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[50][51]Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewebs


[52]Standpunkt: Herausforderung der Globalisierung

Prof. Hans-Olaf HenkelHans-Olaf Henkel war in verschiedenen internationalen Managementpositionen für IBM tätig. Von Anfang 1995 bis Ende 2000 war er Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), von 2001 bis 2005 Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Heute lehrt Henkel als Honorarprofessor an der Universität Mannheim.

1. Wird sich die Globalisierung, welche die Weltwirtschaft in den letzten Jahrzehnten geprägt hat, mit der gleichen Dynamik fortsetzen?

Das Wachstum der Weltwirtschaft wurde in den letzten Jahren durch den Aufholprozess der Schwellenländer, insbesondere der BRIC-Staaten, bestimmt. Ich glaube nicht, dass dieses Wachstum im gleichen Maße wie bisher verlaufen wird. Es wird trotzdem schneller verlaufen als in den USA und Europa, vor allem wird der Welthandel auf Jahrzehnte schneller wachsen als der Durchschnitt des Wachstums der einzelnen BIPs. Dazu werden Länder beitragen, die bisher nicht so im Fokus des Interesses standen, wie Indonesien, Mexiko, Südostasien und die nordafrikanischen Länder. Entscheidend bleibt, dass Marktwirtschaft, Menschenrechte und Demokratie weiter fortschreiten. Hier haben China und Russland einen strategischen Nachteil gegenüber anderen Ländern wie Indien, Brasilien und Indonesien. Zwar hat China eine bessere Infrastruktur, aber bei der „weichen“ Infrastruktur wie einer funktionierenden Demokratie sind diese Länder im Nachteil. Sie müssen den Übergang erst schaffen. Ob dieser friedlich und ohne Verwerfungen geschieht, steht in den Sternen.

2. Ohmae definierte die USA, Westeuropa und Japan als die zentralen Treiber der weltweiten Wirtschaftsentwicklung; inwiefern ist diese These noch zu halten und welche Regionen werden die Zukunft dominieren?

Diese These muss revidiert werden. Als Produktionsland ist China längst allen drei Regionen davongeeilt. Als Softwarenation holt Indien schnell auf. Zwar kommen immer noch wichtige Impulse aus der „Alten Welt“, wie ich mal die Welt von Ohmae bezeichnen möchte (z.B. Software wie „Facebook“ aus den USA, Maschinenbau und Kfz-Innovationen aus Deutschland), aber Indien und China müssen als zusätzliche zukünftige „Treiber“ mitgezählt werden. So wie bei Japan auch, werden Indien und China nach einer Anfangsphase des Kopierens in eine Phase der Kreativität eintreten und die „Alte Welt“ mit eigenen Impulsen überraschen. Die außerordentliche Kreativität moderner chinesischer Kunst ist ein Vorbote industrieller Forschungsdurchbrüche aus diesen Ländern.

[53]3. Sehen Sie das Modell einer geozentrischen, nicht an nationale Gegebenheiten orientierten Unternehmenskultur als zukunftsweisend oder spielen nationale Wurzeln weiterhin eine zentrale Rolle?

Ich sehe die Bedeutung nationaler Wurzeln langsam zurückgehen. Seit die amerikanische IBM ihr PC- bzw. ihr Laptopgeschäft an die chinesische Lenovo verkauft hat, ist die weltweite Marktstellung dieses Produktes eher gestiegen. Man kann dieses Phänomen anhand des Wandels großer deutscher Firmen sehr gut erkennen: Bayer macht z.B. inzwischen über 85% seines Umsatzes außerhalb Deutschlands, immer öfter werden Forschungsaktivitäten ins Ausland verlagert, der CEO von Bayer ist Niederländer. Einer der beiden zukünftigen CEOs der Deutschen Bank wird ein Inder sein. Dieser Trend darf aber nicht verwechselt werden mit der oft irrigen Annahme, die Kunden wollten in der Zukunft keine Produkte ohne „nationale Wurzeln“ mehr. GM ist vor Jahren mit der Idee eines „World Car“ gescheitert. Die Kunden wollen einen „deutschen“ Opel oder einen „schwäbischen“ Porsche und kein verwechselbares Einheitsprodukt. Mit anderen Worten, die Rücksichtnahme auf nationale Kundenwünsche muss auch ein weltweit tätiges Unternehmen immer im Auge behalten.

4. Wie kann ein Unternehmen aus Ihrer Sicht global agieren, ohne dabei die aus der nationalen Identität stammende Stärke zu verlieren?

Das ist nach meiner Meinung die Schlüsselfrage. Ich beobachte zurzeit einen zunehmenden Trend zur Funktionalisierung zulasten der regionalen Verantwortung. Klar, in Zeiten der Globalisierung muss man über Landesgrenzen hinweg Entscheidungen treffen, aber die völlige Entmachtung „regionaler Könige“, die zurzeit bei fast allen „Global Players“ zu beobachten ist, birgt das Risiko, am regional verankerten Kunden vorbei zu entscheiden. Der richtige Mix aus funktionaler und regionaler Verantwortung macht den Unterschied. Produktion, Entwicklung, Administration und Infrastruktur können durchaus internationalisiert werden, Marketing schon weniger. Vor allem muss sichergestellt werden, dass die Entwicklung von Produkten immer wieder direkte Anstöße aus den Regionen bekommt.

5. Welche Faktoren bestimmen im 21. Jahrhundert die Wettbewerbsfähigkeit von Nationen?

Neben der Bildung vor allem ein politisches System, in dem Ideen, Kritik, Anregungen ohne Furcht geäußert werden und „nach oben“ kommen können. Das gilt sowohl für Unternehmen als auch für Nationen. Hier sehe ich einen strategischen Nachteil Chinas und Russlands entstehen. Am Beispiel der Entwicklung Südafrikas kann man gut erkennen, wie schnell die Entwicklung zur Demokratie auch der wirtschaftlichen Entwicklung Beine machen kann. Den Zugang zu Rohstoffen sehe ich dagegen als weniger wichtig an. Dieser lenkt immer wieder von der Entwicklung eigener Kreativität ab und könnte zu einer Vernachlässigung der Bildungsanstrengungen, zu Trägheit und sinkender Wettbewerbsfähigkeit der Bevölkerung führen. Saudi-Arabien ist ohne intellektuelle Importe nicht überlebensfähig, wohl aber seit Langem eines der reichsten Länder der Welt.

[54]6. Welche Rolle sollte der Staat oder supranationale Organisationen spielen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu sichern?

Er muss den Wettbewerb in allen Bereichen der Gesellschaft organisieren: in der Bildung, zwischen Regionen, unter den Unternehmen, in der Kultur, im Sport. Wettbewerbsfähig bleibt eine Region durch … Wettbewerb!

[55]Grundlagen des internationalen Wettbewerbs

Für ein entscheidungsorientiertes Internationales Management stellt sich die Frage, welche Variablen auf die Unternehmensführung einwirken und zu einer Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit führen. Hierzu leisten Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit einen wertvollen Beitrag.

Bereits in der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts wurden ökonomische Probleme angesprochen, die sich mit der Beziehung von Volkswirtschaften, Branchen und Unternehmen zum Ausland beschäftigen (Casson, M., 1988; Babbage, Ch., 1832; Ricardo, D., 1821; Smith, A., 1776). In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde eine Vielzahl von meist volkswirtschaftlichen Theorien entwickelt, die sich mit Problemen des Außenhandels, der Direktinvestitionen im Ausland und mit internationalen Technologieverträgen befassen. Ab den 1960er Jahren wurde durch die Diskussion über das Wesen und die Bedeutung von multinationalen Unternehmen auch in der Betriebswirtschaftslehre nach Theorien und Konzepten gesucht, die die Internationalisierung dieses Unternehmenstyps erklären sollten. Dabei stellt die Mehrzahl der Theorien und Konzepte Erklärungsmodelle dar, warum und wie es zu einer Internationalisierung von Volkswirtschaften, Branchen und Unternehmen kommt.

Abbildung 39 stellt die im Folgenden behandelten betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Konzepte im Überblick dar.


Abbildung 39: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs

[56] 1 Volkswirtschaftliche Konzepte des internationalen Wettbewerbs

1.1 Theorien des internationalen Handels

1.1.1 Klassische Theorien

Merkantilismus und absolute Kostenvorteile

Der Merkantilismus wird als die erste Theorie des internationalen Handels angesehen und trat im 16. Jahrhundert erstmals in Europa auf. Gekennzeichnet ist der Merkantilismus durch die intensive staatliche Förderung der Wirtschaft, mit dem Ziel den Außenhandel zu stärken und eine permanente positive Handelsbilanz zu wahren. Im 16. Jahrhundert waren Gold und Silber die offizielle Währung zwischen Nationen und Synonym für Wohlstand und Macht. Durch die Besteuerung von Importen und die Subventionierung von Exporten versuchte der Staat, einen permanenten Handelsüberschuss zu erzwingen, sowie die Macht und den Wohlstand des Landes zu steigern (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Hill, C.W.L., 2009).

Die Gegenargumentation erfolgte unter anderem durch den Wirtschaftsökonom David Hume, der die Widersprüchlichkeit der merkantilistischen Sichtweise belegt. Laut Hume führt ein dauerhafter Exportüberschuss zu einer Erhöhung der Geldmenge und zu steigenden Preisen auf dem Inlandsmarkt. Im Vergleich zum Ausland werden die Waren auf dem Inlandsmarkt relativ teurer. Daraus folgt ein Importüberschuss, der durch die Gold- und Silberreserven finanziert wird. In den Empfängerländern kommt es zu dem gleichen Prozess, bis alle Länder einen Ausgleich von Importen und Exporten erreicht haben.

Es wird dann von absoluten Kostenvorteilen gesprochen, wenn ein Land dasselbe Produkt zu niedrigeren Kosten herstellen kann als ein anderes Land. Durch Außenhandel können die Produktionsfaktoren in beiden Ländern effizienter eingesetzt werden.

Komparative Kostenvorteile

Die Theorie der Produktivitätsunterschiede geht davon aus, dass die relativen Kostendifferenzen zwischen zwei oder mehreren Ländern die Richtung der Handelsströme zwischen diesen Ländern bestimmen (Rose, K./Sauernheimer, K., 2006). Ein bestimmtes Land hat einen komparativen Kostenvorteil bei der Herstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung, wenn die Opportunitätskosten der Herstellung des Produktes niedriger sind als die eines anderen Landes. In einem solchen Fall sind eine Spezialisierung und folglich internationaler Handel ratsam (Krugman, P./Wells, R., 2009). Empirische Untersuchungen lassen jedoch erhebliche Bedenken an der praktischen Relevanz dieser Theorie für Volkswirtschaften aufkommen (Porter, M.E., 2001).

[57]Faktorausstattung

Heckscher (Heckscher, E.F., 1949) und Ohlin (Ohlin, B., 1931) begründeten das Entstehen des Handels zwischen Ländern mit den Unterschieden in der Faktorausstattung von Arbeit und Kapital (Hill, C.W.L., 2009). Ausgangspunkt ist dabei die Hypothese, dass Richtung und Struktur des Welthandels im Wesentlichen durch die relative Faktorausstattung bestimmt werden. Danach müssten die Erzeugnisse, für deren Produktion der relativ reichlich vorhandene und damit billige Faktor eines Landes notwendig ist, vergleichsweise billig sein und somit von diesem Land exportiert werden, während Güter, die einen relativ knappen Faktor zur Herstellung benötigen, teuer sind und folglich aus solchen Ländern importiert werden, in denen dieser Faktor reichlich vorhanden ist (Kutschker, M./Schmid, S., 2011).

Das Heckscher-Ohlin-Theorem bestimmte lange Zeit die außenwirtschaftliche Diskussion. Eine empirische Bestätigung war nur unter Berücksichtigung zusätzlicher Erklärungsvariablen möglich. Insbesondere die empirische Untersuchung von Leontief (Leontief, W., 1956) führte zu umfangreichen Diskussionen über die Gültigkeit der Theorie. Leontief stellte für die USA, die in den Jahren 1947 und 1951 Kapital als reichlichen Faktor in Relation zur Arbeit hatten, fest, dass die Exportgüter arbeitsintensiver waren als die Importgüter. Dieses Phänomen, das als Leontief-Paradoxon bekannt wurde, hatte eine Reihe von Erklärungsversuchen zur Folge. Viele Untersuchungen bestätigten das Leontief-Paradoxon auch für spätere Jahre, unterschiedliche Branchen und andere Länder (Hill, C.W.L., 2009; Perlitz, M., 1978).

Zur Auflösung des Leontief-Paradoxons wurden verschiedene Erklärungsvariablen untersucht, z.B.:

 der große Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften (Humankapital) der Exporte fortgeschrittener Volkswirtschaften,

 der Effizienzvorsprung fortgeschrittener Volkswirtschaften bei der Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, der zu komparativen Vorteilen durch den technologischen Vorsprung in der Herstellung neuer Güter führt, und

 die Beschränkung von arbeitsintensiven Importen durch Zollbestimmungen fortgeschrittener Volkswirtschaften.

Empirische Bestätigungen für die Auflösung des Leontief-Paradoxons konnten nicht für alle Erklärungsvariablen gewonnen werden (Baldwin, R.E., 1971).

1.1.2 Moderne Theorien

Theorie der technologischen Lücke

Komparative Kostenvorteile ergeben sich auch aus internationalen Unterschieden in der Technologie. Aufbauend auf diesen Überlegungen, entwickelte Posner (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Posner, M.V., 1961) die Theorie, dass Exporte durch das Vorhandensein einer [58]technologischen Lücke zwischen dem In- und Ausland entstehen. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Entwicklung eines Produktes, das entweder neu ist oder mit einem bereits existierenden Erzeugnis konkurriert. Ein Beispiel (Hufbauer, G.C., 1966) soll das Zustandekommen eines internationalen Handels durch eine technologische Lücke verdeutlichen:

Ein deutsches Unternehmen hat ein neues Produkt A entwickelt, das in Konkurrenz zu einem Erzeugnis B eines US-Unternehmens steht, diesem Erzeugnis aber technologisch überlegen ist. Im Zeitpunkt t0 beginnt das Unternehmen die Produktion. In den USA erlangt man einige Zeit später Kenntnis von dem neuen Produkt und beginnt den Import aus Deutschland. Damit kommt ein Exportstrom von Deutschland in die USA zum Zeitpunkt t1 zustande. Die Zeitdifferenz zwischen dem ersten deutschen und dem ersten amerikanischen Konsum bezeichnet man als Nachfragelücke. Abbildung 40 stellt die Nachfragelücke (t0-t1) grafisch dar.


Abbildung 40: Theorie der technologischen Lücke

In der Zwischenzeit stellen US-Unternehmen fest, dass ihr Markt durch die Importe aus Deutschland gefährdet wird oder, falls es sich um ein neues Erzeugnis handelt, eine sehr attraktive Marktchance besteht. Für sie gibt es nun neben einer passiven Haltung zwei mögliche Handlungsalternativen: die neue Technologie zu kaufen oder eine entsprechende eigene Technologie zu entwickeln. Problematisch wird die zweite Alternative dann, wenn in den USA das neue Produkt patentrechtlich von dem deutschen Unternehmen geschützt ist. In diesem Falle müssen die US-Unternehmen ein Produkt entwickeln, das keine Patentverletzung gegenüber dem deutschen Erzeugnis darstellt, oder das Patent kaufen. Beginnt das US-Unternehmen zum Zeitpunkt t2 mit der eigenen Produktion, dann bezeichnet man die Zeitdifferenz zwischen t0 und t2 als Imitationslücke und die Imitationsroute wäre bei einem Technologieerwerb ein Technologievertrag. Kosten-, Liefer- oder andere Gründe können Vorteile für die US-amerikanischen Unternehmen sein, die dazu führen, dass [59]der Export des deutschen Unternehmens in die USA sinkt. Generell wird angenommen, dass der Export von Deutschland umso intensiver wird, je länger die Imitationslücke und die technologische Lücke bestehen.

Im Zeitpunkt t3 findet aus Deutschland kein Export mehr in die USA statt. Für den Zeitraum zwischen t1 und t3 spricht man von einem technologischen Lücken-Handel. Nach dem Zeitpunkt t3 kann es nach dieser Theorie zu Exporten aus den USA nach Deutschland, d.h. zu einer Umkehrung der Exportströme, kommen.

In der Regel wird bei der Theorie der technologischen Lücke unterstellt, dass der Export von einem Land mit technologischer oder industrieller Führerschaft ausgeht und dass dies meist auf Länder mit einem hohen Lohnniveau zutrifft. In der ersten Phase der Theorie hat das Innovationsunternehmen einen technologischen Vorsprung und die Lohnkosten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Nachdem die Imitationslücke geschlossen wurde, werden jedoch die Kostenunterschiede nach dieser Theorie zur Hauptdeterminante des Handelsstromes, was zur Theorie der komparativen Kosten zurückführt. Darum wird unterstellt, dass in der zweiten Phase der Theorie eine Umkehrung der Exportströme von Niedrig- zu Hochlohnländern erfolgt. Dieser Niedriglohn-Handel wird seinerseits wiederum durch das Aufkommen neuer Produkte oder Verfahren im Hochlohnland oder durch das Ansteigen der Lohnsätze im Niedriglohnland beendet. Die Entwicklung des technologischen Lücken-Handels zum Niedriglohn-Handel und dessen Ende ist in Abbildung 41 wiedergegeben. Aus ihr wird deutlich, welche Faktoren die Imitationslücken oder den Niedriglohn-Handel fördern oder beenden.

Beim technologischen Lücken-Handel bestimmen jedoch nicht immer die Lohnkostenunterschiede zwischen den Ländern die Richtung des Handels in der zweiten Phase. Durch die Entwicklung eines neuen Produktes oder eines neuen Produktionsverfahrens im Hochlohnland kann die zweite Phase des Außenhandels auch wegfallen. In diesem Zusammenhang weist Porter darauf hin, dass knappe, teurere Arbeitskräfte ein wichtiger Anstoß für Innovationen sind (Porter, M.E., 2001).

In der Realität kann es für das gleiche Land sowohl zu einem technologischen Lücken-Handel als auch zu einem Niedriglohn-Handel kommen. Hufbauer (Hufbauer, G.C., 1966) nennt als Beispiel den Export und Import von Nylon. Nachdem in den USA Nylon entwickelt und ab 1941 produziert wurde, hat 1950 Großbritannien als eines der ersten Länder neben den USA die Produktion von Nylon aufgenommen und im Gegensatz zu den USA auch nach Spanien exportiert (Freeman, C., 1963). Gleichzeitig begann der Export von Nylon von Großbritannien in die USA. Der Export von Großbritannien in die USA war ein Niedriglohn-Handel und der nach Spanien ein technologischer Lücken-Handel. Deshalb kann sich das Land mit den längsten Imitationslücken später nur noch auf den Niedriglohn-Handel einrichten. Umfangreiche empirische Untersuchungen für verschiedene Länder und Branchen zeigen die große Bedeutung dieser Theorie für das Zustandekommen von Exporten (Perlitz, M., 1978).

[60]

Abbildung 41: Vom technologischen Lücken- zum Niedriglohn-Handel

Das Entstehen einer technologischen Lücke wird in dieser Theorie aus einer überlegenen Produkt- oder Prozesstechnologie abgeleitet. Damit basiert diese Theorie insbesondere auf dem Ergebnis von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten des Unternehmens. Betriebliche Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen beeinflussen das Regelkreissystem der Unternehmensführung. Aufgrund dessen muss die Erklärungsvariable „Technologie“ in die betriebliche Stärken- und Schwächenanalyse zur Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie eingehen.

Ebenso muss die Höhe der Arbeitskosten über die Erklärungsvariable „Kosten“ in der betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse Berücksichtigung finden. Der Technologieaspekt wirkt sich in dieser Analyse auch auf die Erklärungsvariable „Produktion“ aus. Gleichsam leistet die Theorie im Rahmen des Regelkreissystems einen Beitrag für die Umweltanalyse. Sie untersucht nämlich, welche Umweltfaktoren die Imitationslücke verkürzen oder verlängern. In diesem Zusammenhang werden die Erklärungsvariablen „Größe des Marktes“ und „Zollschranken“ für eine Umweltanalyse relevant. Darüber hinaus wird durch die Unterscheidung in Innovations- und Niedriglohnland auf die Bedeutung der Erklärungsvariablen „Allgemeines Kostenniveau“ und „Technologischer Stand“ für eine Umweltanalyse verwiesen. Diese Erklärungsvariablen beeinflussen über eine Umweltanalyse die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie.

