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ОглавлениеABSCHNITT 2
Der Zwischenhimmel
KAPITEL 5
Was ist der Zwischenhimmel?
Pippin: »Ich hätte nicht gedacht, dass es so enden würde …«
Gandalf: »Enden? Nein, die Reise endet hier nicht. Der Tod ist nur ein anderer Weg …, ein Weg, den wir alle gehen müssen. Der graue Regenvorhang dieser Welt wird zurückgeschoben und alles wird zu silbernem Glas …, und dann kannst du es sehen.«
Pippin: »Was? Gandalf? Was sehen?«
Gandalf: »Weiße Strände … und über diese hinaus. Das weite grüne Land unter der aufgehenden Sonne.
« Pippin: »Na, das klingt nicht schlecht.
« Gandalf: »Nein … nein, es ist nicht schlecht.«
Peter Jackson, Die Rückkehr des Königs
Der Apostel Paulus hielt es für unbedingt erforderlich, dass wir wissen, was geschieht, wenn wir sterben: »Und nun, liebe Brüder, möchte ich, dass ihr wisst, was mit denen geschieht, die bereits gestorben sind, damit ihr nicht traurig seid wie jene Menschen, die keine Hoffnung haben« (1. Thessalonicher 4,13).
Der größte Teil dieses Buches befasst sich mit dem ewigen Himmel – dem Ort, an dem wir nach der endgültigen Auferstehung für immer leben werden. Doch weil wir alle erleben, dass Menschen, die wir lieben, sterben, und weil wir selbst eines Tages sterben werden, wenn Christus nicht vorher wiederkommt, sollten wir prüfen, was die Bibel über den Zwischenhimmel sagt – den Ort, an den die Christen kommen, wenn sie sterben.
Der Zwischenhimmel ist vorübergehend
Wenn ein Christ stirbt, beginnt für ihn das, was Theologen einen Zwischenzustand nennen, eine Übergangszeit zwischen dem vergangenen Leben auf der Erde und der künftigen Auferstehung zum Leben auf der neuen Erde.
Das Leben im Himmel, in den wir kommen, wenn wir sterben, und wo wir bis zur Auferstehung unseres Körpers wohnen, ist »bei weitem« besser, als hier auf der Erde unter dem Fluch und ohne die direkte Gegenwart Gottes zu leben (Philipper 1,23). Doch der Zwischenhimmel ist zweitklassig, verglichen mit unserem letzten Bestimmungsort. Obwohl der Zwischenhimmel ein wunderbarer Ort sein wird, ist er nicht der Ort, für den wir geschaffen wurden.
Werden wir für immer im Himmel leben?
Die Antwort auf die Frage, ob wir für immer im Himmel leben werden, hängt davon ab, was wir unter Himmel verstehen. Werden wir immer beim Herrn sein? Auf jeden Fall. Im Zwischenhimmel werden wir in der Gegenwart von Christus leben und immer fröhlich sein, doch wir werden uns auf die Auferstehung unseres Körpers und den endgültigen Umzug auf die neue Erde freuen.
Es kann nicht oft genug wiederholt werden, weil hier so oft Missverständnisse auftreten: Wenn Gläubige sterben, kommen sie nicht in den Himmel, in dem sie für immer leben werden. Im Zwischenhimmel warten wir auf die Rückkehr von Jesus auf die Erde, auf die Auferstehung unseres Körpers, das Endgericht und die Schöpfung eines neuen Himmels und einer neuen Erde.
»Christen sprechen oft davon, dass sie für immer mit Gott ›im Himmel‹ leben«, schreibt der Theologe Wayne Grudem. »Doch die Bibel macht viel weiter gehende Aussagen: Wir lesen, dass es einen neuen Himmel und eine neue Erde geben wird – eine vollkommen erneuerte Schöpfung –, und dort werden wir für immer mit Gott leben. (…) Es wird eine neue Art der Vereinigung von Himmel und Erde stattfinden. (…)«1
Nehmen wir an, Sie leben in einem Obdachlosenheim in Miami. Eines Tages erben Sie ein wunderbares Haus, das voll möbliert ist und in Kalifornien auf einer Anhöhe mit einem atemberaubenden Blick auf Santa Barbara liegt. Mit dem Haus bekommen Sie eine wunderbare Arbeitsstelle, eine Tätigkeit, von der Sie schon immer geträumt haben. Und nicht nur das: Sie werden auch in der Nähe von lieben Angehörigen wohnen, die vor vielen Jahren von Miami weggezogen sind.
Auf dem Flug nach Santa Barbara werden Sie einen Zwischenstopp in Dallas machen, wo Sie den Nachmittag verbringen. Dort am Flughafen werden Sie einige Angehörige treffen, die Sie seit Jahren nicht gesehen haben und die dann mit Ihnen zusammen in ein Flugzeug nach Santa Barbara steigen. Sie freuen sich schon, sie zu sehen.
Würden Sie »Dallas« antworten, wenn der Angestellte am Flughafen in Miami fragt, wohin Sie fliegen? Nein. Sie würden »Santa Barbara« sagen, weil das Ihr endgültiger Bestimmungsort ist. Falls Sie Dallas überhaupt erwähnen, dann würden Sie höchstens sagen: »Ich fliege nach Santa Barbara über Dallas.«
Wenn Sie mit Ihren Freunden in Miami darüber sprechen sollten, wo Sie wohnen werden, würden Sie wahrscheinlich kaum von Dallas sprechen. Ihr wahres Ziel – ihr ständiges Zuhause – ist Santa Barbara.
