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Оглавление[112][113]Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung
[114]Standpunkt: Boehringer Ingelheim
Boehringer IngelheimBoehringer Ingelheim ist ein forschungsorientiertes Pharmaunternehmen, das sich seit seiner Gründung im Jahre 1885 in Familienbesitz befindet. Boehringer Ingelheim zählt zu den größten Pharmaunternehmen weltweit und beschäftigt mehr als 42.000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 12,6 Mrd. Euro. www.boehringer-ingelheim.de | |
Christian Boehringer, Vorsitzender des GesellschafterausschussesChristian Boehringer ist seit 2007 Vorsitzender des Gesellschafterausschusses von Boehringer Ingelheim. In dieser Funktion bildet er die Brücke zwischen der Inhaberfamilie und der operativen Führung. |
1. Inwiefern sehen Sie sich als Unternehmen in der sozialen Verantwortung?
Soziale Verantwortung ist seit der Firmengründung eine Selbstverständlichkeit bei Boehringer Ingelheim. Die Bedürfnisse und das Engagement haben sich in den 125 Jahren aber geändert. In den Anfängen des Unternehmens waren Basisbedürfnisse wie ein Dach über dem Kopf, eine gute Ernährung und soziale Absicherung keine Selbstverständlichkeit, der Firmengründer hat hier neue Maßstäbe bei seiner Belegschaft gelegt.
2. In welcher Weise hat sich dies im Laufe der Zeit verändert?
Als die Basisbedürfnisse mit der Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft eine Selbstverständlichkeit wurden, haben sich die Folgegenerationen auf Kunst und Bildung spezialisiert. Schon ab der zweiten Generation wurden auch Bildungs- und Kulturaspekte Teil der sozialen Verantwortung bei Boehringer Ingelheim.
Seit 1956 fördert die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften wissenschaftlichen Nachwuchs in der Sprach- und Literaturwissenschaft, Kunst und Geschichtshistorik durch Druckkostenzuschüsse bei den Dissertations- und Habilitationsschriften.
1959 wurden die „Ingelheimer Tage“ ins Leben gerufen. Dies ist eine jährlich stattfindende Ausstellung, die ursprünglich die fernen Kulturkreise, in denen das Unternehmen arbeitet, nach Ingelheim brachte und sich heute einzelnen Künstlern bzw. Kunstströmungen widmet.
Seit 1983 fördert der Boehringer Ingelheim Fond (B.I.F.) über Doktoranden-Stipendien die bio-medizinische Grundlagenforschung auf höchstem internationalen Niveau.
[115]Die Boehringer Ingelheim Stiftung als jüngste Stiftung fördert u.a. in Zusammenarbeit mit dem Land Rheinland-Pfalz an der Universität Mainz ein Institut für Molekulare Biologie mit 100 Millionen Euro.
3. Gibt es internationale Projekte, für die sich Boehringer Ingelheim einsetzt?
Die Behandlung und Bekämpfung von AIDS ist zur globalen Herausforderung geworden. Boehringer Ingelheim trägt nicht nur durch AIDS-Medikamente in der entwickelten Welt zur Bekämpfung von AIDS bei, sondern unterstützt auch durch das „Viramune Donationprogramm“ die Bekämpfung der Krankheit in der unterentwickelten Welt. Mithilfe dieser Medikamentenspende kann mit zwei Injektionen die Übertragungschance einer mit AIDS infizierten Mutter auf das Kind deutlich gesenkt und damit die Ansteckungskette an einer wesentlichen Stelle reduziert werden.
4. Sind bei Boehringer Ingelheim weitere Programme hinsichtlich des sozialen Engagements in Planung?
Derzeit denken wir darüber nach, wie wir unsere Mitarbeiter stärker in die Lösung sozialer Probleme in der Welt mit einbinden können. Wir sind derzeit auf der Suche nach sogenannten „Sozialunternehmern“, die wir mithilfe der Gesellschafter und unseren Mitarbeitern bei der Umsetzung ihrer Konzepte im Bereich „More Health“ unterstützen können.
Sozialunternehmer sind Unternehmer, die nicht genügend Geld verdienen, um das nötige Kapital am Kapitalmarkt zu generieren, aber genug, um das Konzept nach einer Startphase selbst zu finanzieren.
Wenn man ein Krankenhaus in der Dritten Welt unterstützt, ist das Krankenhaus in der Regel auf dauerhafte Spenden angewiesen, da die Patienten keinen Beitrag zur Finanzierung leisten können. Damit kann das Konzept auch nicht auf ganz Afrika ausgedehnt werden.
Ein Beispiel für ein gelungenes Sozialunternehmen ist die Idee, Autisten aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten z.B. bei Versicherungsunternehmen einzusetzen. Die betreffende Person schafft für die Firma einen Mehrwert und bekommt ein Gehalt. Der Sozialunternehmer kann eine Vermittlungsgebühr verlangen und damit mehreren Autisten einen Arbeitsplatz beschaffen. Die Idee ist daher international skalierbar. Die ursprünglichen Investoren haben lediglich das Gehalt des Sozialunternehmers in den ersten 3 Jahren sowie die Startup-Kosten übernommen. Die Mitarbeiter des finanzierenden Unternehmens konnten sich auf vielfältige Weise bei der Startphase mit Rat und Tat engagieren und so sozial tätig sein.
Wir glauben, dass alle Beteiligten gewinnen. Soziale Probleme können gelöst werden, die Arbeitszufriedenheit unserer Mitarbeiter steigt aufgrund des sozialen Engagements und wir können mit kalkulierbaren finanziellen Mitteln viel bewegen.
5. [116]Wie verträgt sich CSR mit einem Unternehmen, das nach wirtschaftlicher Optimierung strebt?
In der Vergangenheit wurde eine finanzielle Zuwendung wirtschaftlich und ökonomisch erfolgreicher Menschen oft erst als „sozial“ empfunden, wenn die Mittel gespendet wurden. Neuere CSR-Ansätze stellen durchaus Ansprüche, die einem wirtschaftlich geführten Unternehmen ähneln:
Welchen Nutzen hat die CSR-Aktivität und wer ist bereit für diese Leistung zu bezahlen?Unternehmer können die Sozialunternehmer gut bei der Fragestellung, wie sich der Nutzen quantifizieren lässt und wer Kunde sein kann, beraten.
Wie muss der Sozialunternehmer planen, sich organisieren und sich strukturieren, um ökonomisch erfolgreich zu sein (und damit nicht ewig auf Spenden angewiesen zu sein und sein Wachstum zu finanzieren)?Bei all diesen Fragen hat der erfolgreiche Unternehmer meist die Lernkurve, die der Sozialunternehmer noch vor sich hat, schon hinter sich.
Mit welchen Key-Performance-Indikatoren kann der Sozialunternehmer seine Planumsetzung kontrollieren?Die Prinzipien eines erfolgreichen Key-Performance-Indikatorsystems einer CSR-Aktivität ähneln denen eines Unternehmens, auch wenn Unternehmen, die ihr Kapital aus dem Kapitalmarkt erhalten, Profit vielleicht stärker in den Vordergrund stellen.
Auch wenn die meisten CSR-Aktivitäten bewusst als Non-Profit-Organisationen gegründet werden, ähneln sich die Herausforderungen, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden, in hohem Maß.
Es zeigt sich auch, dass ein CSR-Engagement im eigenen Marktumfeld bzw. Erfahrungsbereich durchaus für beide Seiten von Vorteil sein kann. Wenn ein Pharmaunternehmen Sozialunternehmern hilft, die „More Health“ zum Thema haben, kann der Sozialunternehmer stark von der Erfahrung und dem Netzwerk seines Mentors profitieren. Auf der anderen Seite lernt der Mentor die Welt aus einem Blickwinkel zu sehen, den er normalerweise vermutlich in seinem Erfahrungsumfeld eher weniger sieht (Start-up-Mentalität anstatt Konzernmentalität; alternative Ansätze, das gleiche Problem zu lösen).
6. Inwieweit ist eine Schwerpunktsetzung der CSR-Aktivitäten im regionalen Umfeld des Unternehmens sinnvoll bzw. sollte die globale Perspektive im Vordergrund stehen?
In Bezug auf das „More Health“-Projekt bei Boehringer Ingelheim widersprechen sich die lokale und globale Perspektive nicht. Jedes Land wird in den nächsten Jahren eine Patenschaft für einen Sozialunternehmer aus seiner Region übernehmen. Ist der [117]Sozialunternehmer erfolgreich, wird er seine Aktivität national, vielleicht sogar multinational ausweiten. Gerade in der Startphase ist es aber wichtig, dass die nationale Partnerschaft einen häufigen Austausch zwischen Sozialunternehmer und seinem Mentor ermöglicht. Gerade dadurch öffnet sich das Mentorunternehmen auch für die Menschen und Institutionen in seinem direkten Umfeld.
1 Kultur
1.1 Kulturbegriff
Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Aktivitäten an den Erfordernissen ihrer Umwelt ausrichten. Weiterhin agieren sie flexibel und situationsspezifisch auf unterschiedliche Ereignisse (Meissner, H.G., 1999; Perlitz, M., 1994b). Dies ist auch der Basisgedanke des situativen Ansatzes, der davon ausgeht, dass es nicht „den“ optimalen, sondern nur den in der jeweiligen Situation geeigneten Weg gibt. Für ein Unternehmen geht es darum, sich so zu verhalten, dass sich die verfolgten Unternehmensziele in der jeweiligen Situation bestmöglich realisieren lassen. Die Literatur zeigt eine Vielzahl von Variablen auf, die Unternehmen in ihrem Verhalten beeinflussen. Es wird grob unterschieden in Variablen der unternehmensexternen und -internen Umwelt. Der externe Teil lässt sich weiter untergliedern in eine vom Unternehmen beeinflussbare und in eine nicht beeinflussbare Umwelt.
Kultur im Sinne von gemeinsam geteilten Werthaltungen in einer Gesellschaft ist ein Teilbereich der nicht beeinflussbaren Umwelt. Im eigenen Stammland sind die kulturell internalisierten Wertvorstellungen handlungsleitend. Alternativen werden nicht gesehen und Kultur wird somit als etwas Selbstverständliches hingenommen (Holzmüller, H.H./Berg, N., 2002; Schuster, L., 1999; Dülfer, E., 1992a; Thorborg, H., 1991). Mit deren Problematik an sich wird das Unternehmen nicht konfrontiert. Inländer sind sich daher der Inhalte der eigenen kulturellen Prägung meist gar nicht bewusst, sie setzen sich mit der jeweiligen Kultur nur implizit auseinander. Im Gegensatz dazu treffen in kulturellen Überschneidungssituationen die gewohnten, eigenkulturell geprägten Denkmuster und Verhaltensweisen mit denen der fremdkulturell geprägten Interaktionspartner aufeinander. Die bisher geeigneten Handlungsweisen, Interpretations- und Bewertungsmuster versagen dann häufig, d.h., ein „Fit“ zwischen der Situation und dem Verhalten ist nicht mehr gegeben und der Erfolg der Unternehmensaktivitäten dadurch oft gefährdet. Die kulturelle Umwelt wird daher erst bei internationalen Aktivitäten eines Unternehmens durch das „Aufeinanderprallen“ von Kulturen bewusst und erlangt somit betriebswirtschaftliche Bedeutung. Kultur ist ein originärer Problembereich für das Internationale Management, da er erst durch eine Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit evident wird.
[118]Besonderen Einfluss hat die Kultur auf die interpersonelle Interaktion (Knapp, K., 2003; Kopper, E., 2003; Holzmüller, H.H., 1997; Harris, P.R./Moran, R.T., 1991), welche vor allem im operativen Bereich der Unternehmensaktivitäten von Relevanz ist. Kultur wird daher als wichtige Umweltdimension für die internationalen betrieblichen Teilpolitiken diesem Kapitel vorangestellt. Hierzu wird zuerst das Phänomen Kultur definiert und diskutiert. Im Anschluss daran erfolgt eine Beschreibung der kulturvergleichenden Managementforschung sowie des interkulturellen Managements. Diese Komponenten werden in einer integrativen Darstellung verknüpft, wodurch die Bedeutung der Kultur für verschiedene internationale Teilpolitiken deutlich wird.
Das Phänomen Kultur ist definitorisch schwer fassbar. Dies liegt darin begründet, dass sehr unterschiedliche Forschungsgebiete den Kulturfaktor in ihre Betrachtung einbeziehen. Je nach Forschungsgebiet variieren die Zielsetzungen und daher auch die Auffassungen. In einer umfangreichen Literaturanalyse haben die Anthropologen Kroeber und Kluckhohn bereits Anfang der 1950er Jahre 164 verschiedene inhaltliche Auslegungen des Begriffs Kultur zusammengetragen (Kroeber, A.L./Kluckhohn, C., 1952).
Keller bestimmt den Kulturbegriff anhand verschiedener Eigenschaften (v. Keller, E., 1982):
Kultur ist menschengeschaffen. Sie ist ein Produkt kollektiven gesellschaftlichen Handelns und Denkens einzelner Menschen.
Kultur ist überindividuell und ein soziales Phänomen, das den Einzelnen überdauert.
Kultur wird erlernt und durch Symbole übermittelt.
Kultur ist durch Normen, Regeln und Verhaltenskodizes verhaltenssteuernd.
Kultur strebt nach innerer Konsistenz und Integration.
Kultur ist ein Instrument zur Anpassung an die Umwelt.
Kultur ist langfristig adaptiv wandlungsfähig.
Hofstede stellt Kultur als ein gruppenspezifisches, kollektives Phänomen von gemeinsam geteilten Werthaltungen dar. „Culture is to a human collectivity what personality is to an individual“ (Hofstede, G., 2001). Er definiert Kultur als die kollektive Programmierung des menschlichen Denkens, die die Mitglieder einer Gruppe von Menschen von denjenigen einer anderen Gruppe unterscheidet. Die meisten Studien der kulturvergleichenden Managementforschung der 1980er und 1990er Jahre beziehen sich auf diese Begriffsbestimmung, die auch hier zugrunde gelegt wird.
Das Kulturphänomen wird oft mit einem Eisberg verglichen, dessen größter Teil unter Wasser verborgen bleibt (vgl. Abbildung 56). Der sichtbare, explizite und manifeste Teil beinhaltet kulturelle Artefakte wie Symbole, Rituale, Sprache, Kleidung, Essen, Architektur, Kunst usw. Diese reflektieren aber nur tieferliegende Schichten der Kultur, d.h. die [119]zugrunde liegenden, meist unbewussten und internalisierten Wertvorstellungen, Normen, Denkweisen und Einstellungen (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Trompenaars, F., 1993).
Abbildung 56: Kultur als Eisberg
Kultur hat verschiedene Funktionen. Sie bietet dem Einzelnen ein Orientierungssystem und einen Bezugsrahmen, anhand derer eigene Erfahrungen und Verhaltensweisen eingeteilt und organisiert werden können. Der kulturelle Rahmen setzt somit Standards für Wahrnehmung, Denken, Urteilen und Handeln. Kultur als kollektiv geteilte kognitive Infrastruktur stellt einen effektiven Interpretations- und Problemlösungsmechanismus dar, um die komplexe Umwelt bewältigen zu können. Darüber hinaus stellt Kultur eine eigene Identität bereit. Der Sozialisationsprozess durch Lernen am Kulturmodell ermöglicht ein einheitliches Handeln und effizientes Arbeiten. Kultur hilft den Mitgliedern einer Gesellschaft bei der Kommunikation, Interaktion und Erfolgssicherung.
Der Prozess der Prägung der kulturellen Grundpersönlichkeit des Einzelnen erfolgt durch Enkulturation, d.h. durch das Lernen der spezifischen Kulturmuster und -werte. Kulturelle, biologische und soziale Faktoren sowie Umwelteinflüsse sind dabei eng miteinander verbunden und ergänzen sich gegenseitig (siehe Abbildung 57) (Holzmüller, H.H./Berg, N., 2002; v. Keller, E., 1982).