[61]Produktlebenszyklus-Theorie

Auch die Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels, die 1966 von Vernon (Vernon, R., 1966) entwickelt wurde, setzt bei neuen Produkten oder Verfahren an. Diese Theorie unterstellt, dass der Export von Gütern von deren Stellung auf ihrer Produktlebenszykluskurve abhängt. Vernon unterscheidet in seiner Betrachtung nicht, ob es sich um ein Konsum- oder Investitionsgut handelt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011). Er unterscheidet drei Phasen im Produktlebenszyklus:

1 eine Einführungsphase, in der ein neues Produkt angeboten wird,

2 eine Wachstumsphase, in der das Produkt eine gewisse Reife erlangt hat und

3 eine Reifephase, in der das Produkt standardisiert ist.

Ausgangspunkt seiner Argumentation ist ein im In- und Ausland neues Produkt. Dabei kann dieses Erzeugnis nach Vernon im Hinblick auf den Input, das Verfahren oder die Ausstattung neu sein. Das Exportverhalten von Unternehmen wird nach dieser Theorie wie folgt erklärt (Hirsch, S., 1967):

Neue Produkte sind i.d.R. sich schnell ändernden Produktionstechniken ausgesetzt, durch hohe Stückkosten belastet und erfordern einen hohen Personalbedarf, wobei Naturwissenschaftler und Techniker die wichtigsten Personengruppen sind. Solange andere Unternehmen im Ausland noch nicht über eine entsprechende Technologie verfügen, wird unterstellt, dass das Innovationsunternehmen eine Monopolstellung hat. Die verhältnismäßig hohen Stückkosten spielen für den Innovator in diesem Stadium eine untergeordnete Rolle, da das Unternehmen „Monopolgewinne“ erwirtschaftet und für den Produzenten wegen der großen Produktdifferenzierung eine relativ geringe Preiselastizität der Konsumentennachfrage besteht. Somit sind Kostengesichtspunkte während der Einführungsphase weniger bedeutend als die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Produzenten und dem Konsumenten. Darüber hinaus sind in diesem frühen Stadium billigere Arbeitsplätze im Ausland für den Entscheidungsprozess unerheblich. In dieser Phase des Produktlebenszyklus beginnt der Export der Unternehmen. Dieser Export entspricht dem technologischen Lücken-Handel, der so lange ungestört fortgeführt werden kann, bis die Imitationslücke geschlossen ist. Dies kann bereits sehr früh erfolgen, d.h. wenn das Erzeugnis noch relativ neu ist (Einführungsphase), oder erst später, wenn das Produkt eine bestimmte Reife erlangt hat (Wachstumsphase). Bis zur Schließung der Imitationslücke steigt der Export ins Ausland. Da die neuen Erzeugnisse nach dieser Theorie zunächst nur für die Konsumenten mit höherem Einkommen in Betracht kommen, geht der Export schwerpunktmäßig in andere Industrienationen.

Spätestens wenn das Produkt die Wachstumsphase des Produktlebenszyklus erreicht hat, nehmen die ersten Imitationsunternehmen im In- und Ausland die Produktion dieser Produkte auf. Diese Unternehmen befinden sich nach Vernon (Vernon, R., 1966) hauptsächlich in Industrieländern; allmählich tritt in diesen Ländern eine Importsubstitution ein. Auf [62]den Drittmärkten, die verallgemeinernd mit den Entwicklungsländern gleichgesetzt werden, konkurriert nun das Innovations- mit den Imitationsunternehmen in immer stärkerem Ausmaß, was zu einer Senkung der Marktpreise führt. In dieser Phase ist nach Hirsch (Hirsch, S., 1967) die wichtigste Personengruppe das Management im Unternehmen. Die Erzielung eines Monopolgewinnes ist durch die nun aufkommende Konkurrenz nicht mehr möglich. Die Stückkosten, insbesondere die Lohnkosten, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Es kommt zu ersten Verlusten, die dazu führen, dass Entwicklungsländer ihre Kostenvorteile auszunutzen versuchen. Durch die niedrigeren Lohnkosten im Ausland sind dann ausländische Unternehmen auf dem Inlandsmarkt des Innovators konkurrenzfähig.

In der Reifephase wird unterstellt, dass das Innovationsunternehmen und die anderen inländischen Unternehmen aus Kostengründen auf ihrem Inlandsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sind. Es findet eine vollständige Exportsubstitution durch Importe statt. Die Produktion wird in Entwicklungsländer verlagert und der Handel, der mit dem technologischen Lücken-Handel begonnen hatte, wird nun durch den Niedriglohn-Handel beendet.

Abbildung 42 stellt den Ablauf der Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels schematisch dar. Am Beispiel des VW-Käfers lässt sich diese Theorie nachvollziehen. Der VW-Käfer wurde in Deutschland innoviert. In Deutschland wurden anfänglich mehr VW-Käfer produziert als konsumiert. Die überschüssige Produktion exportierte VW in andere Länder. Damit schloss sich in diesen Ländern die Nachfragelücke. Zunächst gingen die Exporte in andere Industrieländer und später in Entwicklungsländer. Zu diesem frühen Zeitpunkt war der VW-Käfer eine neue Produktidee. Als eines der nächsten Länder nahm z.B. Belgien und damit ein weiteres Industrieland die Montage und Produktion des VW-Käfers auf. Dies führte zum Schließen der Imitationslücke. Auch in Belgien wurden mehr VW-Käfer produziert als die dortige Inlandsnachfrage aufnehmen konnte. Damit exportierte VW den Käfer aus Deutschland und aus Belgien. Die Exporte gingen in andere Industrieländer und in Entwicklungsländer. Als der VW-Käfer sich langsam von einem reifenden zu einem standardisierten Erzeugnis entwickelte, nahmen Länder wie z.B. Brasilien, Mexiko und Nigeria die Produktion des VW-Käfers auf und exportierten ihn dann ebenfalls. In Deutschland wurde die Produktion des VW-Käfers eingestellt und die Nachfrage durch Importe aus Mexiko gedeckt. Damit kam es zu einer vollkommenen Umkehr der Handelsströme. Aus einem technologischen Lücken-Handel wurde ein Niedriglohn-Handel.

Die Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels eignet sich hauptsächlich für Ex-post-Analysen (Perlitz, M., 1978). Aus solchen Ex-post-Analysen wird für Unternehmen aus Hochlohnländern deutlich, dass sie permanent innovieren, d.h. neue internationale Produktlebenszyklen beginnen müssen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben oder zu werden. Für betriebswirtschaftliche Entscheidungsmodelle liefert diese Theorie jedoch nur einen sehr begrenzten Beitrag. Um für betriebswirtschaftliche Ex-ante-Analysen eingesetzt [63]zu werden, müsste der konkrete Verlauf der Produktlebenszykluskurve für unterschiedliche Länder prognostizierbar sein. Daneben ist die Phaseneinteilung nicht unproblematisch und wird mehr oder weniger willkürlich vorgenommen. Für Entscheidungen über Exporte bzw. Importe ist die Kenntnis, wann Nachfrage- und Imitationslücken geschlossen werden, notwendig. Das Schließen dieser Lücken kann zwar ex-post erklärt, aber nicht ex-ante prognostiziert werden. Diese grundsätzliche Kritik gilt gleichermaßen für die Analyse des technologischen Lücken-Handels.


Abbildung 42: Internationale Produktlebenszyklus-Theorie

Des Weiteren ist kritisch anzumerken, dass für betriebswirtschaftliche Entscheidungen die Produktlebenszykluskurve keine vorgegebene und damit prognostizierbare Kurve ist, sondern die zu schätzenden Parameter abhängige Variable der Unternehmensstrategie sind. Damit wird eine Prognose des Verlaufs des Produktlebenszyklus ohne eine vorherige Festlegung der Unternehmensstrategie für das Unternehmen unmöglich. Es soll jedoch gerade durch eine Analyse des Produktlebenszyklus die Unternehmensstrategie festgelegt werden. Da sich zeigen lässt, dass der s-förmige Verlauf des Produktlebenszyklus nicht immer unterstellt werden kann und die Phasen damit nicht immer durchlaufen werden müssen, macht dies die Fragwürdigkeit dieses Konzeptes deutlich. Der neue VW-Käfer, der in Mexiko hergestellt und von dort in Industrie- und Entwicklungsländer exportiert wird, veranschaulicht, dass ein Imitationsland für ein Produkt auch zum Innovationsland werden kann. In diesem Beispiel ist der gesamte Ablauf der internationalen Produktlebenszyklus-Theorie infrage zu stellen.

[64]Unabhängig von den genannten Kritikpunkten bietet die Produktlebenszyklus-Theorie dennoch einige Anhaltspunkte zur Gestaltung einer betrieblichen Stärken- und Schwächensowie einer Umweltanalyse. So baut die Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels auf dem Bestehen von technologischen Lücken in der Einführungsphase auf. In dieser Theorie kommt damit der Forschung und Entwicklung sowie neuen Produkten und Produktionsverfahren eine zentrale Rolle zu. Die Aussagen der internationalen Produktle-benszyklus-Theorie basieren hauptsächlich auf Technologie- und Lohnkostenunterschieden. Diese gehen als mögliche Erklärungsvariablen „Kosten“ und „Technologie“ in eine betriebliche Stärken- und Schwächenanalyse ein. Die Stellung eines Produktes auf der Produktlebenszykluskurve bezieht sich auf die Erklärungsvariable „Absatz“ in einer betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse. Die genannten Erklärungsvariablen tangieren wiederum das Regelkreissystem des Unternehmens und geben damit Impulse für die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie.

Lernkurven-Theorie des internationalen Handels

Posner (Posner, M.V., 1961) und Arrow (Arrow, K.J., 1962) haben Lerneffekte als Erklärungsvariable für das Zustandekommen von Exporten untersucht. Die aus diesen Untersuchungen entstandene Lernkurven-Theorie des internationalen Handels basiert auf der These, dass die Technologie (hier insbesondere die Prozesstechnologie) eines Landes durch die dort kumulierte Produktionsmenge bestimmt wird. Sie besagt weiter, dass das Land mit dem größten kumulierten Produktionsvolumen durch Lerneffekte die niedrigsten Kosten erreicht, d.h. eine überlegene Technologie entwickelt, und damit über bessere Exportchancen verfügt als ein Land mit einer geringeren kumulierten Produktion. Durch den komparativen Kostenvorteil kann ein Land in der Lage sein, die entsprechenden Produkte erfolgreich zu exportieren, selbst wenn beide Länder die gleiche Faktorausstattung haben. Dieser Effekt ist umso stärker, je größer der Inlandsmarkt bzw. der Auslandsmarkt während des Bestehens einer Imitationslücke ist.

Das der Lernkurven-Theorie des internationalen Handels zugrunde liegende Konzept ist die Lernkurve, die erstmals 1936 von Wright (Wright, T.P., 1936) bei der Fertigung von Flugzeugen empirisch festgestellt wurde. Wright stellte fest, dass bei jeder Verdoppelung der kumulierten Produktion im Zeitablauf die Kosten pro Flugzeug um einen bestimmten Lerngrad, z.B. 20%, gesunken sind. Umfangreiche empirische Untersuchungen bestätigen zwar, dass ein „Learning by Doing“-Effekt auftritt (Albach, H., 1991; Perlitz, M., 1978), jedoch unterscheiden sich die Lerngrade in den verschiedenen Industriezweigen und der konkrete Verlauf der Lernkurven kann ein sehr unterschiedliches Aussehen haben. Empirisch wurden fallende Lernkurven, die in kartesischen Koordinaten mit logarithmischer Skaleneinteilung einen linearen Verlauf aufweisen, konvexe und s-förmige Lernkurvenverläufe nachgewiesen. In einigen Fällen kann es auch zu einer geknickt linear fallenden Lernkurve kommen, die zunächst relativ steil und im zweiten Abschnitt relativ flach verläuft. Abbildung 43 stellt die unterschiedlichen Typen von Lernkurven dar, die empirisch [65]festgestellt wurden, wobei log Y ein Effizienzmaß (z.B. Kosten pro Stück, Arbeitsstunden bzw. Fertigungsstunden pro Stück) und log ΣX ein Maß für die Erfahrung (z.B. kumuliertes Produktionsvolumen) ist.

Während die traditionelle Lernkurven-Theorie Lernprozesse hauptsächlich im Fertigungsbereich untersucht, entwickelte die Boston Consulting Group dieses Konzept weiter und spricht von Erfahrungskurven, die alle Kostenarten, also auch die Absatz-, Forschungs-, Entwicklungs- sowie sonstige Gemeinkosten, in den Lernprozess mit einbeziehen (Henderson, B.D., 1984). In zahlreichen empirischen Untersuchungen wird gezeigt, dass auch bei Einbeziehung dieser Kostenarten linear fallende oder geknickt linear fallende Erfahrungskurven in der betrieblichen Praxis anzutreffen sind. Als Effizienzmaß dieser Erfahrungskurve (log Y) werden die Durchschnittspreise pro Stück untersucht, wobei ein linear fallender Verlauf der Lernkurve unterstellt wird.


Abbildung 43: Mögliche Verläufe von Lernkurven

Umstritten ist die Frage, ob es typische Lernkurven gibt. So wurden in verschiedenen Branchen sehr unterschiedliche Verläufe und Lerngrade gefunden. Damit wird deutlich, dass eine eindeutige Aussage über den Verlauf von Lernkurven ex-ante nur sehr schwer möglich ist. Trotzdem können Lerneffekte, zumindest als Rationalisierungspotenziale, nicht bestritten werden. Für veränderte oder neue Produkte können manchmal die Lerngrade ähnlicher Erzeugnisse Näherungswerte für eine Prognose über den Verlauf geben. Ein schwieriges, wenn auch nicht unlösbares Problem des Erfahrungskurven-Konzeptes ist die Trennung in die Einzeleffekte „Learning by Doing“, Economies-of-Scale und Economies-of-Scope, worauf aber an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll.

Die praktische Relevanz von Erfahrungskurven für die Entwicklung von Exportstrategien soll an einem Beispiel verdeutlicht werden (vgl. Abbildung 44). Zunächst soll davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen UD in Deutschland ein Produkt innoviert hat und [66]durch die kumulierte Produktion dieses Erzeugnisses in Höhe von XD einen Erfahrungsvorsprung besitzt, der durch die Kostenhöhe PD bestimmt wird. ED gibt dabei die Erfahrungskurve wieder, die für deutsche Kostenverhältnisse typisch sein soll. Bei gleicher Kostenstruktur müsste ein deutscher Wettbewerber auch eine kumulierte Produktionsmenge XD erzielen, um mit UD gleichzuziehen. Tritt z.B. ein japanischer Wettbewerber UJ neu in den Markt ein, dann werden i.d.R. bei der Betrachtung der Erfahrungskurve mehrere Effekte relevant.

Erstens kann durch eine günstigere Ausgangskostensituation in Japan der Startpunkt KJ niedriger sein als der des deutschen Unternehmens (KD). Durch den niedrigeren Einstieg in die Erfahrungskurve würde der japanische Wettbewerber die kumulierte Produktionsmenge ΔΣX einsparen (vgl. Abbildung 44).

Zweitens kann ein japanischer Wettbewerber, der die Produktion später beginnt, die neueste Technologie am Markt kaufen und eine Neuoptimierung vornehmen, während das deutsche Unternehmen oftmals nur noch in bestehenden Systemen optimieren kann. Oft ermöglicht das einem japanischen Wettbewerber, eine steilere Erfahrungskurve zu realisieren, d.h., höhere Lerngrade sowie Economies-of-Scale- oder Economies-of-Scope-Effekte zu erreichen als der deutsche Konkurrent.

Drittens hat ein japanischer Wettbewerber den Vorteil, dass das deutsche Unternehmen bereits das Marktpotenzial „ausgetestet“ hat. Durch eine auf ein spezielles Produkt konzentrierte globale Exportstrategie kann das japanische Unternehmen schnell eine hohe kumulierte Produktion erreichen. Exporte bieten somit die Möglichkeit, Erfahrungskurveneffekte im Inland durch das Ausnutzen von Marktpotenzialen im Ausland zu erzielen.

Gelten diese drei Voraussetzungen für einen japanischen Wettbewerber, dann benötigt dieser nur noch die kumulierte Produktionsmenge XJ, um die gleiche Kostenhöhe (PJ) wie der deutsche Wettbewerber zu erreichen (PD). Hinter den kumulierten Produktionsmengen XD und XJ stehen unterschiedliche Zeithorizonte. Dem japanischen Wettbewerber gelingt es damit schneller als dem deutschen, das gleiche Kostenniveau (PJ = PD) auf der Erfahrungskurve zu erreichen.

Unterstellt man als Nächstes, dass ein südkoreanisches Unternehmen USK die Produktion des Erzeugnisses aufnimmt und geht von einem Ausgangskostenniveau KSK aus, das niedriger liegt als das des japanischen Wettbewerbers KJ, dann spart das südkoreanische Unternehmen wiederum eine kumulierte Produktionsmenge. Nimmt auch das südkoreanische Unternehmen eine „Neuoptimierung“ vor, realisiert es damit eine steilere Erfahrungskurve als der japanische Konkurrent. Geht man weiterhin davon aus, dass das südkoreanische Unternehmen ebenfalls eine globale Exportstrategie wählt, um seine kumulierte Produktion so schnell wie möglich zu erhöhen, so sieht man aus Abbildung 44, dass dann nur noch die kumulierte Produktionsmenge XSK benötigt wird, um mit dem deutschen und japanischen Unternehmen auf der Erfahrungskurve gleichzuziehen. Es ist damit wiederum [67]schneller als die japanische Konkurrenz. Die unterschiedlichen Zeitintervalle dieser „Aufholjagd“ lassen sich, wie an anderer Stelle gezeigt wurde (Perlitz, M., 1983), mathematisch mit ihren kritischen Werten in Bezug auf Kapazitäten, Marktwachstum, Ausgangskostenniveaus und unterschiedliche Lerngrade ermitteln.


Abbildung 44: Entwicklung von Exportstrategien auf der Basis von Erfahrungskurven

Die Lernkurven-Theorie des internationalen Handels liefert eine Reihe von Erklärungsvariablen für eine betriebliche Stärken- und Schwächen- sowie eine Umweltanalyse. Einerseits sind die Lerneffekte für die Erklärungsvariablen „Kosten“, „Produktion“ und „Technologie“ einer betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse bedeutsam. Andererseits wird es dem Unternehmen durch einen großen Inlandsmarkt möglich, die Erfahrungskurve relativ schnell zu durchlaufen und damit die Erklärungsvariable „Größe des Marktes“ für eine Umweltanalyse relevant wird. Somit liefert die Lernkurven-Theorie des internationalen Handels Erklärungsvariablen, die für das Regelkreissystem der Unternehmensführung relevant werden und die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie beeinflussen.

Nachfragestruktur-Theorie

Die Nachfragestruktur-Theorie, die von Linder (Linder, S.B., 1961) entwickelt wurde, unterscheidet zwischen Exporten von Ur- (= natürliche Ressourcen) und Industrieprodukten. Für die Erklärung des Außenhandels mit Urprodukten stützt sich Linder auf die Theorie der komparativen Kostenvorteile nach Heckscher und Ohlin (Faktorausstattungstheorie). Die Nachfragestruktur-Theorie wird somit nur für Industrieprodukte relevant. Eine schematische Darstellung der Nachfragestruktur-Theorie ist in Abbildung 45 wiedergegeben (Kutschker, M./Schmid, S., 2011).

[68]Wie diese Abbildung zeigt, unterscheidet Linder (Linder, S.B., 1961) einen potenziellen und einen aktuellen Bereich des Außenhandels. Als Bestimmungsfaktoren für die Ermittlung potenzieller Exportgüter betrachtet er zum einen die vorhandene Inlandsnachfrage, die eine kostengünstige Produktion erlaubt, und zum anderen eine Wachstumsgrenze für das betreffende Industriegut im Inland. Ausgangspunkt der Theorie ist die Überlegung, dass das Produkt zuerst im Inland angeboten wird. Dafür gibt Linder drei Begründungen:

 Es ist unwahrscheinlich, dass ein Unternehmen eine Nachfrage im Ausland befriedigen wird, die nicht im Inland existiert. Eine Begründung dafür liegt in der unvollkommenen Information, die das Unternehmen i.d.R. über das Ausland besitzt.