In ähnlicher Weise ist der Himmel, in den wir kommen, wenn wir sterben, nämlich der Zwischenhimmel, ein Zwischenstopp auf dem Weg zu unserem endgültigen Zielort.
Ein anderer Vergleich ist besser, aber er ist schwerer vorstellbar, denn er liegt außerhalb unseres Erfahrungsbereichs. Stellen Sie sich vor, Sie verlassen das Obdachlosenheim in Miami und fliegen nach Dallas, kehren dann aber zurück zu Ihrem ursprünglichen Wohnort, der vollständig renoviert wurde – ein neues Miami. In diesem neuen Miami würden Sie nicht mehr in einem Obdachlosenheim wohnen, sondern in einem wunderbaren Haus in einer herrlichen Stadt, die frei von Verschmutzung, Verbrechen und Sünde ist. Sie würden also letztendlich in einer von Grund auf verbesserten Ausführung Ihres alten Zuhauses leben.
Genau das verspricht uns die Bibel: Wir werden mit Christus und miteinander für immer auf der neuen Erde leben.
Wenn wir von der künftigen neuen Erde sprechen, wie wir es im größten Teil dieses Buches tun werden, trifft vieles von dem, was wir darüber sagen, womöglich nicht auf den Zwischenhimmel zu. Und wenn wir den Zwischenhimmel beschreiben, muss dies nicht unbedingt dem ewigen Himmel, der neuen Erde, entsprechen. Gott sagt ganz deutlich, dass sich der Himmel verändert. Er wird letztendlich auf die neue Erde verlegt werden (Offenbarung 21,1). Das, was wir jetzt als Hölle bezeichnen, wird auch verlegt. Nach dem Jüngsten Gericht wird die Hölle in den ewigen Feuersee geworfen (Offenbarung 20,14-15).
Die Unterscheidung zwischen dem jetzigen und dem künftigen Himmel
Auf die Fragen, wie der Himmel ist und wie der Himmel sein wird, gibt es zwei unterschiedliche Antworten. Der jetzige Himmel, der Zwischenhimmel, ist der Bereich der Engel, der deutlich von der Erde getrennt ist. Im Gegensatz dazu wird der künftige Himmel im menschlichen Bereich, auf der Erde sein. Die Wohnung Gottes wird in einem auferstandenen Universum die Wohnung der Menschen sein: »Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde … Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen … Ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: ›Siehe, die Wohnung Gottes ist nun bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und Gott selbst wird bei ihnen sein‹« (Offenbarung 21,1-3).
Einige werfen jetzt bestimmt ein, dass man die neue Erde nicht Himmel nennen sollte. Uns wird jedoch gesagt, dass der »Thron Gottes und des Lammes« im neuen Jerusalem ist, das auf die neue Erde herabkommt (Offenbarung 22,1). Wieder scheint es auf der Hand zu liegen, dass der Ort, an dem Gott mit seinem Volk wohnt und wo er auf seinem Thron sitzt, Himmel genannt wird.
Ich stimme dem Theologen Anthony Hoekema zu, wenn er schreibt: »Das ›neue Jerusalem‹ (…) bleibt nicht in einem ›Himmel‹, der weit weg im Raum ist, sondern kommt auf die erneuerte Erde herab; dort werden die Erlösten die Ewigkeit in einem Auferstehungskörper verbringen. So werden Himmel und Erde, die jetzt getrennt sind, wieder vereint: Die neue Erde wird auch der Himmel sein, da Gott dort bei seinem Volk wohnen wird. Mit anderen Worten: Die verklärten Gläubigen werden weiterhin im Himmel sein, während sie auf der neuen Erde wohnen.«2
Dass Gott auf die neue Erde herabkommt, um mit uns zu wohnen, passt vollkommen zu Gottes ursprünglichem Plan. Gott hätte Adam und Eva in den Himmel holen können, damit sie ihn in seiner Welt besuchen. Stattdessen kam er herunter, um mit ihnen in ihrer Welt Umgang zu pflegen (1. Mose 3,8). Jesus sagt von jedem, der sein Jünger sein wird: »Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen« (Johannes 14,23).
Die meisten Ansichten über den Himmel sind sehr unkörperlich. Sie verstehen nicht, dass der Himmel Gottes Wohnung bei uns – auferstandenen Menschen auf einer auferstandenen Erde – sein wird. Die Menschwerdung Gottes bedeutet, dass er als Mensch Raum und Zeit bewohnte – der neue Himmel und die neue Erde handeln davon, dass Gott Raum und Zeit zu seiner ewigen Heimat macht. Denken Sie an die Aussage von Offenbarung 21,3: Gott wird sein Volk an einen anderen Ort bringen und vom Himmel auf die neue Erde herabkommen, um mit ihnen zu leben. »Gott selbst wird bei ihnen sein.«
Behalten wir nach dem Tod unser Bewusstsein?
»Denn der Staub muss wieder zur Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat« (Prediger 12,7; Luther). Beim Sterben geht der menschliche Geist entweder in den Himmel oder in die Hölle. Jesus hat Lazarus und den reichen Mann unmittelbar nach ihrem Tod im Himmel beziehungsweise in der Hölle als bei vollem Bewusstsein beschrieben (Lukas 16,22-31). Jesus versprach dem Verbrecher am Kreuz: »Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein« (Lukas 23,43). Der Apostel Paulus sagt, dass Sterben bedeutet, bei Jesus zu sein (Philipper 1,23), und dass wir beim Herrn sind, wenn wir unseren Körper verlassen (2. Korinther 5,8). Es wird beschrieben, dass Märtyrer nach ihrem Tod im Himmel Gott anrufen und ihn bitten, Gerechtigkeit auf die Erde zu bringen (Offenbarung 6,9-11).