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Abbildung 57: Kultur, Gesellschaft und Individuum
Quelle: v. Keller, E., 1982
Kulturen als Ergebnis eines langen Prozesses der internen Adaption und Integration bei gleichzeitiger Abgrenzung nach außen sind grundsätzlich sehr stabil und auf Kontinuität ausgerichtet. Dennoch verändern sich Kulturen. Kultur ist zugleich Produkt und Prozess, d.h., sie muss ständig ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen. Nur ein adaptivevolutionärer Prozess kann es ermöglichen, dass die kulturellen Inhalte und Formen langfristig geeignet bleiben, die spezifischen Umweltprobleme zu lösen sind und eine Überalterung der kulturellen Determinanten verhindert wird (Dülfer, E., 1992a; Matenaar, D., 1983).
Es bestehen verschiedene Ansätze, das Phänomen Kultur zu erfassen. Letztendlich geht es darum, das hypothetische Konstrukt Kultur in verschiedene Dimensionen aufzuspalten, die als Vergleichskriterien für die Beschreibung und den Vergleich einzelner Länder und Kulturen dienen sollen. In der Literatur lassen sich verschiedene Kulturdimensionen differenzieren. Zwei der bedeutendsten Kulturstudien sind die Ansätze von Trompenaars sowie von Hofstede.
1.1.1 Kulturmodell von Trompenaars
Trompenaars unterscheidet in seinem Ansatz insgesamt sechs kulturelle Dimensionen, von denen allerdings nur fünf für den Themenbereich des Internationalen Managements relevant sind. Seine empirische Untersuchung zur Quantifizierung kultureller Differenzen basiert auf der Befragung von 15.000 Managern aus 47 Nationen. Er unterscheidet zwischen folgenden Kulturdimensionen (Trompenaars, F./Hampden-Turner, C., 2012; Trompenaars, F., 1996; Trompenaars, F., 1993a):
(1) Universalismus versus Partikularismus
Diese Kulturdimension gibt wieder, inwieweit in dem jeweiligen Land das Generelle oder das Spezifische Vorrang hat. So legen universalistische Kulturen großen Wert auf die Einhaltung von Regeln und stellen diese gar über menschliche Beziehungen. Partikularistische Kulturen hingegen betrachten vorrangig die spezifischen Umstände oder persönlichen Hintergründe bei Entscheidungen aller Art. Hierdurch rückt die spezifische Situation in den Vordergrund. Eher universalistische Kulturen sind neben den angelsächsischen Ländern USA, Kanada und Großbritannien vor allem die germanischen Nationen [121]Deutschland, Österreich und die Schweiz, während beispielsweise Venezuela, Südkorea, Russland oder China als partikularistisch eingestuft werden.
(2) Individualismus versus Kollektivismus
Hierbei geht es um die Frage, ob sich Personen primär als Individuen sehen oder sich über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definieren. Damit einher geht die Diskussion, ob sich Individuen bei ihren Entscheidungen an den persönlichen Interessen ausrichten oder eine Unterordnung unter ein Kollektiv stattfindet. Trompenaars betont, dass es bei dieser Dimension durchaus vorkommen kann, dass in Ländern sowohl individualistische als auch kollektivistische Tendenzen auftreten können. Die USA, Rumänien, Tschechien, Russland, Nigeria oder Israel gelten als individualistische, während Japan, Indien, Ägypten oder Mexiko als kollektivistische Nationen betrachtet werden.
(3) Neutrale Beziehungen versus affektive Beziehungen
Bei dieser Dimension spielen Gefühle und Beziehungen eine dominierende Rolle. So steht in neutralen Kulturen ein rationales Verhalten im Vordergrund, wohingegen in affektiven Kulturen Gefühle und Emotionen nicht unterdrückt werden. Die Mehrzahl der lateinischen, afrikanischen und arabischen Nationen wird den affektiven Kulturen zugerechnet, während Japan und China sowie mehrere mittel- und nordeuropäische Länder (z.B. Polen, Bulgarien oder Österreich) als neutral gelten.
(4) Spezifische Beziehungen versus diffuse Beziehungen
Diese Dimension drückt das Maß der Betroffenheit eines Individuums durch eine bestimmte Situation oder Handlung aus. In Kulturen mit diffusen Beziehungsstrukturen lassen sich unterschiedliche Lebensbereiche nicht voneinander trennen, während in spezifischen Kulturen beispielsweise die Felder Arbeit und Familie klar voneinander abgetrennt sind. China, Kuwait, Indonesien oder Chile gelten als eher diffus, während die westlichen Industriestaaten eher spezifisch orientiert sind.
(5) Leistung versus Ansehen
Die letzte Dimension bezieht sich darauf, ob der Status einer Person durch ihr Ansehen (z.B. aufgrund der Herkunft, religiöser Vorstellungen oder des Alters) oder aufgrund einer erzielten Leistung erreicht wird. Die USA gelten dabei als Land mit einer hohen Statuserreichung, wohingegen mitteleuropäische Länder (z.B. Italien, Deutschland und Russland) eher den Kulturen zugerechnet werden, in denen das Ansehen eine große Rolle spielt. In einer Vielzahl südamerikanischer, asiatischer und arabischer Länder sind derartige Tendenzen noch wesentlich stärker ausgeprägt.
[122]1.1.2 Kulturmodell von Hofstede
Die in der Betriebswirtschafts- und Managementlehre am häufigsten genannte und zitierte Studie zur Kulturerfassung stammt von Hofstede, der in seiner Untersuchung beim Computerhersteller IBM 117.000 Fragebögen aus 67 Ländern mit jeweils 60 Items analysiert hat (Hofstede, G., 1982). Die Datenerhebung fand zwar zwischen 1968 und 1972 statt, doch trotz des hohen Alters wird die Studie auch heute noch als Basis der meisten Untersuchungen zur kulturvergleichenden Managementforschung herangezogen. Ziel der Hofstede-Studie war die Ausarbeitung von Dimensionen, mit deren Hilfe Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Ländern dargestellt werden können. Hofstede gelangt in seiner Analyse zunächst zu vier Kulturdimensionen mit den Bezeichnungen:
1 Machtdistanz
2 Individualismus/Kollektivismus
3 Maskulinität/Femininität
4 Unsicherheitsvermeidung
Später kam mit der Langfrist-/Kurzfristorientierung eine fünfte Dimension hinzu. Die einzelnen Dimensionen werden nachfolgend erläutert (Hofstede, G., 2006; Hofstede, G., 2001; Hofstede, G., 2000; Hofstede, G., 1992).
(1) Machtdistanz (power distance)
Diese wird von Hofstede definiert als „the extent to which the less powerful members of institutions and organizations within a country expect and accept that power is distributed unequally“ (Hofstede, G./ Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010). Auf der Basis von Ländermittelwerten verschiedener Fragestellungen (z.B. wahrgenommener bzw. präferierter Führungsstil, Widerspruchsmöglichkeiten gegenüber dem Vorgesetzten) wurde von Hofstede ein Machtdistanz-Index (MDI) erstellt (vgl. Abbildung 58).
Länder mit einem niedrigen Indexwert haben eine geringe Machtdistanz und umgekehrt. Die meisten afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Länder zeigen ebenso wie Frankreich, Belgien, Italien und Spanien hohe MDI-Werte; niedrige Machtdistanzwerte ergeben sich dagegen für die USA, Großbritannien, Deutschland und die skandinavischen Länder. Im Management wird sich eine hohe Machtdistanz z.B. dadurch bemerkbar machen, dass eine große Zahl von Hierarchiestufen besteht und ein Umgehen dieser Hierarchiestufen tabu ist. Zudem werden Entscheidungen in Ländern mit einer hohen Machtdistanz häufig stark zentralisiert. Des Weiteren werden Statussymbole und Privilegien nach außen sichtbar angewandt.
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Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen.
Abbildung 58: Machtdistanz-Index-Werte (MDI) von 74 Ländern und Regionen
Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009
(2) Individualismus versus Kollektivismus
Die Dimension des Individualismus bzw. Kollektivismus misst, inwieweit sich die Menschen einer bestimmten Gesellschaft eher als einzelne, unabhängige Individuen oder als Mitglieder einer Gruppe definieren (Hofstede, G., 2001). Gesellschaften gelten dann als individualistisch, wenn Bindungen zwischen den einzelnen Personen locker sind und die Erwartung überwiegt, dass jeder für sich und seine unmittelbare Familie zu sorgen hat. In kollektivistischen Gesellschaften sind die Individuen hingegen von Geburt an in starke, geschlossene Gruppen integriert, die ein Leben lang für Schutz sorgen und dafür bedingungslose Loyalität erwarten. Die verschiedenen Grade der Ausprägung des Individualismus variieren von Kultur zu Kultur und können mit dem sogenannten Individualismus-Index (IDV) gemessen werden (vgl. Abbildung 59).
Wie bereits im Falle der Machtdistanz repräsentieren die Punktzahlen die relative Position des jeweiligen Landes. Je niedriger die Punktzahl, desto kollektivistischer, je höher, desto individualistischer ist das jeweilige Land. Beinahe alle wohlhabenden Länder erreichen hohe IDV-Punktwerte, während fast alle ärmeren Länder niedrigere Punktwerte aufweisen. Im Management offenbart sich die individualistische Ausrichtung beispielsweise dadurch, [124]dass der Einzelne Vorrang vor der Gruppe oder vor der gesamten Unternehmung hat. Damit einher geht eine geringe Loyalität, was zu häufigen Stellenwechseln und großer Mobilität führt. Arbeit dient folglich vornehmlich der Selbstverwirklichung und nicht dem Aufbau von Beziehungen. Dies äußert sich beispielsweise auch in der Tatsache, dass dem Inhalt der Aufgabe eine hohe Bedeutung zukommt.
Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen.
Abbildung 59: Individualismus-Index-Werte (IDV) für 74 Länder und Regionen
Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009
(3) Maskulinität versus Femininität
Die Dualität der Geschlechter ist eine fundamentale und universelle Tatsache, mit der die verschiedenen Kulturen jedoch auf unterschiedliche Weise umgehen. Nach Hofstede misst diese Dimension „… the division of roles between the sexes“ (Torrington, D./Hall, L./Taylor, S., 2008). Bemerkenswert ist, dass bei der Studie die Wertvorstellungen der Frauen weniger zwischen den einzelnen Kulturen divergieren als die der Männer. Während Frauen grundsätzlich bescheidenere und fürsorglichere Vorstellungen haben, können Männer entweder ebenso denken oder eher bestimmende bzw. konkurrenzbetonte Werte verfolgen. Hofstede bezeichnet eine Gesellschaft als maskulin, wenn sie leistungsbezogen ist, die Individuen (unabhängig vom Geschlecht) erfolgsbezogen und selbstbewusst sind, Konflikte ausgefochten werden und Mitglieder mit abweichendem Verhalten übergangen oder missachtet [125]werden (Hofstede, G., et al., 2011). Eine feminine Kultur achtet eher auf zwischenmenschliche Beziehungen, die Bewahrung der Umwelt, Lebensqualität, schließt Kompromisse und schätzt Kooperation (Hofstede, G., 2001; Nath, R., 1986).
Eine hohe Punktzahl bedeutet, dass die Maskulinität in einem solchen Land relativ zu den Ländern mit geringerer Punktzahl stärker ausgeprägt ist. Stark feminine Länder haben also geringe Maskulinitäts-Index-Werte (MAS) (vgl. Abbildung 60). Japan, Österreich, Venezuela, Italien, die Schweiz und Mexiko werden als maskuline Gesellschaften bezeichnet. Auch Deutschland ist maskulin orientiert. Die skandinavischen Länder sowie die Niederlande sind hingegen feminin ausgerichtet. Im Rahmen des Managements drückt sich Maskulinität dadurch aus, dass materiellen Aspekten ein hoher Stellenwert zugesprochen wird. Arbeit wird gegenüber Freizeit als wesentlich höher eingeschätzt. Als dominante Werte gelten Ehrgeiz, Selbstdisziplin sowie Karriereorientierung.
Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen.
Abbildung 60: Maskulinitäts-Index-Werte (MAS) für 74 Länder und Regionen
Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009
(4) Unsicherheitsvermeidung
Ungewissheit ist für einzelne Individuen oft nur schwer zu ertragen. Die Dimension Unsicherheitsvermeidung lässt sich definieren als „der Grad, in dem die Mitglieder einer Kultur sich [126]durch ungewisse oder unbekannte Situationen bedroht fühlen“ (Hofstede, G., et al., 2011). Jede Kultur hat Methoden entwickelt, um mit dieser Ungewissheit objektiv oder subjektiv zurechtzukommen, jedoch gibt es hierbei beträchtliche Unterschiede (Hofstede, G., 2001). Eine Gesellschaft mit einer starken Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung versucht, die Zukunft zu kontrollieren oder zumindest über bestimmte Regeln, Gesetze, Verhaltensvorschriften und Sicherheits- und Schutzmaßnahmen zu beeinflussen (Hofstede, G., 1992).
Sie ist relativ intolerant gegenüber abnormem Verhalten und eher abweisend gegenüber nicht vorhersagbaren Ereignissen und schwer einzuordnenden Meinungen. Demgegenüber erziehen Kulturen mit schwach ausgeprägter Unsicherheitsvermeidung ihre Mitglieder zu mehr Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Ungewohntem. Außerdem ist für sie eine stärkere Akzeptanz von Risiko charakteristisch. Abbildung 61 stellt die Unsicherheitsvermeidungswerte für verschiedene Kulturen dar.
Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen
Abbildung 61: Unsicherheitsvermeidungsindex (UVI)-Werte für 74 Länder und Regionen
Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009
Länder mit schwacher Unsicherheitsvermeidung haben geringe UVI-Werte und umgekehrt. Bei dieser Hofstede-Dimension sind selbst innerhalb einzelner Länderregionen beträchtliche Differenzen feststellbar. So weisen Griechenland und Portugal eine hohe Unsicherheitsvermeidung auf, während in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine [127]mittlere Einstufung vorzufinden ist. In Dänemark hingegen ist die Unsicherheitsvermeidung lediglich schwach ausgeprägt. Weitere bestehende kulturelle Differenzen innerhalb Europas analysieren im Detail auch Perlitz und Seger (Perlitz, M./Seger, F., 2004). In Gesellschaften mit einer hohen Unsicherheitsvermeidung müssen Unternehmensentscheidungen eindeutig und präzise sein. Konflikte und abweichende Verhaltensmuster werden weitestgehend vermieden. Unter Umständen können derartige Mechanismen dazu führen, dass Innovationen frühzeitig erstickt werden, da wenig Platz für kreative Problemlösungen bleibt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011).
(5) Langfrist-/Kurzfristorientierung
Die fünfte – nachträglich hinzugefügte – Dimension wird als Langfrist- bzw. Kurzfristorientierung bezeichnet. Als Merkmale der langfristigen Orientierung von Kulturen sieht Hofstede eine große Ausdauer bzw. Beharrlichkeit im Verfolgen von Zielen, den Respekt vor am Status orientierten Rangordnungen, eine hohe Sparquote und Investitionstätigkeit sowie ein ausgeprägtes Schamgefühl.
Eine besonders hohe Langfristorientierung zeigt sich der Studie zufolge, die allerdings lediglich in 23 Ländern durchgeführt wurde, vor allem in China, Hongkong, Taiwan und Japan, während Pakistan äußerst kurzfristig orientiert zu sein scheint. Deutschland nimmt dabei eine Mittelposition ein (vgl. Abbildung 62). Der in diesem Zusammenhang aufgeführte Zeitaspekt hat auch Konsequenzen für das Management. So werden in Kulturen mit einer langfristigen Orientierung häufig strategische Überlegungen gegenüber operativen und taktischen Fragen bevorzugt. Die Unternehmensplanung beschränkt sich folglich nicht auf die nächsten Monate oder unmittelbar folgenden Jahre.
Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen.
Abbildung 62: Indexwerte zur Langfristorientierung, (ILO-)Werte für 39 Länder und Regionen
Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009
[128](6) Selbstverwirklichung versus Selbstbeschränkung
Die sechste Dimension, Selbstverwirklichung versus -beschränkung (indulgence vs. restraint), wird erstmals in der dritten Auflage des Werkes von Hofstede im Jahr 2010 beschrieben. Die Autoren definieren diese Dimension als „(…) a tendency to allow relatively free gratification of basic and natural human desires related to enjoying life and having fun. Its opposite pole, restraint, reflects a conviction that such gratification needs to be curbed and regulated by strict social norms“ (Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010).