 Erfindungen und Innovationen sind im Allgemeinen zunächst auf die Umwelt bezogen, in der das Unternehmen normalerweise tätig ist. Daher werden Innovationen zunächst im Inland angeboten.

 Der Trial-and-Error-Prozess während der Einführungsphase macht eine enge Verbindung zwischen dem Produzenten und den Konsumenten erforderlich, um zu einem effizienten und billigen Informationsaustausch zu kommen. Dies ist am besten im Inland möglich.

Linder räumt selbst ein, dass es auch Ausnahmen für die Unterstellung gibt, dass der potenzielle Export zunächst durch die Inlandsnachfrage bestimmt wird. Als eine solche Ausnahmesituation betrachtet er z.B., dass Erzeugnisse ohne Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen verfügbar sind oder dass Erzeugnisse keine Trial-and-Error-Phase mehr durchlaufen.

Wenn der Inlandsmarkt ein weiteres Wachstum des Unternehmens verhindert, wird es nach Linder seinen Aktionsradius auf das Ausland erweitern. Dann beginnt das Unternehmen darüber nachzudenken, welche Länder für einen Export infrage kommen könnten. Als potenzielle Importländer kommen seiner Ansicht nach hauptsächlich solche in Betracht, die eine Ähnlichkeit in der Nachfragestruktur mit dem Exportland besitzen. Dabei misst er die Ähnlichkeit der Nachfragestruktur am Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung eines Landes. Seine Theorie lautet: Je ähnlicher die Nachfragestruktur von zwei Ländern ist, umso intensiver ist der potenzielle Außenhandel mit Industrieprodukten zwischen diesen beiden Ländern.

[69]

Abbildung 45: Nachfragestruktur-Theorie

Neben diesen potenziellen Bereich stellt Linder den aktuellen Bereich des Außenhandels. Die aktuellen Exporte von Industriegütern werden durch eine Reihe von Faktoren bestimmt, die den Außenhandel fördern oder hemmen.

Folgende Faktoren fördern seiner Meinung nach die aktuellen Exporte:

 Eine weltweite monopolistische Angebotsstruktur,

 Vorteile in der Beschaffung und Bearbeitung von Produktionsfaktoren im Vergleich zu in- und ausländischen Konkurrenzunternehmen,

 eine technologische Überlegenheit gegenüber Konkurrenzunternehmen im In- und Ausland,

 gute Managementfähigkeiten und

 eine kostengünstige Produktion durch Massenerzeugung.

Folgende Faktoren hemmen nach dieser Theorie den aktuellen Export:

 Die Unkenntnis der Unternehmen über entfernt gelegene Märkte,

 die Höhe der Transportkosten und

 Handelsbeschränkungen.

Linder gibt auch die Bestimmungsfaktoren für aktuelle Importländer an:

kulturelle Faktoren wie z.B. Sprach- oder Mentalitätsunterschiede und politische Faktoren wie z.B. politische Gemeinschaften (Commonwealth, ehemaliges französisches Kolonialreich).

[70]Die Nachfragestruktur-Theorie wurde in vielfältiger Weise empirisch untersucht. Dabei überwiegen zwar die Bestätigungen der Linder-Theorie, aber es gibt auch eine Reihe von Studien, die die Grenzen des empirischen Erklärungswertes aufzeigen (Perlitz, M., 1978).

Linder beschreibt in seiner Theorie mit der Wachstumsgrenze im Inland eine Einflussgröße, die die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie initiieren kann. An dieser Stelle wird deutlich, wie aus Variablen einer betrieblichen Stärken- und Schwächensowie einer Umweltanalyse Rückkopplungseffekte auf den Strategiebereich des Regelkreissystems der Unternehmensführung auftreten. Diese Effekte geben gleichzeitig einen Anstoß für eine Neuorientierung der allgemeinen Unternehmensstrategie unter Einbeziehung von internationalen Unternehmensaktivitäten. Des Weiteren lässt sich aus der Nachfragestruktur-Theorie von Linder eine Vielzahl von möglichen Erklärungsvariablen für eine betriebliche Stärken- und Schwächen- sowie für eine Umweltanalyse ableiten. Dies gilt insbesondere für die Bestimmungsfaktoren des aktuellen Exportes. Die Monopolstellung eines Unternehmens liefert Ansatzpunkte für den „Absatz“, Vorteile in der Beschaffung für die „Beschaffung“ und die „Kosten“, Vorteile aus der Bearbeitung von Produktionsfaktoren für die „Produktion“ und die „Kosten“, bessere Produkt- und Prozesstechnologien für die „Kosten“ und „Technologie“, bessere Managementfähigkeiten für das „Personal“ und Economies-of-Scale-Effekte für die „Kosten“ im Rahmen einer betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse. Die Struktur der Inlandsnachfrage, Wachstumsgrenzen im Inland, Distanzfaktoren (z.B. politische, kulturelle Gegebenheiten) und Zoll- bzw. Handelsschranken sind Faktoren, die über eine Umweltanalyse die Internationalisierungsentscheidung im Unternehmen beeinflussen.

1.2 Theorien der Direktinvestition

Der Export stellt nur eine von mehreren Markteintritts- oder -bearbeitungsstrategien im Ausland dar. Eine andere Möglichkeit ist die Durchführung einer Investition im Ausland. Investitionen im Ausland lassen sich nach verschiedenen Kriterien klassifizieren. So spricht man von einer Portfolioinvestition im Ausland, wenn lediglich eine Zins- und Liquiditätsmotivation für die Investition maßgebend ist. Solche Investitionen umfassen z.B. den Kauf von Aktien, Investmentzertifikaten und festverzinslichen Wertpapieren (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Jacobi, I., 1972). Direktinvestitionen im Ausland zielen nach einer Begriffsbestimmung der Deutschen Bundesbank darauf ab, einen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des kapitalnehmenden Unternehmens zu gewinnen oder einem Unternehmen, an dem der Investor bereits maßgeblich beteiligt ist, neue Mittel zuzuführen (Deutsche Bundesbank, 1965). Reine Renditeobjekte oder Maßnahmen zur Absicherung des angelegten Kapitals sind somit keine Direktinvestitionen. Der wesentliche Unterschied zwischen einer Portfolio- und einer Direktinvestition im Ausland liegt darin, dass bei der ersten Form der private Investor keine unmittelbare Managementkontrolle ausübt. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Investitionsformen im Ausland ergibt sich aus den [71]verschiedenen Transaktionsformen für die Übertragung von Ressourcen. Während bei Portfolioinvestitionen nur eine monetäre Form der Kapitalübertragung vorgenommen wird, umfassen Direktinvestitionen sowohl einen geldlichen als auch einen realen Transfer oder eine Thesaurierung der im Ausland entstandenen Gewinne bzw. eine Kapitalaufnahme auf lokalen Geld- und Kapitalmärkten (Seifert, H., 1967).

Theorie des oligopolistischen Parallelverhaltens

Wie Hymer und Kindleberger weist Knickerbocker in seinen Untersuchungen darauf hin, dass viele multinationale Unternehmen auf oligopolistisch strukturierten Märkten arbeiten und es zu einem oligopolistischen Marktverhalten kommt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Hill, C.W.L., 2009; Knickerbocker, F.T., 1973; Kindleberger, C.P., 1969; Hymer, S.H., 1960). Er unterscheidet in Bezug auf Direktinvestitionen im Ausland zwei typische Reaktionen der oligopolistischen Wettbewerber:

1 Direktinvestitionen im Ausland als Ergebnis einer Follow-the-Leader-Strategie und

2 Direktinvestitionen im Ausland als Gegenmaßnahme gegen eine solche Strategie im Heimatland des Unternehmens (Kreuzinvestitionsstrategie).

In einer empirischen Untersuchung über das Verhalten von 187 US-amerikanischen Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie in 23 Ländern, die den Zeitraum von 1948 bis 1967 abdeckt, findet Knickerbocker die Hypothese der Follow-the-Leader-Strategie bestätigt.

Produktlebenszyklus-Theorie

Vernon erklärt mit der von ihm entwickelten internationalen Produktlebenszyklus-Theorie nicht nur das Entstehen von Exporten, sondern stellt auch den Einfluss eines Produktlebenszyklus auf das Investitionsverhalten von Unternehmen dar. Er geht davon aus, dass für neue Erzeugnisse das Innovationsland als Standort für die erste Produktionsstätte gewählt wird, diese aber im Verlauf des internationalen Produktlebenszyklus in andere Länder verlegt wird (Hill, C.W.L., 2009; Vernon, R., 1966). Der Grundablauf des internationalen Produktlebenszyklus wurde bereits in den Theorien des internationalen Handels dargestellt.

Behavioristische Theorie

Verschiedene Erklärungsvariablen für das Zustandekommen von Direktinvestitionen im Ausland werden in der behavioristischen Theorie des Entscheidungsprozesses über die Internationalisierung von Unternehmen gegeben (Aharoni, Y., 1966). Aharoni fragt sich, warum sich Unternehmen trotz hoher Gewinnchancen im Ausland, die auch das höhere Risiko kompensieren würden, nicht für Direktinvestitionen im Ausland entschieden haben. Nach seinen Untersuchungen scheuen Führungskräfte in Unternehmen oft Zeit und Mühe, um mögliche Gewinne aus solchen Investitionen zu errechnen. Als Erklärung für dieses Verhalten gibt er an, dass offensichtlich genügend gewinnträchtige Anlagemöglichkeiten im Inland zur Verfügung stehen und aus Unkenntnis der Situation im Ausland eine [72]Investition als zu risikoreich abqualifiziert wird, ohne dass zuvor eine Wirtschaftlichkeitsanalyse erfolgte. Der Entscheidungsträger im Unternehmen kann zwar über Anlagemöglichkeiten oder Steuervorteile im Ausland Bescheid wissen, trotzdem erscheint es ihm nicht sinnvoll, diese Möglichkeiten näher in das Kalkül mit einzubeziehen. Nach Beobachtungen Aharonis reicht die Prognose eines hohen Gewinnes i.d.R. nicht aus, um zu einem positiven Ergebnis für die Investitionsentscheidung zu gelangen, da international unerfahrene Führungskräfte meist die Schwierigkeiten über- und die Vorteile unterschätzen. Neben dem hohen Gewinn müssen deshalb noch andere Motive vorherrschen, um im Ausland zu investieren. Diese von Aharoni beschriebene Verhaltensweise beobachtete er bei vielen US-Unternehmen, was zu der Frage führte, wie es trotz dieser Grundeinstellung zu Direktinvestitionen im Ausland kommt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011).

Zur Klärung dieser Fragestellung unterscheidet Aharoni zwischen der Anstoß-, Bewertungs-, Investitions- und Nachprüfungs- bzw. Verhandlungsphase. Da für das Regelkreissystem der Unternehmensführung in diesem Zusammenhang nach Erklärungsvariablen für das Zustandekommen von Direktinvestitionen gesucht wird, sind an dieser Stelle nur die Anstoß- und Bewertungsphase interessant und werden einer näheren Betrachtung unterzogen.

Die Entscheidung, ins Ausland zu gehen, ist seiner Ansicht nach das Ergebnis einer Reihe von Faktoren, die zum einen in der Organisation begründet liegen und sich zum anderen aus Umwelteinflüssen ergeben. Bei einer Analyse des Entscheidungsprozesses zur Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten hat Aharoni festgestellt, dass es sich meist um eine oder mehrere Führungskräfte handelt, die als Hauptinitiatoren für eine Direktinvestition im Ausland agieren. Motive für dieses Verhalten sind u.a. Prestigedenken, Reiselust sowie das Bestreben, etwas für die Entwicklung anderer Länder zu tun. Erfahrungen aus der Vergangenheit, der Schulausbildung, dem Freundeskreis und Auslandsreisen stimulieren Führungskräfte ebenfalls, international tätig zu werden.

Aharoni (Aharoni, Y., 1966) nennt folgende Faktoren, die als Initialkräfte (Initial Forces) ein Unternehmen zu einer Direktinvestition im Ausland veranlassen (Anstoßphase):

 Vorschläge, die von außen an das Unternehmen herangetragen werden,

 Angst, den Markt zu verlieren,

 Mitläufer-Effekte und

 starke Konkurrenz von ausländischen Unternehmen auf den Inlandsmärkten des Unternehmens.

Vorschläge von ausländischen Händlern, von Repräsentanten ausländischer Regierungen und von Vertretern anderer Unternehmen haben nach Ansicht von Aharoni einen wesentlichen Einfluss auf die Internationalisierungsentscheidung.

[73]Auch die Bedrohung des eigenen Marktes im Ausland stellt ein Motiv für die Aufnahme ausländischer Aktivitäten dar. Eine Bedrohung des Auslandsmarktes resultiert z.B. aus hohen Zollschranken, Importrestriktionen und der Forderung nach lokaler Produktion. Für das Unternehmen stellt sich dann die Frage, den Auslandsmarkt aufzugeben oder eine lokale Produktion zu beginnen. Bestehen in einem Land im Hinblick auf die Durchführung von Direktinvestitionen Beschränkungen, kommt der Abschluss eines internationalen Technologievertrages in Betracht.

Als weitere Erklärungsvariable für die Entscheidung, eine Direktinvestition im Ausland durchzuführen, gibt Aharoni den Mitläufer-Effekt an. Er findet, dass sich Unternehmen gezwungen sehen, ihren Konkurrenten ins Ausland zu folgen, um ihre relative Größe und ihr relatives Unternehmenswachstum beizubehalten. Auch das Folgen eines Kunden oder Lieferanten führt nach Aharoni zu Direktinvestitionen im Ausland.

Eine starke Konkurrenz aus dem Ausland auf dem Inlandsmarkt des Unternehmens wird in der Untersuchung von Aharoni ebenfalls als eine wesentliche Determinante für Direktinvestitionen genannt.

Die Erklärungsvariablen der behavioristischen Theorie beeinflussen das Regelkreissystem der Unternehmensführung im Hinblick auf die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie in unterschiedlicher Weise. Das Potenzial an externen Vorschlägen und die Marktsicherung im In- und Ausland sind Erklärungsvariablen, die über eine Umweltanalyse auf das Regelkreissystem wirken. Sie stellen Erklärungsvariablen dar, die über die Bestimmungsfaktoren „Marktwachstum“, „Allgemeines Kostenniveau“, „Zollschranken“, „Importrestriktionen“ und „Local-Content-Vorschriften“ für eine Umweltanalyse relevant werden. Folgende Erklärungsvariablen beziehen sich auf eine betriebliche Stärken- und Schwächenanalyse, wobei in Klammern der jeweils angesprochene Bestimmungsfaktor angegeben wird: die Ausnutzung alter Maschinen („Betriebsmittel“, „Kosten“), der Verkauf von Know-how bzw. die Verteilung von Forschungs- und Entwicklungskosten („Technologie“, „Kosten“, „Absatz“) und sonstiger fixer Kosten auf Auslandsgesellschaften („Kosten“) sowie die Schaffung eines Marktes für Zulieferprodukte („Beschaffung“), soweit die Zulieferprodukte nicht auch nach der Durchführung einer Direktinvestition im Ausland hergestellt werden. In der behavioristischen Theorie wurde die Bedeutung der Einstellung des Managements für die Aufnahme von Unternehmensaktivitäten im Ausland herausgestellt. Damit leistet sie einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis, wie die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten initiiert wird und wie damit Impulse für eine Formulierung von Internationalisierungsstrategien im Rahmen des Regelkreissystems der Unternehmensführung entstehen. Diese Impulse resultieren aus den persönlichen Erfahrungen und Motiven des Managements oder aus Mitläufer-Effekten.

[74] 1.3 Theorien zu internationalen Technologieverträgen

Als dritte Markteintritts- oder -bearbeitungsstrategie im Ausland können Unternehmen neben dem Export und der Direktinvestition internationale Technologieverträge abschließen. Technologieverträge können Lizenz-, Know-how-, technische Hilfs-, Beratungs- und Regieverträge sein (Jonash, R., 1995).

Gegenstand eines Lizenzvertrages ist die Befugnis, das Recht eines anderen zu nutzen (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Burr, W., 2003). Unter Rechten werden einerseits Rechte des Kunsturhebergesetzes und des Literatururhebergesetzes verstanden, andererseits die Rechte des gewerblichen Rechtsschutzes (Patent, Gebrauchsmuster, Warenzeichen und Geschmacksmuster) (Böhme, W., 1967).

Während der Lizenzvertrag die Benutzung eines Schutzrechtes beinhaltet, hat der Know-how-Vertrag die Benutzung von technischen oder betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen zum Inhalt, die dem Know-how-Nehmer die Produktion und/oder den Vertrieb von Gegenständen gestattet oder ermöglicht. Ein Schutzrecht für das gewährte Know-how, wie es einem Lizenzvertrag zugrunde liegt, besteht insofern nicht (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Hill, C.W.L., 2009) Burr sowie Kutschker und Schmidt benutzen den Begriff Know-how-Lizenz (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Burr, W., 2003).

Gegenstand technischer Hilfsverträge, die vor allem im Verkehr mit Entwicklungsländern eine bedeutende Rolle spielen, sind die technische Beratung bei der Entwicklungsplanung von industriellen Projekten, die Ausarbeitung technischer Gutachten, die Projektierung und Errichtung von Anlagen, technische Schulungen und Investitionsgüterlieferungen (Perlitz, M./Seger, F., 2003). Der Empfänger besitzt bei technischen Hilfsverträgen i.d.R. keine eigenen Fachkenntnisse, weshalb es sich im Allgemeinen um eine fachliche Beratung handelt, die nicht unbedingt ein gewerbliches Spezialwissen erfordert.

Überschusstechnologie

Eine Überschusstechnologie für internationale Technologieverträge liegt dann vor, wenn Unternehmen eine Technologie entwickelt haben, die sie selbst nicht ausnutzen können oder wollen (Perlitz, M., 1978) und die an Unternehmen im In- oder Ausland verkäuflich ist.

Ein Hauptmotiv für den Verkauf der Überschusstechnologie ist die Erzielung von zusätzlichen Gewinnen, die zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen beitragen. Auf diese Weise bedeutet der Verkauf von Technologie einen Stimulus für das eigene Forschungs- und Entwicklungspersonal. Der Verkauf der Überschusstechnologie beeinträchtigt i.d.R. die anderen Aktivitäten und Märkte des Unternehmens nicht. Wird die Nutzung der Technologie nur möglich, wenn die Vorprodukte von dem Technologiegeber bezogen werden, so sind die daraus resultierenden Gewinne ein weiteres Motiv für den Verkauf der Überschusstechnologie an ein ausländisches Unternehmen.

[75]Ein zusätzlicher Vorteil des Verkaufs von Überschusstechnologie liegt möglicherweise darin begründet, dass die Entwicklung neuer Technologien und deren Vergabe an Dritte dem Technologiegeber die Reputation eines technologischen Marktführers einbringen, was sich auf die Qualitätsbeurteilung der anderen von ihm erstellten Erzeugnisse positiv auswirken kann (Pfordte, R., 1974).

Für die Vergabe von Überschusstechnologie spricht u.a. auch, dass durch den Verkauf Marktinformationen gewonnen werden, wie z.B. die Höhe der Absatzmenge, des Preises, die für eine vielleicht später geplante Eigennutzung der Technologie in dem betreffenden Ausland wichtig sind.

In einer betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse wirkt das Vorhandensein von Überschusstechnologie auf die Bereiche „Kosten“, „Technologie“, „Beschaffung“ und „Absatz“.

Technologiegewinnung und -sicherung

Die Vergabe von eigener Technologie ins Ausland dient oft dem Erwerb fremder Technologie (Kreuzlizenzabkommen) und der Vermeidung von Prozessen gegen Imitatoren bzw. einer Anti-Trust-Klage.

Daneben findet man die Vergabe von Kreuzlizenzen häufig in oligopolistischen Märkten, in denen wenige Anbieter den gemeinsamen Technologievorsprung gegenüber außenstehenden Dritten sicherstellen wollen. Auf diese Weise kommt es bisweilen zu einem Rückfluss von neuen Technologien, die auf der übertragenen Technologie aufbauen. Ein solches Vorgehen ermöglicht dem gebenden Unternehmen u.a. eine Schätzung des Technologiepotenzials des nehmenden Unternehmens, was im Rahmen der Konkurrenzanalyse einen erheblichen Vorteil darstellt.

