Читать книгу Ohne dich ist's schon viel besser - Raphael Buchrucker - Страница 3

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Zu Hause angekommen, schloss Laura erst einmal die Türe hinter sich, setzte sich auf‘s Sofa und holte tief Luft.

Nach einer Weile stand sie wieder auf, ging zum Schrank, holte sich ein Glas heraus, füllte es unter dem Wasserhahn und trank es gierig in einem Zug. Langsam kam wieder Leben in sie und ihre Gedanken begannen, sich wieder zu regen, um das heute Geschehene zu bewegen. Julian hatte also eine Andere und das schon seit fünf Monaten. Wieso hatte sie das nicht bemerkt? Hatte er ihr etwas gut vorgespielt oder hatte sie einfach die kleinen Anzeichen, die doch da gewesen sein mussten, übersehen? Und wenn ja, wieso? War sie unsensibel geworden oder hatte sie einfach in ihren Träumen gelebt und die Realität nicht sehen wollen? Oder - und jetzt wurden ihr fast übel, hatte sie von Anfang an nur das sehen wollen, was ihren Vorstellungen entsprach von einer perfekten Beziehung? Und hatte sie dabei ganz viele Teile der Realität großzügig unterschlagen? Eine leise unangenehme Ahnung stieg in ihr auf, dass dies wohl vieles erklären würde und plötzlich wünschte sie sich eine ihrer Bekannten zu sein, welche die Schuld immer im Außen und bei den Anderen suchten und nie bei sich selbst. Leider hatte ihr das Psychologie Studium diese Art von selbstgerechter Unreflektiertheit genommen, sodass sie immer auch ihren eigenen Anteil, der zu einer Situation geführt hatte, erkennen wollte. Ja, das wollte sie und sie wusste, dass sie dies auch um ihretwillen tat, denn jedes Mal erkannte sie dann Dinge über sich, die sie auch näher zu sich selbst brachten.

Trotzdem, in diesem Moment wünschte sie sich auch ein kleines bisschen weniger wahrhaftig zu sein und einfach schmollend und voller Selbstmitleid, zu Recht ganz enttäuscht und wütend auf Julian sein zu können. Und dann könnte sie sich gleich dem nächsten an den Hals werfen und dieselben Fehler genussvoll noch einmal machen. Schade dachte sie, dabei wäre da doch gleich schon ein potentieller neuer Typ gewesen. Und er hatte in ihren Augen nicht nur ein tolles Äußeres, sondern offensichtlich auch mehr Geld als Julian, was sie zwar nicht glücklich machen würde, aber zumindest Julian gekränkt hätte, das wusste sie. Jetzt unterbrach sie sich ein bisschen ungehalten in diesem Gedanken- und Gefühlstreiben, füllte sich noch ein Glas Wasser und trank ein paar Schlucke. Dann begann sie liebevoll, jedoch mit so viel Ehrlichkeit ihr selbst gegenüber wie sie nur konnte herauszufinden was wirklich geschehen war, dass sie sich heute in dieser Situation wiedergefunden hatte. Und außerdem wollte sie auch herausfinden was sie sich unbedingt von einer Beziehung wünschte und auf was sie auch verzichten könnte.

Johannes errötete innerlich bei seinem etwas zu schnellen Start und hoffte, dass sie diesen beinahe hastigen Abgang nicht als Geringschätzung auffasste. Irgendwie fühlte es sich jedoch nicht so an und das beruhigte ihn etwas.

Nun beschäftigten sich seine Gedanken einen Augenblick damit, wie er seinem Vater so von der Delle in seinem 112er berichten könnte, dass dieser sich nur über Johannes Unbekümmertheit aufregen und nicht seine heimliche Freude darüber bemerken würde. Schnell kehrten seine Gedanken jedoch zurück zu Laura und seine Gefühle machten einen Satz vor Freude und Aufregung. Am liebsten würde er die nächsten Stunden und den Anfang des nächsten Tages überspringen, denn am Nachmittag würde er zu ihr in die Praxis fahren. Ja und dann? Dies galt es jetzt genau zu überlegen, denn das sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass er sie treffen würde, so hoffte er. Ihre Ausstrahlung, ihre Erscheinung und besonders ihre Stimme, ließen in ihm zarte Gefühle der Hoffnung entstehen, die aber so machtvoll waren, dass er ihnen nachgehen musste.