Aus diesen Stellen geht eindeutig hervor, dass es nichts gibt, das man »Seelenschlaf« nennen kann, und auch keine lange Zeit der Bewusstlosigkeit zwischen dem Leben auf der Erde und dem Leben im Himmel. Der Ausdruck »entschlafen«, der in manchen Bibelübersetzungen in 1. Thessalonicher 4,13 und ähnlichen Stellen gebraucht wird, ist ein beschönigender Ausdruck für den Tod, mit dem das Aussehen des Körpers beschrieben wird. Unser Körper »schläft« bis zur Auferstehung, während unser Geist zu einer bewussten Existenz in den Himmel gebracht wird (Daniel 12,2-3 nach Luther; 2. Korinther 5,8). Einige Stellen aus dem Alten Testament (z. B. Prediger 9,5) sprechen über den äußeren Anschein und drücken nicht die Fülle der neutestamentlichen Offenbarung über die sofortige Versetzung an einen anderen Ort und das Bewusstsein nach dem Tod aus.
Wenn wir sterben, wird unser Glaube gerichtet werden. Der Ausgang dieses Gerichts bestimmt, ob wir in den Zwischenhimmel oder in die Zwischenhölle kommen. Wenn wir den Sühnetod von Christus für uns angenommen haben, werden wir in den Himmel kommen.
Ist der Zwischenhimmel Teil unseres Universums oder eines anderen?
Der gegenwärtige Himmel ist normalerweise für diejenigen unsichtbar, die auf der Erde leben. Wer Schwierigkeiten hat zu glauben, dass es tatsächlich einen unsichtbaren Bereich gibt, sollte sich mit den bahnbrechenden Forschungen der String-Theorie befassen. Unter anderem behaupten Wissenschaftler in Yale, Princeton und Stanford, dass es zehn unsichtbare Dimensionen und wahrscheinlich eine unendliche Zahl nicht wahrnehmbarer Welträume gibt.3 Wenn führende Wissenschaftler an etwas Derartiges glauben, sehe ich keinen Grund, weshalb sich jemand schämen sollte, weil er an eine einzige nicht wahrnehmbare Dimension glaubt, einen Bereich, in dem sich die Engel, der Himmel und die Hölle befinden.
Die Bibel sagt uns, dass manche Menschen einen Blick in den Himmel werfen dürfen. Als Stephanus wegen seines Glaubens an Christus gesteinigt wurde, schaute er in den Himmel: »Stephanus, vom Heiligen Geist erfüllt, blickte unverwandt zum Himmel hinauf, wo er die Herrlichkeit Gottes sah, und er sah Jesus auf dem Ehrenplatz zur Rechten Gottes stehen. Er sagte zu ihnen: ›Schaut doch, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn auf dem Ehrenplatz zur Rechten Gottes stehen‹« (Apostelgeschichte 7,55-56).
Wayne Grudem weist darauf hin, dass Stephanus »nicht bloß Symbole eines Seinszustandes gesehen hat. Seine Augen wurden vielmehr geöffnet, sodass sie die geistliche Dimension der Wirklichkeit sehen konnten, die Gott uns im Hier und Jetzt verborgen hält. Eine Dimension, die tatsächlich in unserem Raum/Zeit-Universum existiert und in der Jesus jetzt in seinem auferstandenen Körper lebt und darauf wartet, auf die Erde zurückzukehren.«4
Ich stimme Grudem zu, wenn er sagt, dass der Zwischenhimmel ein Raum/Zeit-Universum ist. Vielleicht hat er mit seiner Annahme Recht, dass der Zwischenhimmel Teil unseres eigenen Universums ist, vielleicht liegt er aber auch in einem anderen Universum. Jedenfalls scheint es wahrscheinlich, dass Gott nicht einfach eine Vision für Stephanus geschaffen hat, um den Himmel gegenständlich aussehen zu lassen.
Der Prophet Elisa bat Gott, seinen Diener Gehasi einen Blick in den unsichtbaren Bereich werfen zu lassen. Er betete: »›Herr, öffne ihm die Augen, dass er sehe!‹ Da öffnete der Herr dem Diener die Augen und er sah, und siehe, da war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her« (2. Könige 6,17; Luther). Man kann zu der Überzeugung gelangen, dass diese Pferde und Wagen (mit Engeln als Kriegern) neben uns in unserem Universum existieren, dass wir aber normalerweise blind für sie sind. Oder sie können sich auch in einem Universum neben dem unseren befinden, das eine Verbindung zu unserem Universum hat.
KAPITEL 6
Ist der Zwischenhimmel ein gegenständlicher Ort?
Denn der Eingang in die größere Welt ist breit und sicher, und diejenigen, die auf die Enge und Beschwerlichkeit zurückblicken, von der sie befreit wurden, kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus, wenn sie fröhlich und unsterblich in diese weiten Räume aufgenommen werden.
Amy Carmichael
Nachdem ein Missionar eines meiner Bücher gelesen hatte, schrieb er mir. Er war zutiefst beunruhigt darüber, dass ich denke, der Himmel ist ein gegenständlicher Ort. Obwohl ich ihm bei unserem Briefwechsel zahlreiche Bibelstellen nannte, konnte ich ihn nicht überzeugen. Er hatte bisher gelernt, dass der Himmel »geistlich« und deshalb nicht gegenständlich ist.