Manchmal ist die Technologievergabe dadurch bedingt, dass Unternehmen Gerichtsprozesse wegen Know-how- oder Patentverletzungen vermeiden wollen. Dies gilt vor allem dann, wenn Konkurrenzunternehmen ähnliche Technologien anwenden und nicht sichergestellt werden kann, ob tatsächlich eine Imitation vorliegt. In solchen Fällen neigen Unternehmen eher dazu, die Technologie an Konkurrenzunternehmen zu verkaufen, als langwierige Prozesse zu führen (Kreuzlizenzen).

Aus Anti-Trust-Überlegungen kommt es ebenfalls zu einer Technologievergabe. Durch den Verkauf der Technologie oder z.T. auch durch eine kostenlose Gewährung soll vermieden werden, dass wegen einer marktbeherrschenden Stellung ein Anti-Trust-Verfahren gegen das betreffende Unternehmen eingeleitet wird. Anti-Trust-Überlegungen sind vor allem dann anzustellen, wenn Patentgemeinschaften, Patentanhäufungen in einer Hand, Patentlizenzierungen und Lizenzaustauschverträge bestehen (Lutz, R., 1997; Pfordte, R., 1974; Lovell, E.B., 1968).

[76]Unternehmensinterne Restriktionen

Unternehmensinterne Restriktionen sind oft Bestimmungsfaktoren für den Abschluss internationaler Technologieverträge (Zentes, J./Swoboda, B./Morschett, D., 2004; Perlitz, M., 1989). Vor allem mittelständische und kleine Unternehmen verfügen meist nicht über die nötige Finanzdecke, genügend Kapazität und/oder das entsprechende Personal, um eigene Technologien im Ausland über Exporte oder Direktinvestitionen selbst auszunutzen. Um die selbst entwickelte Technologie dennoch gewinnbringend im Ausland zu vermarkten, stellt für solche Unternehmen i.d.R. der Verkauf einer Technologie ins Ausland die einzige mögliche Markteintrittsstrategie dar.

Ein weiteres Motiv für einen internationalen Technologievertrag ist die Schlechterstellung eines aktuellen oder potenziellen Konkurrenten, da diesem durch die Technologiegebühren höhere Kosten entstehen. Für das Unternehmen, das die Technologie kauft, ist oft der Erwerb billiger als die Eigenentwicklung.

In manchen Fällen benötigt ein Unternehmen eine Mindestqualität der bezogenen Erzeugnisse, um die eigenen Produktionsstandards zu halten. Das führt mitunter dazu, dass das Unternehmen Technologien entwickelt, die es dem Lieferanten zur Verfügung stellen muss, damit dieser die Qualitätsstandards erfüllen kann. In einem solchen Fall handelt es sich überwiegend um Schutzrechte wie Patente, Gebrauchsmuster oder um reines Know-how.

Will das Unternehmen eine neue Auslandsaktivität aufnehmen, ist es oft gezwungen, einem ausländischen Partner die Technologie zu geben, die ihm eine Produktion mit der entsprechenden Qualität ermöglicht. Die Technologievergabe lässt bisweilen den Erwerb einer Beteiligung an einem Auslandsunternehmen als Ersatz für eine eigene Direktinvestition im Ausland zu. Anstelle eines Kapitaltransfers tritt dann ein reiner Technologietransfer.

Folgende Erklärungsvariablen leiten sich aus den Motiven interner Restriktionen für eine betriebliche Stärken- und Schwächenanalyse ab:

1 mangelnde Kapitalausstattung („Kapital“),

2 mangelnde Personalausstattung („Personal“),

3 mangelnde Maschinenkapazitäten („Betriebsmittel“),

4 Vormaterial-Know-how („Beschaffung“, „Technologie“, „Kosten“) und

5 Mindestqualitätsstandards („Absatz“, „Technologie“, „Kosten“).

Unternehmensexterne Restriktionen

Unternehmensexterne Restriktionen, die sich auf verschiedene Umweltfaktoren beziehen, können zum Abschluss eines internationalen Technologievertrages führen (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Perlitz, M./Seger, F., 2003).

[77]Ist der Absatzmarkt im Ausland für ein Erzeugnis zu klein, um eine Direktinvestition zu rechtfertigen, kann dies zum Abschluss eines internationalen Technologievertrages führen, wenn für ein ausländisches Unternehmen die Produktionsaufnahme ohne große Investitionen möglich ist. Besteht eine solche Situation, dann wird die Technologievergabe ins Ausland für den Technologieinhaber sinnvoll. In anderen Fällen ist der Markteintritt im Ausland für den Besitzer der Technologie zu teuer. Dies ist beispielsweise bei einer oligopolistischen Marktführerschaft im Ausland der Fall. Unter diesen Umständen ist es für den Technologieinhaber möglicherweise interessant, die Technologie an den Marktführer im Ausland zu verkaufen.

Ein zusätzliches Motiv für einen internationalen Technologievertrag liegt oft in der Möglichkeit einer besseren Marktdurchdringung, wenn der inländische Technologieinhaber die ausländische Marktnachfrage allein nicht abdecken kann. Mitunter ist eine Technologievergabe an ein ausländisches Unternehmen notwendig, um nicht den dortigen Absatzmarkt zu verlieren. Das gilt vor allem dann, wenn im Ausland die Gefahr droht, dass das inländische Unternehmen seine Schutzrechte ohne eine Lizenzgewährung verlieren würde. Für bestimmte Entwicklungsländer ist dies besonders relevant.

In anderen Fällen liegt der Abschluss eines internationalen Technologievertrages darin begründet, dass inländische Kunden Auslandsaktivitäten aufnehmen und somit Lieferanten zwingen, ihnen ins Ausland zu folgen. Je nach Auslandserfahrung eines Lieferanten wird eine Lizenzvergabe an ein ausländisches Unternehmen dem Export oder einer Direktinvestition vorgezogen.

Die Vergabe von Technologie an ausländische Unternehmen wird oft auch durch staatliche Restriktionen erzwungen. In einigen Entwicklungsländern ist ein solcher Vertrag oft die einzige Möglichkeit für einen Marktzugang. Staatliche Restriktionen, die zu internationalen Technologieverträgen führen, sind z.B. Devisenbeschränkungen, die für Technologiegebühren in vielen Ländern weniger restriktiv (oft nur bis zu einer bestimmten Maximalgebühr) gehandhabt werden als für Dividenden- oder Zinszahlungen.

Auch Importkontrollen können den Abschluss eines Technologievertrages als einzige Markteintrittschance offenlassen. Das Gleiche gilt für Investitionskontrollen und die Beschränkung von Beteiligungsverhältnissen bei Auslandsunternehmen.

1.4 Übergreifende Theorien der Internationalisierung

Theorie der Internalisierung

Die Theorie der Internalisierung basiert auf dem Transaktionskostenansatz von Coase (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Coase, R.H., 1937). Der Ansatz von Coase betrachtet die Effizienz unterschiedlicher Transaktionsformen. Dabei werden die Transaktionskosten auf dem Markt mit den Kosten von innerorganisatorischen Transaktionen verglichen. Coase kommt bei seiner Analyse zu dem Ergebnis, dass für viele [78]Transaktionen die Abwicklung über den Markt ineffizient ist. In diesem Fall wird die Transaktion nicht über den Markt, sondern mithilfe von innerorganisatorischen Koordinationsmechanismen durchgeführt. Viele Transaktionen sind ausschließlich innerhalb der Unternehmung möglich (Marktversagen). Deshalb sei eine Integration der Transaktionen in die Unternehmung effizienter, die intern transaktionskostengünstiger durchgeführt werden können. Die Integration von Transaktionen in das Unternehmen bezeichnet man als Internalisierung (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Hill, C.W.L., 2009; Buckley, P.J., 1995).

Buckley und Casson (Buckley, P.J./Casson, M.C., 1991) haben den Transaktionskostenansatz auf multinationale Unternehmen übertragen und daraus die Theorie der Internalisierung entwickelt. Sie sehen das Entstehen von multinationalen Unternehmen als ein Ergebnis der Internalisierung von unvollkommenen Märkten. Vor allem betrachten sie die Märkte für Zwischenprodukte und für immaterielle Ressourcen wie z.B. Wissen und Erfahrung weitgehend als unvollkommen. Auch andere Bereiche immaterieller Leistungserstellung wie z.B. Forschung und Entwicklung, das Finanzmanagement und die Distribution sind oft besser zu internalisieren, als über den Markt zu beziehen. Im Rahmen der Internationalisierung können Unternehmen diese Vorteile aus der Internalisierung durch Direktinvestitionen im Ausland weltweit kostengünstiger nutzen, als dies durch marktbezogene Eintrittslösungen wie z.B. durch Exporte der Fall ist. Wenn Zwischenprodukte und immaterielle Ressourcen unternehmensintern international kostengünstiger als über die Auslandsmärkte disponiert werden können, kommt es zum Entstehen von Direktinvestitionen im Ausland und damit zu multinationalen Unternehmungen. Anhand einer Regressionsanalyse haben Buckley und Casson ihre Theorie getestet und kommen zu dem Ergebnis, dass internationale Unternehmen in Branchen mit einer hohen Forschungsintensität einen höheren Internalisierungsgrad aufweisen.

Die Theorie der Internalisierung wurde von einigen Autoren um verschiedene Teilaspekte erweitert. So weist Hennart auf Internalisierungsvorteile durch das Vorhandensein von Goodwill und Know-how hin (Hennart, J.F., 1985). Baumann beschreibt die Bedeutung von Marktmacht, Economies-of-Scale-Effekten und Synergie-Effekten für die Gewinnung von Internalisierungsvorteilen (Baumann, H.G., 1975). Furubotn stellt die Bedeutung von Lerneffekten für die Erzielung von Internalisierungsvorteilen heraus (Furubotn, E.G., 1989). Magee begründet die Internalisierung mit einer Theorie der Aneignungsmöglichkeiten. Darunter versteht er die Möglichkeit des Urhebers einer Idee, sich den vollen Wert dieser Idee anzueignen. Da Informationen heute zunehmend ein öffentliches Gut werden, besteht nach Magee für Unternehmen die Gefahr, dass Imitatoren durch geringfügige Veränderungen der Produkteigenschaften die ursprüngliche Produktidee kostengünstig kopieren können. Deshalb gehen nach seiner Ansicht multinationale Unternehmen dazu über, den Informationstransfer unternehmensintern vorzunehmen und komplizierte, schwer zu imitierende Technologien zu entwickeln (Magee, S.P., 1977). Auf diese Weise kann das Unternehmen Internalisierungsvorteile generieren.

[79]Eklektische Theorie

Die Theorie der Internalisierung wurde von Dunning (Dunning, J.H., 1980) zur Eklektischen Theorie, die er später als „Faktorausstattung/Marktversagen-Paradigma der internationalen Produktion“ bezeichnet (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Hill, C.W.L., 2009; Dunning, J.H., 1988), weiterentwickelt. Nach ihm hängt die Internationalisierungsstrategie von folgenden Faktoren ab:

 Eigentums- und/oder Wettbewerbsvorteile (Ownership Advantages (O)),

 Standortvorteile (Location Specific Advantages (L)) und

 Internalisierungsvorteile (Internalization Advantages (I)).

Dunning untersucht die Bedeutung dieser Vorteile für das Entstehen von internationalen Produktionsstandorten und damit von multinationalen Unternehmen. Mit seinem Ansatz will Dunning die bislang dominierenden monokausalen Theorien erweitern, indem er neben der Organisations- auch die Standort-, Wettbewerbs- und Außenhandelstheorien in seine Eklektische Theorie einbezieht. Abbildung 46 stellt den Zusammenhang zwischen den verschiedenen von Dunning verwendeten Vorteilen und unterschiedlichen Markteintrittsstrategien dar.


Abbildung 46: Zusammenhang zwischen OLI-Vorteilen und Markteintrittsstrategie nach der Theorie von Dunning

Dunning hat seine Theorie anhand zahlreicher Untersuchungen empirisch bestätigt gefunden (Dunning, J.H./Kundu, S.K., 1995; Dunning, J.H., 1979; 1980; 1981). Dennoch wurde der Ansatz stark kritisiert (Randøy, T./Dibrell, C.C., 2002; Macharzina, K./Engelhard, J., 1991; Braun, G., 1988; Krist, H., 1985; Buckley, P.J., 1985b; Kojima, K., 1978). Daher hat Dunning seine Eklektische Theorie inzwischen vor dem Hintergrund der Umweltdynamik und sich verändernden Unternehmensverhaltens mehrfach verteidigt bzw. angepasst. Seine Theorie wurde beispielsweise um folgende vier Komponenten erweitert (Dunning, J.H., 1988):

 Motive für die Entscheidung über internationale Produktionsstandorte wurden berücksichtigt,

 Faktorausstattungen der Länder, die Basis für Standortvorteile sind, wurden um Zwischenprodukte und um die Austauschmobilität von Produkten erweitert,

 Strukturvariablen für Strategieentscheidungen wurden in die Theorie eingeführt und

 [80]Anwendungsbereiche seiner Theorie wurden erweitert, indem er nicht nur die Errichtung von internationalen Produktionsstandorten, sondern auch den Handel zwischen Konzerngesellschaften oder Desinvestitionen zu erklären versucht.

Durch die Erweiterung seiner Theorie wurde zwar eine Vielzahl unterschiedlicher Variablen berücksichtigt, jedoch bleiben folgende Punkte kritisch (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Randøy, T./Dibrell, C.C., 2002; Itaki, M., 1991; Macharzina, K./Engelhard, J., 1991; Braun, G., 1988; Kirst, M., 1985):

Es ergeben sich konzeptionelle Probleme des Zusammenführens von Variablen aus unterschiedlichen Erklärungsebenen (Makroökonomische Daten, Entscheidungsdaten für das Management etc.), die sich ohne Zwischenglieder nicht lösen lassen.

Die Struktur- und Bestimmungsvariablen werden nicht auf ihre empirische Relevanz untersucht und stellen damit bloße Vermutungen dar.

Dunning geht von einem homo oeconomicus aus, der nur aufgrund rationaler Entscheidungen seine Strategie entwickelt. Schon Aharoni (Aharoni, Y., 1966) hat gezeigt, dass diese Annahme nicht ohne Weiteres für Internationalisierungsentscheidungen aufrechtzuerhalten ist. Darüber hinaus werden die Bedingungen für den Erwerb der Fähigkeit und für die Bereitschaft zur Durchführung von Direktinvestitionen im Ausland und die Art und Weise, wie diese Entscheidung zustande kommt, nicht erklärt, sondern als gegeben hingenommen.

Dunning untersucht nicht die Beziehungen, die zwischen seinen Variablen bestehen. Seine Theorie besteht nur aus einem Sammelsurium unterschiedlicher Variablen, die in keinen Zusammenhang zueinander gebracht werden. Seine Variablen, die auf Vorteile abstellen, stellen auch keine neuen Elemente einer Theorie dar, sondern wurden bereits bei Hymer sowie in den Ansätzen zur Internalisierung als Erklärungsvariablen aufgeführt.

Itaki weist nach, dass der Ansatz von Dunning Redundanzen aufweist. So reichen nach seiner Analyse die Internalisierungs- und Standortvorteile schon aus, um die Existenz und das Wachstum von multinationalen Unternehmen zu erklären. Damit wird der Eigentumsund/oder Wettbewerbsvorteil im Dunning-Ansatz überflüssig.

Außerdem weist Itaki darauf hin, dass die Eigentums- und/oder Wettbewerbsvorteile ökonomisch nicht zu trennen sind.

Dunning macht deutlich, wie schwierig, wenn nicht unmöglich, es ist, eine umfassende Theorie der Internationalisierung zu entwickeln, da die Berücksichtigung vieler unterschiedlicher Aspekte das Problem aufwirft, welche Verbindungen zwischen diesen Aspekten selbst und der Internationalisierungsentscheidung bestehen.

Der Ansatz von Dunning liefert für eine betriebliche Stärken- und Schwächen- sowie für eine Umweltanalyse eine solche Vielzahl von Variablen, dass die Gefahr besteht, dass keine eindeutigen Aussagen mehr formuliert werden können. Für die konkrete Entwicklung [81]einer Internationalisierungsstrategie eines Unternehmens sind jedoch die OLI-Vorteile so allgemein definiert, dass ohne eine Spezifizierung nur Anstöße gegeben werden, in welche Richtungen Unternehmen nach einem Wettbewerbsvorteil suchen sollten.

2 Managementorientierte Konzepte des internationalen Wettbewerbs

2.1 EPRG-Modell

Das EPRG-Modell gehört zu den zentralen Ansätzen des internationalen Managements (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Ahlstrom, D./Bruton, G.D., 2010; Hill, C.W.L., 2009). Perlmutter (Perlmutter, H.V., 1969) kritisiert, dass in der Literatur der Grad der Multinationalität von Unternehmen fast ausschließlich mit „objektiven“ Maßgrößen bestimmt wird, wie z.B. mit Strukturvariablen (Anzahl der ausländischen Niederlassungen, Beteiligungsverhältnisse, Organisationsstruktur, Nationalität des Topmanagements usw.) und mit Leistungskriterien (absoluter oder zum Inland relativer Gewinn, Umsatz und Kapitaleinsatz im Ausland, Anzahl ausländischer Mitarbeiter usw.). Neben diesen „objektiven“ Maßgrößen, die meist auf eindimensionalen Kriterien basieren, spielt seiner Meinung nach die Einstellung des Topmanagements eine dominierende Rolle für die Messung der Multinationalität von Unternehmen: „The orientation toward foreign people, ideas, resources, in headquarters and subsidiaries, and in host and home environments, becomes crucial in estimating the multinationality of a firm(Perlmutter, H.V., 1969). Die Einstellung des Managements spiegelt sich in dem Führungskonzept eines Unternehmens wider. Perlmutter unterscheidet im Hinblick auf die Einstellung von Managern in international tätigen Unternehmen drei Führungskonzepte: ein ethnozentrisches (heimatlandorientiertes), ein polyzentrisches (gastlandorientiertes) und ein geozentrisches (weltorientiertes) Führungskonzept. Später haben Heenan und Perlmutter die drei genannten Konzepte um ein regiozentrisches (regionenorientiertes) Führungskonzept ergänzt (Heenan, D.A./Perlmutter, H.V., 1979).

Das ethnozentrische Führungskonzept ist dadurch charakterisiert, dass die Schlüsselpositionen in ausländischen Tochtergesellschaften bevorzugt durch Angehörige aus dem Stammland des Unternehmens besetzt werden. Mitarbeiter aus dem Land der Muttergesellschaft werden präferiert, da angenommen wird, dass sie intelligenter, fähiger und zuverlässiger sind als solche aus den Gastländern. Perlmutter weist darauf hin, dass diese Vorurteile meist aus einer mangelnden Kenntnis des ausländischen Arbeitsmarktes und der allgemeinen Situation des Gastlandes resultieren. Diese Einstellung wird dadurch gefördert, dass beim Topmanagement im Stammhaus und in den ausländischen Tochtergesellschaften die gleichen Denkmuster vorherrschen.

Das polyzentrische Führungskonzept geht davon aus, dass sich die Kulturen in den verschiedenen Ländern so unterscheiden, dass sie nur schwer von Ausländern verstanden [82]werden können. Deshalb sollte man das Management im Gastland mit ausländischen Mitarbeitern besetzen und diese weitgehend allein entscheiden lassen, solange sie die Zielsetzungen der Muttergesellschaft erfüllen. Bei dem polyzentrischen Führungskonzept wird unterstellt, dass das Management im Stammland die Einzelheiten im Auslandsgeschäft nicht wirklich verstehen und beurteilen kann. Es vertraut darauf, dass das ausländische Management „es schon richtig machen wird“. Aufgrund dieser Einstellung setzt sich das Topmanagement im Stammhaus nur aus Mitarbeitern des Stammlandes und in den Gastländern aus lokalen Managern zusammen, wobei der Einfluss von Stammhausangestellten auf Entscheidungen in den Gastländern so gering wie möglich gehalten wird.