Der Fokus liegt auf dem subjektiven Wohlbefinden („level of happiness“) einer Gesellschaft bzw. den Angehörigen eines Kulturkreises. Dies drückt sich beispielweise im Freizeitbedürfnis und der Selbstbestimmtheit über das eigene Leben aus. Auch die Bedeutung, eigene Gedanken frei äußern zu können, wird in dieser Kulturdimension beschrieben. Menschen in einer selbstbeschränkten Kultur empfinden ein geringeres Bedürfnis zur freien Meinungsäußerung. Außerdem neigen sie zur Introvertiertheit, Pessimismus und Zynismus. Angehörige eines Kulturkreises, der stärker durch Genuss und Selbstverwirklichung charakterisiert ist, sind tendenziell extrovertierter, optimistischer und erinnern sich eher an die glücklichen Momente in ihrem Leben (Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010).
Länder mit einem niedrigen Indexwert sind durch hohe Selbstbeschränkung gekennzeichnet, wohingegen Länder mit einem hohen Indexwert zu Genuss und Selbstverwirklichung tendieren. Die meisten zentral- und südamerikanischen Länder wie Venezuela, Mexiko, Argentinien und Brasilien weisen hohe Indexwerte auf. Aber auch westliche Industrieländer wie Schweden, Großbritannien und die USA zeigen durch hohe Indexwerte die kulturelle Bedeutung von Genuss und Selbstverwirklichung. Im Gegensatz dazu besitzen osteuropäische, arabische und asiatische Länder durch niedrige Indexwerte eine Kultur der Selbstbeschränkung. Deutschland ist mit einem mittleren Indexwert bei 92 untersuchten Ländern auf Position 52 angesiedelt (vgl. Die Angaben basieren auf den Faktorwerten von drei Items, die im Rahmen der World Values Survey ermittelt wurden.
Die Ausprägung der Dimension hat auch Auswirkungen auf das Management. In Kulturen, die durch Selbstverwirklichung charakterisiert sind, wie beispielsweise den USA ist ein freundliches und optimistisches Auftreten (z.B. lächelndes Servicepersonal) im Geschäftsalltag die Normalität. Im Gegensatz dazu wird in einer selbstbeschränkten Kultur (z.B. Russland) eine ernste Mimik als Seriosität verstanden. Da es sich in der wissenschaftlichen Diskussion um eine neue Dimension handelt, wird auch von Hofstede und Kollegen darauf hingewiesen, dass zusätzliche Forschungsarbeiten zum genaueren Verständnis notwendig sind (Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010).
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Die Angaben basieren auf den Faktorwerten von drei Items, die im Rahmen der World Values Survey ermittelt wurden.
Abbildung 63: Indexwerte zur Selbstbeschränkung, (IVR-)Werte für 93 Länder und Regionen
Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010
Trotz der häufig geäußerten Kritik an Hofstedes Studie, die sich u.a. auf die von ihm definierten Dimensionen sowie die Gleichsetzung von Kulturen und Ländern bezieht, gilt seine Untersuchung nach wie vor als die umfangreichste, sowohl was die Zahl der berücksichtigten Länder als auch die Zahl der Befragten betrifft. Da eine Reihe von Folgeuntersuchungen seine Dimensionen und Einschätzungen in weiten Teilen bestätigen konnte – auch die Ähnlichkeit mit den bereits aufgeführten Dimensionen von Trompenaars ist erkennbar –, ist seine Studie auch heute noch prägend für die Kulturforschung und wird als Grundlage der meisten kulturvergleichenden Studien genutzt (z.B. Perlitz, M./Seger, F., 2004; Weiser, A., 2004; Schmid, S., 1996; Hickson, D.J./Pugh, D.S., 1995). Abbildung 64 zeigt die Kulturdimensionen im Überblick.
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Abbildung 64: Hofstedes Kulturdimensionen im Überblick
Quelle: Hofstede, G./Hofstede G.J., 2009
1.1.3 Kulturmodell der GLOBE-Studie
Die GLOBE-Studie (Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness Research Program) begann Anfang der 1990er Jahre und befindet sich in der Validierungsphase (Lotter, 2010). Die Untersuchung wurde in 62 Ländern in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren durchgeführt. Der Schwerpunkt der Studie liegt in der Entwicklung einer Kulturtheorie, die den Fokus auf Kulturräume legt und nicht nur Länderstrukturen betrachtet. So wurden Deutschland, Österreich, die Niederlande sowie die deutschsprachige Schweiz in einem Cluster zusammengefasst.
Zusätzlich existieren noch neun zusätzliche Cluster, wobei Europa mit insgesamt fünf Clustern die höchste kulturelle Diversität aufweist. Diese Kulturcluster werden von insgesamt neun Kulturdimensionen abgeleitet und sind eng an Hofstedes Dimensionen angelehnt. Machtdistanz sowie Unsicherheitsvermeidung entsprechen klar den Dimensionen Hofstedes. Aus der Dimension Individualismus/Kollektivismus entwickeln sich in der GLOBE-Studie die Dimensionen gruppen-/familienbasierter Kollektivismus und der institutionelle Kollektivismus. Kongruent dazu werden Geschlechtergleichheit und Durchsetzungsvermögen aus der Dimension Maskulinität-/Femininität Hofstedes abgeleitet. Zusätzlich unterscheidet die GLOBE-Studie Kulturen nach ihrer Leistungs-, Zukunfts- und Fairnessorientierung.
[131]
Abbildung 65: Kulturmodelle im Vergleich
Lotter prüft unter anderem die Kultursysteme von Hofstede, Trompenaars und der GLOBE-Studie auf Gemeinsamkeiten und stellt vielfache Überschneidungen fest. Diese aggregiert er zu fünf Kernbereichen und visualisiert die Überlappungen (Abbildung 65). Die Gemeinsamkeiten führt er dabei zum Teil darauf zurück, dass Hofstedes Dimensionen mithin adaptiert werden. Andererseits erhöhen aber die Gemeinsamkeiten die Vergleichbarkeit und auch die Aussagekraft der Kulturdimensionen als globale Unterscheidungskriterien von Kulturen.
Neben den bislang aufgeführten Kulturdimensionen von Trompenaars und Hofstede werden in der Literatur häufig weitere Vergleichskriterien erwähnt. Aus Vollständigkeitsgründen werden diese daher zusätzlich aufgeführt. Allerdings können diese in Bezug auf die Dimensionen von Hofstede durchaus Interdependenzen aufweisen.
1.1.4 Andere Kulturmodelle
(1) Zeitvorstellungen
Die Zeitvorstellungen in verschiedenen Kulturen können anhand der Gegensatzpaare linear versus zyklisch (Dülfer, E., 2011; Dülfer, E., 1992a; Bleicher, K., 1986) und monochron [132]versus polychron kategorisiert werden. Kulturen unterscheiden sich zudem bezüglich ihrer Gegenwarts-, Vergangenheits- bzw. Zukunftsorientierung. Diese Begriffe sollen kurz näher erläutert werden.
Unter linearer Zeitvorstellung versteht man die strenge Aneinanderreihung von Monaten und Jahren. Was gestern geschah, ist für immer vorbei. Die Zeit gilt als mess- und teilbare Quantität, der Kalender ist monoskalar. Diese Zeitauffassung ist vor allem in Industriegesellschaften verbreitet.
Bei der zyklischen Zeitauffassung ist die Zeit geprägt durch den ständigen Wechsel von Tag und Nacht, von Monden, von Jahreszeiten und dem Mahlzeitenturnus. Leistungsunterschiede in Quantität und Qualität können im Zeitablauf wieder ausgeglichen werden. Es bestehen beim Zeitverbrauch keine Opportunitätskosten. Die Zeit, die heute vergeudet wurde, kommt morgen wieder (Marcotty, A./Solbach, W., 2003). Die zyklische Zeitauffassung ist vor allem in asiatischen Kulturen und in Agrargesellschaften verbreitet.
Abbildung 66: Lineare und zyklische Zeitgerichtetheit
Quelle: Bleicher, K., 1986
Bei der monochronen (oder sequenziellen) Zeitauffassung werden Dinge nacheinander erledigt (Trompenaars, F., 1993b; Schein, E.H., 1992). In Kulturen mit polychroner (oder synchroner) Zeitvorstellung herrscht die Auffassung, dass mehrere Dinge gleichzeitig erledigt werden können (Usunier, J.-C., 1991). Abbildung 67 macht deutlich, wie unterschiedlich die Gegenwarts-, Vergangenheits- oder Zukunftsorientierung in unterschiedlichen Kulturen sein kann. Die Größe der Kreise stellt die jeweilige Bedeutung dar. Deutlich werden auch die Zusammenhänge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
[133]
Abbildung 67: Zeitkonzeptionen: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Quelle: Trompenaars, F./Hampden-Turner, C., 2003
(2) Raumvorstellungen
Raum hat sowohl eine physische als auch eine soziale Bedeutung. Koordiniertes kulturelles Handeln erfordert gemeinsam geteilte Annahmen über die Bedeutung der Platzierung von physischen Gegenständen im Raum und auch darüber, wie man sich räumlich gegenüber anderen Individuen zu orientieren hat. Durch die räumliche Anordnung wird soziale Distanz oder Nähe ausgedrückt (Adler, N.J., 2002; Schein, E.H., 1992).
(3) Kontextualität
Hierbei wird insbesondere auf die Bedeutung des kontextuellen Rahmens für die Kommunikation Bezug genommen. Man unterscheidet „high-context“- und „low-context“-Kulturen. Kommunikation in high-context-Kulturen (östliche Kulturen) hängt sehr vom Kontext oder der nonverbalen Spezifizierung der Kommunikation ab (man muss zwischen den Zeilen lesen), wohingegen in low-context-Kulturen (USA, Mitteleuropa) die Kommunikation mehr von expliziter verbaler Kommunikation bestimmt wird (Campbell, N.C.G., et al., 1988). Gedankliche Muster, die Art zu denken, zu urteilen und Schlussfolgerungen zu ziehen sowie die Perzeption von Realität und Kausalität können sich von Kultur zu Kultur unterscheiden. Exemplarisch seien hier die unterschiedlichen Problemlösungsstile westlicher und östlicher Kulturen anhand einiger Merkmale dargestellt (Dülfer, E., 2011; Chikudate, N., 1991; Schwarz, G., 1991; Shaw, J.B., 1990) (vgl. Abbildung 68).
[134]
Abbildung 68: Denk- und Problemlösungsstile westlicher und östlicher Kulturen
Quelle: In Anlehnung an: v. Keller, E., 1982
(4) Religiöse Vorstellungen
Je nach religiöser Anschauung neigen die jeweiligen Anhänger dazu, ihr Schicksal als selbst (intern) oder fremd (extern) kontrolliert anzusehen.
Abbildung 69: Internale versus externale Kontrollüberzeugungen: Anteil der Befragten, die ihr Schicksal als eigenbestimmt ansehen (alle Angaben in Prozent)
Quelle: Trompenaars, F./Hampden-Turner, C., 2003
[135]Abbildung 69 gibt die Ergebnisse einer kulturvergleichenden Studie hinsichtlich externaler bzw. internaler Kontrollüberzeugungen wieder.
Den Einfluss der Religion auf das wirtschaftliche Leistungsdenken hat Weber am Beispiel der protestantischen Ethik näher erläutert.
Die beschriebenen Kriterien bzw. Dimensionen machen deutlich, wie das Phänomen Kultur beschrieben und teilweise operationalisiert werden kann. Der nachstehende Abschnitt beschäftigt sich mit den Zielsetzungen und grundsätzlichen Forschungsansätzen der kulturvergleichenden Managementforschung, um letztendlich die Abhängigkeit der Managementprozesse von der jeweiligen Kultur näher zu betrachten.
1.2 Kulturvergleichende Managementforschung
Die kulturvergleichende Managementforschung („cross-cultural management research“) untersucht primär den Einfluss kultureller Faktoren auf den Managementprozess.
Nach Adler untersucht die kulturvergleichende Managementforschung „the behavior of people in organizations around the world and trains people to work in organizations with employee and client populations from several cultures. It describes organizational behavior within countries and cultures, compares organizational behavior across countries and cultures, and (…) seeks to understand and improve the interaction of co-workers from different countries and cultures“ (Adler, N.J., 2002).
Allgemein ist der Gegenstand vergleichender Forschung das systematische Aufdecken, Identifizieren, Klassifizieren, Messen und Deuten von Unterschieden und Gemeinsamkeiten betriebswirtschaftlich bedeutsamer Phänomene (Perridon, L., 1981). Übertragen auf kulturvergleichende Forschung bedeutet dies, dass Unterschiede und Gemeinsamkeiten bezüglich Grundannahmen, Werten, Normen und Verhaltensweisen zwischen zwei oder mehreren Ländern identifiziert, verstanden, beschrieben, erklärt und möglicherweise bewertet werden (Schmid, S., 1996).
Die kulturvergleichende Managementforschung verfolgt die nachstehenden Erkenntnisziele (v. Keller, E., 1989; v. Keller, E., 1982):
(1) Deskriptiv-klassifikatorische Ziele
Hierunter versteht man die Beschreibung, die Erfassung, den Vergleich und die Klassifikation verschiedener Kulturen. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Managementprozessen, Normen und Wertvorstellungen werden identifiziert. Relativ homogene kulturelle Cluster werden abgeleitet.
(2) Heuristische Ziele
Die Ergebnisse aus dem ersten Erkenntnisschritt (Beschreibung, Vergleich, Klassifikation) bilden die Grundlage für die Entdeckung und Generierung von Hypothesen und Theorien über den Zusammenhang zwischen Managementvorgängen und kulturellen Faktoren. Man [136]versucht also, die beschriebenen Phänomene zu erklären bzw. transkulturelle Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.
(3) Falsifikatorische Ziele
Hier wird die Gültigkeit von Theorien, Hypothesen und Erklärungsmodellen in fremden Kulturen an der Realität überprüft (Kontrollfunktion). Der Kulturvergleich ermöglicht so in den Sozialwissenschaften das Testen von Theorien unter veränderten kulturellen Rahmenbedingungen und erfüllt somit die Funktion des in den Naturwissenschaften üblichen Experiments. Die Problematik beim Kulturvergleich besteht allerdings in der Isolierung der verursachenden Faktoren, da es kaum möglich ist, zwei völlig gleiche Objekte unter verschiedenen (kulturellen) Bedingungen zu analysieren, wie dies im idealen kontrollierten Experiment der Fall ist. Lassen sich bestimmte Gesetzeshypothesen in einer anderen Kultur nicht nachweisen, dann ist eine Aufdeckung der verursachenden kulturellen Hintergrundvariablen notwendig. Dies führt damit eventuell zur Entdeckung und Generierung neuer Hypothesen.
Kulturvergleichende Managementforschung darf jedoch, ebenso wie die Kultur selbst, nicht als statisches Konstrukt verstanden werden. Vielmehr war sie im Zeitablauf einem kontinuierlichen Veränderungsprozess unterworfen, in dessen einzelnen Phasen unterschiedliche Fragestellungen und Zielsetzungen relevant waren. Eine Übersicht über den Entwicklungsprozess lässt sich Abbildung 70 entnehmen.
Abbildung 70: Die Entwicklung der Kulturforschung im Management
Quelle: Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Schmid, S., 1996
Die kulturvergleichende Managementforschung ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet. Aus verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen müssen Erkenntnisse problemorientiert integriert und zusammenhängend verarbeitet werden. Zahlreiche Beiträge haben sich mit dem Transfer von Managementtechniken in fremde Kulturen beschäftigt. Dabei haben sich im Wesentlichen drei kontroverse Positionen entwickelt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Osterloh, M., 1994; Ralston, D.A., et al., 1993; Klimecki, R.G./Probst, G.J.B., 1993; Bittner, A./Reisch, B., 1993; Brooke, M.Z., 1992; Black, J.S./Porter, L.W., 1991; Takahashi, Y., 1989):
[137]Die Universalisten („universal approach“) behaupten, dass Managementprinzipien unabhängig von den kulturellen Umweltfaktoren allgemeine Gültigkeit besitzen. Das – meist in den USA entwickelte – Management-Know-how sei universell und könne daher leicht von einer Kultur in eine andere übertragen werden.
