavusgil, T./Knight, G./ Riesenberger, J., 2012).
Heute ist die EU ein Zusammenschluss von 28 demokratischen Ländern (Europäische Union, 2013, online). In Zukunft möchte die EU weitere Mitglieder aufnehmen und die Zusammenarbeit verstärken. Die Basis für strukturelle Anpassungen und Änderungen in den kommenden Jahren wurde mit dem Vertrag von Lissabon im Dezember 2007 gebildet. Er soll zu mehr Demokratie und Transparenz führen, Arbeits- und Abstimmungsverfahren verkürzen, die Grundrechte in der Charta verankern und eine einheitliche Stimme der EU bei globalen Fragen sicherstellen (Europäische Union, 2012, online).
Die EU basiert auf vier Organen, die im Folgenden näher beschrieben werden.
Der EU-Rat stellt das oberste Gremium der EU dar und setzt sich aus Staats- und Regierungschefs, dem Präsidenten des EU-Rates und dem Präsidenten der Kommission zusammen. Der EU-Rat legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der EU fest. Er ist zwar eine politische Instanz, wird aber nicht gesetzgeberisch tätig.
Der EU-Ministerrat entscheidet über Gesetzesvorschläge (teilweise ist jedoch die Zustimmung des EU-Parlamentes erforderlich) und umfasst die Fachminister der Mitgliedsstaaten (z.B. Rat der Umweltminister bei Umwelt-Themen). Er koordiniert die Außen- und Wirtschaftspolitik der EU und die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Bereich Justiz und Polizei. Darüber hinaus stellt er den EU-Haushalt auf und schließt internationale Verträge. Bei wichtigen Fragen ist eine einstimmige Entscheidung notwendig. In Zukunft soll es aber auch Mehrheitsentscheidungen geben.
Die Kommission ist die „Regierung“ der EU und besteht aus einem Präsidenten und einem Kommissar je Mitgliedsland. Sie schlägt Gesetze vor, überwacht deren Umsetzung und kontrolliert die Umsetzung des EU-Haushaltes und der EU-Programme.
Im EU-Parlament sitzen die direkten Vertreter der EU-Bürger (ähnlich dem Deutschen Bundestag). Es gibt 750 direkt gewählte Abgeordnete, die Gesetzen zustimmen müssen. Das Parlament hat kein Recht auf eine eigene Gesetzesinitiative. Es ist befugt, über die Hälfte der EU-Ausgaben abzustimmen, jedoch nicht berechtigt, über die Agrarausgaben zu entscheiden. In Zukunft soll dem EU-Parlament mehr Rechte eingeräumt werden.
Weitere Organe der EU sind der Gerichtshof der EU, die Europäische Zentralbank und der Europäische Rechnungshof (Europäische Union, 2012, online).
NAFTA – North American Free Trade Agreement
Bei der NAFTA handelt es sich um ein Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko. Sie wurde am 01.01.1994 gegründet. Die USA und Kanada hatten 1989 bereits ein Freihandelsabkommen abgeschlossen (North American Free Trade Agreement, 2012, online). Neben dem europäischen Wirtschaftsraum ist die NAFTA die größte Freihandelszone [22]der Welt. Vor der Gründung bestand bereits ein hoher Verflechtungsgrad zwischen den Mitgliedern (Wagner, H., 2009). Abbildung 8 gibt die wichtigsten Kennzahlen der NAFTA wieder.
* = Daten für 2011 sind Schätzwerte
Abbildung 8: Kennzahlen der NAFTA
Quelle: NAFTA, 2012, online
Ziel der NAFTA ist der Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen. Darüber hinaus existieren Sonderregelungen für bestimmte Sektoren wie z.B. für die Automobil- und Textilindustrie sowie für die Landwirtschaft und den Energiemarkt. Außerdem gibt es noch Regelungen für die Marktöffnung von Dienstleistungen, der Niederlassungsfreiheit, der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung (Wagner, H., 2009). Restriktionen für ausländische Direktinvestitionen wurden beseitigt. Ausnahmen stellen Investitionen in die mexikanische Energieindustrie und den Schienenverkehr sowie die amerikanische Flugindustrie und den Funkverkehr dar (Hill, C., 2010). Die NAFTA weist im Vergleich zu anderen regionalen Abkommen einen asymmetrischen Entwicklungsstand der Mitgliedsländer auf. Die Freizügigkeit des Faktors Arbeit zwischen Mexiko und USA/Kanada ist vertraglich ausgeschlossen. Damit sollen starke Migrationsbewegungen aus dem Schwellenland Mexiko in die nordamerikanischen Staaten verhindert werden. Trotzdem ist der Gewinner bislang insbesondere Mexiko (Wagner, H., 2009).
Seit der Gründung hat sich das Handelsvolumen zwischen den drei Mitgliedern vervierfacht und zwar auf US$ 1.011,7 Mrd. im Jahre 2011 (hierbei werden nur die Importe der NAFTA-Partner berücksichtigt) (Secretaria de Economia, 2012, online). Das gemeinsame Bruttosozialprodukt dieser drei Länder hat sich in dem Zeitraum seit dem Zusammenschluss mehr als verdoppelt: von US$ 7,6 Bill. im Jahr 1993 auf knapp US$ 18 Bill. im Jahr 2011.
Die Exporte von den USA nach Kanada haben sich im selben Zeitraum mehr als verdoppelt, dasselbe gilt für die Exporte von Kanada in die USA. Mexiko profitiert besonders von [23]dem Zugang zu den Märkten der USA und Kanada, das Exportvolumen zwischen Mexiko und der Vereinigten Staaten hat sich seit der Zugehörigkeit zur NAFTA versiebenfacht. Viele mexikanische Branchen wie Elektronik, Textilien, medizinische Produkte oder Dienstleistungen haben sich durch den gemeinsamen Markt überhaupt erst etablieren lassen. Kanada und Mexiko wickeln ca. 80% ihres Außenhandels mit den USA ab und haben 60% ihres Bestandes an Direktinvestitionen in den USA. Abbildung 9 zeigt die große Bedeutung der USA für Kanada und Mexiko bezüglich der Exporttätigkeit dieser Länder.