Beim regiozentrischen Führungskonzept erfolgt eine Rekrutierung von Führungskräften aus Ländern der gleichen Region. Als Beispiel wählen Heenan und Perlmutter den europäischen Markt. Von einem europäischen Produktionsstandort aus kann das Unternehmen viele unterschiedliche Märkte in Europa beliefern. Eine regionale Werbekampagne kann durch italienische, französische, britische und deutsche Manager auf „europäische Gemeinsamkeiten“ überprüft werden. Kandidaten, die eine Schlüsselposition in ihren Heimatländern übernehmen sollen, können in der europäischen Zentrale Erfahrungen sammeln und eine stärkere „eurozentrische“ Sicht entwickeln.

Beim geozentrischen Führungskonzept versucht man, die unterschiedlichen Regionen der Welt im Rahmen eines globalen Ansatzes zu integrieren. Das Stammhaus und die ausländischen Tochtergesellschaften betrachten sich als Teil einer weltweiten Einheit. Die Überlegenheit dieser Einheit wird nicht mit bestimmten Nationalitätszugehörigkeiten gleichgesetzt, sondern resultiert aus der Fähigkeit, eine optimale Allokation der Ressourcen auf globaler Basis zu erreichen. Es kommt über alle Ländergrenzen hinweg zu weltweiten Synergieeffekten (Heenan, D.A./Perlmutter, H.V., 1979).

Perlmutter analysiert den Einfluss der unterschiedlichen Führungskonzepte auf verschiedene Organisationsvariablen wie z.B. Komplexität, Entscheidungsabläufe, Kontrolle, Incentives, Kommunikation, Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und Personalführung. Abbildung 47 gibt einen Überblick über den Zusammenhang zwischen diesen Organisationsvariablen und den unterschiedlichen Führungskonzepten (Heenan, D.A./Perlmutter, H.V., 1979).

Weiterhin weist Perlmutter darauf hin, dass in der Unternehmenspraxis verschiedene Führungskonzepte in einem Unternehmen vorzufinden sind oder sich in der konkreten Ausgestaltung unterscheiden. Zwar gibt es seiner Meinung nach kein einheitliches Muster, wie sich das EPRG-Profil im Zeitablauf entwickelt, jedoch sieht er den Pfad als typisch an, wonach sich die Unternehmenskultur von einer ethno- über eine poly- und regio- bis zu einer geozentrischen Orientierung entwickelt.

[83]

Abbildung 47: Das EPRG-Modell von Perlmutter

In einer kritischen Analyse weisen Heenan und Perlmutter auf die Probleme hin, die sich aus den unterschiedlichen Führungskonzepten bzw. Unternehmenskulturen ergeben (Heenan, D.A./Perlmutter, H.V., 1979). Sie sehen die Zukunft von multinationalen Unternehmen mehr in einem Regio- oder Geo- als in einem Ethno- oder Polyzentrismus.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Ansatz von Perlmutter überwiegend auf einer Analyse der Einflüsse von unterschiedlichen Führungskonzepten bzw. Unternehmenskulturen auf bestimmten Organisationsvariablen basiert. Damit wird zwar ein Konzept der Internationalisierung vorgestellt, das alle Strategie-, Organisations- und Funktionsbereiche des Unternehmens beeinflusst, jedoch werden die Bestimmungsfaktoren, die zu einer Internationalisierungsstrategie führen, nur aus der Einstellung des Topmanagements abgeleitet. Es bleiben andere wichtige funktionsbereichsspezifische Aspekte, die die Entscheidung für eine bestimmte Internationalisierungsstrategie beeinflussen, genauso unberücksichtigt wie die Frage, in welchen Ländern sich Unternehmen engagieren sollten.

2.2 Triademodell

Mitte der 1980er Jahre entwickelte Ohmae das Triade-Modell für die Internationalisierung von Unternehmen (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Ohmae, K., 2006). Er unterstellt, dass [84]das „klassische“ Modell des multinationalen Unternehmens heute überholt sei. Die Globalisierung von Produkten und Märkten, der rasche technische Fortschritt und neoprotektionistische Tendenzen lassen nach Ohmae einen neuen Unternehmenstyp entstehen: das Triade-Unternehmen. Dessen Hauptmerkmal ist eine starke Wettbewerbsposition in den Triaderegionen USA, Europa und Japan (Ohmae, K., 2006). Damit betrachtet Ohmae ausschließlich OECD-Länder, auf die sich allerdings auch ein Großteil der internationalen Unternehmenstätigkeit konzentriert.

Das Triade-Unternehmen wird in Japan, den USA und Europa als lokales Unternehmen betrachtet und übernimmt damit in diesen Regionen eine „Insider-Stellung (Ohmae, K., 2006). Des Weiteren wird es als ein Unternehmen beschrieben, das über eine kleine Zentrale mit dem symbolischen Namen Anchorage verfügt. Die Stadt Anchorage wurde von Ohmae gewählt, da von hier aus die Wirtschaftszentren New York, Tokio und Düsseldorf in der ungefähr gleichen Flugzeit von sieben Stunden erreicht werden können. Die „Anchorage-Mentalität“ eines Unternehmens impliziert, dass bei der Formulierung der Unternehmensziele, Strategien und Maßnahmen alle möglichen Auswirkungen auf die Triade-Regionen berücksichtigt werden. Dazu ist eine genaue Kenntnis der Triade-Märkte erforderlich und das Triade-Denken soll ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur werden. Das Triade-Denken ist nach Meinung von Ohmae hauptsächlich durch drei Phänomene notwendig geworden: die zunehmend kapitalintensive Produktion, die dynamische Entwicklung neuer Technologien und die Homogenisierung der Nachfrage. Diese werden nachfolgend erörtert.

Durch den Einsatz neuer Technologien in den Bereichen Entwicklung/Design und Produktion kommt es nach Ohmae zu einer beträchtlichen Senkung des Lohnkostenanteils an den Gesamtkosten. Damit wird eine Produktionsverlagerung in Billiglohnländer aus Kostengesichtspunkten immer uninteressanter, da in diesen Ländern höhere Transportkosten aufgrund einer schlechteren Verkehrsinfrastruktur und höhere Versicherungsprämien anfallen als in den Ländern der Triade. Die kapitalintensivere Produktion benötigt hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Diese sind in vielen Niedriglohnländern nicht oder nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Aus diesen Gründen ist nach Ohmae eine Standortwahl innerhalb der Triade vorteilhaft.

Daneben ist Ohmae der Ansicht, dass sich die Produktion in den Triadeländern immer stärker auf Hightech-Produkte konzentriert (Backhaus, K./Hilker, I., 1994). Die Entwicklung von dynamischen neuen Technologien wird damit zu einer Überlebensaufgabe von Unternehmen. Die Forschung und Entwicklung von Hightech-Produkten wird seiner Meinung nach immer risikoreicher und kostspieliger, wodurch es für einzelne Unternehmen bei der hohen Geschwindigkeit der Technologieentwicklung zunehmend schwieriger wird, aus eigener Kraft mitzuhalten. Die beschleunigte Verbreitung der neuen Technologien macht den Faktor Zeit zu einem neuen strategischen Wettbewerbsvorteil. Technologische Monopolsituationen können deshalb nur für kurze Zeit gehalten werden (Ohmae, K., 2006). [85]Aus den genannten Gründen gehen Unternehmen verstärkt den Weg der Kooperation und Integration. Auf diese Weise werden Marktpotenziale stärker und schneller ausgeschöpft. Dies kann durch eine Vorwärts-, Rückwärts- oder eine horizontale Integration erreicht werden. Diese Kooperations- und Integrationstendenzen sind nach Ohmae mit Unternehmen aus den Triade-Ländern eher möglich als mit solchen aus Ländern in anderen Wirtschaftsräumen. Die enge Verflechtung von Unternehmen innerhalb der Triade kann dazu führen, dass Imitatoren mit dem Innovator, durch die Aufnahme von Aktivitäten in den verschiedenen Triade-Ländern, auf dessen Heimatmarkt in Konkurrenz treten, damit können Unternehmen gleichzeitig Konkurrenten und Partner werden.

Nach Ohmae kommt es darüber hinaus in den Triade-Ländern zu einer Homogenisierung der Märkte, da sich die Kaufkraft immer stärker angleicht. Damit greift er für die Triade-Märkte die Konvergenzthese von Levitt auf (Levitt, T., 1983). Da sich das Ausbildungsniveau in den Triade-Ländern angleicht und eine hoch entwickelte Infrastruktur, z.B. Massenmedien, vorhanden ist, setzt sich der Lebensstil einer Wohlstandsgesellschaft durch (Ohmae, K., 2006). Diese Entwicklung führt dazu, dass für bestimmte Produkte weltweite Trendsettergruppen entstehen. Es entwickelt sich ein „gemeinsamer“ Markt von „OECD-Bürgern“ oder von „Triade-Bürgern“, den Ohmae mit etwa 600 Millionen Menschen beziffert.

Das durch die Kapitalintensität der Produktion, die Dynamik neuer Technologien und die Homogenisierung der Nachfrage geförderte Triade-Denken muss nach Ansicht von Ohmae einen zunehmenden Neoprotektionismus in den verschiedenen Triade-Ländern berücksichtigen. Protektionistische Maßnahmen sollen dazu dienen, heimische Produktionen, die nicht mehr weltweit wettbewerbsfähig sind, gegen internationale Konkurrenz zu schützen. Damit will man das Problem der Arbeitslosigkeit mildern. Dieser Protektionismus lässt sich nach Ohmae dadurch umgehen, dass ein Unternehmen in allen wichtigen Märkten als „Insider“ präsent ist. Wenn das nicht gelingt, so kann es in diesen Ländern plötzlich vor verschlossenen Türen stehen (Ohmae, K., 2006). Ein „Insider“ zeichnet sich durch die genaue Kenntnis des lokalen (regionalen) Marktes aus, und seine Präsenz und sein Einfluss sind in der Umgebung deutlich spürbar. Nach außen hin kann man den „triadischen Insider“, was sein Auftreten in dem jeweiligen Markt betrifft, nicht von einem lokalen Anbieter unterscheiden (Ohmae, K., 2006).

Die dargestellten Herausforderungen für international tätige Unternehmen lassen sich nach Ansicht von Ohmae nicht mehr mit traditionellen Unternehmensmodellen lösen. Das Modell vom globalen Unternehmen sieht er in Anbetracht der geringen Bedeutung der Lohnkosten in Relation zu den Gesamtkosten als überholt an, da die Lohnkostenvorteile in vielen Ländern durch die Kostennachteile aus dem Standort und der Infrastruktur überkompensiert werden. Zudem sind globale Unternehmen durch das Aufkommen von protektionistischen Maßnahmen besonders gefährdet. Globale Unternehmen sind nach der Betrachtungsweise von Ohmae dadurch gekennzeichnet, dass sie stark von ihrem Stammland geprägt sind.

[86]Bezüglich der Markteintritts- und -bearbeitungsstrategie empfiehlt Ohmae ein Modell (Ohmae, K., 2006), in dem, gleichsam einem Sprinkler, nach der Innovation eines neuen Produktes alle Schlüsselmärkte gleichzeitig „überflutet“ werden. Damit soll eine schnelle Diffusion neuer Technologien in allen relevanten Märkten erreicht werden. Das „Sprinkler-Modell„ steht im Gegensatz zu dem „Wasserfall-Modell„, bei dem ein sequenzielles Vorgehen bei der Marktdurchdringung erfolgt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Kreutzer, R., 1989b). Abbildung 48 gibt schematisch das „Sprinkler-“ und das „Wasserfall-Modell“ wieder.


Abbildung 48: Wasserfall- und Sprinkler-Modell für den Markteintrittszeitpunkt

Auch das Uno-Modell (Ohmae, K., 2006), nach dem die internationalen Aktivitäten von Unternehmen nicht nach betriebswirtschaftlichen Orientierungsgrößen (z.B. Marktpotenzial, Absatzvolumen) gesteuert werden, sondern im Sinne einer maximalen Länderpräsenz, kann nach Ohmae nicht erfolgreich sein, da erstens nicht für alle Länder dieser Welt von der Konvergenzthese ausgegangen werden kann und zweitens viele schwache Wettbewerbspositionen nicht vor Angriffen eines Konkurrenten aus der Triade schützen (Ohmae, K., 2006).

Um aus einem international tätigen Unternehmen ein Triade-Unternehmen zu entwickeln, schlägt Ohmae eine Reihe von Maßnahmen vor.

Es muss eine Neuorientierung der unternehmerischen Funktionsbereiche erfolgen. Alle betrieblichen Funktionen, insbesondere jedoch der Produktions- und Absatzbereich, [87]müssen im Hinblick auf die Triade-Märkte neu gestaltet werden. Beispielsweise muss sich die Produkttechnologie am Weltmarkt orientieren und auf globale Produktionsfaktoren ausgerichtet sein. Die Prozesstechnologie soll eine Kostendegression ermöglichen. Der Absatz muss im Sinne des „Sprinkler-Modells“ eine maximale Ausnutzung der Märkte in kurzer Zeit erreichen.

Auch müssen sich international tätige Unternehmen mithilfe von Kooperationen zu Insidern in den Triade-Märkten entwickeln. Solche Kooperationsformen können z.B. Konsortien oder Joint Ventures sein, die vorzugsweise regional und nicht länderspezifisch ausgerichtet sind.

Die Unternehmensorganisation muss nach Ohmae neu überdacht werden. Im Zusammenhang mit der optimalen Ausnutzung von Synergieeffekten unterscheidet er drei Organisationsmodelle international tätiger Unternehmen: das multinationale, das multilokale und das multiregionale Unternehmen. Bei der Beschreibung der unterschiedlichen Organisationsformen wird deutlich, dass seine Klassifikation dem ethnozentrischen (multinational), dem polyzentrischen (multilokal) und dem regiozentrischen (multiregional) Konzept von Perlmutter sehr ähnlich ist. Für ein Triade-Unternehmen ist für ihn in erster Linie eine multiregionale Organisationsstruktur empfehlenswert (Ohmae, K., 2006). Er schließt jedoch die anderen Organisationsstrukturen für ein Triade-Unternehmen nicht aus.

Will sich ein Unternehmen zu einem Triade-Unternehmen entwickeln, so müssen auch die Aufgaben der Unternehmenszentrale neu definiert werden. Die Aufgabe der Zentrale besteht zunächst einmal darin, eine Vordenkerrolle zu übernehmen und den Mitarbeitern Motivation, Zielvorstellungen und Werte zu vermitteln. Dabei sind zwei Wertsysteme zu entwickeln: ein allgemeines, das Aspekte wie Leistungsanspruch und Zielvorstellungen beinhaltet, und ein spezielles Wertsystem, das an Regionen oder Funktionalbereichen ausgerichtet ist.

Weiterhin muss die Zentrale aktiv die Unternehmensressourcen zwischen den Regionen verteilen, um bestimmte regionale Aktivitäten zu fördern (Ohmae, K., 2006). Damit soll erreicht werden, dass sich das lokale Unternehmen zu einem Insider entwickelt. Darüber hinaus ist die Zentrale dafür verantwortlich, alle relevanten Informationen aus den Triade-Regionen zu sammeln. Um eine möglichst kurze Reaktionszeit zu erreichen, müssen regelmäßig Informationen über Konkurrenzunternehmen und über veränderte Kundenwünsche erhoben werden. Es ist Aufgabe der Zentrale, „zum Wohle des Unternehmens neue Chancen zu entdecken und tote Winkel der Triade auszuleuchten“ (Ohmae, K., 2006).

Eine weitere Aufgabe der Zentrale ist es, die Unternehmensbereiche in den einzelnen Triade-Ländern zu koordinieren und notwendig werdende Kooperationen zu initiieren. Sie muss permanent die Geschäftsfelddefinitionen überprüfen, um zu vermeiden, dass durch ein starres Festhalten an bestehenden Strukturen die Wahrnehmung neuer Chancen verhindert wird (Ohmae, K., 2006).

[88]Ohmae will die gesamte internationale Unternehmenstätigkeit nicht nur auf die Triade-Länder beschränken, sondern sieht auch eine Verantwortung des Triade-Unternehmens für die Dritte Welt. Jedes Triade-Unternehmen sollte deshalb engen Kontakt zu den jeweils südlich von ihm gelegenen Entwicklungsländern pflegen. So ordnet er Europa die afrikanischen Länder, Japan die asiatischen und Amerika die lateinamerikanischen Entwicklungsländer zu.

Abbildung 49 zeigt die regionalen Verantwortungsbereiche der Triade-Unternehmen, wie sie von Ohmae gesehen werden. Bei dieser Verantwortungsstruktur kommt es für die Triade-Unternehmen bei ihren Aktivitäten in diesen Regionen weniger auf Gewinnerzielungsmöglichkeiten als auf humanitäre Hilfe an.


Abbildung 49: Regionale Verantwortungsbereiche der Triade-Unternehmen

Kritisch ist zu dem Ansatz von Ohmae anzumerken, dass sich das Modell der Triade weitgehend auf die Strategie der Kostenführerschaft konzentriert, die durch eine Marktdurchdringungsstrategie in den Triade-Ländern erreicht werden soll. Durch diese Konzentration auf die Triade-Länder sollen Economies-of-Scale-, Economies-of-Scope- und Lernvorteile erzielt werden, damit die Gewinnschwelle trotz kürzer werdender Lebensdauern von Produkten und Technologien erreicht wird. Darüber hinaus sollen diese Vorteile dazu dienen, die durch die Kapitalintensität der Produktion entstehenden hohen Fixkostenbelastungen schneller abzudecken. Mit dieser Betrachtungsweise vernachlässigt Ohmae die Qualitätsführerschaft als mögliche Strategiealternative.

Die Analyse von Ohmae ist durch das japanische Denken geprägt. Das wird auch durch die „triadisch“ ausgerichtete Unternehmenszielsetzung deutlich, bei der geringere Gewinne in Teilmärkten zugunsten einer Gewinnmaximierung auf dem Gesamtmarkt in Kauf genommen werden. Während die traditionellen Unternehmensziele Return on Investment, Eigenkapitalrentabilität und absoluter Gewinn nach Ansicht von Ohmae in westlichen [89]Industrieunternehmen im Vordergrund stehen, werden bei Triade-Unternehmen relative und absolute Marktanteilsziele als Steuergrößen bevorzugt.

Ein weiterer kritischer Punkt in der Analyse von Ohmae ist die Konvergenzthese bezüglich der Triade-Länder. Seiner Meinung nach verschwinden zunehmend lokale und kulturelle Besonderheiten bei Produkten, da sich Kunden in den Triade-Ländern nur die fortschrittlichsten Produkte wünschen. Zwar gleichen sich die Einkommensstrukturen in den verschiedenen OECD-Ländern an und führen die Transport- und Kommunikationssysteme zu einem Abbau der Distanzen zwischen Ländern und Kulturen, jedoch stehen diesen Konvergenzen erhebliche globale Divergenztendenzen – auch in den Triade-Ländern – gegenüber. Die Entwicklung zu einer Multiple-Option-Society (Kreutzer, R., 1989b) zielt auf eine individuelle Bedürfnisbefriedigung ab. Wenn auch die Konvergenzthese für einige Märkte unterstellt werden kann (z.B. ähneln sich die Jugendkulturen in den USA, Japan und Europa), so lässt sich doch feststellen, dass sie nicht allgemeingültig ist. Allein die Unterschiede im Konsumentenverhalten in Europa zeigen, wie vielfältig die Bedürfnisund Nachfragestrukturen trotz des gemeinsamen Marktes sind.

Zu den genannten Punkten kommt hinzu, dass Ohmae sich weitgehend auf Großunternehmen konzentriert. Für mittlere und kleinere Unternehmen ist eine Triade-Strategie aus Mangel an Ressourcen i.d.R. nicht durchführbar. Ohmaes Konzept propagiert durch die vorgeschlagenen Kooperationsformen und die Fokussierung auf Großunternehmen implizit eine Konzentrationstendenz, bei der nur wenige Spitzenunternehmen überleben. Damit würden, folgt man der Überlegung von Ohmae, viele kleine Innovationsunternehmen nicht globalisieren können.

Zudem kann das Konzept auch für Großunternehmen nicht empirisch bestätigt werden. Von den 380 multinationalen Unternehmen der Fortune 500 aus dem Jahr 2001, für die länderspezifische Umsatzzahlen verfügbar sind, können nur neun als Triade-Unternehmen bezeichnet werden. 320 dieser Unternehmen sind auf die Heimatregion fokussiert mit einem durchschnittlichen Umsatzanteil von 80,3% in dieser Region (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009).