Die ökonomischen Relativisten sind der Auffassung („culture free“-These), dass mit der fortschreitenden wirtschaftlichen Entwicklung, Industrialisierung und Technologisierung beinahe zwangsläufig eine Homogenisierung und Konvergenz der Managementprinzipien stattfindet. Die Logik der Industrialisierung generiert wirtschaftliche und technologische Imperative und Notwendigkeiten, die kulturelle Unterschiede mit der Zeit verschwinden lassen. Kulturvergleichende Managementstudien dienen hier der Suche nach Ähnlichkeiten bzw. werden teilweise langfristig gar als hinfällig betrachtet. Diese „culture-free“-These behauptet allerdings nicht, dass das Management und die Organisationsstrukturen von kulturellen Einflüssen unabhängig sind, sondern dass die Beziehungen zwischen den nichtkulturellen Kontextvariablen (Stand der industriellen Entwicklung, Größe der Unternehmung usw.) und der Organisationsstruktur jeweils von einer Gesellschaft zur anderen stabil sind. Kulturvergleichende Managementstudien unter annähernd gleichen Kontextbedingungen (gleicher ökonomischer Entwicklungsstand der Länder, gleiche Unternehmensgröße) konnten aber dennoch Managementunterschiede feststellen, die dann auf kulturelle Faktoren zurückgeführt werden müssen.
Die Kulturisten heben die Kulturabhängigkeit („culture-bound“-These) aller Managementkonzepte und -instrumente hervor. Unterschiedliche kulturelle Ausgangsbedingungen erfordern ein angepasstes Managementverhalten. Als Folge davon kann das Management-Know-how nicht problemlos von einer Kultur auf eine andere übertragen werden.
Berücksichtigt werden muss, dass die eher technischen Komponenten des Management-Know-how wie Investitions- und Budgetanalyse, Kostenrechnung und Controlling leichter übertragbar sind als die personen- und verhaltensbezogenen Teile wie z.B. Führungs-, Entscheidungs-, Motivations- und Kommunikationsstrukturen (v. Dijck, J.J., 1990; v. Keller, E., 1982). In einer Analyse über kulturvergleichende Managementstudien wurde festgestellt, dass Untersuchungen, die sich auf Makrovariablen (Technologie, Organisationsstrukturen usw.) konzentrieren, Konvergenztendenzen nachgewiesen haben, während Studien auf Mikroebene (Verhalten von Organisationsmitgliedern) eine Divergenz aufweisen (Adler, N.J./Doktor, R./Redding, S.G., 1986). Dieses Ergebnis relativiert die Universalisten-Kulturisten-Kontroverse und zeigt, dass der Einfluss der Kultur auch vom Untersuchungsgegenstand abhängt.
Bezüglich der zahlreichen kulturvergleichenden Managementuntersuchungen lassen sich grundsätzlich zwei Forschungsmethoden (Cleff, T., 1996; Schmid, S., 1996; v. Keller, E., 1989; Nath, R., 1986; v. Keller, E., 1982) unterscheiden.
In empirisch-quantitativen Untersuchungen wird davon ausgegangen, dass Kultur messbar ist und anhand einzelner kultureller Dimensionen und Skalen verglichen werden kann. [138]Mit Hilfe „harter“ Erhebungs- und Analysemethoden (schriftliche standardisierte Befragungsinstrumente, Interviews und Tests; multivariate Verfahren; Massenerhebungen/ Surveys) werden quantitative Daten generiert, die der Überprüfung bestimmter Hypothesen und der Suche nach Gesetzmäßigkeiten dienen sollen.
Demgegenüber versuchen qualitative Fallstudien, Informationen über verschiedene Kulturen zu verarbeiten. Zu den „weichen“ Forschungsmethoden zählen unstrukturierte Interviews, einführende Symptomdeutungen, die teilnehmende Beobachtung, Aktionsforschung, Literatur- und Sprachanalyse sowie die Analyse historischer Ursachen und Parallelen. Auch anekdotisches Material und persönliche Erfahrungen werden miteinbezogen.
In grober Anlehnung an das Konzept von Perlmutter teilt Adler die kulturvergleichende Managementforschung in sechs Ansätze ein (Adler, N.J., 2002; Cleff, T., 1996; Kumar, B.N., 1988; Ronen, S., 1986; vgl. auch Nath, R., 1986; Adler, N.J., 1983a):
1 Parochiale Untersuchungen sind „single-culture“-Studien und werden von Forschern aus dem jeweiligen Land durchgeführt. Implizit wird angenommen, dass die Forschungsergebnisse universelle Gültigkeit haben.
2 Die ethnozentrische Forschung geht implizit von der Überlegenheit der heimischen Managementmethoden aus und versucht, die Frage zu beantworten, wie eigene Theorien auch in anderen Kulturen angewendet werden können. Im Gegensatz zum parochialen Ansatz wird die Universalität der eigenen Konzepte jedoch erst gesucht und nicht nur vorausgesetzt. Die Suche nach Ähnlichkeiten soll zur interkulturellen Validität der heimischen Theorien führen. Methodisch geschieht dies meist durch eine Replikation einer „single-culture“-Studie in einer anderen Kultur. „Measuring the second culture against the first – that is, using a self-reference criterion – is one of the indications of the underlying ethno-centrism inherent in this approach“ (Adler, N.J., 1983a).
3 Die polyzentrische Forschung geht davon aus, dass jede Kultur einzigartig ist und daher nur aus ihrem eigenen Begriffssystem und Bezugsrahmen heraus analysiert werden kann. Polyzentrische Studien beruhen auf zwei Annahmen: Die Prämisse der Äquifinalität besagt, dass es viele kulturspezifische Wege zur Erreichung bestimmter Managementziele gibt. Die Annahme der kulturellen Relativität bedeutet, dass keine der bestehenden Lösungsmöglichkeiten als besser oder effizienter angesehen wird. Universalität wird abgelehnt. Management und Organisation sollen vorurteilsfrei untersucht werden und gelten nur im Kontext ihres spezifischen kulturellen Umfeldes als verstehbar. Methodisch wird ein induktives und deskriptives Vorgehen bevorzugt. Der Schwerpunkt liegt auf den oben beschriebenen „weichen“ Forschungsmethoden. Man versucht, Generalisierungen und die Formulierung nomothetischer Hypothesen zu vermeiden. Die Problematik dieses Forschungsansatzes besteht dann allerdings darin, die gewonnenen Ergebnisse zwischen verschiedenen Kulturen zu vergleichen, da ein gemeinsamer Bezugsrahmen fehlt.
4 [139]Der komparative Forschungsansatz ist der verbreitetste in der kulturvergleichenden Managementforschung. Komparative Studien sollen Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede zwischen zwei oder mehr Kulturen aufdecken. Die Annahme, dass es nur eine dominante Kultur bzw. Managementtheorie gibt, wird abgelehnt. Durch Vergleich sollen entweder universelle oder kulturspezifische Aspekte des Managementprozesses identifiziert werden. Implizite Universalität beinhaltet dieser Forschungsansatz allerdings dadurch, dass man Kulturen anhand gemeinsamer Dimensionen bzw. Kriterien zu vergleichen versucht.
5 Geozentrische Studien untersuchen das Management multinationaler Unternehmen. Wenn auch nicht explizit, sucht dieser Ansatz eher nach Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen. Dabei wird von einer einheitlichen, durch die Muttergesellschaft geprägten Unternehmenskultur und einer möglichst vollständigen Integration der Tochtergesellschaften ausgegangen. Betont wird meist mehr die geografische Dispersität des Konzerns und nicht die kulturelle Verschiedenartigkeit. Im Mittelpunkt stehen Globalisierung und Gesamtoptimierung der Unternehmensstrukturen und -abläufe, d.h. eher die Makrovariablen als die Mikroebene des einzelnen Mitarbeiters.
6 Untersuchungen der synergistischen Forschungsrichtung konzentrieren sich auf Situationen interkultureller Interaktion in konkreten Arbeitssituationen. So gibt es Studien zu Führungsproblemen in internationalen Joint Ventures und strategischen Allianzen oder zur Problematik der Personalentsendung ins Ausland. Oft wird auch im Rahmen von Aktionsforschung versucht, Muster konfliktfreien Zusammenarbeitens (erst) zu entwickeln, wobei von gegenseitigen Sozialisations- und Lernprozessen der jeweiligen Mitarbeiter ausgegangen wird.
1.3 Interkulturelles Management
Das interkulturelle Management befasst sich mit der konkreten Gestaltung von funktionalen, strukturalen und personalen Managementprozessen. Ziel ist die erfolgreiche Bewältigung kulturbedingter Managementprobleme durch Bereitstellung entsprechender Lösungsvorschläge für effizientes interkulturelles Handeln. Im Zentrum des Interesses stehen daher die verschiedenen Managementprozesse, kulturelle Überschneidungssituationen und Lösungsvorschläge für kulturbedingte Managementprobleme.
Interkulturelle Probleme sind oftmals die Folge einer Art Ähnlichkeitsannahme gegenüber ausländischen Partnern oder von fehlendem Verständnis und Einfühlungsvermögen für die jeweiligen Kulturen (Thomas, A./Hagemann, K., 2003; Schulz, B., 1993; Pfaller, P./Heibutzki, H.J., 1991; o.V., 1991).
Lösungsvorschläge für das interkulturelle Management können auf den Ergebnissen empirischer oder qualitativer kulturvergleichender Managementstudien beruhen. Interkulturelle Wissensvermittlung stützt sich häufig nur auf Sprachschulung, Landeskunde und [140]Benimm-Regeln oder auf andere eher an der „kulturellen Oberfläche“ liegende Verhaltenshinweise („How to behave in …“). Dabei ist generell der Wert solcher Hinweise für das soziale Protokoll im Einzelfall nicht zu bestreiten.
Im Hinblick auf ein erfolgreiches interkulturelles Management dürften derartige Maßnahmen an der kulturellen Oberfläche allerdings kaum ausreichend sein. Vielmehr ist für das Management international tätiger Unternehmungen eine Auseinandersetzung mit den Tiefenstrukturen der jeweiligen Kulturkreise unumgänglich (Schmid, S., 1996). Da die Kultur, wie zu Beginn dieses Kapitels gezeigt, insbesondere Einfluss auf die interpersonelle Interaktion hat, erscheint es folgerichtig, einen Schwerpunkt des interkulturellen Managements auf eine international orientierte Personalentwicklung sowie auf eine zielgerichtete Aus- und Weiterbildung zu legen. Dieses sollte sowohl kultur- und interaktionsorientiert als auch informations- und verstehensorientiert sein (Thomas, A./Hagemann, K., 2003; Holzmüller, H.H./Berg, N., 2002; Thomas, A., 1995).
Die kulturvergleichende Managementforschung bietet für das interkulturelle Management wertvolle Informationen, indem ein tiefer gehendes Verständnis der kulturellen Phänomene und Dimensionen sowie ihrer Hintergrundfaktoren geschaffen wird. Der internationale Manager wird so in die Lage versetzt, Muster kulturellen Handelns zu erkennen, Empathie zu entwickeln und kulturbedingte Managementprobleme besser zu lösen.
Abschließend sollen die kulturvergleichende Managementforschung und das interkulturelle Management noch einmal klar voneinander abgegrenzt werden. Im Zentrum der kulturvergleichenden Managementforschung steht die Entwicklung von Theorien und Modellen über den Einfluss kultureller Faktoren auf die Managementprozesse. Gegenstand des Interesses des interkulturellen Managements ist die erfolgreiche Lösung kulturbedingter Managementprobleme. Interaktion und konkretes Handeln – weniger der Vergleich – stehen hier im Mittelpunkt (Adler, N.J./Doktor, R./Redding, S.G., 1986; Adler, N.J., 1983b).
Die kulturvergleichende Managementforschung befindet sich im Verhältnis zum Praktiker des interkulturellen Managements quasi auf einer übergeordneten, metasprachlichen Ebene der Reflexion über den Zusammenhang zwischen kulturellen Faktoren und Managementprozessen, während sich der interkulturelle Manager in diesen Zusammenhang gestellt sieht und darauf durch konkretes Handeln reagieren muss (v. Keller, E., 1982).
Die bisher besprochenen Teilbereiche der mit Kultur verbundenen Forschung sind entweder interdependent oder hängen kausal voneinander ab. Betriebliche Teilprozesse gestalten sich in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich. Der Einfluss der Kultur ist evident. Die Kultur als Phänomen lässt sich durch die zuvor dargestellten Dimensionen bzw. Faktoren beschreiben. Kultur hat nicht gleichermaßen Einfluss auf alle betrieblichen Teilpolitiken, sondern wirkt sich besonders in personen- und verhaltensbezogenen Bereichen aus. Aus diesem Grund soll insbesondere in einem späteren Kapitel der Einfluss der Kultur auf die internationale Personalpolitik untersucht werden.
[141]2 Kulturbedingte Unterschiede in der Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility)
2.1 Begriff und Varianten der Unternehmensverantwortung
Unternehmen, die im Ausland tätig sind oder sein wollen, sind oft mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen bezüglich deren Verantwortung für die Gesellschaft eines Landes konfrontiert. Erfolgreiches Wirtschaften in einem Land setzt dann ein Verhalten voraus, das diesen Erwartungen entspricht. Die soziale Verantwortung für die Menschen eines Landes kann sich auf drei Bereiche verteilen: eine indivuduelle, eine staatliche und eine unternehmerische Verantwortung. Welche Erwartungshaltung bezüglich der Verantwortung im Vordergrund steht, hängt von mehreren Faktoren ab, wie z.B. der Kultur, der vorherrschenden Religion oder dem Entwicklungsstand eines Landes.
Im Zusammenhang mit der Kultur zeigen Studien von Maignan und Ferrell (Maignan et al., 2003), dass sich insbesondere individualistische und kollektivistische Kulturen in ihren Erwartungshaltungen bezüglich der sozialen Verantwortung von Individuen, des Staates und von Unternehmen unterscheiden.
Individualistische Kulturen sehen hauptsächlich das Individuum, jedoch weniger den Staat oder Unternehmen in der Pflicht, sozial tätig zu sein. Wenn dann, wie in den USA, auch noch ein calvinistisches Gedankengut (Gott ist den Erfolgreichen gegenüber wohlgesonnen) hinzukommt, kommt es auf der Individualebene zu vielen sozialen Aktivitäten, staatliche oder unternehmerische Tätigkeiten im Sozialbereich werden jedoch weniger erwartet. Das drückt sich z.B. in einer großen Spendenbereitschaft einzelner Menschen aus oder durch das Entstehen großer privater Stiftungen, die durch Einzelpersonen gegründet werden (z.B. Bill Gates). Die Hauptaufgabe des Unternehmens ist die Gewinnerzielung, denn damit wird es einerseits dem Individuum möglich, Teile seines Einkommens zu spenden, und der Staat kann durch ein erhöhtes Steueraufkommen seinen Aufgaben, auch im sozialen Bereich, besser gerecht werden. Somit werden die Kunden und die Aktionäre zu den wichtigsten Interessengruppen eines Unternehmens (Lodge, 1990; Maignan et al. 2003).
Mehr kollektivistisch geprägte Kulturen sehen die soziale Verantwortung mehr bei dem Staat oder den Unternehmen. Zwar ist Deutschland bei dem Individualismus-Index von Hofstede weltweit gesehen immer noch im oberen Mittelfeld platziert, jedoch ist der Wert mit 67 beträchtlich unter den Ländern mit einem sehr hohen Individualismus-Wert, wie z.B. den USA mit 91, Australien mit 90 und Großbritannien mit 89 Punkten. So wurden in Deutschland bereits mit der Bismarckschen Sozialpolitik Ende des 19. Jahrhunderts viele Bereiche der sozialen Verantwortung auf den Staat übertragen. Zwar haben deutsche Unternehmen wie z.B. Krupp oder Bergbauunternehmen in der gleichen Zeit bereits soziale [142]Verantwortung für ihre Mitarbeiter übernommen, doch die Erwartungshaltung für soziale Belange richtet sich mehr an den Staat.