Abbildung 9: Exporte in die USA, 2010 (in Prozent der Gesamtexporte)
Quelle: CIA World Factbook, 2011, online
Das Pro-Kopf-Einkommen von Mexiko ist auf über US$ 9.330 (The World Bank, 2010) gestiegen. Damit ist Mexiko das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Lateinamerika (North American Free Trade Agreement, 2012, online; Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012). Die USA und Kanada profitieren von der Entwicklung Mexikos, da es sich zu einem wichtigen Absatzmarkt entwickelt hat. Zudem haben amerikanische Unternehmen die Möglichkeit, arbeitsintensive Produktionsprozesse nach Mexiko zu verlagern. Im Grenzgebiet zu den USA durften zuvor schon ausländische Unternehmen Rohstoffe und Vorprodukte zollfrei einführen. Diese Regelung wurde in dem Maquiladoras-Programm 1965 verankert, um ausländische Kapitalzuflüsse zu fördern. Mit der NAFTA wurde dieser Abbau der Zollschranken auf das gesamte Land ausgedehnt (Hill, C., 2010; Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Viele nordamerikanische Unternehmen haben folglich ihre Produktionsstätten von Niedriglohnländern in Asien nach Mexiko verlagert (z.B. Gap Inc., Liz Claiborne) (Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012). Auch wenn sich die Exporte mexikanischer Produkte erhöhten und zusätzliche Arbeitsplätze entstanden, hat die Freihandelszone zu einem signifikanten Anstieg von Importen und einem Außenhandelsdefizit für Mexiko geführt (Welge, M.K./Holtbrügge, D., 2010).
Die NAFTA hat im Gegensatz zu EU/MERCOSUR/ASEAN nicht das Ziel, eine Wirtschaftsunion bzw. eine politische Union zu werden. Sie verfügt über keine eigenen Organe, sondern nur über einen lockeren institutionellen Rahmen, dessen Hauptaufgabe es ist, die [24]Umsetzung des Abkommens zu überwachen und Auseinandersetzungen, die sich aus der Interpretation des Abkommens ergeben können, zu lösen (Welge, M.K./Holtbrügge, D., 2010; Wagner, H., 2009). Eine Erweiterung der NAFTA wird seit vielen Jahren diskutiert. Einige lateinamerikanische Länder haben bereits ihr Interesse an einer Mitgliedschaft signalisiert. Aufgrund der Anlaufschwierigkeiten der NAFTA sind die Mitglieder allerdings nicht entscheidungsfreudig. Die Gespräche über Chile als potenzielles Neumitglied laufen schon seit 1995 (Hill, C., 2010).
MERCOSUR – Mercado Comun del Sur
1991 wurde der Mercado Comun del Sur oder kurz MERCOSUR genannt gegründet. Dieser Zusammenschluss basiert auf einem bilateralen Abkommen zwischen Brasilien und Argentinien von 1988 mit dem Ziel der Schaffung einer Freihandelszone innerhalb von 10 Jahren (Hill, C., 2010; Rugman, A.M./Collinson, S., 2009). Er stellt den stärksten Wirtschaftsblock in Südamerika dar (Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012). Neben den Gründungsmitgliedern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay wurde 2005 Venezuela als assoziiertes Mitgliedsland integriert. Zwischen MERCOSUR und Chile, Bolivien, Peru, Ecuador und Kolumbien besteht ein Assoziierungsabkommen, das zu einer Präferenzzone mit Vorzugsbedingungen führte (Mercado Comun del Sur, 2012, online; Cavusgil, T./Knight, G./ Riesenberger, J., 2012; Wagner, H., 2009).
Oberstes Organ des MERCOSUR ist der Rat des Gemeinsamen Marktes, der sich aus den Wirtschafts- und Außenministern zusammensetzt (Wagner, H., 2009). Ziel von MERCOSUR ist es, einen freien Verkehr von Gütern, Dienstleistungen und Produktionsfaktoren durch den Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse zu schaffen und einen gemeinsamen Außenzoll zu erreichen (Mercado Comun del Sur, 2012, online; Wagner, H., 2009). Weitergehende Ziele sind die Harmonisierung der institutionellen Bedingungen in den Bereichen Agrar-, Industrie-, Fiskal-, Währungs-, Wechselkurs-, Kapital-, Dienstleistungs-, Transport- und Kommunikationspolitik (Mercado Comun del Sur, 2012, online; Wagner, H., 2009).
MERCOSUR setzt sich aus asymmetrischen Vertragsparteien zusammen. Nach einem erfolgreichen Start (der Handel zwischen den vier Gründungsmitgliedern vervierfachte sich zwischen 1990 und 1998) stieß MERCOSUR 1998 in eine existenzielle Krise als Folge der Währungs- und Finanzkrise in Argentinien. Insgesamt fällt die Erfolgsgeschichte daher eher bescheiden aus. Bisher ist MERCOSUR nur eine „unvollständige“ Zollunion (Hill, C., 2010; Wagner, H., 2009). Weiterhin gibt es viele Ausnahmeregelungen für den Abbau von Handelshemmnissen und für einen gemeinsamen Außenzoll (Hill, C., 2010; Wagner, H., 2009).
Relativ erfolgreich wird die Gründung der Entwicklungsbank „Banco del Sur“ im Jahre 2007 angesehen. Die Bank verfolgt unter anderem das Ziel, die regionale Wirtschaft mit Krediten zu versorgen, um dadurch das wirtschaftliche Wachstum zu beschleunigen (Wagner, H., 2009).
[25]ASEAN – Association of Southeast Asian Nations
ASEAN wurde 1967 von Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand gegründet. Weitere Mitglieder sind heute Brunei, Kambodscha, Laos, Myanmar und Vietnam.
Das oberste Organ ist die Konferenz der Staatsoberhäupter, die strategische Richtungsentscheidungen treffen kann. Der Rat der Außenminister tritt einmal jährlich zusammen und formuliert die politischen Leitlinien. Dem Rat untersteht ein Ständiger Ausschuss (Außenminister des Gastgeberlandes und die dortigen akkreditierten Botschafter der Mitgliedsländer). Der ständige Ausschuss führt die Geschäfte der ASEAN bis zum nächsten Außenministertreffen und unterbreitet den sonstigen Fachministertreffen und den ASEAN-Komitees Berichte und Empfehlungen. Des Weiteren verfügt jedes Land über ein ASEAN-Sekretariat, das für die Durchführung landesspezifischer Programme zuständig ist (Wagner, H., 2009).