Des Weiteren stützt sich Ohmae bei seiner Betrachtung fast ausschließlich auf Hightech-Konsumgüter. Damit wird der Investitionsgüter- und Dienstleistungsbereich weitgehend außer Acht gelassen. In diesen Märkten können Qualitätsführerschafts- und Nischenstrategien genauso erfolgreich sein wie Kostenführerschaftsstrategien. Damit vernachlässigt er einen großen Teil der Aktivitäten vieler international tätiger Unternehmen.

Durch die Öffnung Osteuropas und durch die Entwicklung einiger Schwellenländer in Asien oder in Lateinamerika läuft Ohmae Gefahr, aufgrund der Konzentration auf die Triade-Länder interessante Marktchancen zu übersehen. Dies gilt insbesondere für die BRICS-Staaten.

[90]Insgesamt sind die Ausführungen von Ohmae auf die „Japanische Erfolgsstrategie“ der 1980er Jahre ausgerichtet. Ob Amerikaner und Europäer den japanischen Erfolgsweg imitieren können, ohne eine schlechte Kopie eines guten Japaners zu werden, erscheint fraglich.

2.3 Globalisierungskonzept von Porter

Porter stellt in seinen Ausführungen über den Wettbewerb auf globalen Märkten fest, dass man heute mehr über die Probleme weiß, „die ein Unternehmen auf dem Weg zur multinationalen Geschäftstätigkeit bewältigen muss, als über die Strategien, die für eine etablierte internationale Firma geeignet sind“ (Porter, M.E., 1989b). Er versucht daher, ein Rahmenkonzept für die Formulierung von Internationalisierungsstrategien zu entwickeln. Zunächst unterscheidet er zwischen länderspezifischen und globalen Branchen. In länderspezifischen Branchen ist der Wettbewerb zwischen den betreffenden Unternehmen innerhalb eines Landes oder einer kleinen Ländergruppe im Wesentlichen unabhängig vom Marktgeschehen in anderen Ländern. Eine globale Branche ist nach Porter dadurch gekennzeichnet, dass die Wettbewerbsposition eines Unternehmens in einem spezifischen Land von seiner Stellung in anderen Ländern beeinflusst wird oder der umgekehrte Sachverhalt vorliegt (Porter, M.E., 1989b). Während Unternehmen aus länderspezifischen Branchen entscheiden können, ob sie international tätig werden oder nur den Heimatmarkt bedienen wollen, ist für ein Unternehmen aus einer globalen Branche die Formulierung einer erfolgreichen Internationalisierungsstrategie eine lebenswichtige Aufgabe (Porter, M.E., 1989b).

Nach Porter muss ein Unternehmen für die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie eine Optimierung von Vorteilen aus einem integrierten weltweiten Verbundsystem unter Berücksichtigung der notwendigen Länderorientierung (Meckl, R./Rosenberg, C., 1995) vornehmen (Porter, M.E., 1989b). Porter entwickelt sein Globalisierungskonzept aus der Wertkette, die in Abbildung 50 wiedergegeben wird (Porter, M.E., 1985).

Im Rahmen seines Ansatzes unterscheidet Porter zwischen unterstützenden und Primäraktivitäten. Primäraktivitäten sind interne und externe Logistik, Produktion, Marketing und Verkauf sowie Kundendienst. Die unterstützenden Aktivitäten umfassen die Funktionen Beschaffung, technologische Entwicklung, Personalmanagement und die Infrastruktur des Unternehmens.

Für die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie muss das Management entscheiden, wie die verschiedenen Aktivitäten der Wertkette auf die unterschiedlichen Länder verteilt werden sollen. Porter schlägt vor, dass nachgelagerte, also stärker auf den Kunden bezogene Unternehmensfunktionen (Teile der externen Logistik, Marketing und Verkauf sowie Kundendienst) im Allgemeinen in der geografischen Nähe zum Kunden anzusiedeln sind.

[91]

Abbildung 50: Wertkette von Porter

Die auf den nachgelagerten Aktivitäten basierenden Wettbewerbsvorteile, nach Porter entweder Kosten- oder Differenzierungsvorteile, sind in hohem Maße länderspezifisch. In Wirtschaftszweigen, in denen ein Wettbewerbsvorteil in erster Linie von den nachgelagerten und abnehmerorientierten Unternehmensfunktionen abhängt, entwickelt sich somit eine eher länderorientierte Wettbewerbsstruktur. Die vorgelagerten Aktivitäten (interne und Teile der externen Logistik sowie operative Funktionen) und die unterstützenden Maßnahmen sind nach seiner Ansicht nicht an den Kundenstandort gebunden (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1989b).

Als wesentliche Unterscheidungsmerkmale für eine länderorientierte oder globale Strategie betrachtet Porter die Konfiguration und die Koordination der Unternehmensaktivitäten. Die Konfiguration der Unternehmenstätigkeiten kann zwischen den Extremen einer Konzentration, d.h. schwerpunktmäßige Ansiedlung einer Unternehmensaktivität an einem Standort, und einer Streuung der Aktivitäten, d.h. eine bestimmte Unternehmensaktivität wird in vielen Ländern ausgeführt, liegen. Die Koordination kann zwischen einer vollständigen lokalen Autonomie, bei der auf jede Koordination verzichtet wird, und einer engen Verzahnung der einzelnen Unternehmensteile liegen. Mithilfe der unterschiedlichen Ausprägungen der Strategievariablen Konfiguration und Koordination kommt Porter zu vier Varianten einer Internationalisierungsstrategie, die in Abbildung 51 wiedergegeben werden. Dabei handelt es sich um:

1 Länderspezifische Strategie eines multinationalen Unternehmens oder eines Inlandsunternehmens, das nur in einem Land tätig ist,

2 exportorientierte Strategie mit dezentralisiertem Marketing,

3 hohe Auslandsinvestitionen mit straffer Koordination der Auslandstochtergesellschaften und

4 einfache Globalstrategie.

[92]

Abbildung 51: Varianten von Internationalisierungsstrategien

Globalstrategien können nach Porter die unter den Punkten (2) bis (4) enumerierten Strategien darstellen (Porter, M.E., 1989b). Kostenvorteile aus Globalstrategien werden durch Economies-of-Scale- und Lerneffekte oder durch die Ausnutzung komparativer Kostenvorteile mithilfe einer Konzentration der Aktivitäten auf einen Standort oder einige wenige Standorte erreicht. Daneben kann es zu Koordinationsvorteilen kommen, die sich aus der geografischen Verknüpfung verwandter Funktionen (z.B. Forschung und Entwicklung) ergeben. Damit wird auch die Standortfrage gelöst: Die Economies-of-Scale- und die Lerneffekte bestimmen die Anzahl der Standorte, während die komparativen Kosten- und die Koordinationsvorteile die geografische Lage der Standorte festlegen (Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1989b).

Damit kommt Porter zu einer internationalen Verteilung der unterschiedlichen Unternehmensaktivitäten seiner Wertkette. Er weist dabei mit Recht darauf hin, dass eine Unterscheidung zwischen einer weltweiten Standardisierung und einer nationalen Individualisierung der Komplexität einer Internationalisierungsstrategie nicht gerecht wird. Nach seiner Analyse müssen die einzelnen Unternehmensaktivitäten der Wertkette getrennt dahingehend überprüft werden, ob sich durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Konfiguration und/oder Koordination Wettbewerbsvorteile im Sinne von Kosten- oder Differenzierungsvorteilen ableiten lassen. So ist es möglich, dass ein Unternehmen einige seiner Funktionen standardisiert, d.h. ihnen eine Konzentrationsstruktur zugrunde legt, und andere individualisiert, d.h. streut (Porter, M.E., 1989b).

Unternehmen können bei dieser Betrachtung Kostenvorteile nicht nur dadurch erreichen, dass sie an einem bestimmten Standort ein niedrigeres Kostenniveau ausnutzen, sondern auch durch die Art und Weise, wie sie ihre betrieblichen Aktivitäten weltweit gestalten. Economies-of-Scale- und Lerneffekte sowie eine in Bezug auf die internationalen Abnehmer vorgenommene Produktdifferenzierung sind nicht an einzelne Länder gebunden, sondern an den strukturellen Aufbau und die Koordination der weltweiten Aktivitäten. Die internationale Optimierung der Wertkette führt nach Porter zu dauerhafteren Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen als die Ausnutzung von komparativen Kostenvorteilen in einem Land (Porter, M.E., 1989b).

[93]Porter entwickelt für globale Branchen die folgenden vier unterschiedlichen internationalen Gesamtstrategien, die sich im Hinblick auf ihre wettbewerbspolitische und geografische Streubreite unterscheiden (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1989b):

1 Globale Kostenführerschaft oder globale Differenzierung,

2 globale Segmentierung,

3 geschützte Märkte und

4 länderspezifische Anpassung.

Abbildung 52 gibt die unterschiedlichen strategischen Alternativen in einer globalen Branche wieder.

Bei der globalen Kostenführerschaft oder Differenzierung strebt das Unternehmen nach Kosten- oder Differenzierungsvorteilen, die aus einer globalen Konfiguration bzw. Koordination gewonnen werden können. Diese Kosten- oder Differenzierungsvorteile nutzt es mithilfe einer Globalstrategie in vielen Marktsegmenten aus. Als Beispiele für eine globale Kostenführerschaft nennt Porter die Unternehmen Toyota und Komatsu und für eine globale Differenzierung IBM und Caterpillar.

Bei einer globalen Segmentierung bearbeitet das Unternehmen weltweit nur wenige Marktsegmente. Mitunter ermöglicht eine globale Strategie auch eine völlig neue Marktsegmentierungspolitik, weil bei der weltweiten Bedienung eines bestimmten Segmentes eine Größenschwelle überschritten wird, die bei der Bearbeitung des Segmentes in nur einem Land nicht erreichbar ist. Als Beispiele für Unternehmen, die diese Strategie verfolgen, nennt Porter mittelgroße multinationale Unternehmen, japanische Unternehmen in der Motorrad-, Traktoren- und Fernsehgeräteindustrie sowie multinationale Unternehmen aus der Schweiz und Finnland.


Abbildung 52: Strategische Alternativen in einer globalen Branche

Eine Strategie von Unternehmen, in geschützten Märkten tätig zu werden, resultiert aus staatlichen Beschränkungen, die einen globalen Wettbewerb verhindern. Mit einer frühzeitigen Direktinvestition kann sich das Unternehmen einen Markteintritt verschaffen, [94]wodurch hohe Zollschranken, stringente Importquoten oder ein hoher lokaler Eigenfertigungsanteil keine Hemmnisse mehr darstellen. Porter nennt Indien, Mexiko und Argentinien als Beispiele für Länder, die über zahlreiche geschützte Märkte verfügen.

Bei einer länderspezifischen Anpassung konzentriert sich ein Unternehmen auf diejenigen Segmente, in denen spezielle Ländercharakteristika besonders zum Tragen kommen, obwohl die Branche insgesamt durchaus globale Züge aufweist. Das Unternehmen ist bereit, in jedem Land spezielle lokale oder regionale Anforderungen an die Produkte, Vertriebskanäle und Marketingmethoden zu erfüllen und verzichtet dabei auf die Wettbewerbsvorteile einer Globalstrategie (Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1989b).

Das Globalmodell von Porter ist wohl das bisher umfassendste Konzept für die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie. Jedoch sind einige kritische Anmerkungen zu seinem Konzept angebracht.

Erstens beschreibt Porter zwar allgemein, dass für die unterschiedlichen Unternehmensaktivitäten der Wertkette nach Kosten- und/oder Differenzierungsvorteilen gesucht werden müssen. Er lässt jedoch eine detaillierte Analyse, wie solche Wettbewerbsvorteile im Rahmen der Internationalisierung gefunden werden können, weitgehend vermissen. Nur einzelne, aneinander gereihte Beispiele verdeutlichen, wie solche Wettbewerbsvorteile im Einzelnen gefunden werden könnten. Wenn man z.B. bei der technologischen Entwicklung zwischen Grundlagenforschung, angewandter Forschung und Entwicklung unterscheidet, stellt sich die Frage, ob diese alle als unterstützende Maßnahmen zentralisiert werden sollten. Bei der Entwicklung hingegen müssen länderspezifische Kunden- und Marktaspekte berücksichtigt werden.

Zweitens besteht die Gefahr, dass ein Unternehmen, wenn es erst einmal seine Wertkette international optimiert hat, sehr unflexibel werden kann, da eine Neuoptimierung des gesamten Wertkettensystems zu erheblichen Anpassungsschwierigkeiten führt. Porter hat dies erkannt, denn er stellt fest: „Daher gelingt einem einheimischen Unternehmen die Umwandlung in ein global operierendes Unternehmen oft leichter als einem ‹altgedienten› MNU, denn es fängt quasi bei null an, während das MNU zunächst seine internationalen Aktivitäten rationalisieren und umorganisieren muss“ (Porter, M.E., 1989b).

Drittens führt Porter nur an einigen Stellen seines Konzeptes aus, wie die Markteintrittsstrategie im Einzelnen aussehen soll.

2.4 Wettbewerbsvorteile von Nationen nach Porter

2.4.1 Grundkonzept

In seinem Buch über die Wettbewerbsvorteile von Nationen untersucht Porter (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1999) nicht primär die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie von Unternehmen. Jedoch zeigt er [95]anhand einer empirischen Untersuchung, wie durch verschiedene Unternehmensumwelten die Strategie und damit auch die Internationalisierung von Unternehmen beeinflusst werden. Er kommt am Ende seiner Analyse zu einer Vielzahl von praktischen Ratschlägen, wie die aus seiner Umweltanalyse gewonnenen Erkenntnisse für Internationalisierungsentscheidungen von Unternehmen umgesetzt werden können (Porter, M.E., 1999).

Ausgangspunkt von Porters Überlegungen ist die Hypothese, dass Nationalstaaten existieren, um ihren Bevölkerungen einen steigenden Lebensstandard zu ermöglichen. Ein wachsender Wohlstand der Bevölkerung kann nur durch eine große Konkurrenzfähigkeit von Ländern, Branchen oder Unternehmen infolge von Produktivitätssteigerungen und nicht allein durch „Erbe“, d.h. durch Erfolge, die in der Vergangenheit liegen, erreicht werden. Die Produktivität misst er an der realen Bruttowertschöpfung je Arbeits- oder Kapitaleinheit (Porter, M.E., 1999).

Unter nationalen Wettbewerbsvorteilen versteht Porter Vorteile, die es einem Land ermöglichen, international wettbewerbsfähig zu sein. Er kritisiert, dass mit den klassischen Theorien der Internationalisierung die nationale Wettbewerbsfähigkeit nicht erklärt werden kann, da sie zu einseitig sind. So sei eine Ausrichtung auf komparative Kostenvorteile, auf die Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen oder auf das Humankapital, auf die Wechselkurse oder auf das Zinsniveau genauso ungeeignet für die Erklärung der Internationalisierung wie staatliche Maßnahmen (Porter, M.E., 1999). Außerdem könne man nicht von einer Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften sprechen, sondern diese sei das Ergebnis von konkurrenzfähigen Unternehmen oder Branchen. Deshalb sei bei einer Analyse der nationalen Wettbewerbsfähigkeit der Schwerpunkt der Betrachtung auf die Faktoren zu lenken, die Unternehmen oder Branchen international konkurrenzfähig machen. Hier komme es darauf an, dass einzelne Unternehmen oder Branchen permanent nach neuen Quellen für das Erlangen oder den weiteren Ausbau von Wettbewerbsvorteilen suchen. Damit setzt Porter bei seiner Untersuchung auf einem niedrigeren Aggregationsniveau an als die klassischen Theorien der Internationalisierung.

Die Entwicklung eines stetigen Produktivitätszuwachses und damit nationaler Wettbewerbsvorteile kann nach Meinung Porters nur durch Innovationen in spezifischen Unternehmen und Branchen erreicht werden. Solche Innovationen können sich in einer verbesserten Qualität der Erzeugnisse, in der Entwicklung mit neuen Eigenschaften versehener oder neuer Produkte bzw. in neuen Prozesstechnologien ausdrücken. Damit schaffen sich Unternehmen bzw. Branchen eine neue Wettbewerbsbasis oder finden bessere Mittel, um in den bisherigen Bereichen zu konkurrieren.

Nun gibt es für Porter gute und schlechte Umweltzustände, die die nationale Wettbewerbsfähigkeit und damit den Prozess zur Erlangung einer internationalen Wettbewerbsfähigkeit fördern. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes oder einer Branche hängt seiner Meinung nach von vier Haupt- und zwei Nebenelementen der Gesamtwirtschaft eines Landes ab, die Porter zu einer „Diamanten-Theorie (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1999) [96]zusammenfasst. Diese Elemente entscheiden darüber, ob sich Wissen und Fähigkeiten rasch akkumulieren, Informationen besser verbreiten, neue Einsichten in Produkt- und Verfahrenstechniken rascher umsetzen lassen, d.h. Innovationsprozesse gefördert oder gehemmt werden. Die von Porter analysierten vier Hauptelemente sind:

1 Faktorbedingungen, d.h. die Menge und Qualität der Einsatzfaktoren, insbesondere natürliche Ressourcen, die Ausbildung und Qualifikation von Arbeitnehmern und die Lohnhöhe,

2 Nachfragebedingungen eines Landes, insbesondere die Marktgröße, das Anspruchsniveau der Kunden an Produkte und Dienstleistungen sowie die Darstellungsmöglichkeiten der Produkte in den Medien,

3 Verwandte und unterstützende Branchen, insbesondere die Existenz von sogenannten Unternehmensclustern und

4 Unternehmensstrategien, Struktur und Konkurrenz, insbesondere die Anzahl von konkurrierenden Unternehmen und die Intensität des Wettbewerbs in einer Branche sowie die Struktur privater oder staatlicher Unternehmen.

Neben diesen vier Hauptelementen führt Porter zwei Nebenelemente in seine „Diamanten“-Theorie ein: den Zufall und den Staat.

Die Elemente der nationalen Wettbewerbsfähigkeit müssen sich nach Porter gegenseitig unterstützen, wenn Unternehmen oder Branchen und daraus abgeleitet ein Land international wettbewerbsfähig werden oder bleiben will. Diese Verflechtung versucht er mit einem „Diamanten“ zu symbolisieren. Der „Diamant“ misst, in welchem Maße ein Land Wettbewerbsvorteile entwickeln kann (Porter, M.E., 1999). Abbildung 53 stellt den „Diamanten“ dar (Porter, M.E., 1999).

Faktorbedingungen

Die Faktorbedingungen als erstes Element seines „Diamanten“ (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1999) umfassen nicht nur die Produktionsfaktoren aus den klassischen Außenhandelstheorien, sondern auch die verschiedenen Wege, sie am besten zu verbinden.

Porter unterscheidet bei den Einsatzfaktoren menschliche, physikalische, Wissens- und Kapitalressourcen sowie die Infrastruktur. Die Einsatzfaktoren unterteilt er nach zwei unterschiedlichen Kriterien. So unterscheidet er einmal zwischen Grundfaktoren und fortschrittlichen Faktoren, wobei insbesondere die fortschrittlichen Faktoren für die Gewinnung von nationalen Wettbewerbsvorteilen wichtig sind (Porter, M.E., 1999). Grundfaktoren sind z.B. die natürlichen Ressourcen, das Humankapital und die Infrastruktur, während fortschrittliche Faktoren, z.B. die Technologien, die Fähigkeiten und das Wissen eines Landes darstellen. Zum anderen trennt er zwischen allgemeinen Faktoren und [97]speziellen Faktoren. Allgemeine Faktoren sind z.B. die allen Branchen zugängliche Infrastruktur, die Versorgung mit Fremdkapital oder der Bestand an engagierten Beschäftigten mit Hochschulabschluss. Spezielle Faktoren sind z.B. Personen mit Spezialkenntnissen, eine Infrastruktur mit speziellen Merkmalen, Grundlagenkenntnisse auf bestimmten Gebieten und andere Faktoren mit Bezug zu einem begrenzten Bereich oder gar nur zu einer einzigen Branche in einem Land (Porter, M.E., 1999). Porter kommt zu dem Ergebnis, dass ein Wettbewerbsvorteil dann am „klarsten und dauerhaftesten ist, wenn ein Land Faktoren besitzt, die für den Wettbewerb in einer bestimmten Branche gebraucht werden und sowohl fortschrittlich als auch speziell sind“ (Porter, M.E., 1999).