In sehr kollektivistischen Kulturen wie z.B. Japan (46 Punkte) oder Südkorea (18 Punkte) wurde die soziale Verantwortung auf Unternehmen verlagert. Oft wurde das Leben der Mitarbeiter von der Wiege bis zur Bahre unternehmerisch in den Kereitsus oder Chaebols organisiert.
Auch unterschiedliche Machtdistanzen können die Einstellung einer Gesellschaft bezüglich der sozialen Verantwortung von Unternehmen beeinflussen (Waldman, D., et al., 2006). Herrschen in einem Land oligopolistische Strukturen, wie dies in vielen lateinamerikanischen oder südostasiatischen Ländern der Fall ist, dann hängt die soziale Verantwortung von wenigen herrschenden Familien ab, die oft nicht nur Unternehmen, sondern auch den Staat maßgeblich beeinflussen. Länder mit niedrigen Machtdistanz-Werten zeichnen sich nach den Untersuchungen von Waldman et al. (Waldman, D., et al., 2006) durch ein hohes CSR-Engagement seitens der Unternehmen aus.
Orij (Orij, 2010) hat die Bedeutung maskuliner oder femininer Kulturen für die Unternehmensverantwortung untersucht. Dabei macht er deutlich, dass sich bei femininen Kulturen eher eine größere soziale Verantwortung von Unternrehmen zeigt als bei maskulinien Kulturen. Das Streben nach einem harmonischen Miteinander femininer Kulturen fördert die soziale Verantwortung sowohl von staatlicher als auch unternehmerischer Seite.
Letztlich spielt der Entwicklungsstand eines Landes eine erhebliche Rolle für die soziale Verantwortung für eine Gesellschaft. Soziale Verantwortung muss auch bezahlbar sein. Arme Länder können sich oft staatliche Leistungen im sozialen Bereich nicht leisten, so dass hier entweder die Individual- oder die Unternehmensebene gefordert sind. Wenn es in diesen Ländern nur wenige Reiche gibt und auch die Unternehmen nicht sehr erfolgreich sind, erwartet man, wenn international tätige Untrernehmen aus reicheren Ländern dort agieren, von diesen eine verstärkte Übernahme sozialer Verantwortung.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass ein erfolgreiches Wirtschaften in einem Land, von einer an die Erwartungshaltung der Menschen angepaßten sozialen Unternehmensverantwortung abhängt. Diese kann, wie vorher ausgeführt, kulturbedingt sehr unterschiedliche Konzepte und Verhaltensweisen notwendig machen. Deshalb werden im Folgenden unterschiedliche Konzepte der sozialen Unternehmensverantowrtung vorgestellt und analysiert.
Begriffsinhalt
Unternehmensverantwortung beschreibt das Einstehen des Unternehmens für Ziele und Werte, welche über die rein ökonomische Dimension hinausgehen. Neben der wirtschaftlichen Zielerreichung, welche sich beispielsweise durch Gewinnerzielung, Wertsteigerung oder Umsatzwachstum messen lässt, tritt die Verantwortung für Ziele, welche außerhalb des direkten Interesses der Anteilseigner (Shareholder) liegen. Somit ist eine [143]Berücksichtigung anderer Stakeholder wie Gesellschaft, Mitarbeiter und Staat integraler Bestandteil dieses Konzeptes.
Insbesondere seit der internationalen Finanzkrise am Ende des letzten Jahrzehnts hat diese Perspektive für Politik und Unternehmensführung stark an Bedeutung gewonnen und wird auch in Zukunft möglicherweise Einfluss auf Entscheidungen nehmen. Der Begriff der Unternehmensverantwortung hat sich allerdings im deutschen Sprachraum nur begrenzt durchsetzen können. Im Folgenden wird er daher synonym mit dem weitaus geläufigeren Begriff der Corporate Social Responsibility („CSR“) verwendet (Seidel, P., 2011). Dennoch erscheint der Begriffsumfang der Unternehmensverantwortung durchaus korrekter, da dieser eine Ausweitung auf Anteilseigner und z.B. die natürliche Umwelt beinhaltet.
Konzepte der Unternehmensverantwortung werden auch unter den Begriffen Corporate Citizenship, Corporate Accountability, Nachhaltige Unternehmensführung/Sustainability oder Unternehmensethik/Business Ethics diskutiert (Keinert, C., 2008). Unterschiede bestehen dabei aber in erster Linie in der exakten Abgrenzung des Begriffes, weniger in den praktischen Implikationen, und sind historisch gewachsen. Im internationalen Umfeld finden sich zudem Ausprägungen, welche durch regionale Kulturunterschiede geprägt sind, wie die US-amerikanische Variante eines Shareholder-Value-orientierten CSR-Verständnisses oder die Unternehmensverantwortung im traditionellen deutschen Familienunternehmen. In der Unternehmenspraxis ist aber eine Annäherung der verschiedenen Konzepte erkennbar. Dazu tragen international operierende Unternehmen sowie Institutionen bei. ISO-Normen zum Qualitäts- und Umweltschutz, Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) und der Global Compact der United Nations dienen unabhängig vom benutzten Konzeptbegriff als Richtlinie und tragen so zur Konvergenz bei.
Neben der allgemeinen Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft steht CSR im engeren Sinne auch für das über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehende Engagement von Unternehmen für Ziele folgender Art:
1 Soziale Ziele
2 Ökologische Ziele
3 Wirtschaftliche Ziele
Soziale Verantwortung dient den Zielen der Gesellschaft und kann beispielsweise durch die sozialverträgliche Beschäftigung von benachteiligten Menschen oder Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit genauso wahrgenommen werden wie durch die Unterstützung von Bildungseinrichtungen oder Jugendprojekten.
Ökologische Verantwortung kann sich in der Verwendung verbrauchsarmer Fahrzeugflotten, ressourcenschonender Produktion oder einem nachhaltigen Management des CO2-Ausstoßes umsetzen lassen. Es existieren vielfältige Möglichkeiten für Firmen, sich der außerökonomischen Verantwortung zu stellen.
[144]Ökonomische Dimensionen der Geschäftstätigkeit beinhalten beispielsweise Gewinnerzielung, Kundenzufriedenheit, Wertsteigerung am Kapitalmarkt oder das Erbringen der Steuerschuld und das Leisten der Sozialabgaben.
Diese Einteilung liegt vielen CSR-Konzepten zugrunde, kann aber in verschiedene Richtungen erweitert oder modifiziert werden. Hierbei spielt auch der Begriff der Nachhaltigkeit (Sustainability) eine große Rolle. Dieser beinhaltet neben der Ausrichtung des Unternehmens an ethischen Standards auch die langfristige Nachhaltigkeit dieser Orientierung aus einzel- und gesamtwirtschaftlicher Sicht. Hierbei wird gemeinhin eine äußerst langfristige Perspektive unterstellt: Nachhaltigkeit beinhaltet die Beibehaltung der entsprechenden Ziele.
Historie
Gerade der Nachhaltigkeitsgedanke hat in verschiedenen Wissenschaften eine lange Historie, aber auch die Unternehmensverantwortung wird seit Langem unter verschiedenen Aspekten thematisiert.
Der deutsche Forstwirtschaftler v. Carlowitz formulierte in seinem 1713 erschienenen Werk „Sylvicultura Oeconomica“ erstmalig das Prinzip der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft (v. Carlowitz, H.C., 2011[Reprint der Ausgabe von 1713]), was zumindest einen semantischen Ausgangspunkt für die Nachhaltigkeitsdebatte darstellt.
Wirtschaftswissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der Nachhaltigkeit des Wirtschaftens im Unternehmen finden sich später in den Werken von Dodd und Barnard (Dodd, E.M., 1932; Barnard, C.I., 1968).
Prägend war aber vor allem die Arbeit von Howard Bowen in seinem zentralen Werk Social Responsibilities of the Businessman von 1953 (Bowen, H.R. 1953). Schon der Titel seines Werkes verdeutlicht, dass er die persönliche Verantwortung des einzelnen Managers in den Mittelpunkt stellt: „It refers to the obligations of businessmen to pursue those policies, to make those decisions, or to follow those lines of action which are desirable in terms of the objectives and values of our society“ (Bowen, H.R., 1953). Bereits zu dieser Zeit formulierte auch Peter Drucker, dass Manager die soziale Tragweite ihrer Entscheidungen beachten sollten, da sie damit einen weitreichenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben (Drucker, P.F., 2007).
Einige Jahre später richtete McGuire mit seiner Definition: „The idea of social responsibilities supposes that the corporation has not only economic and legal obligations but also has certain responsibilities which extend beyond these obligations“ den Fokus auf das Unternehmen als Ganzes und nähert sich damit der heutigen Betrachtungsweise im Sinne einer Unternehmensverantwortung an (McGuire, J.W., 1963). Den modernen Begriff der Corporate Social Responsibilities prägte schließlich Walton in seinem 1967 veröffentlichten Werk mit dem gleichlautenden Titel (Walton, C.C., 1967).
Neben dieser allgemeinen Entwicklung haben sich jedoch auch Varianten des CSR-Ansatzes etabliert, die auf einer grundsätzlich unterschiedlichen ethischen Position [145]basieren, welche auch zu internationalen Unterschieden in der CSR-Praxis führt. Zwei ausgewählte Positionen werden im Folgenden kurz dargestellt.
2.1.1 Unternehmensverantwortung im neoklassischen Ansatz (Shareholder Approach)
1970 charakterisierte der amerikanische Ökonom Milton Friedman Unternehmensverantwortung mit der Aussage, dass die soziale Verantwortung mit der Erzielung von ökonomischen Gewinnen bereits weitgehend erfüllt werde (Friedman, M., 1970). Dies macht ihn zum Vorreiter und zentralen Vertreter des sogenannten „Shareholder Approach“. Diese Haltung unterstellt, dass die Gewinnerzielung die einzige notwendige – zumindest aber die zentrale – gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens darstellt.
Den Anteilseignern steht es durch ihre Gewinnbeteiligung wiederum frei, die Gesellschaft nach ihrem Ermessen am Erfolg des Unternehmens teilhaben zu lassen. Die Verwendung von Mitteln des Unternehmens für Zwecke des Gemeinwohls führt hingegen zu einer „Enteignung“ nicht nur der Shareholder, sondern indirekt auch anderer Stakeholder wie Kunden oder Mitarbeitern: „The corporate executive would be spending someone else’s money for a general social interest. Insofar as his actions in accord with his „social responsibility” reduce returns to stockholders, he is spending their money. Insofar as his actions raise the price to customers, he is spending the customer’s money. Insofar as his actions lower the wages of some employees, he is spending their money“ (Friedman, M., 1970).
Aus der Sicht dieses Ansatzes ist es nicht die Aufgabe des Unternehmens bzw. des Unternehmers, Mittel für soziale oder ökologische Projekte zu investieren und damit den Unternehmensgewinn zu schmälern. Das komme einer Steuer gleich und sei daher abzulehnen: „The whole justification for permitting the corporate executive to be selected by the stockholders is that the executive is an agent serving the interests of his principal. This justification disappears when the corporate executive imposes taxes and spends the proceeds for ‚social purposes.“ (Friedman, M., 1970).
Auch im Shareholder-Ansatz gibt es jedoch Anreize, gesellschaftlich verantwortlich zu handeln. So sollte die Honorierung nachhaltigen sozialen oder ökologischen Engagements des Unternehmens durch die Kaufentscheidung der Konsumenten oder die Investitionsentscheidung der Kapitalgeber erfolgen, wenn diese Stakeholder-Gruppen das gesellschaftliche Engagement tatsächlich wünschen.
Hinzu kommt, dass einige Marktunvollkommenheiten dazu führen, dass der Markt keine adäquate Allokation von Ressourcen herstellen kann. Bei der Herstellung von Gütern entstehen zum Beispiel oft (negative) externe Effekte (Kosten), die auf die Gesellschaft als Ganzes oder einzelne Gruppen „abgewälzt“ werden (Hardes, H.D., 2002). Ein Teil der Kosten wird also externalisiert. Ein Industrieunternehmen, welches im Produktionsprozess beispielsweise CO2-Abgase ausstößt, profitiert von der Umweltbelastung, da es nur die Kosten der Herstellung, nicht aber die sozialen Kosten der externen Effekte [146]berücksichtigen muss. Die ökologische Problematik der Umweltverschmutzung verschärft sich zusätzlich, da es sich dabei oft um öffentliche Güter wie Luft und Wasser handelt (Mankiw, N.G./Taylor, M.P., 2012). Die fehlende Bepreisung dieser öffentlichen Güter stellt ein Marktversagen dar.
Somit verhilft die Wahrnehmung der Unternehmensverantwortung dabei, Fehlallokationen zu mildern und ist insofern auch kompatibel mit einer Perspektive, welche das freie Spiel des Marktes in den Vordergrund stellt. Die Vertreter des Shareholder-Ansatzes würden hier allerdings auf die Notwendigkeit ordnungspolitischer Rahmenbedingungen (z.B. Bepreisung des CO2-Ausstoßes) verweisen, welche im globalen Rahmen nur äußerst schwer umsetzbar sind. Insofern wird Unternehmensverantwortung im internationalen Rahmen immer teilweise rein ethisch motiviert sein müssen, was der Stakeholder-Ansatz in den Mittelpunkt stellt.
2.1.2 Unternehmensverantwortung im ganzheitlichen Ansatz (Stakeholder Approach)
Carroll formulierte 1979 ein Konzept, welches die rein ökonomische Sichtweise mit der ethisch motivierten Unternehmensverantwortung zusammenführte (Carroll, A.B., 1979).
Dadurch verdeutlicht er, dass die Gesellschaft neben der Einhaltung ethischer Normen und rechtlicher Vorgaben auch ein Gewinnstreben der Unternehmen erwartet, da eine zuverlässige Wirtschaft einen stabilisierenden Beitrag zur Gesellschaft leiste (Carroll, A.B., 1999). Dem stimmt auch Drucker in seinem 1984 erschienenen Artikel „The New Meaning of Corporate Social Responsibility“ (Drucker, P.F., 1984) zu.
Nach Drucker und Carroll sind Unternehmen am ehesten bereit gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, wenn darin für sie ein zusätzlicher Gewinnanreiz besteht. Folgerichtig stellt Drucker das Gewinnstreben in eine übergeordnete Position, damit Unternehmen gewillt sind, sich gesellschaftlich zu engagieren (Drucker, P.F., 1984).
Aufbauend auf diesen Ideen formuliert Freeman 1984 die Theorie des Stakeholder-Ansatzes der CSR, wobei Stakeholder als die Gruppen definiert werden, welche die Zielerreichung des Unternehmens beeinflussen oder aber von dieser beeinflusst werden (Freeman, M., 1984). Diese Definition integriert eine breitere Perspektive in das Zielsystem des Unternehmens und kann als Gegenentwurf zu Friedmans Shareholder-Ansatz gesehen werden.
Auffallend bei der historischen Betrachtung der CSR-Forschung und -Praxis ist die Dominanz der US-amerikanischen Beiträge. Dies ist teilweise auf die im internationalen Vergleich weniger ausgeprägten sozialstaatlichen Sicherungssysteme und die liberale Wirtschaftspolitik zurückzuführen (Backhaus-Maul, H., 2008).
Die europäische Diskussion findet ihren Anstoß im Bericht „Our Common Future“ der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland, G.H., 1984). Der Bericht definiert nachhaltiges, zivilgesellschaftliches Verhalten in den drei bereits genannten [147]Dimensionen Gesellschaft, Ökologie und Wirtschaft. Diese Definition prägte die Wahrnehmung des CSR-Konzepts weltweit und in Europa im Besonderen und entfachte einen weltweiten Diskurs über Nachhaltigkeit (Europäische Kommission, 2001).