Ziel von ASEAN ist die Förderung der regionalen Zusammenarbeit auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet zur Festigung des Friedens in Südostasien, um das Wachstum der Wirtschaft zu steigern. Darüber hinaus wird der Abbau von Zöllen (AFTA) auf unter fünf Prozent angestrebt. Es bestehen aber bis heute signifikante Ausnahmen.
In den ersten Jahren gab es keine nennenswerten Erfolge durch die Bildung des ASEAN. Zu Beginn der 1990er Jahre kam es jedoch zu einer Wiederbelebung der Anstrengungen zur Zielerreichung von ASEAN.
Stufenweise wurden die Zölle für eine Vielzahl an Produkten abgebaut und die maximale tarifäre Belastung auf 5% gesenkt. 1992 kam es zur Gründung der AFTA (ASEAN Free Trade Agreement). Seit dem 1. Januar 2010 befindet sich der ASEAN in der zweiten Phase. Zu diesem Zeitpunkt tritt für China das Freihandelsabkommen in Kraft. Für die ASEAN-Staaten Kambodscha, Laos, Myanmar und Vietnam wird das Abkommen erst 2018 in Kraft treten. 6.682 Zolltarife wurden seit Anfang 2010 abgeschafft. Davon sind 17 Sektoren betroffen, u.a. 12 im herstellenden Gewerbe, 5 in der Landwirtschaft, der Fischerei und im Bergbau. Des Weiteren ist ASEAN an einer Beseitigung der Zölle mit China, Japan und Südkorea interessiert (Hill, C., 2010).
[26]
* = Daten für 2011 sind Schätzwerte
Abbildung 10: Die vier großen Wirtschaftsblöcke im Überblick
Quelle: World Bank, 2012, online; NAFTA, 2012, online; Europäische Union, 2012, online; MERCOSUR, 2012, online; ASEAN, 2012, online; IMF 2011, online; Eurostat, 2011, online, CIA World Fact Book, 2012, online
Weitere regionale Handelsabkommen
Weitere Beispiele für kleinere oder weniger fortgeschrittene Wirtschaftsräume sind:
CAN – Comunidad de Naciones (=ANCOM – Andean Common Market)Es handelt sich dabei um eine Zollunion zwischen Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru und Venezuela. Der Handel innerhalb des Wirtschaftsraumes ergibt nur 5% des gesamten Handels der Mitgliedsländer. Die Anden erschweren den Transport von Gütern zwischen den Nationen (Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012; Söllner, A., 2008).
CARICOM – The Caribbean CommunityCARICOM umfasst 15 Mitgliedsländer aus der englischsprachigen Karibikregion. Bisher wurden Handelsbarrieren gesenkt, aber die geplante Zollunion wurde noch nicht umgesetzt (Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012; Hill, C., 2010).
CACM – Central American Common MarketMitglieder von CACM sind Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Dominikanische Republik. Seit der Gründung in den frühen 1960er Jahren wurde jedoch wenig Fortschritt, insbesondere wegen eines Konfliktes zwischen Honduras und El Salvador im Jahre 1969, erreicht.[27]2003 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen, da die USA Interesse an einem bilateralen Handelsabkommen mit dem Wirtschaftsblock zeigte. 2005 wurde das Freihandelsabkommen Central American Free Trade Agreement unterzeichnet (Hill, C., 2010).
APEC – Asia-Pacific Economic CooperationAPEC setzt sich aus den Ländern Australien, Kanada, Chile, China, Japan, Mexiko, Russland und USA zusammen. Das Ziel ist die Einführung von Freihandel zwischen diesen Ländern. Bisher gab es jedoch nur geringe Erfolge in den Verhandlungen, da die Mitgliedsstaaten zu unterschiedliche wirtschaftliche Interessen und Prioritäten haben (Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012; Hill, C., 2010).
EFTA – European Free Trade AgreementDie EFTA besteht aus Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Ursprünglich wurde die EFTA von ehemaligen EU- (EG-)Mitgliedern gegründet, die bei der Integration nicht über eine Freihandelszone hinausgehen wollten. Mittlerweile sind von den sieben Mitgliedern nur noch Norwegen und die Schweiz übriggeblieben und es sind Liechtenstein und Island hinzugekommen. Die anderen Länder haben sich wieder der EU angeschlossen (Rugman, A.M./Collinson, S., 2009)
Misst man die Bedeutung der wichtigsten Wirtschaftsblöcke anhand des Bruttoinlandsproduktes, dann sieht man, dass die EU und die NAFTA fast gleich groß sind und der Abstand zu den MERCOSUR- und den ASEAN-Staaten doch noch recht beträchtlich ist (vgl. Abbildung 11).
* = Daten für 2011 sind Schätzwerte
Abbildung 11: Bruttoinlandsprodukt der Wirtschaftsräume und ausgewählter Länder
Quelle: IMF, 2011, online
[28]3.2 Kosten
Der erste strategische Denkansatz aus dem Kapitel „Dynamik des globalen Wettbewerbs“ wirft die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen es den Unternehmen westlicher Industrieländer gelingen wird, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Wenn keine Unterschiede in den Produkten zwischen den internationalen Wettbewerbern auf den Weltmärkten bestehen, reduziert sich die Frage der Wettbewerbsfähigkeit weitgehend auf vorhandene Kostenvorteile. Die alleinige Ausrichtung des strategischen Denkens auf die Kostenseite erscheint jedoch für Unternehmen aus den westlichen Industrienationen wenig erfolgversprechend, da sie dann mit Unternehmen aus Ländern konkurrieren, die zum Teil 80% niedrigere Kosten haben. So hat Porter festgestellt, dass Kostenvorteile nur „flüchtige Wettbewerbsvorteile“ sind (Porter, M.E., 1999). Abbildung 12 gibt einen internationalen Vergleich der Arbeitskosten im Industriebereich für das Jahr 2010 wieder. Aus ihr wird deutlich, welche neuen Herausforderungen auf die deutsche Wirtschaft insbesondere aus den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zukommen können.