Im Gegensatz zu den klassischen Theorien der Faktorausstattung betrachtet es Porter mitunter als Vorteil für ein Land, wenn anfänglich Wettbewerbsnachteile durch fehlende Grundfaktoren vorhanden sind, denn sie zwingen Unternehmen, in Technologien zu investieren, um besser als die faktorreiche Konkurrenz zu werden (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1999).


Abbildung 53: PortersDiamantzur Bestimmung nationaler Wettbewerbsvorteile

Nachfragebedingungen

Für die Bestimmung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes sind drei allgemeine Eigenschaften der Inlandsnachfrage von Bedeutung:

1 Zusammensetzung oder Art der Verbraucherbedürfnisse,

2 Umfang und Wachstumsstruktur und

3 Mechanismen, mit denen die heimischen Präferenzen eines Landes den Auslandsmärkten vermittelt werden.

Porter kommt zu dem Ergebnis, dass die Qualität der Inlandsnachfrage bei der Bestimmung eines Wettbewerbsvorteils entscheidender ist als die Quantität (Porter, M.E., 1999).

[98]Die Zusammensetzung der Inlandsnachfrage erhöht für ein Land die Wettbewerbsfähigkeit, wenn inländische Käufer die Inlandsunternehmen drängen, schneller zu innovieren und differenziertere Wettbewerbsvorteile zu erzielen als die ausländischen Konkurrenten. Auch die Segmentstruktur der Inlandsnachfrage und die Verteilung der Nachfrage beeinflussen die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. In globalen Segmenten erzielen Unternehmen nach Porter wahrscheinlich dort einen Wettbewerbsvorteil, wo sie einen großen oder besonders wichtigen Teil der Inlandsnachfrage an sich binden. Daneben muss gelten, dass eine entsprechende Inlandsnachfrage in anderen Ländern nur unbedeutend ist (Porter, M.E., 1999).

Wichtiger als die Segmentstruktur erscheint Porter für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, anspruchsvolle und schwierige Käufer in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen zu haben. Die Anforderung der Kunden an die leichte Handhabbarkeit, die Verfügbarkeit, die Nützlichkeit und das Preis-Leistungsverhältnis sind Rahmenbedingungen für Unternehmen, die sie permanent zwingen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu kämpfen. Es kommt darauf an, besonders sensibel auf die Nachfragebedingungen im unmittelbaren Umfeld zu reagieren. Anspruchsvolle Kunden im Heimatland eines Unternehmens erzeugen einen Innovationsdruck, der für die Entwicklungsfähigkeit der gesamten Industrie und damit für ein ganzes Land vorteilhaft ist (Porter, M.E., 1999). Dabei ist es besonders günstig für ein Land, wenn die inländische Nachfragestruktur die der anderen Länder antizipiert, denn dadurch besitzt das Unternehmen einen Indikator für die globale Entwicklung (Porter, M.E., 1999).

Größe und Wachstumsmuster der Inlandsnachfrage können ebenfalls einen nationalen Wettbewerbsvorteil in einer Branche stärken. Die Größe des Inlandsmarktes ist nach Porter für die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen besonders dort relevant, wo mit hohen Anforderungen an die Forschung und Entwicklung, mit Economies-of-Scale- bzw. Lerneffekten, mit Technologieparadigma-Wechseln oder mit einem hohen Unsicherheitsgrad gerechnet werden muss (Porter, M.E., 1999). Dann ermöglicht ein großer Inlandsmarkt das schnelle Erreichen einer Breakeven-Menge. Eine hohe Anzahl an unabhängigen Käufern in einem Land, die alle unterschiedliche Produktanforderungen stellen, erhöht nach Porter den Innovationsdruck auf die Unternehmen und fördert damit auch die Wettbewerbsfähigkeit einer Branche. Durch ein starkes Wachstum der Inlandsnachfrage wird nach Porter eine schnellere Übernahme neuer Prozesstechnologien erreicht als bei einem langsamen Wachstum, da die Unternehmen der Überzeugung sind, immer wieder in neue Produkte oder in neue Anlagen investieren zu müssen.

Mobile oder international orientierte Käufergruppen sind nach Porter genauso ein Element der Nachfragebedingungen zur Erhaltung oder Erreichung von Wettbewerbsvorteilen wie ausländische Kunden, die im Inland ausgebildet wurden. Mit dem „Export einer bestimmten Kultur“, z.B. durch Filme, kann eine Präferenz im Ausland für inländische Produkte entwickelt werden.

[99]Verwandte und unterstützende Branchen

Porter geht davon aus, dass ein Unternehmen nur dann eine weltweite Spitzenposition einnehmen kann, wenn es auch Lieferanten von Weltspitzenniveau hat. Erst die Internationalität der Lieferanten garantiert dem Unternehmen, dass dieses selbst die globalen Vorteile nutzen kann. Vor allem haben diese Unternehmen nach Porter bessere Chancen, durch Allianzen im internationalen Wettbewerb zu bestehen (Porter, M.E., 1999). Außerdem machen sich die Unternehmen, wenn sie ihre Lieferanten fördern, weniger von ausländischen Lieferanten abhängig.

Gleichsam profitiert ein Unternehmen von einer starken inländischen Konkurrenz zwischen Unternehmen der gleichen Branche in einem Land. Schon der Auftritt von einem oder mehreren international wettbewerbsfähigen Unternehmen beeinflusst seiner Meinung nach andere mit ihnen geschäftlich verbundene heimische Unternehmen und Industrien positiv und stärkt die Basis für Wettbewerbsvorteile der ganzen Wirtschaft. Die positiven Effekte für die Wettbewerbsfähigkeit resultieren aus dem Innovationswettbewerb innerhalb der inländischen Branche, wobei es durch die relativ kurzen Kommunikationswege und die kulturelle Gleichartigkeit im Heimatland der Unternehmen zu einem laufenden Austausch von Ideen und Konzeptionen kommt (Porter, M.E., 1999).

Treten zu der großen Konkurrenz im Inland auch noch eine räumliche Konzentration und Geflechte wechselseitig verwobener Unternehmen und Industrien hinzu, dann bilden sich nach Porter „Unternehmenscluster“, die sich besonders vorteilhaft auf die übrigen Elemente des „Diamanten“ auswirken. Solche „Unternehmenscluster“ können in Städten (z.B. Detroit für die amerikanische Automobil-, Maschinen- und Autozulieferindustrie), Regionen (z.B. Silicon Valley) oder ganzen Kontinenten entstehen.

Unternehmensstrategie, Strukturen und Konkurrenz

Als letztes Hauptelement seines „Diamanten“ sieht Porter die Unternehmensstrategie sowie die Strukturen und die Konkurrenzsituation in einer Branche. Hier betrachtet er, wie sich Branchen und Unternehmen in den Ländern gebildet haben, wie sie organisiert sind und geführt werden. Er sieht Vorteile für die internationale Konkurrenzfähigkeit in den Ländern oder Branchen, die nach langfristigen und nicht nach kurzfristigen Zielen und Wettbewerbsvorteilen streben. Er verdeutlicht dabei, dass die Formulierung der Unternehmensziele länderspezifisch durch gesellschaftliche Gruppen unterschiedlich beeinflusst wird und welche Bedeutung nationale Prestigeziele für die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen haben können (Porter, M.E., 1999). Die Verhaltensweisen der Unternehmensleitung und der Arbeitnehmer in unterschiedlichen Kulturkreisen können sich ebenfalls positiv auf den gesamten „Diamanten“ auswirken.

Auch die Art, wie der Wettbewerb in einem Land geführt wird, spielt in Bezug auf die Entwicklung von nationalen Wettbewerbsvorteilen eine große Rolle. Dabei leisten die Handelspolitik und die Anti-Trust-Gesetzgebung einen wichtigen Beitrag. So zwingt der Konkurrenzdruck Unternehmen, auch international tätig zu werden. Eine starke [100]Rivalität auf dem heimischen Markt betrachtet Porter als einen nationalen Besitz, dessen Wert nur schwer zu überbieten ist (Porter, M.E., 1999).

Rolle des Zufalls

Porter beschreibt, dass auch Zufallsereignisse für die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit wichtig sind, weil sie Unterbrechungen hervorrufen, die zu Veränderungen in der Wettbewerbsposition führen können. Als Beispiele für solche Zufallsereignisse, die seiner Meinung nach einen großen Einfluss auf die Wettbewerbsvorteile ausüben, nennt Porter (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1999):

1 zufällige Entdeckungen,

2 größere technologische Brüche (z.B. Biotechnologie, Mikroelektronik),

3 Schwankungen bei den Produktionsmittelpreisen wie z.B. in der Erdölkrise,

4 bedeutende Verschiebungen auf den Weltfinanzmärkten oder bei den Wechselkursen,

5 extremer Anstieg der Welt- oder Regionalnachfrage,

6 politische Entscheidungen ausländischer Regierungen und

7 Kriege.

Zufallsereignisse wirken sich nach der Analyse von Porter auf verschiedene Länder unterschiedlich aus. Das Land mit dem günstigsten „Diamanten“ wandelt seiner Meinung nach „Zufallsereignisse höchstwahrscheinlich in einen Wettbewerbsvorteil um“ (Porter, M.E., 1999).

Rolle des Staates

Der Staat kann Einfluss auf alle vier Hauptelemente des „Diamanten“ nehmen und sie positiv oder negativ verändern. Dabei ist die Rolle des Staates nach Porter einseitig. Die staatliche Politik zur Erlangung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes scheitert, wenn sie der einzige Ursprung des nationalen Wettbewerbsvorteils bleibt. Eine erfolgreiche staatliche Politik ist nur in den Branchen möglich, wo grundlegende Bestimmungsfaktoren des nationalen Vorteils vorhanden sind und der Staat diese unterstützt. So kann die staatliche Politik die Chance von Branchen oder Unternehmen fördern, einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen oder zu erhöhen, sie kann aber den Vorteil nicht selbst schaffen (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1999).

2.4.2 Dynamik desDiamanten

Nur Länder, die einen gut funktionierenden „Diamanten“ haben, d.h., bei denen sich die einzelnen Elemente des „Diamanten“ gegenseitig positiv verstärken, besitzen nach Porter langfristig nationale Wettbewerbsvorteile, die ihnen eine internationale Konkurrenzfähigkeit ermöglichen. Seiner Meinung nach ist kein Land in der Lage, in allen Branchen oder wenigstens bei den meisten Produkten weltweit gleich konkurrenzfähig zu sein. Eine [101]weltweite Konkurrenzfähigkeit schaffen nur solche Industrien oder Unternehmen, die sich zuerst in einem besonders dynamischen heimischen Konkurrenzkampf durchsetzen konnten. So wird es selbst in den reichsten Ländern immer Branchen geben, die international nicht oder kaum erfolgreich sind.

Länder mit Wettbewerbsvorteilen, die nur auf einem oder zwei Elementen des „Diamanten“ aufbauen, können, nach Ansicht von Porter keine langfristige globale Konkurrenzfähigkeit erlangen, da andere Wettbewerber in der Lage sind, sie zu umgehen. Ressourcenorientierte Wettbewerbsvorteile, z.B. die Ausnutzung billiger Arbeitskosten, sind seiner Meinung nach nur für kurzfristige Erfolge geeignet. Es kommt seiner Beobachtung nach kaum vor, dass ein Land von Beginn an über alle positiven Elemente des „Diamanten“ verfügt. Deshalb erreichen Länder eine internationale Wettbewerbsfähigkeit meist in drei Schritten.

Im ersten Schritt erlangt ein Land seine Wettbewerbsvorteile aus einem einzigen Vorteil wie den Faktorbedingungen (z.B. billige Arbeitskräfte) oder den Nachfragebedingungen (z.B. Marktgröße). Jedoch ist von Anfang an fast immer eine heimische Konkurrenzsituation notwendig, da sie die Unternehmen anspornt, auch nach anderen als den ursprünglichen Wettbewerbsvorteilen zu suchen. So entstehen allmählich international wettbewerbsfähige Unternehmen und Branchen. Um langfristig erfolgreich zu sein, muss sich das Land im zweiten Schritt von einer „investitionsgetriebenen“ zu einer „innovationsgetriebenen“ Volkswirtschaft entwickeln. Im dritten Schritt bilden sich „Unternehmenscluster“ von Weltspitzenunternehmen, die eng miteinander verflochten sind und die durch eine extreme Inlandskonkurrenz so „gestählt“ sind, dass sie die Konkurrenz auf den Weltmärkten nicht zu fürchten brauchen. Porter weist aber darauf hin, dass es auch zu einer Überschätzung der eigenen Position kommen kann. Dann entsteht im vierten Schritt eine „wohlstandsgetriebene“ Volkswirtschaft, die Länder wieder in die Situation mangelnder Wettbewerbsvorteile zurückführt.

Plötzliche oder nicht beeinflussbare externe Umwelteinflüsse, wie z.B. Kriege oder Embargos können sich auf existierende „Diamanten“ vorteilhaft auswirken oder zu einer Umstrukturierung von Branchen führen und ihn damit zerstören. So hat z.B. die Materialknappheit während des Zweiten Weltkrieges die USA gezwungen, innovative Durchbrüche im Bereich der Kunststoffe und der Metalllegierungen zu erreichen. Der hohe Anstieg der amerikanischen Löhne und Gehälter in den ersten Nachkriegsjahren führte zu einer verstärkten Automatisierung, um diese Arbeitskostennachteile zu kompensieren.

Staatliche Eingriffe können nationale Wettbewerbsvorteile ebenfalls fördern oder negativ beeinflussen. So führt z.B. nach Porter eine rigorose Durchsetzung von Anti-Trust-Bestimmungen in einem Land zu einer verschärften Wettbewerbssituation und zwingt damit die Unternehmen zu Innovationen, was zur Bildung neuer nationaler Wettbewerbsvorteile führt.

[102]Im Folgenden werden die Auswirkungen dargestellt, die Änderungen in den einzelnen Elementen des Porterschen „Diamanten“ auf dessen Entwicklung und damit Veränderung haben.

Einfluss auf die Faktorbedingungen:

1 Eine Ansammlung inländischer Konkurrenten regt die Faktorbildung an. Beispielsweise kann die Etablierung eines neuen Industriezweiges in einem Schwellenland zu einer verbesserten Verfügbarkeit von Fachpersonal führen.

2 Erkannte nationale Herausforderungen regen die Faktorbildung an.

3 Inlandsnachfrage beeinflusst Prioritäten für faktorbildende Investoren.

4 Verwandte und unterstützende Branchen schaffen oder beleben die Bildung übertragbarer Faktoren.

Einfluss auf die Nachfragebedingungen:

1 Eine Gruppe Konkurrenten baut ein Landesimage und die Anerkennung als wichtiger Wettbewerber auf. Scharfer Wettbewerb vergrößert die Inlandsnachfrage und macht sie anspruchsvoller.

2 Differenzierte faktorbildende Mechanismen locken ausländische Studenten und die Beteiligung ausländischer Firmen an, was die Produkte des Landes mitzieht.

3 International erfolgreiche Branchen, die Komplementärprodukte herstellen, ziehen die Auslandsnachfrage nach dem Produkt der Branche mit.

4 Das Image verwandter und unterstützender Branchen mit Weltniveau springt über und kommt einer Branche zugute.

Einfluss auf die Entwicklung verwandter und unterstützender Branchen:

1 Spezielle Faktoren sind auf verwandte und unterstützende Branchen übertragbar.

2 Eine Gruppe inländischer Konkurrenten regt die Bildung stärker spezialisierter Zulieferer und verwandter Branchen an.

3 Hohe oder zunehmende Inlandsnachfrage fördert das Wachstum und die Festigung von Zulieferbranchen.

Einfluss auf den Inlandswettbewerb:

1 Faktorüberschuss oder spezielle faktorbildende Mechanismen bringen neue Mitbewerber hervor.

2 Früher Produktdurchsatz fördert den Zugang. Neuzugänge kommen aus verwandten und unterstützenden Branchen.

3 Benutzer von Weltrang steigen in Zulieferbranchen ein.

[103]Zerstörung desDiamanten

In einem weiteren Untersuchungsschritt analysiert Porter, welche Entwicklungen zu einem Verlust des nationalen Vorteils führen und damit einen erfolgreichen „Diamanten“ zerstören. Im Ergebnis stellt er fest, dass die folgenden Gründe zu einem Verlust des nationalen Vorteils führen (Porter, M.E., 1999):

1 Faktorbedingungen verschlechtern sich (z.B. durch Verschlechterung der Qualität des spezifischen Humankapitals),

2 Inlandsbedürfnisse stehen nicht im Einklang mit der globalen Nachfrage (z.B. neue Designanforderungen, gesundheitliche Bedenken),

3 heimische Käufer geben ihren hohen Anspruch auf (z.B. Selbstzufriedenheit, geringere Anforderungen an Prozesstechnologien),

4 technologische Veränderungen führen zu erheblichen Nachteilen bei speziellen Faktoren oder es fehlen unterstützende Branchen (z.B. mangelndes Humankapital, falsche oder nicht vorhandene Infrastruktur),

5 Ziele schränken die Investitionsrate ein (z.B. zu hohe Ansprüche an die Ausschüttung von Gewinnen, zu hoher Anteil „nicht rechenbarer“ Investitionen),

6 Unternehmen verlieren Flexibilität (z.B. durch Selbstzufriedenheit der Unternehmensführung, mangelnden Willen, gegenwärtig genutzte Kapazitäten frühzeitig durch neue Anlagen zu ersetzen) und

7 der Inlandswettbewerb lässt nach (z.B. zu große Konzentration, staatliche Interventionen zum Schutz nicht konkurrenzfähiger Wettbewerber).

2.4.3 Bedeutung desDiamantenund Kritik

Porter untersucht weiterhin, welche Aussagen sich für die Unternehmensstrategie aus seiner „Diamanten“-Theorie ableiten lassen. Er geht dabei von der Prämisse aus, „dass ein Unternehmen die Schaffung und Wahrung eines Wettbewerbsvorteils ins Auge fassen muss, der an den weltbesten Konkurrenten gemessen wird“ (Rugmann, A.M./Collinson, S., 2009; Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1999).

Neben einer Vielzahl von allgemeinen Überlegungen, wie Wettbewerbsvorteile von Unternehmen gewonnen oder erhalten werden können, die sich auch auf den Inlandsmarkt beziehen (Porter, M.E., 1999), gibt Porter eine Reihe von Anregungen, die es Unternehmen ermöglichen sollen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Auf eine vollständige Enumeration wird an dieser Stelle verzichtet, stattdessen sollen nur einige Schwerpunkte seiner Argumentation (Porter, M.E., 1999) dargestellt werden.

Zunächst ist für die Ausarbeitung einer erfolgreichen Internationalisierungsstrategie eine genaue Analyse der internationalen Konkurrenz erforderlich. Hier kann der „Diamant“ Hilfestellung geben, um nationale Wettbewerbsvor- und -nachteile der Konkurrenz [104]festzustellen. Diese nationalen Besonderheiten lassen häufig auch Aussagen darüber zu, wie das wahrscheinliche Verhalten der Konkurrenzunternehmen sein wird.

Der heimische Stützpunkt eines Unternehmens bietet nicht in allen Branchen gleiche Chancen für einen internationalen Erfolg. Der „Diamant“ kann nun dazu benutzt werden, eine Auswahl von Branchen und Branchensegmenten vorzunehmen, für die das Land ein günstiger Stützpunkt ist. Die auf der Basis des „Diamanten“ zu stellenden Fragen für diese Länderauswahl werden in Abbildung 54 wiedergegeben (Porter, M.E., 1999).

Für eine Internationalisierungsstrategie schlägt Porter vor, selektive Vorteile in anderen Ländern zu erschließen. Eine Globalstrategie kann zwar einen schwachen heimischen Stützpunkt nicht ersetzen, jedoch können Innovationspotenziale im Ausland Impulse für eine Weiterentwicklung von Vorteilen im Inland generieren. Daneben sollte das Unternehmen bemüht sein, anspruchsvolle Kunden und Märkte zu bedienen, um sich einem weltweiten Innovationsdruck auszusetzen. Durch die Ausnutzung von Vorteilen im Ausland, die aus Grundfaktoren stammen, kann eine weltweite Produktion die Stellung des Unternehmens im internationalen Wettbewerb verbessern. Auch die Internationalisierung der Beschaffung sowie der Forschung und Entwicklung schafft möglicherweise internationale Wettbewerbsvorteile.