Durch die Erweiterung der CSR-Dimensionen um ökologische Nachhaltigkeitsaspekte hat sich der Begriff der „Triple Bottom Line“ (TBL) von Elkington etabliert, welcher manchmal auch als „PPP“ bezeichnet wird (Elkington, J., 1999).
Die Vielzahl der Ansätze zeigt die Vielfältigkeit der Diskussion zur Unternehmensverantwortung. Loew et al. fassen folgende Inhalte einer grundlegenden Begriffsbestimmung zusammen (Loew, T., et al., 2004):
1 CSR umfasst die soziale und ökologische Dimension von Nachhaltigkeit.
2 CSR soll einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten.
3 CSR fokussiert auf unternehmerisches Engagement über Compliance hinaus.
4 CSR schließt die Einhaltung der Rechtsvorschriften mit ein (Compliance).
5 CSR ist weder Ersatz für bestehende Rechtsvorschriften noch Ersatz für die Entwicklung neuer Rechtsvorschriften.
2.2 Corporate Social Responsibility im Unternehmen
Spätestens seit der öffentlichen Forderung der EU-Kommission nach größerer Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung beschäftigen sich viele Unternehmen mit dessen praktischer Implementierung. In der Literatur werden unterschiedliche Ansätze zur praktischen Umsetzung erörtert. Die wichtigsten Ansätze sind nach einer Einteilung von Lantos (Lantos, G.P., 2001) die ethische, altruistische und die strategische CSR. Die Ansätze verfolgen unterschiedliche Interessen und führen daher zu verschiedenen Resultaten. Daher muss eine Organisation Prioritäten festlegen und sich bewusst machen, welche Erwartungen sie in das Engagement investiert und welche Ziele dadurch erreicht werden sollen.
Strategische Unternehmensverantwortung
Der zunehmende Druck der internationalen Öffentlichkeit zwingt Unternehmen zur Etablierung von gesondert organisierten CSR-Aktivitäten. Porter und Kramer kritisieren dieses Vorgehen, da die Effektivität dieser Aktivitäten durch die Trennung vom operativen Geschäft sehr begrenzt sei (Porter, M.E./Kramer, M.R., 2006). Dieselbe Umsicht und Verbindlichkeit, welche im Kerngeschäft an den Tag gelegt wird, sollte auch bei der Unternehmensverantwortung zum Tragen kommen. Als Rahmen zur Bewertung der CSR-Aktivitäten dienen hierbei Porters Wertschöpfungskette und sein Diamanten-Modell der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
[148]
Abbildung 71: Porters CSR in der Wertschöpfungskette
Die Wertkette hilft, ausgehend von einer „Inside-Out-Perspektive“, die gesellschaftlichen Effekte der Geschäftstätigkeit zu identifizieren. Die Analyse der Wertkette untersucht und priorisiert Stärken und Schwächen, die die gesellschaftliche Verantwortung beeinflussen, um hierdurch Wettbewerbsvorteile zu generieren. Abbildung 71 zeigt anhand der Aktivitäten der Wertkette das Potenzial zur effizienten CSR-Implementierung.
Die Einführung einer effektiven CSR-Strategie erfordert aber auch einen Blick, der sich von außen nach innen richtet – die „Outside-In-Perspektive“. Sie richtet den Fokus auf die Effekte, die Veränderungen in der Wertschöpfungskette nach außen hin bewirken. In dieser Betrachtung sollte der Organisation bewusst sein, dass nicht alle externen Partner und Faktoren beeinflusst werden können. Daher sollte eine Konzentration auf die Kernbereiche stattfinden, die den größten gemeinsamen Mehrwert (Shared Value) für die Gesellschaft und das Unternehmen schaffen.
[149]
Abbildung 72: Porters „Diamant“ in Bezug auf Unternehmensverantwortung (CSR)
Das Modell von Porter und Kramer ist letztlich in Friedmans Shareholder-Ansatz verwurzelt. Alle CSR-Aktivitäten verfolgen auch hier das Ziel einer Differenzierungsstrategie gegenüber dem Wettbewerb oder am Markt und insofern indirekt eine Gewinnmaximierung. Im Rahmen dieses Verständnisses von Unternehmensverantwortung werden die dafür getätigten Ausgaben nicht als unvermeidbarer Aufwand wahrgenommen, sondern einer langfristigen Investition in den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens gleichgestellt (McWilliams, A., et al., 2006).
In gewisser Weise können diese Ausgaben als eine Investition in eine „Goodwill Bank“ betrachtet werden (Lantos, G.P., 2001; Vaughn, S., 1999). Das Unternehmen kann auf dieses „Guthaben“ im Falle ethisch bedingter Probleme zurückgreifen. Aufwendungen dieser Form sind somit in Übereinstimmung mit der Shareholder-orientierten CSR-Auffassung. Solange die Anteilseigner einen finanziellen Vorteil durch die Ausgaben erzielen, sind diese gerechtfertigt (Friedman, M., 1970). Ziel ist die Schaffung einer nachhaltig positiven Beziehung zu Kunden und Geschäftspartnern, welche zukünftige Konsum- und Investitionsentscheidungen beeinflusst (Brenkert, G.G., 1992).
Ethische Unternehmensverantwortung
Unternehmensentscheidungen beeinflussen eine Vielzahl von Individuen, Organisationen oder gesellschaftliche Gruppen. Viele dieser Akteure ziehen Nutzen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit, einige jedoch tragen gegebenenfalls physischen, psychischen oder wirtschaftlichen Schaden davon. Gegenüber den benachteiligten Personen und Gruppen [150]übernehmen die Unternehmen als potenzielle Verursacher dieses Schadens eine ethisch-moralische Verpflichtung. Dasselbe gilt natürlich umgekehrt für die Schaffung eines zusätzlichen Nutzens über die wirtschaftliche Beziehung hinaus. Jede Organisation, die dieser Verpflichtung nicht nachkommt, verhält sich gegebenenfalls unmoralisch und gefährdet damit ihre „license-to-operate“, das heißt die Möglichkeit auf weitere wirtschaftliche Betätigung (Porter, M.E.,/Kramer, M.R., 2006). Obgleich negative Effekte auf andere nie ausgeschlossen werden können, ist der Versuch, diese zu minimieren, von zentraler Bedeutung und erweitert die strategische CSR insofern um einen grundlegend ethisch motivierten Aspekt.
Wie in der ganzheitlichen Unternehmensverantwortung generell muss auch aus ethischer Sicht ein Kompromiss in Bezug auf ethische und ökonomische Ziele gefunden werden. Kosten, die die Umweltbelastung verringern oder die Produktsicherheit erhöhen, schmälern kurzfristig den Gewinn. Die Alternative ist jedoch ein Handeln ohne ethische Grundlage und eine bewusste Verminderung der gesellschaftlichen Gesamtwohlfahrt.
Altruistische Unternehmensverantwortung
Altruismus steht für aufopferndes, uneigennütziges oder selbstloses Handeln. Individuen und Organisationen können und sollten sich aus altruistischer Sicht verpflichtet fühlen, gesellschaftliche Missstände zu verbessern, weil sie die finanziellen oder ressourcen-bedingten Möglichkeiten dazu haben. Die Verfügbarkeit finanzieller und personeller Mittel kann für Unternehmen Grund genug sein, Unternehmensverantwortung im gesellschaftlichen Sinne wahrzunehmen. Altruistische CSR ist jedoch stark von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens oder der Volkswirtschaft im Allgemeinen abhängig. Nur bei einer positiven ökonomischen Situation können Mittel für altruistische Projekte zur Verfügung gestellt werden.
Die drei genannten Ausprägungen der Unternehmensverantwortung stehen für die Umsetzung und die dahinterstehende Motivation des Unternehmens. Im konkreten Fall wird es jedoch häufig zu einer Überschneidung der genannten Motive und zu einer Anpassung an etablierte internationale Richtlinien der Unternehmensverantwortung kommen. Diese werden im Folgenden dargestellt.
2.3 Internationale Richtlinien der Unternehmensverantwortung
2.3.1 Triple Bottom Line
1987 veröffentlichte die Brundtland-Kommission der Vereinten Nationen (UN) unter dem Vorsitz der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Brundtland den Bericht „Our common future“. Darin wird das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung wie folgt definiert: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (United Nations, 2010, online). Diese Definition der Brundtland-Kommission ist noch heute richtungsweisend. Der genannte Bericht [151]untergliedert die Nachhaltigkeit im Wesentlichen in die drei bereits genannten Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Die Begriffe „Drei-Säulen-Modell“ bzw. „triple bottom line“ werden alternativ dazu verwendet und stellen das Prinzip anschaulich dar (Schunk, S., 2009). Die begriffliche Anlehnung an das finanzielle Berichtswesen eines Unternehmens („Bottom Line“) weist dabei darauf hin, dass diesen Ergebnissen eine ähnliche Bedeutung zukommen sollte wie den finanziellen Resultaten.
Viele Unternehmen machen diesen Grundgedanken zum Ausgangspunkt ihrer CSR-Aktivitäten. So baut das Nachhaltigkeitsmodell der Siemens AG auf dem Modell der Brundtland-Kommission auf, was Abbildung 73 darstellt.
Abbildung 73: Siemens-Nachhaltigkeitsprogramm
Quelle: Siemens AG, 2012, online
Im Hinblick auf die ökologische Dimension wird versucht, die Umweltbilanz zu verbessern und ökologische Lösungen als Produkte weiter zu forcieren. Ökonomisch setzt die Siemens AG auf langfristige Wertschöpfung, aber auch Effizienzziele und eine Compliance sind Bestandteile des Programms, welche direkt angesprochen werden. Hier findet sich auch der Grundgedanke eines Steuerungs- und Reporting-Systems wieder. In sozialer Hinsicht werden Stakeholder-Beziehungen generell durch Institutionen (Sustainability Advisory Board) gefördert. Durch Projekte wie beispielsweise die „Sanjeevan Mobile Clinic“ (eine mobile Klinik für die Gesundheitsversorgung Indien) wird zudem gesellschaftliches Engagement gefördert (Siemens AG, 2012, online).
2.3.2 Grünbuch der Europäischen Kommission zur CSR
Die Grünbücher der Europäischen Kommission sind Diskussionspapiere, welche regelmäßig zu einem bestimmten Thema herausgegeben werden, um auf diesem Gebiet [152]einen öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs herbeizuführen. Oft führen sie zu politischen Initiativen, Verordnungen und Gesetzesänderungen.
Auf die Vorgaben der „Lissabon-Strategie“ der EU reagierte die Kommission 2001 mit dem Grünbuch „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“. Darin heißt es: „Die meisten Definitionen bezeichnen die Unternehmensverantwortung als ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren. Sozial verantwortlich handeln heißt nicht nur, die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, sondern über die bloße Gesetzeskonformität hinaus „mehr“ investieren in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehungen zu anderen Stakeholdern“ (Europäische Kommission, 2001).
Im Grünbuch wird die Unternehmensverantwortung bzw. CSR in eine interne und externe Dimension unterteilt (Europäische Kommission, 2001).
Die interne Dimension bezieht sich auf folgende Themen:
Humanressourcenmanagement
Arbeitsschutz
Anpassung an den Wandel
Umweltauswirkungen und verantwortungsbewusste Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen
Unter der externen Dimension subsumiert die Europäische Kommission:
Lokale Gemeinschaften (Integration der Unternehmen in das lokale Umfeld)
Intensive Kooperation mit den Geschäftspartnern, Zulieferern und Verbrauchern
Achtung und Einhaltung der Menschenrechte
Einfluss auf den globalen Umweltschutz
Der von der Kommission verwendete Begriff der „sozialen Verantwortung von Unternehmen“ deckt sich dabei mit dem hier verwendeten Begriff der „Unternehmensverantwortung“.
Im Rahmen des Konsultationsprozesses in Kapitel 4 des Grünbuchs wurden die betroffenen Akteure (Unternehmen, NGOs, Behörden, aber auch interessierte Einzelpersonen) aufgerufen, schriftliche Stellungnahmen bzw. Vorschläge hinsichtlich des Aufbaus und der Entwicklung von Rahmenbedingungen zur Förderung von CSR-Aktivitäten in Europa einzureichen (Thielemann, U./Ulrich, P., 2009).
Diese Vorschläge der Akteure wurden 2002 als eine „Mitteilung der Kommission betreffend der sozialen Verantwortung der Unternehmen – ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung“ (Europäische Kommission, 2002) veröffentlicht. Darin wurde die Errichtung eines CSR-Multistakeholder-Forums angeregt, welches zwischen 2002 und 2004 auch stattfand. Die [153]Ergebnisse wurden in einem Abschlussbericht festgehalten, welcher 2006 zur Bildung einer CSR-Allianz zwischen der Kommission und europäischen Unternehmen führte, bei welcher das vorgenannte Forum integriert wurde. Diese Allianz wurde in 2009 und 2010 fortgesetzt und befasste sich zum Beispiel mit Themen wie Menschenrechte in der Wirtschaft (Beauftragung einer Studie zur Anwendbarkeit der bestehenden Gesetzgebung auf europäische Unternehmen, die international tätig sind) oder der Transparenz in der Berichterstattung in den Bereichen Environment, Social sowie Governance (Econsense, 2011, online). Auch das Grünbuch streicht den unmittelbaren wirtschaftlichen Wert heraus, den die Wahrnehmung der Unternehmensverantwortung haben kann, und positioniert CSR somit durchaus auch im Sinne der strategischen Interpretation von Porter und Kramer. Trotz der relativ allgemeinen Formulierung vieler Ziele hat das Grünbuch durch die Integration in viele Initiativen der europäischen Politik eine erhebliche Nachwirkung entfaltet.
2.3.3 Global Compact der United Nations
Der United Nations Global Compact oder UNGC wurde 1999 von dem damaligen UN-Generalsekretär Annan vorgeschlagen und im Jahr darauf in Kraft gesetzt (Thielemann, U./ Ulrich P., 2009). Die UN-Mitglieder aus mehr als 130 Ländern (United Nations, 2011b, online) sollten auf freiwilliger Basis den Aufbau nachhaltig und verantwortlich arbeitender Unternehmen sowie Märkte unterstützen.
Der UNGC ist in erster Linie ein Netzwerk zur Information und zum Austausch, welches ergänzend zur nationalen Gesetzgebung zu sehen ist. Es ist nicht als eine überwachende Instanz oder regulierende Behörde zu verstehen. Durch eine Mitgliedschaft gehen die Unternehmen und andere Organisationen eine rein ethische, aber keine legal durchsetzbare Verpflichtung ein, wodurch ein freiwilliger Ansatz der Unternehmensverantwortung bestärkt werden soll. Mit einer einfachen Mitteilung an die UN können interessierte Unternehmen ihre Mitgliedschaft erklären.
Die Einhaltung der zehn Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz, Korruptionsbekämpfung soll die nachhaltige Entwicklung bzw. gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen fördern.
Wann und in welchem Umfang allerdings Maßnahmen zur Befolgung der Regeln eingeleitet werden, liegt im Ermessen der Mitglieder selbst. Mitgliedsunternehmen erstellen einen jährlichen Bericht, den COP (Communication on Progress) über den Status der CSR-Implementierung. Wird es versäumt, den COP-Bericht einzureichen, wird zur Wahrung der Integrität die entsprechende Firma auf der Website der UNGC als „non communicating“ oder „inactive“ deklariert oder sogar von der Mitgliedschaft ausgeschlossen (Thielemann, U./Ulrich, P., 2009).
Die zehn Prinzipien der UNGC sind (United Nations, 2011c, online):
Menschenrechte
[154](1) Unternehmen sollen den Schutz der internationalen Menschenrechte unterstützen und achten und(2) sicherstellen, dass sie sich nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen.
Arbeitsnormen(3) Unternehmen sollen die Vereinigungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen wahren.(4) Unternehmen sollen sich für die Beseitigung aller Formen der Zwangsarbeit einsetzen.(5) Unternehmen sollen sich für die Abschaffung von Kinderarbeit einsetzen.(6) Unternehmen sollen sich für die Beseitigung von Diskriminierung bei Anstellung und Erwerbstätigkeit einsetzen.