Es berührte mich nicht so sehr, dass er glaubte, der Zwischenhimmel sei nicht gegenständlich, sondern vielmehr, dass er davon überzeugt schien, der Himmel wäre weniger heilig, wenn er gegenständlich wäre.
Die gegenständliche neue Erde wird unser endgültiger Wohnort sein, doch wir sollten nicht erstaunt sein, wenn Gott uns bis dahin einen Warteplatz zuweist, der auch gegenständlich ist. Wenn der jetzige Himmel, also der Zwischenhimmel, ein Ort ist, in dem Gott, Engel und Menschen leben, ist es sinnvoll, dass der Himmel an die Menschen angepasst wird, weil Gott keine Anpassung nötig hat. Wir wissen, dass Engel in einer gegenständlichen Welt existieren können, weil sie nicht nur im Himmel, sondern auch in unserer Welt leben. In der Tat nehmen Engel manchmal, vielleicht sogar oft, Menschengestalt an (Hebräer 13,2).
Warum widerstrebt uns der Gedanke, dass der Himmel gegenständlich sein könnte, so sehr? Die Antwort liegt meiner Meinung nach in dem unbiblischen Glauben, dass der geistliche Bereich gut und die materielle Welt schlecht ist, eine Anschauung, die ich Christoplatonismus nenne.
Plato, der griechische Philosoph, glaubte, dass materielle Dinge, einschließlich des menschlichen Körpers und der Erde, schlecht sind, während immaterielle Dinge, wie die Seele und der Himmel, gut sind. Diese Anschauung wird Platonismus genannt. Die christliche Gemeinde, die unter anderem aufgrund der Lehren von Philo (etwa 20 v. Chr.-50 n. Chr.) und Origenes (185-254 n. Chr.) stark vom Platonismus beeinflusst wurde, machte sich die »geistliche« Auffassung zu Eigen, dass es dem menschlichen Geist ohne Körper besser geht und dass der Himmel ein körperloser Zustand ist.
Der Christoplatonismus wirkt sich verheerend aus auf unsere Fähigkeit, zu verstehen was die Bibel über den Himmel sagt, insbesondere über den ewigen Himmel, die neue Erde. Ein gestandener Christ sagte mir einmal: »Der Gedanke, einen Körper zu haben, zu essen und an einem irdischen Ort zu sein …, das klingt einfach so ungeistlich.« Wenn wir, und sei es nur unbewusst, glauben, dass der Körper, die Erde und materielle Dinge ungeistlich, ja sogar schlecht sind, dann werden wir unvermeidlich jede biblische Offenbarung über die leibliche Auferstehung oder die gegenständlichen Eigenschaften der neuen Erde ablehnen oder im übertragenen Sinne deuten. Genau das ist in den meisten christlichen Gemeinden geschehen, und vor allem anderen liegt darin der Grund dafür, dass wir mit einer biblischen Lehre vom Himmel nicht zurechtkommen.
In Hebräer 12,22 lesen wir, dass das neue Jerusalem, das auf die neue Erde heruntergebracht wird, zurzeit im Zwischenhimmel ist. Wenn wir wissen, dass das neue Jerusalem gegenständlich auf der neuen Erde sein wird, und wenn wir auch wissen, dass es sich jetzt im Zwischenhimmel befindet, dann können wir folgern, dass das neue Jerusalem zurzeit ein gegenständlicher Ort ist. Warum sollte es nicht so sein? Wenn wir nicht von der Annahme ausgehen, dass der Himmel nicht gegenständlich sein kann, dann müssen wir uns davon überzeugen lassen, dass er in der Tat gegenständlich ist.
Haben Menschen im Zwischenhimmel einen vorläufigen Körper?
Anders als Gott und die Engel, die ihrem Wesen nach Geist sind (Johannes 4,24; Hebräer 1,14), sind Menschen von Natur aus sowohl Geist als auch Körper (1. Mose 2,7). Gott schuf Adam nicht als Geist und versah ihn dann mit einem Körper. Vielmehr schuf er zunächst einen Körper und blies ihm danach Geist ein. Zu dem, was Seele genannt wird, gehören der Verstand, die Gefühle, der Wille, das Streben nach Zielen und die Fähigkeit zur Anbetung. Es hat den Anschein, dass wir nicht in erster Linie Geister sind, die in Körpern wohnen, sondern dass wir unserem Wesen nach genauso Körper wie Geist sind.
Aufgrund der konsequenten gegenständlichen Beschreibungen des Zwischenhimmels und seiner Bewohner scheint es möglich – obwohl man sich sicher darüber streiten kann –, dass Gott uns zwischen unserem irdischen Leben und der Auferstehung unseres Körpers eine körperliche Gestalt gibt, die es uns ermöglicht, während dieses »unnatürlichen« Zustands des Wartens auf unsere Auferstehung Mensch zu sein. Es wird beschrieben, dass die Märtyrer im Himmel Kleider tragen (Offenbarung 6,9-11). Körperlose Geister tragen keine Kleider. Viele halten die Kleider nur für ein Sinnbild dafür, dass die Märtyrer von der Gerechtigkeit Christi bedeckt werden. Es könnte sich aber auch um wirkliche Kleider mit einer symbolischen Bedeutung handeln.