Internationale Unternehmensübernahmen und strategische Allianzen können nach Porter den Zugang zu Auslandsmärkten und zu selektiven Fachkenntnissen ermöglichen.

Abbildung 54 gibt eine Zusammenstellung von Fragestellungen wieder, die Unternehmen anhand des „Diamanten“ untersuchen müssen (Porter, M.E., 1999).


Abbildung 54: Fragestellung für die Prognose über das Verhalten ausländischer Konkurrenten

Porter nimmt für sich in Anspruch, eine neue, umfassende Theorie zur Erklärung der globalen Wettbewerbssituation entwickelt zu haben (Porter, M.E., 1999). Hier erscheinen jedoch einige Zweifel angebracht (Fuchs, M./Apfelthaler, G., 2009; Meckl, R./Rosenberg, C., 1995).

So ist seine Auslegung der klassischen, volkswirtschaftlich orientierten Theorien zu eng. Die bestehenden Ansätze widerlegt er mit einigen diesen Theorien widersprechenden Beispielen. Die klassischen Theorien stellen jedoch nicht, wie Porter meint, Allein- bzw. Absolutheitsansprüche. Viele Elemente seines „Diamanten“ beschreiben selbst unterschiedliche Aspekte verschiedener bereits entwickelter Theorien der Internationalisierung.

[105]

Abbildung 55: Fragen für die Auswahl von Branchen und Branchensegmenten, für die das Land ein günstiger heimischer Standort ist

Im Rahmen der Faktorbedingungen wird genauso die Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen und von Humankapital betrachtet, wie dies in den klassischen Theorien der Faktorausstattung der Fall ist. Auch die bessere Ausnutzung dieser Faktoren im Sinne einer besseren Kombination der Einsatzfaktoren oder einer Verbesserung des Spezialwissens der Arbeitskräfte wird bereits in der Theorie der komparativen Kosten und deren Weiterentwicklungen analysiert.

Die Bedeutung der Nachfragebedingungen ist in der Linder-Theorie für den Außenhandel bereits eingehend analysiert worden. Die Linder-These hebt für den Erfolg von Exporten insbesondere die Bedeutung der Ähnlichkeit und der Repräsentanz der Nachfragebedingungen für andere Märkte hervor. Die Marktgröße wird in der Economies-of-Scale-Theorie und das Anspruchsniveau der Kunden in der Theorie des intrasektoralen Handels für die Exportleistung von Ländern und Branchen betrachtet.

Die Erkenntnis, dass ein harter inländischer Wettbewerb die Wettbewerbsfähigkeit einer Nation oder einzelner Branchen fördert, ist nicht als neu zu bezeichnen (Meissner, H.G., 1995). Die Bedeutung der Unternehmensstrategie und der -kultur für außenwirtschaftliche Erfolge wurde in dem EPRG-Modell von Perlmutter ebenfalls eingehend erörtert.

Einige neue Aspekte ergeben sich bei der Betrachtung der Bedeutung von „Unternehmensclustern“ für die Gewinnung nationaler Wettbewerbsvorteile, wenn auch viele Argumente als Agglomerationseffekte der Standort-Theorie bekannt sind. Die Idee, dass nationale Wettbewerbsvorteile nur durch verstärkte Innovationsanstrengungen von Unternehmen oder Branchen erreicht werden können und dass dabei bestimmte Zwangsmotive bzw. Krisen förderlich sind, ist ebenfalls nicht neu (Perlitz, M./Löbler, H., 1985).

Aus den bisherigen Kritikpunkten kann man den Vorwurf ableiten, dass es Porter versäumt hat, die bisherigen theoretischen Ansätze mit ihren Erklärungsvariablen in sein Konzept einzubinden. So ist ein System von Allgemeinplätzen entstanden, das dem Theorieanspruch kaum genügt. Dabei entsteht der Eindruck, dass seine Theorie sich aus einer „sort of comprehensive laundry list against which businessmen can check their own washing“ (o.V., 1990) [106]zusammensetzt. Jedoch besteht das Verdienst von Porter darin, bereits bestehende Theorien zu einem komplexen Gebilde zur Erklärung der nationalen Wettbewerbsvorteile zusammengefasst zu haben.

Porters Theorie steht an vielen Stellen im klaren Widerspruch zu der Theorie von Ohmae. Während Ohmae argumentiert, dass ein Unternehmen seinen Ursprung verlassen muss, um „Insider“ in den Triade-Ländern zu werden, vertritt Porter die Auffassung, dass die nationalen Wettbewerbsvorteile, die eine internationale Konkurrenzfähigkeit begründen, zum überwiegenden Teil Prozessen entspringen, die von Faktoren des Heimatlandes determiniert und weiterentwickelt werden. Damit nimmt das Gewicht der Faktoren des Heimatlandes, wie z.B. Wertordnung, Kultur, Wirtschaftssystem, Geschichte, gesellschaftliche Institutionen, zu, d.h., die Vorteile, die aus nationalen Standorten erwachsen, sind für Porter wichtiger als Economies-of-Scale-Effekte, die die Triade-Strategie weitgehend tragen. Porter vertritt den Standpunkt, dass der zunehmend globaler werdende Wettbewerb den nationalen Hintergrund nicht unwichtiger, sondern im Gegenteil immer bedeutsamer macht. Er sieht die staatliche Einflussnahme als einen entscheidenden Faktor bei der Strategiewahl an, während Ohmae davon ausgeht, dass staatliche Interventionen nicht mehr greifen, da diese Reglementierungen von Triade-Unternehmen umgangen werden können. Die Übertragung oder Duplizierung des jeweiligen nationalen „Diamanten“ auf Tochtergesellschaften im Ausland ist nach Porter außerordentlich schwierig, da die Koordinations- und Informationslage einen effektiven Informations- und Wissensaustausch verhindern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die einzelnen Tochtergesellschaften eine eigene Erfolgsverantwortung im Sinne von Profitcentern und damit kaum Interesse haben, ihr Wissen zu offenbaren. Die Idee von Ohmae geht von einem „OECD-“ oder „Triade-Bürger“ aus, der in der Realität noch nicht existiert, weshalb in diesem Zusammenhang Porter mit seiner Weltauffassung derzeit realistischer erscheint. Während die Betrachtung von Ohmae sehr stark aus der japanischen Perspektive erfolgt, ist die Analyse von Porter sehr durch die amerikanische Sicht geprägt.

Porter betrachtet seine Theorie als dynamisch, während er die bisherigen Ansätze als statische Analysen ansieht. Er vertritt die Meinung, dass der „Diamant“ nicht nur vergangene Zustände beschreiben, sondern auch zukünftige Entwicklungen voraussagen kann. Sein Ansatz selbst ist aber eher als Erklärungsmodell für Entwicklungen der Vergangenheit angelegt. Eine zukunftsbezogene Dynamik muss auch in seinem Modell angezweifelt werden.

Probleme ergeben sich bei der „Diamanten“-Theorie von Porter auch dadurch, dass er zwar immer wieder betont, dass sich die einzelnen Elemente gegenseitig positiv unterstützen müssen, um langfristige nationale Wettbewerbsvorteile zu erzielen, jedoch werden die Abhängigkeiten und der Zusammenhang zwischen den einzelnen Bausteinen nicht hinreichend dargestellt und analysiert (Grant, R.M., 1991a).

[107]Thurow kritisiert mit Recht, dass Porter eher eine philosophische Arbeit als ein fundiertes Modell vorstellt, die somit schwer widerlegbar ist (Thurow, L.C., 1990). Diese Vorgehensweise erscheint vor dem Hintergrund wissenschaftstheoretischer Anforderungen an die Theorienbildung äußerst fragwürdig. Es muss daher angezweifelt werden, ob es Porter tatsächlich gelungen ist, eine Theorie der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Ländern, Branchen und Unternehmen zu formulieren.

Porter zeigt mit seinem „Diamanten“ empirisch neue Zusammenhänge über die internationale Wettbewerbsfähigkeit anhand von 10 Ländern und mehr als 100 Branchen auf. Hier konkretisieren sich viele seiner Aussagen anhand von Beispielen aus Unternehmen und Branchen, die weltweit erfolgreich waren.

2.5 Relevanz für das Internationale Management

Die Konzepte von Perlmutter und Ohmae sowie das Globalisierungsmodell von Porter stellen zwar für ein entscheidungsorientiertes Internationales Management eine wertvolle Hilfe dar, indem sie aufzeigen, welche Gesichtspunkte für eine erfolgreiche Internationalisierung von Unternehmen relevant werden können, jedoch ist die Aussagekraft dieser Ansätze für praktische Entscheidungen und deren Umsetzung nur begrenzt.

Erstens behandeln die Theorien zur Generierung von Internationalisierungsstrategien trotz der umfassenden Porter-Analyse nur Teilaspekte für konkrete betriebswirtschaftliche Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit dem Internationalen Management.

Zweitens geben sie nur ansatzweise Gestaltungsempfehlungen wie z.B. Ohmae über die regionale Verteilung oder Perlmutter über Organisations- und Führungsprobleme der internationalen Aktivitäten von Unternehmen. Auch Porters Empfehlungen im Zusammenhang mit der Globalisierung der Wertkette oder im Rahmen der Analyse von nationalen Wettbewerbsvorteilen beantworten nicht alle für eine Internationalisierungsstrategie relevanten Fragestellungen. Sie sind somit weitgehend Erklärungsmodelle und nur begrenzt Entscheidungsmodelle (z.B. ansatzweise das Globalisierungsmodell von Porter).

Drittens sind die Ansätze im situativen Kontext entwickelt worden und konzentrieren sich weitgehend auf Großunternehmen und auf bestimmte Industrieländer.

Viertens werden die Interdependenzen und Zusammenhänge, die zwischen den unterschiedlichen als wichtig empfundenen Variablen vorhanden sind, nur sehr unzureichend analysiert.

Fünftens werden in den verschiedenen Modellen nur vereinzelt konkrete Entscheidungshilfen für die Markteintritts- und -bearbeitungsstrategien im Ausland gegeben. Auch die Probleme der Umsetzung der Internationalisierungsstrategie in betriebliche Teilstrategien werden nur bruchstückhaft dargestellt und einer Lösung nähergebracht. Meist stehen dabei die Marketing-, teilweise auch die Beschaffungs- und Personalstrategie im Vordergrund der Überlegungen. Der „Rundumschlag“ bei der Analyse der nationalen Wettbewerbsvorteile [108]von Porter ist andererseits wieder so umfassend, dass er zu einer konkreten betriebswirtschaftlichen Entscheidungshilfe nur wenig beiträgt.

Fallstudie: Internationale Marktlebenszyklen in der Nutzfahrzeugindustrie

Internationale Marktlebenszyklen in der Nutzfahrzeuindustrie
Matthias Litschke, Manager, PERLITZ STRATEGY GROUP GmbH & Co. KG

Die Stammmärkte der Hersteller von PKWs und LKWs in den traditionellen Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Japan sind reife Märkte: Im Marktlebenszyklus haben sie nach der erfolgreichen Massenmobilisierung des 20. Jahrhunderts die Reifephase erreicht und stagnieren nun auf hohem Niveau. Die Hersteller haben ihr Geschäftsmodell erfolgreich um die lukrativen Geschäfte Wartung und Reparatur, Ersatzteile, Finanzierung sowie die Gebrauchtfahrzeugvermarktung erweitert. Diese Geschäfte machen in vielen Märkten bereits über 50% des Branchenumsatzes aus sowie 95% der Rentabilität. Das vermeintliche Kerngeschäft, der Verkauf neuer Fahrzeuge, ist zunehmend die wenig profitable Eintrittskarte in diese lukrativen After-Sales-Märkte.

Echtes Wachstum scheint nur noch in den Schwellen- und sich entwickelnden Ländern möglich. Diese Märkte befinden sich im Marktlebenszyklus noch in unterschiedlichen Phasen des Wachstums mit jährlichen Wachstumsraten von z.T. bis zu 25% und einem stetig wachsenden Weltmarktanteil. Bei LKWs beträgt z.B. der Weltmarktanteil der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) bereits 64% der verkauften Einheiten, bei PKWs 28%. Mittelfristig ist davon auszugehen, dass die etablierten Stammmärkte der Hersteller nur noch lediglich 20% (LKW) bzw. 45% (PKW) des Weltmarktes ausmachen werden. Eine starke Präsenz in diesen Wachstumsmärkten ist also unabdingbar für die Unternehmensstrategie jedes etablierten Anbieters.

Dies wirft jedoch Probleme auf: Die westlichen Hightech-Produkte sind für weite Teile dieser Märkte zu teuer und treffen hier auf kostengünstige Low- und Mid-Tech-Wettbewerber aus Schwellenländern wie Korea, China und Indien. Überdies stehen i.d.R. in Schwellen- und sich entwickelnden Märkten die für Hightech-Fahrzeuge notwendigen Treibstoffqualitäten nicht zur Verfügung: Gesetzliche Abgasnormen definieren die eingesetzte Motorentechnik, diese wiederum definiert die erforderliche Treibstoffqualität. Die Welt folgt hier kaskadenartig den entwickelten Ländern: Neue Abgasnormen werden in Westeuropa, den USA und Japan eingeführt, zeitversetzt in Osteuropa und den Schwellenländern übernommen und schließlich auch in sich entwickelnden Volkswirtschaften zum Standard. Technische „Rückwärtskompatibilität“ ist nicht gegeben: Ein deutscher LKW des modernen Euro-5-Standards würde durch den in Indien verfügbaren Diesel auf [109]Euro-3-Niveau beschädigt. Ein in Schwellenländern angebotenes Fahrzeug muss also nicht nur preislich wettbewerbsfähig sein, sondern überdies mit dem lokalen Treibstoff fahren können. Erforderlich für eine erfolgreiche Marktbearbeitung sind somit entweder lokal angepasste, technisch einfachere Fahrzeuge oder aber ältere Fahrzeuge aus den entwickelten Märkten, die noch aus der Zeit der älteren Abgasnormen stammen.

Die Hersteller beschreiten beide Wege: Einerseits beteiligen sie sich an Herstellern der Zielmärkte oder kooperieren mit diesen. Die westlichen Hersteller bringen hierbei Kapital und Technologiekompetenz ein, die lokalen Hersteller kostengünstige Produktionskapazitäten und lokale Marktpräsenz. Der zweite Ansatz ist die Vermarktung gebrauchter Fahrzeuge aus den entwickelten Märkten. Hierbei schlagen die Hersteller zwei Fliegen mit einer Klappe: Im Neufahrzeuggeschäft ihrer Heimatmärkte vertreiben die Hersteller mittlerweile einen signifikanten Anteil aller Fahrzeuge via Leasing. Leasing ist letztlich ein Mietgeschäft, das Fahrzeug verbleibt hierbei i.d.R. im Eigentum des Herstellers und muss somit nach Ablauf des Leasingvertrages als Gebrauchtfahrzeug vermarktet werden. Die Heimatmärkte nehmen jedoch die hohe Anzahl solcher Gebrauchtfahrzeuge nicht auf.

Der Export dieser Gebrauchtfahrzeuge in die Wachstumsmärkte löst dieses Problem und liefert dem Hersteller gleichzeitig technisch geeignete und günstige Fahrzeuge für die Wachstumsmärkte. Das Ergebnis ist eine Exportkaskade: Im ersten Schritt werden gebrauchte Fahrzeuge in die mittel- und osteuropäischen Wachstumsmärkte wie Polen, Tschechien oder Russland exportiert, wo sie für einige Jahre eingesetzt werden (2. Leben). Danach wandern sie für ein weiteres, drittes Leben nach Südostasien oder Südamerika, bevor sie wiederum Jahre später auf den afrikanischen Märkten landen, wo sie ihre verbleibende Nutzungsdauer verbringen (4. Leben). Während in Westeuropa für jeden fabrikneuen LKW zwei gebrauchte verkauft werden, sind dies in Polen oder Tschechien schon fünf und in Russland zehn. In den Märkten des dritten und vierten Lebens ist der Anteil der Gebrauchtfahrzeuge am Gesamtmarkt entsprechend noch höher.

Unabhängig davon, ob diese Kaskade von den Herstellern selbst oder von unabhängigen Händlern in Gang gesetzt wird, schafft sie in den neuen Märkten eine Fahrzeugpopulation von Daimler-, MAN- oder Scania-LKW, die den Herstellern ein lukratives Ersatzteilgeschäft ermöglicht, ihre Marke bekannt macht und die Grundlage dafür legt, in Zukunft auch neue Fahrzeuge zu verkaufen, sobald das Wachstumsland das entsprechende Kaufkraftniveau erreicht hat. Hinter der Speerspitze der Gebrauchtfahrzeugvermarktung kann also nach und nach eine Vertriebsorganisation geschaffen werden, die schrittweise das gesamte etablierte Geschäftsmodell aus Neufahrzeug, Wartung/Reparatur, Ersatzteilen und Finanzierung anbieten kann.

Kritische Voraussetzung ist das Fehlen von Handelsbarrieren zwischen den Wirtschaftsblöcken sowie der Verzicht auf protektionistischen Schutz lokaler Produzenten. China als ein Land mit einer eigenen, lokalen LKW-Produktion hat sich zum Beispiel durch Zollbarrieren weitgehend von der beschriebenen Kaskade abgeschottet. Es ist ferner zu [110]beobachten, dass Hersteller aus den Schwellenländern zunehmend den Wettbewerb mit den westlichen Herstellern aufnehmen, und zwar in Gegenrichtung zur westlichen Gebrauchtfahrzeugkaskade: In den Märkten des vierten, dritten und zweiten Lebens konkurrieren die westlichen Gebrauchtfahrzeuge zunehmend mit technisch einfachen, aber günstigen Neufahrzeugen aus China und anderen Schwellenländern. Es ist anzunehmen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis chinesische und indische Hersteller auch in die Märkte Westeuropas und Nordamerikas eintreten, ggf. mittels Akquisition schwächerer westlicher Marken. Im PKW-Markt ist dies mit den Käufen von Jaguar und Land Rover durch die indische Tata Motors (2007) sowie von Volvo durch die chinesische ZhejiangGeely Holding Group (2010) bereits erfolgt.

Der Kampf um den Weltmarkt ist also bereits in vollem Gange. Entscheidend für die etablierten Hersteller wird sein, ob sie es schaffen, das Potenzial der Wachstumsmärkte dauerhaft für sich zu erschließen.

Fragen zur Fallstudie

1 In welchen Phasen des Marktlebenszyklus befinden sich die klassischen westeuropäischen und nordamerikanischen Industriestaaten im Hinblick auf PKWs und LKWs? In welcher Phase Schwellenländer wie China, Brasilien oder Indien?

2 Warum sind aktuelle Hightech-Produkte der klassischen Industrieländer im Hinblick auf Preis und technischen Anspruch nicht unbedingt gleichermaßen für Märkte in frühen Phasen des Marktlebenszyklus geeignet?

3 Erläutern Sie, wie Unternehmen die unterschiedlichen Entwicklungsstufen ihrer Absatzmärkte im Marktlebenszyklus für ihre Unternehmensentwicklung nutzen können.

4 Erläutern Sie die Auswirkungen von Handelsbarrieren auf die Umsetzbarkeit einer solchen Strategie.

Literaturempfehlungen

Basisliteratur

Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., Boston [u.a.], [Kapitel 1: „Introduction: What is International Business“, S. 38; Kapitel 2: „Globalization of Markets and the Internationalization of the Firm“, S. 64; Kapitel 4: „The Cultural Environment of International Business“, S. 122-153].

Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 5: „International Trade Theory“, S. 166-203; Kapitel 7: „Foreign Direct Investment“, S. 240-273].

[111]Kutschker, M./Schmid, S., 2011: Internationales Management, 7. Aufl., München, [Kapitel 3: „Theorien der internationalen Unternehmung“, S. 379-481].

Vertiefungsliteratur

Krugman, P./Obstfeld, M./Merlitz, M., 2011: Internationale Wirtschaft, 9. Aufl., Pearson Studium: München.

Rose, K./Sauernheimer, K., 2006: Theorien der Außenwirtschaft, 14. Aufl., Vahlen: München.

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