Umweltschutz(7) Unternehmen sollen im Umgang mit Umweltproblemen dem Vorsorgeprinzip folgen.(8) Unternehmen sollen Initiativen ergreifen, um größeres Umweltbewusstsein zu fördern.(9) Unternehmen sollen die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien beschleunigen.
Korruptionsbekämpfung(10) Unternehmen sollen gegen alle Arten der Korruption eintreten, einschließlich Erpressung und Bestechung.
2.3.4 Die OECD-Leitsätze
Die Leitsätze der OECD wurden als Reaktion auf die sich beschleunigende Globalisierung in den 1970er Jahren entwickelt. Die Erstfassung wurde bereits 1976 verfasst und seitdem mehrfach überarbeitet. Die aktuellen OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen wurden 2011 anlässlich des 50-jährigen Bestehens der OECD neu überarbeitet und von den Mitgliedstaaten unterzeichnet.
An der Neufassung wirkten Regierungsvertreter verschiedener Nationen, der beratende Ausschuss der Wirtschaft und der gewerkschaftlich beratende Ausschuss der OECD sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit.
In der Folge haben die Regierungen von 36 Industrieländern mittlerweile „Nationale Kontaktstellen“ eingerichtet, welche Anfragen beantworten, für die Lösung von Problemen zuständig sind und Beschwerden über die Nichteinhaltung der Leitsätze nachgehen. Die [155]„Nationale Kontaktstelle“ ist beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Referat Auslandsinvestitionen angesiedelt.
Wie bei den zuvor genannten Initiativen sind auch hier die Leitsätze nicht rechtlich bindend, sondern bauen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit auf. Sie stellen eine Ergänzung nationaler Rechtssysteme dar. Die G8-Staaten haben sich 2007 dazu verpflichtet, die Leitsätze gezielt zu fördern. Dies unterstreicht die weitgehende internationale Anerkennung der OECD-Prinzipien (Thielemann, U./Ulrich, P., 2009).
Abbildung 74 gibt einen Überblick über die Dimensionen der OECD-Leitsätze sowie deren Inhalt.
[156]
Abbildung 74: Dimensionen und Inhalt der OECD-Leitsätze
Quelle: BDA: Internationale Aspekte von Corporate Social Responsibility, 2011; OECD, 2011
2.3.5 Standard ISO 26000
Die ISO (International Standards Organisation) wurde 1947 gegründet. Sie umfasst 156 nationale Standardisierungsbehörden, deren Ziel es ist, weltweit gültige Industriestandards zu schaffen. Damit soll eine Vergleichbarkeit von Produkten und Verfahren auf den unterschiedlichen Märkten ermöglicht werden (Thielemann, U./Ulrich, P., 2009).
Nach einem langjährigen Entwicklungsprozess wurde der Standard ISO 26000 im Jahre 2010 in der Schweiz vorgestellt. 450 Experten und 210 Beobachter aus rund 100 Ländern gehörten zu der Expertengruppe, welche an der Erarbeitung von ISO 26000 teilnahm.
Die genannte Norm soll lediglich als Leitfaden dem allgemeingültigen Verständnis und der genauen Definition der Unternehmensverantwortung dienen. Des Weiteren soll sie Organisationen aller Art (sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor) eine Hilfestellung bei der Gestaltung unternehmensspezifischer Prozesse und Maßnahmen zur CSR bieten. Die Norm stellt eher eine Richtlinie dar und ist weder als eine Art Pflicht bzw. Anforderung wie z.B. Zertifizierungen gemäß ISO 9001 und ISO 14001 zu verstehen, noch stellt sie einen Normenkatalog bzw. eine CSR-Checkliste dar.
[157]Unternehmen können sich also nicht nach ISO 26000 zertifizieren lassen (ISO, 2011, online). Den relativ komplexen Aufbau der ISO 26000 verdeutlicht Abbildung 75.
Abbildung 75: Aufbau und Inhalt der ISO 26000
Quelle: In Anlehnung an: Hardtke, A./Kleinfeld, A., 2010
Im Verlauf des Erarbeitungsprozesses von ISO 26000 haben sich sieben Prinzipien der gesellschaftlichen Verantwortung herauskristallisiert (oberer Teil in Abbildung 75), die im Folgenden kurz erläutert werden.
Rechenschaftspflicht spricht die moralisch-ethische Verpflichtung der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft an. Es ist ein zusätzlicher Beitrag zum gesetzlichen Rahmen. Die Berichtsinhalte beziehen sich nicht nur auf Anteilseigner und staatliche Institutionen, sondern berücksichtigen auch die Umwelt und Gesellschaft. Die Informationen werden wie bei den meisten Richtlinien freiwillig veröffentlicht. Das Prinzip der „Rechenschaftspflicht“ im Sinne von ISO 26000 ist also weniger eine Verpflichtung als ein Appell an Unternehmen, eine möglichst transparente und offene Informationspolitik zu betreiben (Hardtke, A./Kleinfeld, A., 2010).
Der Grundsatz der Transparenz ist entsprechend im Zusammenhang mit der Rechenschaftspflicht zu betrachten. Die Betriebe sollen zwar die relevanten Informationen in realistischer, objektiver und verständlicher Weise zur Verfügung stellen (in Form von [158]CSR-oder Nachhaltigkeitsberichten etc.), jedoch wird unter keinen Umständen erwartet, dass Wettbewerbsvorteile und Effizienz hierdurch beeinträchtigt werden (Hardtke, A./Kleinfeld, A., 2010).
Das Prinzip des ethischen Verhaltens beinhaltet, dass sich Management und Mitarbeiter im Konsens mit den Sitten und kulturellen Normen des Standortes verhalten (Wahrung der Integrität, Ehrlichkeit, Fairness und Verantwortung). Die Achtung der moralischen Wertevorstellungen soll einen positiven Beitrag über die Einhaltung der nationalen und internationalen Gesetzmäßigkeiten hinaus darstellen.
Unter der Achtung der Interessen der Anspruchsgruppen ist z.B. die Bereitstellung umfassender Produktinformationen/Produktdatenblätter zu verstehen. Jeder Kunde oder andere Interessengruppen wie zum Beispiel Verbraucherverbände können Aufklärung über das Produkt des Unternehmens verlangen. Wer letztlich zu den Anspruchsgruppen gehört, muss jedes Unternehmen für sich selbst festlegen.
Die Grundregel der Gesetzestreue ist selbsterklärend. Im Hinblick auf das Compliance-Prinzip sollten sich vor allem Unternehmen, die international vertreten sind, unbedingt rechtzeitig über das nationale Gesetz informieren und sich damit genauestens auseinandersetzen.
Unter der Achtung internationaler Verhaltensstandards sind global anerkannte Richtlinien, Normen und Selbstverpflichtungen eines weltweit agierenden Unternehmens zu verstehen. Beispielsweise sind hier der UN Global Compact, die International Labour Standards der ILO, Leitsätze der OECD zu nennen. Darüber hinaus können interne und/oder externe Audits (z.B. ISO 14000) auch als Instrumente dienen. Mithilfe dieser allgemein anerkannten ethischen Grundsatzregelungen soll versucht werden, die in manchen Ländern nicht gesetzlich kontrollierten Grauzonen (z.B. Umweltschutz, Menschenrechte, Arbeitsrecht) abzudecken. Ziel ist die Vermeidung von Handlungen oder Aktionen, die nicht mit dem Völkerrecht oder den o.g. internationalen Leitsätzen vereinbar sind.
Die Achtung der Menschenrechte bildet ein zentrales Prinzip der ISO 26000. Immer mehr Großunternehmen sind in Gebieten mit äußerst schwierigen Menschenrechtssituationen tätig. Hier sieht man eher die einflussreichen Firmen als die nicht immer ethisch handelnden nationalen Regierungen in der Pflicht, die Menschenrechte aktiv durchzusetzen. Dabei kann die Einhaltung der oben erwähnten Leitsätze und Standards unterstützend wirken (Hardtke, A./Kleinfeld, A., 2010).
Wie Abbildung 75 zeigt, werden aufgrund dieser 7 Prinzipien in den zwei Folgeschritten sogenannte Kernthemen identifiziert, welche im Weiteren in Handlungsfelder überführt werden. Insofern ist ISO 26000 keine bloße Beschreibung der relevanten Grundsätze für eine CSR-Orientierung, sondern bietet im höheren Maße als die von Regierungsorganisationen getragenen Ansätze auch einen Rahmen für ein CSR-orientiertes Managementsystem.
[159]2.3.6 Code of Conduct der Fair Labor Association (FLA)
Die Fair Labor Association (FLA) geht auf eine Initiative der US-Regierung unter Präsident Clinton zurück und wurde 1999 von Unternehmern, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Bildungseinrichtungen gegründet. Im Gegensatz zu den bisher genannten Richtlinien stellt der Code of Conduct der FLA eine von privaten Organisationen getragene Initiative dar. Die FLA wurde aufgrund problematischer Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie, insbesondere in einigen asiatischen Ländern, ins Leben gerufen. Die Zielsetzung ist es, die Arbeitsbedingungen in den sogenannten „Sweatshops“ (Ausbeutungsbetriebe) zu überwachen und zu verbessern. Das Missionstatement der FLA zeigt zudem eine Konzentration auf abhängig Beschäftigte: „The mission of the Fair Labor Association (FLA) is to protect workers’ rights and improve working conditions worldwide by promoting adherence to international labor standards“ (FLA, 2011, online).
Der „Code of Conduct“ der FLA basiert auf den ILO (International Labour Organization)-Standards und erstreckt sich auf Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Missbrauch, Nichtdiskriminierung, Gesundheit und Sicherheit, Vereinigungsfreiheit, Entlohnung, Arbeitszeiten sowie Überstundenregelungen (FLA, 2011, online).
Die Mitgliedsunternehmen gehen eine freiwillige ethische Verpflichtung ein, indem sie entsprechende Überwachungsprozesse einführen und regelmäßig darüber berichten. Bei der Zielerreichung ist die FLA auf die Mitarbeit der Textilien beschaffenden Haushalte und Unternehmen angewiesen, die wiederum einen Druck auf die großen Markenunternehmen ausüben können, indem sie bei der Beschaffung darauf achten, dass die Produkte in Betrieben hergestellt werden, die entsprechend dem Code of Conduct der FLA arbeiten.
Eine Zertifizierung solcher produzierenden Betriebe durch die FLA erleichtert ihren Eintritt auf dem internationalen Markt. Die hohen Standards der FLA haben aber auch negative Folgen. Wenn ein Betrieb die Bedingungen nicht erfüllen kann, so droht ein Arbeitsplatzverlust, sobald der Zugang zu internationalen Märkten verwehrt wird. Da die Herstellung in der Textilbranche oftmals in Entwicklungsländern erfolgt, bedeutet dies, dass Menschen in diesen Ländern aufgrund ethischer Standards möglicherweise in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden (Thielemann, U./Ulrich, P., 2009). Dies würde den Vertretern der Shareholder-Schule indirekt Recht geben, da sie eine soziale und ökologische Verantwortung erst nach der Sicherstellung ökonomischer Ziele postulieren.
2.4 Herausforderungen der CSR im internationalen Rahmen
Die im vorherigen Abschnitt aufgeführten Richtlinien der Unternehmensverantwortung ließen sich noch in verschiedene Richtungen erweitern, worauf hier aber verzichtet werden soll. Bei einem direkten Vergleich der genannten Richtlinien zeigt sich, dass diese inhaltlich große Überschneidungen aufweisen. Der wesentliche Unterschied in den international akzeptierten Konzepten liegt eher darin begründet,
[160]von welcher Organisation diese erarbeitet wurden und
welchen Ansatz zur Umsetzung diese Organisationen vorschlagen oder unterstützend begleiten.
So stellte das Konzept der Brundtland-Kommission zumindest für Europa einen konzeptionellen Meilenstein dar, welcher über das Grünbuch von 2001 und die darauf aufbauenden flankierenden Maßnahmen Eingang in Unternehmenspraxis und Politik gefunden hat. Die OECD-Richtlinien sind sicher im engen Zusammenhang mit diesem Ansatz zu sehen und führten zur Etablierung vielfältiger, von den nationalen Regierungen und der OECD selber getragenen Beratungs- und Förderungsstellen. Der UN Global Compact kann auf die breiteste Basis an teilnehmenden Nationen aufbauen und hat in Kombination mit der hier nicht eingehend besprochenen Global Reporting Initiative (GRI) zu einer hohen Akzeptanz bei wirklich global agierenden Unternehmen geführt. Die GRI wurde 1997 mit dem Ziel gegründet, einen weltweit anerkannten Leitfaden für die freiwillige Berichterstattung über ökonomische, ökologische und soziale Aktivitäten von Organisationen und Unternehmen zu entwickeln. Die Richtlinien der GRI bieten eine umfassende Zusammenstellung von Indikatoren, die die Dimensionen der Unternehmensverantwortung abdecken, wobei eine Kongruenz zum Ansatz der UNGC angestrebt wird. Ein Beispiel für die Berücksichtigung beider Richtlinien bietet der Bericht der BASF SE, welcher parallel zur finanziellen Berichterstattung aufgrund der GRI und des UNGC Rechenschaft ablegt (BASF SE, 2012, online). ISO 26000 bietet einen breiten Ansatz, welcher sich stärker am Einzelunternehmen orientiert, ist aber noch lange nicht so umgesetzt wie die anderen genannten Ansätze.
Eine Richtlinie, welche sicher aus diesem Rahmen fällt und daher nur beispielhaft erwähnt wurde, ist der Code of Conduct der FLA. Dieses Konzept hebt sich durch die privatwirtschaftliche Trägerschaft, den Fokus auf eine Stakeholder-Gruppe (Arbeitnehmer) und den Ausgangspunkt in einer bestimmten Branche (Textil) hervor. Es ist aber insofern zukunftsweisend, als hier die Tendenz zur Spezifizierung der Inhalte, zu deren Anpassung an bestimmte Rahmenbedingungen und zur Konzentration auf bestimmte Anspruchsgruppen und Teilprobleme repräsentiert wird. Die Vielfalt des CSR-Konzeptes macht dies unabdingbar, worauf die internationale CSR-Forschung auch reagiert.
Palazzo identifiziert aufgrund umfassender Analysen der internationalen Literatur die 10 wichtigsten Schwerpunkte der internationalen CSR-Forschung, welche keinesfalls als erschöpfend anzusehen sind (Palazzo, G., 2009).
Die Thematik der internationalen Unternehmensverantwortung nimmt weiterhin an Bedeutung zu. CSR stellt mit Sicherheit ein zentrales Feld der künftigen Forschung zum internationalen Management dar. Viele internationale Konzerne berichten mittlerweile Kennzahlen, welche auf dem Global Compact der UN basieren; in ähnlicher Tiefe wie die finanziellen Informationen. In Abbildung 76 werden die Schwerpunkte der internationalen Forschung dargestellt.
[161]
Abbildung 76: Forschungsschwerpunkte der CSR
Quelle: Palazzo, G., 2009
Fallstudie: Corporate Social Responsibility bei Boehringer Ingelheim
Corporate Social Responsibility (CSR) bei Boehringer Ingelheim | |
Dr. Michael Siebler, Leiter Firmenarchiv, Boehringer Ingelheim |
Boehringer Ingelheim ist ein forschungsorientiertes Pharmaunternehmen, das sich seit seiner Gründung im Jahre 1885 in Familienbesitz befindet. Es erforscht, entwickelt, produziert und vertreibt Humanpharmazeutika und Präparate für die Tiergesundheit. Weltweit beschäftigt das Unternehmen mehr als 44.000 Mitarbeiter in 145 verbundenen Unternehmen, die 2011 rund 13,1 Milliarden Euro erlösten. Boehringer Ingelheim betreibt Forschung und Entwicklung (F&E) an weltweit sieben Standorten und unterhält 20 Produktionsstätten in 13 Ländern. Im Jahr 2011 wurden für F&E 23,5 Prozent oder rund 2,5 Milliarden Euro der mit verschreibungspflichtigen Medikamenten erzielten Gesamterlöse aufgewendet.