Wenn die Bewohner des Himmels eine vorübergehende Gestalt bekommen – ich halte das für eine Möglichkeit –, würde dies in keiner Weise die absolute Notwendigkeit oder entscheidende Bedeutung der künftigen Auferstehung unseres Körpers schmälern, wie Paulus mit Nachdruck in 1. Korinther 15,12-32 darlegt. In unserem christlichen Glaubensbekenntnis heißt es, dass der auferstandene Christus jetzt im Himmel wohnt. Wir bekennen, dass sein auferstandener Körper auf der Erde ein leiblicher war und dass dieser selbe leibliche Jesus in den Himmel aufgefahren ist, von dem er eines Tages auf die Erde zurückkehren wird (Apostelgeschichte 1,11). Deshalb scheint unstreitig festzustehen, dass es im jetzigen Himmel mindestens einen leiblichen Körper gibt.
Wenn der Körper von Christus im Zwischenhimmel leibliche Eigenschaften hat, kann man folgern, dass andere im Himmel auch eine leibliche Gestalt haben, auch wenn diese nur vorübergehend ist. Es ist auch logisch, dass andere Aspekte des Zwischenhimmels gegenständliche Eigenschaften haben. Wenn Stephanus zum Beispiel Christus auf der rechten Seite Gottes stehen sieht (Apostelgeschichte 7,56), dann muss er auf etwas stehen.
Die greifbare Gegenwart von Mose und Elia bei der Verklärung (Lukas 9,28-36) scheint zu zeigen, dass Gott manchmal für Menschen einen vorläufigen Körper schafft, in dem sie vor der Auferstehung der Toten wohnen. Die Frage ist, ob alle im Zwischenhimmel einen einstweiligen Körper erhalten.
In seiner Erzählung vom reichen Mann und armen Lazarus in Lukas 16,19-31 schreibt Jesus den Menschen, die gestorben sind, körperliche Eigenschaften zu. Er spricht vom Durst des reichen Mannes, von seiner Zunge und von Lazarus’ Finger. Obwohl es sich hier um bildliche Ausdrücke handeln kann, sollten wir nicht die Möglichkeit abtun, dass hier ein Leben nach dem Tod beschrieben wird, das gegenständlich und greifbar ist.
KAPITEL 7
Wie ist das Leben im Zwischenhimmel?
Als Junge versetzte mich der Gedanke an den Himmel mehr in Schrecken als der Gedanke an die Hölle. Ich stellte mir den Himmel als Ort vor, an dem ständig Sonntag ist, mit unaufhörlichen Gottesdiensten, aus denen es kein Entrinnen gibt.
David Lloyd George
Aus drei Schlüsselversen der Offenbarung können wir viel über den Zwischenhimmel erfahren: »Und als das Lamm das fünfte Siegel brach, sah ich unter dem Altar die Seelen aller, die getötet worden waren, weil sie am Wort Gottes und an ihrem Bekenntnis zu Christus festgehalten hatten. Mit lauter Stimme riefen sie: ›Heiliger und wahrhaftiger Herr, wie lange wird es noch dauern, bis du die Menschen, die dieser Welt angehören, für das Unrecht richtest, das sie uns zugefügt haben?‹ Da wurde jedem von ihnen ein weißes Gewand gegeben. Und es wurde ihnen gesagt, sie sollten noch eine kleine Weile Geduld haben, denn auch unter ihren Brüdern, die wie sie Christus dienten, gibt es noch einige, die zuvor noch für ihren Glauben sterben müssen« (6,9-11).
Zu dieser Stelle möchte ich einundzwanzig kurze Anmerkungen machen:
1. Als diese Menschen auf der Erde starben, kamen sie in den Himmel (V. 9).
2. Diese Menschen im Himmel waren dieselben, die während ihres Lebens auf der Erde für Christus getötet wurden (V. 9). Das weist auf eine lückenlose Übereinstimmung zwischen unserer Identität auf der Erde und unserer Identität im Himmel hin. Die dort im Zwischenhimmel sind keine anderen Menschen – sie sind dieselben Menschen an einem anderen Ort, »vollendete Gerechte« (Hebräer 12,23; Luther).
3. Im Himmel erinnert man sich an das Leben von Menschen auf der Erde. Diese hier waren bekannt als diejenigen, »die getötet worden waren, weil sie am Wort Gottes und an ihrem Bekenntnis zu Christus festgehalten hatten« (V. 9).
4. »Sie riefen« (V. 10) bedeutet, dass sie fähig waren, sich hörbar auszudrücken. Daraus könnte man schließen, dass sie eine körperliche Gestalt hatten, mit Stimmbändern oder anderen konkreten Möglichkeiten, sich vernehmbar zu machen.
5. Menschen im Zwischenhimmel können ihre Stimme erheben (V. 10). Das ist ein Hinweis darauf, dass sie vernunftbegabte, kommunizierende und empfindsame – ja leidenschaftliche – Wesen sind, gerade so wie Menschen auf der Erde.
6. Sie riefen »mit lauter Stimme«, nicht »mit lauten Stimmen«. Dass Personen im Himmel mit einer Stimme sprechen, weist darauf hin, dass der Himmel ein Ort der Eintracht ist, an dem man das gleiche Ziel vor Augen hat.
7. Die Märtyrer sind bei vollem Bewusstsein, vernünftig und nehmen einander, Gott und die Situation auf der Erde wahr.
8. Sie bitten Gott, auf der Erde einzugreifen und in ihrem Namen zu handeln: »Wie lange wird es noch dauern, bis du die Menschen, die dieser Welt angehören, für das Unrecht richtest, das sie uns zugefügt haben?« (V. 10).