Abbildung 12: Die Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe, Landeswährung als Grundlage, Index: 2002 = 100
Quelle: U.S. Department of Labor, Bureau of Labor Statistics, December 2010
[29]
Abbildung 13: Vergleich der Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2010 (Angaben für Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) je geleistete Stunde in Euro)
Quelle: Industrielle Arbeitskosten im internationalen Vergleich, in: IW Trends, Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, 2011
3.3 Technologien
Abbildung 14: Entwicklung der Patentanmeldungen, 1978-2010
Quelle: WIPO, PCT – The international patent review, 2010, online
[30]Die globale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen hängt hauptsächlich davon ab, ob Unternehmen eine überlegene Produkt- oder Prozesstechnologie entwickeln können. So kommt es weltweit zu einem Wettrennen bezüglich überlegender Technologien. In diesem Zusammenhang kommt es zu einem beträchtlichen Aufholprozess von Unternehmen aus den sogenannten „emerging markets“. Das lässt sich aus den Anmeldungen von internationalen Patenten ableiten. Abbildung 14 zeigt, wie sich die Patentanmeldungen vom Ende der 1970er Jahre bis heute entwickeln haben. Aus ihr wird deutlich, wie stark die Anzahl an Patentanmeldungen in diesen Jahren zugenommen hat. Während bis zum Jahre 2000 die meisten Patentanmeldungen von Unternehmen aus den klassischen Industrienationen kamen (vgl. Abbildung 15), sind heute Unternehmen aus Süd-Korea und China unter den Top 7 Anmeldern für Patente zu finden. Damit erweitert sich der Kreis technologiegetriebener Wettbewerber und die Herausforderung für die bisherigen Technologieführer wird immer globaler (vgl. Abbildung 16 und Abbildung 17).
Abbildung 15: Patentanmeldungen im internationalen Vergleich 1990-2000
Quelle: WIPO, 2010, online
Patentanmeldungen sind im Rahmen des Innovationsprozesses zwar nur ein erster Indikator für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen, jedoch sind sie langfristig ein Indikator für die Innovationspotenziale von Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern. Die Umsetzung von Ideen in global marktfähige Produkte ist Gegenstand des Innovationsmanagements (vgl. Kapitel 9 des Buches) und auf diesem Gebiet entscheidet sich, welchen Unternehmen das 21. Jahrhundert gehören wird. Es bleibt abzuwarten, wie Unternehmen aus den übrigen Schwellenländern wie z.B. Brasilien, Russland, Südafrika oder Indien in diesen Wettbewerb eingreifen werden. Für Unternehmen aus den klassischen Industrienationen ist der technologische Vorsprung überlebensnotwendig und das Innovationsmanagement von zentraler Bedeutung für zukünftige Erfolge auf den Weltmärkten.
[31]
Abbildung 16: Patentanmeldungen im internationalen Vergleich 1990-2010
Quelle: WIPO, 2010, online
Abbildung 17: Patentanmeldungen im internationalen Vergleich 1990-2010
Quelle: WIPO, 2010, online
[32]3.4 Formen der Internationalisierung
3.4.1 Export
Die Bedeutung der Internationalisierung für Länder, Branchen und Unternehmen soll nachfolgend exemplarisch anhand einiger Entwicklungen der Weltwirtschaft dargestellt werden. Angesichts der Vielschichtigkeit der internationalen Wirtschaftsbeziehungen erfolgt diese Darstellung anhand verschiedener Indikatoren, die sich auf unterschiedliche Betrachtungsebenen beziehen. Neben der Welt- und Länderperspektive soll auch die Branchen- und Unternehmensebene erfasst werden, um einige wichtige Entwicklungen zu verdeutlichen.
* = Prognose
Abbildung 18: Entwicklung des Welthandelsvolumens (in Mrd. US$)
Quelle: WTO, 2010, online
Betrachtet man zunächst die Entwicklung der weltweiten Exporttätigkeit von Unternehmen, die sowohl in den nationalen Handelsstatistiken als auch von der UNO, der OECD sowie dem IMF erfasst werden, so kann man feststellen, dass sich das Welthandelsvolumen zwischen 1980 und 2011 nominal nahezu verachtfacht hat.
Die Weltexporte unterscheiden sich nur geringfügig von den Weltimporten. Die Differenzen ergeben sich aus unterschiedlichen Methoden der Wertstellung. So werden Importe überwiegend zu CIF-Preisen (cost insurance freight) und Exporte vornehmlich zu FOB-Preisen (free on board) bewertet (Marschner, H., 1989).
Welche Bedeutung dem Welthandel zukommt, wird im Vergleich zur Entwicklung des Weltbruttosozialproduktes deutlich. Wie Abbildung 19 zeigt, ist das Welthandelsvolumen in den letzten 40 Jahren im Durchschnitt stärker gewachsen als das Weltbruttosozialprodukt. Sie unterstellt als Ausgangssituation das Jahr 1950 und beginnt mit einem Index von 100 für den Welthandel und das Weltbruttosozialprodukt. Es wird ersichtlich, dass bis zum Jahre 2010 der Index für den Welthandel rund zweieinhalbmal so stark angestiegen ist wie der für das Weltbruttosozialprodukt. Für die Unternehmensstrategie stellt somit der Außenhandel einen der zentralen „Wachstumsmärkte“ dar.
[33]
Abbildung 19: Entwicklung des Welthandels und des Weltbruttosozialproduktes seit 1950 (Index 1950 = 100)
Quelle: WTO, 2010, online
Ein wesentlicher Grund für das Wachstum des Welthandels ist in der Beseitigung bzw. dem Abbau von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen zu sehen, die insbesondere im Rahmen der verschiedenen GATT-Zollsenkungsrunden und der Welthandelsrunden der WTO erfolgten. So sank beispielsweise der durchschnittliche Zoll auf Industriegüter von 40% im Jahr 1940 auf 3,2% im Jahr 2005 (Bchir, M.H./Jean, S./Laborde, D., 2006).
Abbildung 20: Anteile am Welthandel in Prozent
Quelle: Rodrigue, J.-P./Comtois, C./Slack, B., 2011
[34]Die aggregierte Betrachtung der Entwicklung des Welthandelsvolumens sagt aber noch nichts über die länderspezifische Bedeutung des Außenhandels aus. In den letzten Jahrzehnten wechselten sich in der Spitze der Exportnationen die USA und Deutschland als „Exportweltmeister“ ab, heute kommt diese Rolle China zu (vgl. Abbildung 20).
Häufig wird die Globalisierung mit einer Intensivierung des Welthandels verbunden. Betrachtet man jedoch die weltweiten Handelsströme, so lässt sich feststellen, dass über 70% des Welthandels Regionalhandel ist. Dieser regionale Handel hat sich durch die Entwicklung der Wirtschaftsblöcke intensiviert und ist die treibende Kraft des Anstieges der Weltexporte. Im Zusammenhang mit dem Export kommt es damit mehr zu einer Regionalisierung als zu einer Globalisierung des Welthandels (vgl. Abbildung 21).