Die unternehmerische Verantwortung bei Boehringer Ingelheim ist fest verankert im Leitbild. Dieses ist Grundlage der gemeinsamen Identität, es ist für alle Mitarbeiter verbindlich und gibt Orientierung bei jeglichen Aktivitäten für das Unternehmen.
Zwei Kernaussagen des Leitbildes definieren und charakterisieren dieses Selbstverständnis:
1 [162]„Unser Ziel ist es, der Menschheit durch die Erforschung von Krankheiten und die Entwicklung neuer Arzneimittel und Therapien zu dienen.“
2 „Bei all unseren Aktivitäten schützen wir unsere Mitarbeiter, unsere Einrichtungen und die Umwelt vor schädlichen Einflüssen, erhalten die natürlichen Ressourcen und fördern das Umweltbewusstsein. Mit dem Verfolgen dieser Ziele sind wir zusätzlich bestrebt, in den Ländern und Gemeinschaften, in denen wir geschäftlich aktiv sind, wirtschaftliches und soziales Wohlergehen zu fördern.“
In diesen Aussagen sind grundlegende Aspekte umfassender unternehmerischer Verantwortung enthalten, nämlich: auf Basis einer humanistischen Grundüberzeugung Werte und Verantwortung nach innen und nach außen zu leben sowie soziales Engagement für Mitarbeiter und gleichzeitiges Engagement der Mitarbeiter für andere.
Diese in der Praxis gelebte CSR zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte des Unternehmens seit seiner Gründung im Jahre 1885. Ein solches Miteinander und Füreinander ist schon in der Familie des Firmengründers Albert Boehringer erkennbar und unterstreicht, dass CSR bei Boehringer Ingelheim eine Selbstverständlichkeit ist – und damit nachhaltig. Boehringer Ingelheim ist beim Thema CSR also eine treibende Kraft.
So unterstützten der ältere Bruder und die Mutter den jungen Firmengründer über Jahre hinweg mit Rat und Tat und finanziellen Mitteln, da unter anderem zahlreiche Investitionen nötig waren und deshalb zunächst keine Gewinne erwirtschaftet werden konnten. Als sich mit der Produktion von Milchsäure in industriellem Maßstab der finanzielle Erfolg einstellte, konnte Albert Boehringer seine Mitarbeiter am Aufschwung teilhaben lassen und ihnen für ihre Treue danken. Bereits 1902 gründete er eine Betriebskrankenkasse, von 1907 an erfolgte der Bau von Häusern und Wohnungen für die Mitarbeiter, 1909 wurde eine finanzielle Unterstützung für alte und gebrechliche Arbeiter eingeführt und von 1910 an gab es bezahlten Urlaub. Eine betriebliche Altersversorgung gibt es seit 1912 und seit 1917 ein tägliches Essen für die Belegschaft; 1918 wurde für Hinterbliebene von Gefallenen die Albert und Helene Boehringer-Stiftung gegründet. Sowohl diese Stiftung als auch andere Einrichtungen bestehen bis heute, sind weiter entwickelt und an die Anforderungen der Gegenwart angepasst worden.
In den ersten Jahrzehnten kümmerten sich Albert Boehringer und seine Familie also vor allem um die soziale Absicherung und Unterstützung der Mitarbeiter dort, wo die staatlichen Einrichtungen noch nicht heutigen Standards entsprachen. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Engagement für die Mitarbeiter weiter ausgebaut. Neben den immer stärker vom Sozialstaat geregelten Bereichen begannen Unternehmen und Gesellschafterfamilie, sich nunmehr auf Feldern zu engagieren, die eher gesellschaftspolitisch definiert sind, besonders der Bildung und Kunst. Manche Neuerung entsprang auch den modifizierten Anforderungen in der Welt von heute, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder veränderten gesellschaftlichen Bedürfnissen wie etwa Umweltbewusstsein, Engagement für [163]die Schwachen, Behinderten und Kranken der Gesellschaft, Gesundheitsvorsorge, Familie und Beruf oder Bildung.
Auf diesen und weiteren Gebieten – internationale Auszeichnungen belegen das – schafft Boehringer Ingelheim durch soziales Engagement Werte für Mitarbeiter und Gesellschaft. Dies sollen einige ausgewählte Beispiele belegen.
Der Unterstützung und Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gilt ein besonderes Augenmerk. Das Angebot reicht von der flexiblen Arbeitszeitgestaltung über Serviceleistungen wie Elternzeit, Kinderbetreuung, Kinderkrippen, Mitnahme-Essen aus der Firma oder Wäsche- und Reinigungsservice bis hin zur Unterstützung beim Thema Beruf und Pflege von Angehörigen.
Demografischer Wandel und gestiegene Lebenszeiterwartung unterstreichen die Bedeutung der eigenen Gesundheit als das wichtigste Kapital für die persönliche Lebensqualität. Deshalb bietet Boehringer Ingelheim regelmäßig allen Mitarbeitern einen umfassenden Gesundheits-Check-up an. Dabei steht die Beantwortung von vier Fragen im Vordergrund: Wo stehe ich mit meiner Gesundheit zurzeit? Gibt es Risiken, die langfristig meine Gesundheit gefährden? Welche praktikablen Möglichkeiten habe ich, etwas daran zu ändern? Was kann ich noch zur Förderung meiner Gesundheit tun? Ein Bestandteil der Beratung ist auch das Thema Ernährung. Gezielte Angebote im Mitarbeiterrestaurant helfen bei der Umsetzung einer Anpassung der Ernährung.
Die Zusammenarbeit mit der akademischen Forschung und das Engagement in Public-Private-Partnership hat bei Boehringer Ingelheim eine lange Tradition. So konnte beispielsweise der Firmengründer Albert Boehringer schon 1903 den Chemiker und Nobelpreisträger Heinrich Wieland für eine Zusammenarbeit gewinnen, die Jahrzehnte währte. Heute unterstützt Boehringer Ingelheim etwa das 1985 gegründete Institut für Molekulare Pathologie in Wien (IMP), ein international als Exzellenzzentrum in Molekularbiologie und Genetik anerkanntes Forschungsinstitut für biomedizinische Grundlagenforschung. 2011 wurde das von der Boehringer Ingelheim Stiftung initiierte und mit 100 Millionen Euro geförderte Institut für Molekulare Biologie in Mainz (IMB) eingeweiht. Eine öffentlich-private Partnerschaft gibt es mit der Hochschule Biberach, wo 2006 der Bachelor-Studiengang Pharmazeutische Biotechnologie eingerichtet wurde; in 2010 folgte eine Kooperation der Hochschule Biberach und der Universität Ulm, die einen gemeinsamen Masterstudiengang Pharmazeutische Biotechnologie anbieten.
Die Boehringer-Ingelheim-Stiftungen sind eigenständige und gemeinnützige Organisationen. Ziel dieser Organisationen ist es, durch die Förderung von außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen wichtige Entwicklungen voranzutreiben, welche die Lebensqualität langfristig verbessern können.
Die Boehringer Ingelheim Stiftung fördert seit 1977 Exzellenzforschung in Medizin, Biologie, Chemie und Pharmazie, wie etwa das oben erwähnte IMB in Mainz; sie stiftet den [164]seit 1964 vergebenen Heinrich-Wieland-Preis und verleiht alljährlich den Boehringer-Ingelheim-Preis für herausragende Leistungen von Nachwuchsforschern der Universitätsmedizin.
Seit 1983 fördert der Boehringer-Ingelheim-Fonds biomedizinische Grundlagenforschung und unterstützt vor allem Nachwuchswissenschaftler. Bisher konnten mehr als 1000 Ph. D.-Stipendien vergeben werden. Mehr als 140 Stipendiaten wurden bisher zu Professoren ernannt, vier haben den angesehenen Leibniz-Preis erhalten.
Die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften wurde 1956 von den Kindern des Firmengründers ins Leben gerufen. Sie unterstützt heute den wissenschaftlichen Nachwuchs etwa in den Sprach- und Literaturwissenschaften oder der Geschichte und Kunsthistorik vor allem mit Druckkostenzuschüssen für Dissertationen und Habilitationsschriften.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert bieten die 1959 von der Gesellschafterfamilie gegründeten Internationalen Tage alljährlich mit Ausstellungen Einblicke in Kulturtraditionen anderer Länder, Kunstströmungen oder in das Oeuvre einzelner Künstler. Beide Einrichtungen – die Internationalen Tage und die Stiftung für Geisteswissenschaften – sind Zeugnisse des lebendigen mäzenatischen Geistes der Gesellschafterfamilie, der sich auch in zahlreichen anderen Zuwendungen für die Gesellschaft und ihre Menschen manifestiert.
Ein besonderes Engagement ist das Viramune®-Spendenprogramm für die Bekämpfung der verheerenden AIDS-Pandemie, beispielsweise auf dem Gebiet der Verhinderung der Mutter-Kind-Übertragung von HIV/AIDS. Seit dem Jahr 2000 wurden Medikamente für mehr als 2 Millionen Mutter-Kind-Paare im Rahmen von 171 Programmen in 71 Länder gespendet; dabei wurde großer Wert gelegt auf die Zusammenarbeit mit Regierungen, medizinischen Fachkräften und Organisationen.
Außerdem stellt Boehringer Ingelheim Generika-Herstellern, die durch die WHO vorqualifiziert sind, für alle einkommensschwachen Länder und für ganz Afrika sogenannte Non-Assert-Erklärungen aus. Damit ist festgelegt, dass keine Patentansprüche geltend gemacht werden, dass keine Lizenzgebühren anfallen und dass die hohe Qualität der Produkte sichergestellt ist. Diese Regelung gilt für die beiden Wirkstoffe Nevirapin und Tipranavir der beiden AIDS/HIV-Präparate Viramune® und Aptivus®. Zusätzlich hilft Boehringer Ingelheim in diesen Ländern mit notwendigem Technologietransfer und gezielter Personalentwicklung, etwa durch Ausbildungsförderung von Ärzten.
Ein gesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement ist – wie schon in den vorherigen Beispielen oben gezeigt – ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur bei Boehringer Ingelheim. Folgerichtig engagieren sich Mitarbeiter weltweit einzeln oder in Gruppen und das Unternehmen als „Good Corporate Citizen“ in vielen Bereichen. Das [165]Spektrum reicht von Kinderfürsorge- und Bildungsprogrammen über die Katastrophenund Nachbarschaftshilfe bis hin zum Umweltschutz.
Zum 125jährigen Bestehen hat Boehringer Ingelheim 2010 unter dem Motto „Making more health“ eine neue Initiative gegründet. Diese Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, Projekte der Corporate Social Responsibility auf eine nachhaltigere Basis zu stellen. Dazu wird Boehringer Ingelheim Partnerschaften mit „Sozialunternehmern“ eingehen. Ein Sozialunternehmer gründet ein Non-Profit-Unternehmen. Mit diesem Unternehmen verdient er nicht genug, um sich das Startkapital am Kapitalmarkt zu besorgen, aber er wird bei Erfolg genug verdienen, um seine Organisation selbst und das nötige Wachstum zu finanzieren. Damit wird er unabhängig von einer dauerhaften Spendenunterstützung und sichert so die nachhaltige Lösung eines sozialen Problems. Das deutsche Pilotprojekt „discovering hands®“ bildet blinde und sehbehinderte Frauen als Tastexpertinnen zur Brustkrebsfrüherkennung aus.
Aufgrund der besseren Tastfähigkeiten der blinden Frauen im Vergleich zu den sehenden Kollegen steigt die Qualität der Vorsorgeuntersuchung. Damit gewinnen die betroffenen Patienten. Zusätzlich können die Belastungen des Gesundheitswesens so stark gesenkt werden, dass die Versicherer ein Interesse haben, diese Serviceleistung zu finanzieren. Die behinderten Personen empfinden sich als Menschen mit einer besonderen Fähigkeit und weniger als Behinderte. Eine solche Serviceleistung löst also ein soziales Problem, wird aber gleichzeitig finanziell genügend honoriert, sodass „discovering hands®“ nicht auf Dauer von einer Unterstützung durch Spender angewiesen ist.
Teil der Konzeption ist aber auch, dass sich Mitarbeiter bei der Gründung von Sozialunternehmen wie z.B. „discovering hands®“ unentgeltlich für die Sache einsetzen und damit ihr soziales Engagement dokumentieren. Dies fördert den Aspekt, sich mit berufsrelevanten Themen wie „Gesundheit“ auch aus ganz anderen Blickwinkeln zu beschäftigen. Boehringer Ingelheim gewinnt damit nicht im monetären Sinn, aber geht davon aus, dass das Thema „Mitarbeiterzufriedenheit“ so positiv beeinflusst werden kann.
Aufgrund des letzten Aspektes fiel auch die Entscheidung, sich sozial in einem Bereich des Kerngeschäftes zu engagieren, denn hier ist die Fähigkeit, die Unternehmensgründer zu beraten und das bestehende Netzwerk zu ihren Gunsten zu nutzen, am größten.
Ähnliche Projekte, die bereits angestoßen wurden, aber auch die ersten internen Erfahrungen zeigen, dass die Akzeptanz bei den eigenen Mitarbeitern hoch ist. Der Erfolg in der öffentlichen Wahrnehmung wird darin liegen, zu zeigen, dass die Unternehmen soziales Engagement nicht als Feigenblatt-Engagement betreiben bzw. diese Projekte nutzen, um primär ihr Kerngeschäft zu stärken. Vielmehr kann erfolgreich kommuniziert werden, dass mit einer Kombination aus der Entwicklung von onkologischen Produkten (Kerngeschäft) und sozialem Engagement in Bereichen, die der Kapitalmarkt nicht finanzieren kann (z.B. in der Brustkrebsfrüherkennung), alle Beteiligten zu den Gewinnern gehören.
[166]Fragen zur Fallstudie
1 Kann ein Unternehmen kurzfristig CSR-Programme entwickeln, die wirklich nachhaltig sind?
2 Ist es sinnvoll, den Schwerpunkt von CSR-Aktivitäten auf Themenbereiche zu konzentrieren, die sich aus dem Kerngeschäft im eigenen Unternehmen ergeben oder ableiten lassen?
3 Welche Faktoren bedingen die Glaubwürdigkeit von CSR eines Unternehmens bei den Mitarbeitern und in der Öffentlichkeit?
Informationen
www.boehringer-ingelheim.de, www.boehringer-ingelheim.com
www.boehringer-ingelheim-stiftung.de, www.bifonds.de
www.imp.ac.at, www.imb-mainz.de
Literaturempfehlungen
Basisliteratur
Cavusgil, T./Knight, G./Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., Boston [u.a.], [Kapitel 4: „The Cultural Environment of International Business“, S. 122-153; Kapitel 5: „Ethics and International Business“, S. 154-175].
Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 3: „Differences in Culture“, S. 86-121; Kapitel 4: „Ethics in International Business“, S. 122-156].
Kutschker, M./Schmid, S., 2011: Internationales Management, 7. Aufl., München 2011, [Kapitel 5: „Kultur in der internationalen Unternehmung“, S. 671-811].
Lasserre, P., 2007: Global Strategic Management, 2. Aufl., Houndmills [u.a.], [Kapitel 11: „Cross-Cultural Management“, S. 301-322; Kapitel 15: „The Social Responsibility of the Global Firm“, S. 401-426].
Vertiefungsliteratur
Crane, A./McWilliams, A./Matten, D./Moon, J./Siegel, D., 2008: The Oxford Handbook of Corporate Social Responsibility, Oxford University Press, New York 2008 [Kapitel 6: „Corporate Social Responsibility in Global Context”, S. 413-499].
Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010: Cultures and organizations. Software of the mind: International cooperation and its importance for survival. 3. Aufl. McGraw-Hill: New York.
[167]McFarlin, D.B./Sweeney, P.D., 2011: International Management: Strategic Opportunities and Cultural Challenges, 4. Aufl., Routledge: New York.
Seidel, P., 2011: Internationale Unternehmen, Gesellschaft und Verantwortung, Wiesbaden.
Trompenaars, F./Hampden-Turner, C., 2012: Riding the waves of culture. Understanding diversity in global business. 3. Aufl. Nicholas Brealey: London.