9. Wer im Himmel ist, kann Gott Fragen stellen, was bedeutet, dass man bei Gott Gehör findet. Es bedeutet auch, dass man lernen muss. Menschen im Himmel wollen Dinge verstehen und bemühen sich um Wissen.
10. Menschen im Zwischenhimmel wissen, was auf der Erde geschieht (V. 10). Die Märtyrer wissen genug, um zu erkennen, dass diejenigen, die sie getötet haben, noch nicht gerichtet wurden.
11. Den Bewohnern des Himmels liegt viel an Gerechtigkeit und Vergeltung (V. 10). Wenn wir in den Himmel kommen, werden wir nicht teilnahmslos und gleichgültig gegenüber dem, was auf der Erde geschieht. Im Gegenteil, unser Interesse wird leidenschaftlicher und unser Hunger nach Gerechtigkeit größer. Weder Gott noch wir geben uns zufrieden, bis seine Feinde gerichtet, unsere Körper auferstanden, die Sünde und der Satan besiegt, die Erde erneuert und Christus über alles erhöht ist.
12. Die Märtyrer erinnern sich genau an ihr Leben auf der Erde (V. 10). Sie erinnern sich sogar daran, dass sie getötet wurden.
13. Die Märtyrer im Himmel erbitten das Gericht über ihre Verfolger, die immer noch anderen Böses antun. Das lässt darauf schließen, dass die Gläubigen im Himmel die Gläubigen auf der Erde sehen und für sie beten.
14. Wer im Himmel ist, sieht Gottes Eigenschaften (»Herr … heilig und wahrhaftig«) in einer Weise, die das Gericht über die Sünde verständlicher macht.
15. Die Bewohner des Himmels sind Einzelwesen, Individuen: »Da wurde jedem von ihnen ein weißes Gewand gegeben« (V. 11). Die Identität des Einzelnen verschmilzt nicht in einer All-Einheit, in dem die Einzigartigkeit verwischt wird, sondern »jeder von ihnen« bleibt eine Persönlichkeit.
16. Aus der Tatsache, dass die Märtyrer weiße Kleider tragen, könnte man ableiten, dass die Bewohner des Himmels tatsächlich eine körperliche Gestalt haben, denn körperlose Geister tragen vermutlich keine Kleider. Die Kleider können sehr wohl eine symbolische Bedeutung haben, doch das bedeutet nicht, dass sie nicht auch gegenständlich sein können.
17. Gott beantwortet ihre Frage (V. 11), was auf Kommunikation und sich über einen Zeitraum erstreckende Prozesse im Himmel schließen lässt. Es zeigt auch, dass wir im Himmel nicht alles wissen werden – sonst hätten wir keine Fragen. Die Märtyrer wussten, nachdem Gott ihre Frage beantwortet hatte, mehr als zuvor. In dem Himmel, den ich den »jetzigen Himmel« nennen möchte, lernt man etwas.
18. Gott verspricht, die Bitten der Märtyrer zu erfüllen, doch er sagt, »sie sollten noch eine kleine Weile Geduld haben« (V. 11). Wer sich im Zwischenhimmel befindet, lebt in der Erwartung der künftigen Erfüllung von Gottes Versprechen. Im Gegensatz zum ewigen Himmel – wo es auf der neuen Erde keine Sünde, keinen Fluch und kein Leid mehr geben wird (Offenbarung 21,4) – existiert der jetzige Himmel gleichzeitig mit der Erde, die unter der Sünde, dem Fluch und dem Leid steht, und beobachtet sie.
19. Im Zwischenhimmel gibt es Zeit (V. 10-11). Die in weiße Gewänder gekleideten Märtyrer stellen Gott eine Frage, die die Zeit betrifft: »Heiliger und wahrhaftiger Herr, wie lange wird es noch dauern, bis du die Menschen, die dieser Welt angehören, für das Unrecht richtest, das sie uns zugefügt haben?« (V. 10). Sie sind sich bewusst, dass die Zeit vergeht, und warten ungeduldig auf das Kommen des Tages, an dem der Herr Gericht hält. Gott antwortet, dass sie noch »eine kleine Weile« warten müssen, bis bestimmte Ereignisse auf der Welt geschehen sind.
20. Die Kinder Gottes im Himmel haben eine starke familiäre Bindung zu denen auf der Erde, die ihre »Brüder« genannt werden (V. 11). Wir haben denselben Vater, den »Vater von allem, was im Himmel und auf der Erde ist« (Epheser 3,15). Wenn wir einmal im Himmel sind, gehören wir immer noch zur selben Familie wie die, die noch auf der Erde leben. Diese Verse weisen auf eine bedeutungsvolle Verbindung zwischen den Ereignissen und den Menschen im Himmel und den Ereignissen und den Menschen auf der Erde hin.
21. Unser großer Gott weiß bis in die letzten Einzelheiten hinein alles, was auf der Erde geschieht und geschehen wird (V. 11); er weiß von jedem Tropfen Blut, der vergossen wurde, und von jedem Leid und Kummer, unter dem seine Kinder gelitten haben. Voice of the Martyrs schätzt, dass jedes Jahr über 150.000 Menschen für Christus sterben, im Durchschnitt jeden Tag mehr als vierhundert. Gott kennt den Namen und die Geschichte von jedem einzelnen. Er weiß genau, wie viele Märtyrer es geben wird, und er ist bereit, zurückzukommen und sein Reich zu errichten, wenn der letzte Märtyrer stirbt.