Abbildung 21: Globaler und regionaler Handel in Prozent des Welthandels
Quelle: UNCTAD, IMF und Worldbank, 2010, online
Die Regionalisierung des Welthandels wird auch dadurch deutlich, wenn man die größten Weltregionen im Einzelnen betrachtet. Bei der Beschreibung der NAFTA-Zone wurde bereits darauf hingewiesen, dass fast 80% des Außenhandels von Mexiko und Kanada mit den USA abgewickelt werden.
Abbildung 22 zeigt, dass auch die meisten EU-Länder ihren Handel weitgehend untereinander tätigen.
[35]
Abbildung 22: Hauptexportpartner ausgewählter Länder, 2010 (in Prozent der Gesamtexporte)
Quelle: CIA Factbook, 2011, online
Betrachtet man die asiatischen Länder, so zeigt Abbildung 23, dass auch diese etwa 50% ihres Handels untereinander betreiben.
Abbildung 23: Bestimmungsorte asiatischer Exporte in Prozent
Quelle: Worldbank, 2012, online; eigene Berechnungen
Die Regionalisierungstendenzen des Welthandels werden wohl in Zukunft weiter zunehmen, da aufgrund der Wirtschaftskrisen in der Welt, trotz WTO und ähnlicher Abkommen, ein zunehmender Protektionismus zwischen den Wirtschaftsblöcken erwartet werden kann. Darüber hinaus sind die Unternehmen immer globaler aufgestellt, so dass sie die Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen weitgehend aus der Region bedienen können und sie somit Exporte aus ihren Heimatländern nur noch auf wenige „strategische” Produkte reduzieren.
Abbildung 24 zeigt die Entwicklung von Wareneinfuhr und -ausfuhr für die Bundesrepublik Deutschland. Aus ihr wird ersichtlich, dass bis auf die Krisenjahre 2009 und 2010, fast ein permanenter Anstieg der Exporte stattfand.
[36]
Abbildung 24: Entwicklung der Warenimporte und -exporte der Bundesrepublik Deutschland
Quelle: Deutsche Bundesbank, 2011 (verschiedene Berichte)
Der Anteil der Exporte am gesamten Bruttoinlandsprodukt Deutschlands betrug im Jahre 2011 28,8%. Auch für andere westliche Industrienationen ist der Export von ähnlicher Bedeutung. So betrug 2011 die Exportquote in Frankreich 20,6%, in Großbritannien 20,0% und in den USA 10,0% (CIA World Fact Book, 2012, online).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Exportgeschäft für viele deutsche Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen einen wesentlichen Teil der gesamten Geschäftstätigkeit ausmacht und von zentraler Bedeutung für den Erfolg dieser Unternehmen ist. Gleichzeitig führt die zunehmende internationale Verflechtung nicht nur zu Entwicklungspotenzialen für die Unternehmen, sondern auch zu Risiken durch neue und z.T. bessere Konkurrenzunternehmen.
3.4.2 Direktinvestitionen
Neben der Aufnahme und Durchführung von Ex- und Importen stellt der direkte Transfer von Kapital und Management-Know-how, z.B. in Form von Direktinvestitionen bzw. Lizenzvergaben vom oder ins Ausland, eine weitere wichtige Möglichkeit internationaler Unternehmenstätigkeiten dar.
Betrachtet man den Bestand der deutschen Direktinvestitionen im Ausland und den Bestand ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland als Indikatoren für die Bedeutung der internationalen Unternehmenstätigkeit, so ist hier eine kontinuierliche Zunahme deutscher Direktinvestitionen im Ausland festzustellen, während die Bestände ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland seit ca. 2005 nur unterproportional ansteigen (vergleiche Abbildung 25).
[37]
Abbildung 25: Bestand der unmittelbaren Direktinvestitionen von Ausländern in Deutschland und deutscher unmittelbarer Direktinvestitionen im Ausland
Quelle: Deutsche Bundesbank, 2012, online
Im globalen Umfeld lässt sich feststellen, dass Entwicklungs- und Schwellenländer seit der Jahrtausendwende in zunehmendem Maße an der Entwicklung des internationalen Direktbestandes an Direktinvestitionen partizipieren. Wie Abbildung 26 zeigt, war diese Entwicklung noch im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts weitgehend entkoppelt. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung sind die Erfolge asiatischer Schwellenländer.
* = Entwicklungsländer: Alle afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Länder mit Ausnahme Japans.
Abbildung 26: Weltweite Direktinvestitionen
Quelle: UNCTAD, 2011, online
3.4.3 Lizenzen
Für eine Vielzahl von Unternehmen sind Exporte oder Direktinvestitionen aus finanziellen oder personellen Gründen nicht möglich. Darüber hinaus verfügen viele, vor allem mittelständische Unternehmen, über zu geringe oder keine Erfahrung bezüglich internationaler [38]Aktivitäten. Andere Unternehmen scheuen das Risiko, welches mit ausländischen Geschäften auftreten kann, und versuchen den Kapital- und Personaleinsatz zu minimieren. In diesem Zusammenhang wird die Vergabe von Lizenzen an ausländische Unternehmen interessant. Abbildung 27 macht deutlich, dass die grenzüberschreitende Lizenzvergabe in den letzten 10 Jahren für deutsche Unternehmen an Bedeutung zugenommen hat. Einerseits kommt es zu einem Anstieg von deutschen Unternehmen, die von ausländischen Unternehmen Lizenzen kaufen, und andererseits verkaufen deutsche Unternehmen zunehmend mehr Lizenzen an ausländische Unternehmen. Auch diese Entwicklung macht die zunehmende internationale Verflechtung deutscher Unternehmen mit dem Ausland deutlich.
Abbildung 27: Zahlungsströme aufgrund von An- und Verkäufen von Lizenzen und Patenten in der Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland
Quelle: Deutsche Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik, 2012, online
[39]3.5 Marktteilnehmer
3.5.1 Unternehmen
Abbildung 28: Auslandsquoten deutscher Großunternehmen in %
Quelle: Hoppenstedt Bilanzdatenbank, Geschäftsberichte
Abbildung 28 zeigt die Auslandsquote von deutschen Großunternehmen aus verschiedenen Branchen, die als Auslandsumsatz in Prozent des Gesamtumsatzes gemessen wird.
Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass eine Vielzahl von deutschen Großunternehmen mehr als die Hälfte des gesamten Konzernumsatzes im Ausland erwirtschaftet. Bemerkenswert für die deutsche Wirtschaft ist allerdings, dass sich auch mittelständische Unternehmen immer mehr im Ausland engagieren.
Die bisher genannten Zahlen bezogen sich in erster Linie auf den Absatzbereich der Unternehmung. In der Unternehmenspraxis sind aber auch andere Unternehmensbereiche in wachsendem Maße von der Internationalisierung der jeweiligen Aktivitäten betroffen. Im Folgenden soll dies am Beispiel der Funktionsbereiche Personal, Beschaffung und Finanzen exemplarisch dargestellt werden.
Der Personalbereich ist durch eine zunehmende internationale Verflechtung gekennzeichnet. Beispielhaft sei hier die Entwicklung des Anteils der Beschäftigten im In- und Ausland beim Henkel-Konzern genannt, die Abbildung 29 wiedergibt.
Auch der Finanzbereich von Unternehmen sieht sich einer wachsenden Verflechtung der internationalen Kapitalmärkte gegenüber, die die Unternehmen bei Finanzierungsentscheidungen berücksichtigen müssen. Verknüpft man diese Entwicklung mit der Notwendigkeit, Zahlungsströme unterschiedlichster Währungen, die wiederum aus dem Absatz und/ oder der Beschaffung in verschiedenen Ländern resultieren, zu steuern und effizient zu koordinieren, so wird deutlich, welche Bedeutung die Internationalisierung für den Finanzbereich einer Unternehmung hat.
[40]
Abbildung 29: Beschäftigte der Henkel KGaA (Konzern) im In- und Ausland
Quelle: Henkel KGaA (Hrsg.): Geschäftsberichte, Ergänzung durch Hoppenstedt Bilanzdatenbank; Henkel, 2010, online
Eindrucksvoll ist auch die Entwicklung im Bereich der Beschaffung und der Produktion. Abbildung 30 erläutert die Komponentenherkunft am Beispiel der Produktion des Smart fortwo. Aus diesem Schaubild wird deutlich, welchen Grad die Internationalisierung die Beschaffung erreicht hat. Zu Recht kann daher die moderne Unternehmung als ein komplexes Netzwerk internationaler Beziehungen bezeichnet werden. Das Management der Probleme, die sich aus der Internationalisierung für viele Unternehmen ergeben, wird zunehmend zu einer zentralen Überlebensfrage, weshalb die Bedeutung internationaler Unternehmenstätigkeit sowohl für die einzelne Unternehmung als auch für Branchen und Volkswirtschaften nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Abbildung 30: Komponentenbeschaffung für den Smart fortwo
Quelle: o.V., 2003b
[41]Allerdings ist diese Betrachtung für eine betriebswirtschaftliche Beurteilung immer noch zu undifferenziert. Deshalb wird im Folgenden die Bedeutung der Auslandstätigkeit aus dem Blickwinkel einzelner Branchen dargestellt. Als Beleg dafür gibt Abbildung 31 die jeweiligen Auslandsquoten unterschiedlicher Branchen wieder.
* = Daten für 2011 sind Schätzwerte
Abbildung 31: Exportquoten der Bundesrepublik Deutschland in verschiedenen Branchen
Quelle: Commerzbank, 2011, online
* = Erstes Quartal
Abbildung 32: Verwaltetes Hedgefonds-Vermögen
Quelle: o.V. (FAZ), 2011a
Während Pensionsfonds schon sehr lange als internationale Investoren auftreten und riesige Vermögen von Versicherten weltweit anlegen und damit insbesondere globale Portfolioinvestitionen förderten, treten seit Beginn der 1990er Jahre zunehmend Hedgefonds auf. Diese Unternehmen sammeln von Banken und Privatpersonen sehr hohe Kapitalmittel ein (vgl. Abbildung 32), um sie dann weltweit in Unternehmen zu investieren. Damit wird ein Großteil der Direktinvestitionen im Ausland durch Hedgefonds initiiert und forciert.
[42]
Abbildung 33: Die größten Hedgefonds – Verwaltetes Vermögen in Milliarden Dollar
Quelle: o.V. (FAZ), 2011b
Hedgefonds tätigen meist keine reinen Portfolioinvestitionen, sondern nehmen oft entscheidenden Einfluss auf die Unternehmenstätigkeit. Dies erfolgt meist über eine Beteiligung am Management. Abbildung 33 stellt die größten Hedgefonds-Unternehmen vor und zeigt, über welche beträchtlichen Investitionssummen diese Unternehmen verfügen. Da meist die Investitionen der Hedgefonds auf eine begrenzte Zeit angelegt werden, kommt es jährlich zu erheblichen Verschiebungen der Direktinvestitionen bezüglich der Branchen und der Regionen, in denen Investitionen getätigt werden. Damit werden Branchen oder Regionen in der Welt attraktiver oder wenig interessant für andere Investoren.
3.5.2 Staaten
In den letzten beiden Jahrzehnten kam es in den rohstoffreichen und stark wachsenden Ländern zu einer erheblichen Akkumulation von Kapital. Die stark wachsenden „emerging markets“ benötigten vermehrt Rohstoffe für ihre Entwicklung, so dass insbesondere die rohstoffreichen Öl- und Gasländer einen sehr hohen Kapitalzufluss haben. China hat mit seiner Exportorientierung einerseits einen hohen Rohstoffbedarf, der den rohstoffreichen Ländern zugutekommt. Andererseits sammelt es durch seine Exporte sehr viel Kapital an. Oft wird dieses Kapital von Staatsfonds, die in diesen Ländern gegründet wurden, verwaltet. Abbildung 34 macht deutlich, dass außer Norwegen und Russland die größten Staatsfonds aus asiatischen Ländern kommen. Damit beeinflussen die Entscheidungsträger dieser Länder in zunehmendem Maße die Investitionsströme weltweit und nehmen damit auch Einfluss auf die Unternehmenspolitik vieler Unternehmen aus den klassischen Industrienationen.