Was ich hier über den Zwischenhimmel gesagt habe, basiert auf nur drei Bibelversen. Wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass sich diese Erkenntnisse nur auf eine einzige Gruppe von Märtyrern und auf niemanden sonst im Himmel beziehen – und dafür sehe ich keine Anhaltspunkte –, dann müssen wir annehmen, dass das, was auf sie zutrifft, auch auf unsere Angehörigen und Freunde zutrifft, die bereits dort sind, und dass sie auch für uns gelten werden, wenn wir sterben.
Erinnern sich die Bewohner des Himmels an ihr Leben auf der Erde?
Wie wir gesehen haben, erinnern sich die in Offenbarung 6 beschriebenen Märtyrer zumindest an einige Dinge, die auf der Erde geschehen sind, unter anderem daran, dass sie viel gelitten haben. Wenn sie sich an ihren Märtyrertod erinnern können, besteht kein Grund zur Annahme, dass sie andere Belange ihres Lebens auf der Erde vergessen. Tatsächlich werden wir uns alle vermutlich im Himmel an mehr Dinge erinnern als auf der Erde, und wir werden wahrscheinlich sehen können, wie Gott und die Engel für uns eingetreten sind, ohne dass wir es gemerkt haben.
Wer auf der Erde Schlimmes durchgemacht hat, wird im Himmel getröstet (Lukas 16,25). Zu diesem Trost gehört die Erinnerung an das, was geschehen ist. Wieso bräuchte man Trost oder wie würde dieser Trost aussehen, wenn es keine Erinnerung an schlimme Dinge gäbe?
Nach unserem Tod müssen wir über unser Leben auf der Erde Rechenschaft ablegen, bis hin zu konkreten Taten und Worten (2. Korinther 5,10; Matthäus 12,36). Selbstverständlich müssen wir uns an die Dinge erinnern, über die wir Rechenschaft ablegen.
Die Lehre von der ewigen Belohnung gründet sich auf konkrete Taten der Treue, die auf der Erde ausgeführt wurden und die im Gericht über die Gläubigen bestehen und mit in den Himmel gebracht werden (1. Korinther 3,14). Im Himmel liegt das Hochzeitskleid der Braut für die »guten Taten der Menschen, die zu Gott gehören«, bereit (Offenbarung 19,7-8). Unsere guten Taten auf der Erde werden nicht vergessen, sondern »folgen« uns in den Himmel nach (Offenbarung 14,13). Die erhabene Stellung und die Schätze, die wir im Himmel erhalten, werden uns immer an unser Leben auf der Erde erinnern, denn wir haben diese Belohnungen aufgrund unserer Taten auf der Erde verdient (Matthäus 6,19-21; 19,21; Lukas 12,33; 19,17-19; 1. Timotheus 6,19; Offenbarung 2,26-28).
Gott führt im Himmel Buch über das, was die Menschen auf der Erde tun, sowohl Ungläubige, als auch Gläubige.
Die Erinnerung ist ein grundlegender Bestandteil der Persönlichkeit. Wenn wir im Himmel wirklich wir selbst sind, dann muss das Erinnerungsvermögen für Dinge auf der Erde im Himmel weiterbestehen. Wir werden keine anderen Menschen sein, sondern dieselben Menschen, die auf wunderbare Weise an einen anderen Ort gebracht und verwandelt wurden.
Sehen Menschen im Zwischenhimmel, was auf der Erde geschieht?
Wenn die Märtyrer im Himmel wissen, dass Gott ihre Verfolger noch nicht gerichtet hat (Offenbarung 6,9-11), scheint es auf der Hand zu liegen, dass die Bewohner des Zwischenhimmels teilweise sehen können, was auf der Erde geschieht. Nach dem Fall der Stadt Babylon zeigt ein Engel auf die Ereignisse, die auf der Erde geschehen, und ruft: »Aber du, Himmel, freue dich über ihr Schicksal! Und alle, die ihr zu Gott gehört, und ihr Apostel und ihr Propheten sollt euch freuen, denn Gott hat sie um euretwillen gerichtet« (Offenbarung 18,20). Dass der Engel sich insbesondere an Menschen richtet, die im Himmel wohnen, zeigt, dass sie wissen, was auf der Erde geschieht.
Wenn die Kinder Gottes mit Christus zurückkehren, um sein Tausendjähriges Reich zu errichten (Offenbarung 19,11-14), ist kaum vorstellbar, dass sie nicht wissen, dass der Höhepunkt der Menschheitsgeschichte auf der Erde stattfindet. Schließlich sind Gott, seine Engel und die Gläubigen selbst im Begriff, zur letzten Schlacht in der Geschichte des Universums zurückzukehren, an deren Ende Christus als König gekrönt wird.
Im Alten Testament lesen wir, wie König Saul sich unrechtmäßig an die Hexe von En-Dor wandte und sie bat, Samuel aus dem Jenseits zurückzurufen; das Medium erschrak zutiefst, als Gott tatsächlich Samuel schickte. Interessanterweise erinnerte sich Samuel an das, was Saul getan hatte, bevor Samuel starb, und er wusste auch, was geschehen war, nachdem er gestorben war (1. Samuel 28,16-19). Gott hätte Samuel einen kurzen Bericht über all das geben können, doch wahrscheinlicher ist, dass der Prophet einfach deshalb alles wusste, weil die Menschen im Himmel wissen, was auf der Erde geschieht.