[43]
* = Schätzung
Abbildung 34: Staatsfonds: Dezember 2011, Mrd. US$
Quelle: o.V. (The Economist), 2011c
Fallstudie: Internationale Marktanalyse im Nutzfahrzeugmarkt: Analyse des Busmarktes für MAN Truck & Bus
Internationale Marktanalyse im Nutzfahrzeugmarkt: Analyse des Busmarktes für MAN Truck & Bus | |
Axel Nösner, Geschäftsführer, KnowledgeAgent GmbHStefan Zwerenz, Head of Market & Competitor Analysis Light Vehicles & External Engines, MAN Truck & Bus AG |
Die MAN Truck & Bus AG ist einer der führenden Bushersteller weltweit. Im Rahmen der Innovations- und Internationalisierungsstrategie stellt sich für MAN die Frage des Reifegrades im alternativ angetriebenen chinesischen Busmarkt. China ist einer der wichtigsten Wachstumsmärkte im Nutzfahrzeugbereich. Als Spezialist für Markt und Wettbewerb unterstützt KnowledgeAgent MAN bei der Analyse und Lösung strategischer Sachverhalte. Ein Team vor Ort analysierte den Markt und beurteilte den Marktreifegrad.
Status der alternativ angetriebenen Busse in der Nutzfahrzeugindustrie
Der Markt für Busse lässt sich in die drei Produktsegmente Stadtbusse, Überlandbusse und Reisebusse einteilen. Die Verwendung alternativer Antriebe konzentriert sich aufgrund der besonderen Nutzungscharakteristika und nicht zuletzt aufgrund der Reichweite vor allem auf das Segment der Stadtbusse.
[44]
Abbildung 35: Entwicklung Gesamtmarkt Bus Europa, >8 t, Stückzahlen
Quelle: MAN Truck & Bus AG
Im Jahr 2010 wurden in Europa, wie in Abbildung 35 dargestellt, ca. 28.500 Busse mit einem Gesamtgewicht über 8 Tonnen abgesetzt, wovon der Marktanteil alternativ angetriebener Busse bei ca. 5% lag. Der Trend alternativ angetriebener Busflotten ist vor allem im Stadtbussegment seit 2008 ansteigend und weiteres Marktwachstum wird neben Europa vor allem in Nordamerika, Japan und den BRICS-Staaten erwartet.
Metropolen wie London (UK) beschäftigen sich im Rahmen von Testflotten bereits seit einigen Jahren mit der Einführung von alternativ angetriebenen Bussen. 2010 wurde ein Plan des Bürgermeisters Boris Johnson bekannt, wie die bisher 8.000 vor allem konventionell angetriebenen Londoner Busse ab 2012 sukzessive durch eine alternativ angetriebene Flotte ersetzt werden sollen (siehe Abbildung 36).
Abbildung 36: Simulation Austausch der Busflotte der Londoner Verkehrsbetriebe
Quelle: Handelsblatt, 2010, online
Trotz ambitionierten Vorgehens ist, wie die Simulation in dieser Abbildung deutlich macht, eine vollständige Substitution vor 2028 kaum denkbar. Dies zeigt, dass es in Europa zwar [45]einige Pilotprojekte im Bereich alternativ angetriebener Stadtbusse gibt, eine dynamische Entwicklung mit starkem Wachstumspotenzial aber erst in den Anfängen steckt.
Um die Technologie weiterzuentwickeln und die Preise nachhaltig zu senken, ist für die Hersteller jedoch eine Steigerung der Produktions- und Absatzzahlen von großer Bedeutung. Neben den momentan noch hohen Preisaufschlägen für alternative Antriebstechnologien spielen vor allem technische Hindernisse eine große Rolle:
Busse mit bspw. Hybridtechnologie sind durchschnittlich noch bis zu 50% teurer als vergleichbare Busse mit konventioneller Antriebstechnologie,
eine Entwicklung zuverlässiger und leistungsfähiger Batterien, die eine ausreichende Fahrleistung ermöglichen, steht noch am Anfang,
des Weiteren sind die Total Cost of Ownership (TCO) solcher Fahrzeuge ebenfalls noch wesentlich höher als bei verbrennungsmotorisch betriebenen Bussen.
Wachstumspotenziale alternativ angetriebener Busse in China für die MAN Truck & Bus AG
Durch die kontinuierliche Marktbeobachtung wurde MAN auf die jüngsten Entwicklungen im Bereich hybrider und elektrischer Stadtbusse in China aufmerksam. Demnach forciert die chinesische Regierung die Entwicklung dieses Marktsegments mit einem ambitionierten Plan, der vorsieht, in kurzer Zeit eine Flotte von je 1.000 Fahrzeugen in zehn Städten zu realisieren. In der Zwischenzeit wurde dieser Plan zunächst auf dreizehn, später auf zwanzig Städte ausgeweitet. Entsprechende Subventionen wurden vom chinesischen Staat verabschiedet.
Subventionen für Busse mit einer Länge von mehr als 10 Metern (in RMB pro Fahrzeug)
Abbildung 37: Subventionen für Busse mit alternativen Antrieben
Quelle: KnowledgeAgent Research
Um eine Bewertung des Marktreifegrades für die MAN Truck & Bus AG in das Segment der alternativ angetriebenen Stadtbusse in China vorzunehmen, wurde eine umfangreiche Analyse durchgeführt. Ziel hierbei war es, ein realistisches Bild der Markttreiber, des [46]Marktpotenzials, des Wettbewerbs- sowie des Supply-Chain-Umfeldes zu erhalten. Diese Market Insights sind erforderlich, um den Marktreifegrad bestimmen und das Marktpotenzial einschätzen zu können. Die Analyse des Marktumfeldes wurde von MAN an KnowledgeAgent, einen externen Spezialisten für Markt- und Wettbewerbsinformationen, vergeben. Im Rahmen des Projektes wurde ein zweistufiges Verfahren von Sekundär- sowie Primärquellenauswertung durchgeführt.
Die Auswertung englischsprachiger internationaler Fach- und Tagespresse führte zu ersten Anhaltspunkten:
Einige chinesische Hersteller melden große Auftragsvolumina im Bereich hybrider Stadtbusse.
Die Zielvorgaben der Regierung deuteten auf ein großes Marktpotenzial und eine rasante Marktentwicklung hin.
Eine Vielzahl an chinesischen Herstellern präsentierte im Internet bereits serienreife Stadtbusmodelle mit Hybrid- bzw. Elektroantrieb.