In Hebräer 12,1 werden wir aufgefordert, »den Wettlauf bis zum Ende durchzuhalten, für den wir bestimmt sind«. Diese Aufforderung beschwört vor unserem inneren Auge das Bild der griechischen Wettkämpfe herauf, die von Menschenmengen, die hoch oben auf den Rängen der alten Stadien saßen, begierig verfolgt wurden. Die »Wolke von Zeugen« (Luther) bezieht sich auf Gläubige, die vor uns gegangen sind und deren Leistungen auf dem Spielfeld des Lebens jetzt Teil unserer reichen Geschichte sind. Auch wenn manche einwenden, dass sich das Wort Zeugen auf deren treuen Dienst für Gott bezieht und nicht darauf, dass sie uns beobachten, zeigen andere Stellen der Bibel eindeutig, dass man im Himmel weiß, was auf der Erde vor sich geht.
Im Himmel beobachtet Christus genau, was sich auf der Erde ereignet, besonders im Leben der Kinder Gottes (Offenbarung 2-3). Wenn Gott, der Herr, seine Aufmerksamkeit der Erde schenkt, warum sollte dann die Aufmerksamkeit seiner Untertanen im Himmel nicht auch auf die Erde gelenkt sein? Wenn ein großer Krieg ausbricht, sind dann die in der Heimat nicht darüber informiert?
Die Engel haben Christus auf der Erde gesehen (1. Timotheus 3,16). Es gibt auch deutliche Hinweise darauf, dass die Engel wissen, was auf der Erde geschieht (1. Korinther 4,9; 1. Timotheus 5,21). Wenn die Engel es wissen, warum dann nicht die Gläubigen? Ich denke, die Kinder Gottes im Himmel haben ein genauso wichtiges und rechtmäßiges Interesse an den geistlichen Ereignissen auf der Erde wie die Engel.
Abraham und Lazarus sahen den reichen Mann in der Hölle (Lukas 16,23-26). Wenn es zumindest in einigen Fällen möglich ist, die Hölle vom Himmel aus zu sehen, warum sollten die Menschen dann die Erde nicht vom Himmel aus sehen können?
Christus sagte: »Genauso ist im Himmel die Freude über einen verlorenen Sünder, der zu Gott zurückkehrt, größer als über neunundneunzig andere, die gerecht sind und gar nicht erst vom Weg abirrten« (Lukas 15,7). Genauso »wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut« (Lukas 15,10; Luther). Achten Sie darauf, dass hier nicht steht, dass die Engel sich freuen, sondern dass Freude vor den Engeln sein wird. Wer freut sich im Himmel? Logischerweise glaube ich, dass nicht nur Gott sich freut, sondern auch die Gläubigen im Himmel, die das Wunder der Bekehrung eines Menschen am besten zu würdigen wissen – besonders die Bekehrung der Menschen, die sie auf der Erde kannten und liebten.
Beten die Menschen im Himmel für Menschen auf der Erde?
Aufgrund von biblischen Aussagen glaube ich, dass verstorbene Christen, die sich zurzeit im Zwischenhimmel aufhalten – zumindest zeitweilig –, für Menschen, die noch auf der Erde leben, beten.
Christus, Gottmensch, sitzt im Himmel auf dem Ehrenplatz zur rechten Seite Gottes und tritt für uns Menschen auf der Erde ein (Römer 8,34), woraus wir schließen können, dass zumindest eine Person, die gestorben und in den Himmel gekommen ist, jetzt für die Menschen auf der Erde betet. Die Märtyrer im Himmel beten ebenfalls zu Gott (Offenbarung 6,10) und bitten ihn um konkretes Eingreifen auf der Erde. Das Gefühl der Verbundenheit und Treue zum Leib Christi – und das Mitempfinden mit den Gläubigen auf der Erde – ist wahrscheinlich im Himmel verstärkt und nicht vermindert (Epheser 3,15).
Wenn Gebet einfach das Gespräch mit Gott ist, dann werden wir im Himmel vermutlich mehr – und nicht weniger – beten als jetzt. Und da wir im Himmel gerecht sind, werden unsere Gebete wirksamer als je zuvor sein (Jakobus 5,16). Offenbarung 5,8 spricht von den »Gebeten derer, die zu Gott gehören«, in einem Zusammenhang, dem man entnehmen kann, dass damit auch die Gläubigen im Himmel, nicht nur die auf der Erde, gemeint sind.
Kann es der Himmel sein, wenn Menschen etwas Schlimmes auf der Erde sehen?
In vielen Büchern über den Himmel wird behauptet, dass Menschen im Himmel nichts von Menschen und Ereignissen auf der Erde wissen können, denn sie würden wegen all des Leides und des Bösen unglücklich sein; der Himmel wäre dann nicht der Himmel.
Ich halte dieses Argument nicht für stichhaltig, schließlich weiß Gott genau, was auf der Erde geschieht, doch das beeinträchtigt den Himmel für ihn nicht. Genauso nicht für die Engel, obwohl auch sie wissen, was auf der Erde geschieht. Abraham und Lazarus sahen die Qualen des reichen Mannes in der Hölle, doch dadurch hörte das Paradies nicht auf, das Paradies zu sein (Lukas 16,23-26).
Das Glück im Himmel gründet sich nicht auf Unwissen, sondern auf den Blick, der auf Gott gerichtet ist.