Aufgrund der langjährigen Erfahrung mit dem Kommunikationsverhalten chinesischer Unternehmen konnte man darauf schließen, dass eine übertrieben positive Darstellung der realen Sachverhalte in China durchaus üblich ist. Um ein objektiveres Bild der Lage zu bekommen, wurde anschließend eine Befragung von Wissensträgern (Primärquellen) in der Branche durchgeführt. Aufgrund der kulturellen Unterschiede ist dies in der Regel nur vor Ort möglich, meist über persönliche Treffen und Face-to-Face-Interviews. Über das chinesische Research-Team der Fa. KnowledgeAgent wurden entsprechende Wissensträger identifiziert und befragt, u.a. aus den folgenden Organisationsbereichen:
Hersteller von Stadtbussen sowie Zulieferer von hybrider bzw. elektrischer Antriebstechnologie
Kommunale Stellen, die für die Gewährung von Subventionen zuständig sind
Kommunale Stellen, die für die Beschaffung von Stadtbussen zuständig sind
Flottenbetreiber von Stadtbussen in verschiedenen Städten und Landesteilen
Die Durchführung der Interviews war bedeutend aufwendiger als die Auswertung der Sekundärquellen, ergab jedoch ein wesentlich realistischeres Marktbild. Dieses war davon geprägt, dass die offiziellen Zielvorgaben der Regierung bei Weitem nicht eingehalten wurden. Abbildung 38 verdeutlicht die Abweichung der Umsetzung von dem ursprünglichen Regierungsplan. Statt der geplanten 10.144 Fahrzeuge wurden nur rund 2.182 Fahrzeuge in den dreizehn betrachteten Städten angeschafft. Dies bedeutet, dass das tatsächliche Marktvolumen nur rund ein Fünftel des geplanten Marktvolumens ist.
[47]
Abbildung 38: Analyse tatsächlicher Stückzahlen
Quelle: KnowledgeAgent Research
Im Bereich der Technologie wurden die 15 wichtigsten Hersteller und ihre Produkte analysiert. Hier zeigte sich auf Basis der durchgeführten Interviews, dass es enorme technische Probleme mit den Stadtbussen gab, weshalb eine Vielzahl der angeschafften Busse gar nicht eingesetzt wurde bzw. nicht im Hybridmodus betrieben wurde.
Wichtiger noch als die realistische Sicht auf Marktvolumen und Technologiestatus ist jedoch die Erkenntnis, dass ein starker lokaler Protektionismus bei der Vergabe der Aufträge besteht. Dies bedeutet nicht nur, dass lediglich chinesische Hersteller in den Genuss der Subventionen kommen, sondern auch, dass bei Neuanschaffungen in der Regel nur lokale Hersteller berücksichtigt werden. Dies führt zusätzlich zu einer starken Fragmentierung des Marktes, in dem sich neben den vier großen Herstellern (Foton, Yutong, Kinglong-Higer und Golden Dragon) zahlreiche kleine, regionale Spieler bewegen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass China einerseits in vielen Bereichen der wichtigste Wachstumsmarkt ist und sicherlich enorme Chancen bietet, andererseits aber auch die kulturellen Aspekte und insbesondere die Verflechtung von Wirtschaft und Politik fallspezifisch berücksichtigt werden müssen.
Einige der Schwierigkeiten, mit denen KnowledgeAgent im Rahmen der internationalen Marktanalyse zu kämpfen hatte, wurden bereits erwähnt. So ist es zum Beispiel in China gang und gäbe, dass reale Sachverhalte stark geschönt dargestellt werden – im hier vorliegenden Fall die Auftragsvolumina hybrider Stadtbusse und die Serienreife alternativer Antriebstechnik.
Ein weiteres Problem stellt selbstverständlich auch die Sprachbarriere dar. Durch die Kenntnis der Landessprache erschließt sich eine weitaus größere Zahl an Quellen. [48]Face-to-Face-Interviews sind Befragungen übers Telefon vorzuziehen, da sie es dem Interviewer ermöglichen, detailliertere und präzisere Informationen zu erlangen als dies bei Telefonaten möglich ist.
Diese Aspekte zeigen, wie wichtig es ist, bei der Analyse von internationalen Märkten und Wettbewerbern auf lokale Kenntnisse und Fähigkeiten zurückgreifen zu können. Auch hier gilt: „Think global – act local“.
Fragen zur Fallstudie
1 Welche Gründe sprechen für eine Internationalisierungsstrategie im Bereich von alternativ angetriebenen Stadtbussen?
2 Wie schätzen Sie die Marktsituation in Europa ein?
3 Wie schätzen Sie die Marktsituation in China ein?
4 Wie schätzen Sie die Wettbewerbersituation in China ein?
5 Worin zeigen sich kulturelle Unterschiede bei der Nutzung von Primär- und Sekundärquellen in China im Vergleich zu Europa?
6 Glauben Sie, es ist für einen europäischen Hersteller sinnvoll, in den Markt für alternativ angetriebene Busse in China einzusteigen?
Quellen
Theorie
Grant, R.M., 2012: Contemporary Strategic Analysis Text and Cases, 8th Edition, Chichester (UK), John Wiley & Sons Ltd.
Wright, M./Filatotchev, I./Hoskisson, R.E./Peng, M.W., 2005: Strategy Research in Emerging Economies: Challenging the Conventional Wisdom, Journal of Management Studies, 42(1), pp. 1-33.
Wright, S./Calof, J.L., 2006: The Quest for Competitive, Business and Marketing Intelligence: A Country Comparison of Current Practice, European Journal of Marketing, 40(5/6), pp. 453-465.
Daten
Handelsblatt, 2010: Metropolen fahren mit Hybridbussen voraus, www.handelsblatt.com Abrufdatum, 24.09.2010.
ChinaCarTimes, 2010: Government Confirms Subsidies for Hybrid and New Energy Vehicles, www.chinacartimes.com, Abrufdatum, 02.06.2010.
[49]Literaturempfehlungen
Basisliteratur
Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., New Jersey: Pearson, [Kapitel 2: „Globalization of Markets and the Internationalization of the Firm“, S. 64-93].
Kutschker, M./Schmid, S., 2011: Internationales Management, 7. Aufl., München, [Kapitel 3: „Theorien der internationalen Unternehmung“, S. 379-481; Kapitel 7: „Dynamik in der internationalen Unternehmung“, S. 1083-1211].
Vertiefungsliteratur
Morasch, K./Bartholomae, W., 2011: Internationale Wirtschaft, Lucius: München.
Rodrigue, J.-P./Comtois, C./Slack, B., 2011: The Geography of Transport Systems, Second Edition, Routledge.