Er würde sie einfach ganz direkt fragen, ob er sie auf einen Kaffee einladen durfte. Nein, was wenn sie ablehnen würde, dann hätte alles ein schnelles Ende ohne eine zweite Gelegenheit. Er brauchte eine bessere Idee, die ihm ein zweites Treffen garantierte. Aber was wenn sie ihn total unsympathisch fand und auf keinen Fall länger als notwendig sehen wollte? Ach, nicht schon wieder diese Angst und Bedenkenträger dachte er, die ewig das Leben verhindern und auf Sicherheit pochen, anstelle sich dem Leben mit mutigem Herzen zu stellen und das maximal mögliche zu versuchen. Also wie sollte er es nun anstellen? Gerade hatte er jedoch keine Idee und er war auch schon fast da. Ihm würde schon noch etwas Gutes einfallen sagte er sich und bog von der Hauptstraße, die gleich an die Küste entlang führte in die gleichnamige steile Bergstraße ab, für die es sicher auch einen kreativeren Namen gegeben hätte. Z.B. ‚Unter den Pinien’ oder einen der Namen der berühmten Vorfahren der Familienbesitztümer in dieser Straße. Denn hier standen einige Anwesen bedeutender Familien. Seine eigene war dabei eher unbedeutend und hatte weder durch geniale Erfindungen, noch politisch bedeutende Taten viel Geld gemacht. Sein Großvater mütterlicherseits hatte einen kleinen Laden mit allerlei Esswaren, jedoch spezialisiert auf die Küstenfische von hier, von seinem Vater geerbt und daraus ein Handelsimperium geschaffen. Sie verkauften bzw. handelten irgendwann mit fast allem, was viel Gewinn erbrachte. Damals war ja alles noch viel weniger vernetzt und man konnte gut Geld mit seltenen Gütern, die nicht so einfach zu bekommen waren, machen. Die Logistik für so ein Unternehmen war enorm und daher entwickelte sich gerade in diesem Sektor eine große Expertise. Und als schließlich ein Punkt erreicht war, an welchem alles auf Grund seiner Größe zu zerfallen drohte, wurden einzelne Firmen daraus gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war auch schon Johannes Vater in die Familie gekommen und da seine Stärke im Lenken und überblicken von Finanzströmen lag, wurde erst eine Bank gegründet und bald danach sogar eine zweite, die sich auf Währungstransfers spezialisierte. Als Großvater dann nach und nach weniger arbeiten wollte, wurden die meisten der inzwischen eigenständigen Firmen verkauft und lediglich die beiden Banken, sowie der Logistikkonzern blieben im aktiven Familienbesitz. Inzwischen leitete sein Vater die beiden Banken alleine und Großvater und Vater hatten nur noch einen Posten im Aufsichtsrat der Logistik Firma, den sie sich teilten.

Seit ein paar Jahren also hatte Großvater viel freie Zeit zur Verfügung und diese verbrachte er anfangs viel mit Großmutter auf Reisen. Doch als Chef eines großen Logistikunternehmens und anderer Handelsfirmen hatte er schon zuvor viel gesehen und Großmutter war oft mit ihm oder wegen ihrer Konzerte gereist. Außerdem wollte sich Großmutter wieder mehr der Jugend- Musikförderung widmen und auch ihr eigenes Musizieren aktiver betreiben.

Nachdem sie als Fagottistin in und nach ihrem Studium viele Preise und Auszeichnungen gewonnen hatte, bekam sie die Möglichkeit in einem renommierten Orchester, dem hiesigen Philharmonie Orchester, zu spielen. In ihrem Vertrag handelte sie aus, dass sie bei Stücken, in welchen dem Fagott eine Nebenrolle zukam, nur zu den Haupt- und Generalproben erscheinen durfte, weshalb sie mit Großvater auch viel auf Dienstreisen gehen konnte. Nun unterstützte sie talentierte Fagottisten mit einer Organisation, die sie selbst aus Spendengeldern, vornehmlich aus Großvaters Firmen gegründet hatte. Und weil sie sich in der Musik weiterbilden wollte, hatte sie schon vor vielen Jahren wieder mit dem Klavier spielen angefangen und konnte daher nun oft junge Fagottisten mit der Orchesterversion begleiten, was ihr riesige Freude bereitete.

Großvater ging in dieser Zeit in den Garten, um sich seinem Gärtner- Hobby zu widmen. Bis vor fünf Jahren hatte ihm das auch genügt. Doch dann hatte er aus seinem Umfeld, in welchem er schon seit langem philosophisch aktiv war, Anregungen erhalten, die er mit diesen Freunden gemeinsam in einer kleinen ganzheitlichen Biologisch Dynamischen Landwirtschaft umsetzten wollte. Und in diesem Zusammenhang waren sie auch neulich gemeinsam in dem Vortrag gewesen, der Johannes so hatte aufhorchen lassen. Es war um einige ganzheitliche Betrachtungen des Lebens in Bezug auf die menschliche, Gesundheit, aber auch der Natur gegangen. Und welche Ansätze in der Landwirtschaft helfen konnten, die Gesundheit auf allen Ebenen zu erhalten und sogar zu fördern.

Wie von selbst fuhr er in die Auffahrt zum Familienanwesen hinauf und wurde dadurch aus seinen Gedanken gerissen. Und wieder bemerkte er den Unwillen in sich aufkommen, zu diesem Geburtstagsfest seiner Tante erscheinen zu müssen. Doch er hatte es Mama und Papa versprochen und nur weil die Schwester seines Vaters nicht so mit Geld umging, wie er es für angemessen hielt - sie war die einzige, die in der Familie eine Luxusmotorjacht unterhielt - war sie im Grunde doch eine nette und liebenswerte Person. Doch irgendwie hatte er manchmal das Gefühl der Pubertät noch immer nicht so ganz entwachsen zu sein. Darum hatte er als Geschenk für sie auch das Buch ‚Leben im Jetzt’ von Eckhart Tolle besorgt, um ihr die Gedanken der Befreiung von materiellen Gütern etwas näher zu bringen. Naja, er mochte sie ja, aber solche kleinen Sticheleien konnte er sich einfach nicht verkneifen. Er parkte hinter dem Mini seiner Schwester, sie war also auch gerade angekommen. Dann ging erst mal um das Haus herum, in der Hoffnung, Großvater im Garten anzutreffen. Bis zum offiziellen Beginn hatte er noch eine viertel Stunde und die wollte er gerne draußen verbringen.

Er lehnte sich an das Steingeländer und ließ seinen Blick über das Meer und die schöne Bucht gleiten und schließlich in die Ferne und freute sich auf das morgige Wiedersehen mit Laura. Lina, seine Schwester, stupste ihn von der Seite an, grinste und fragte, ob er noch wichtige Chemierätsel löse. Heute nicht mehr, antwortete er und freute sich, sie zu sehen. Großvater tauchte auf und sie gingen gemeinsam noch einige Stellen im Garten besichtigen, die Großvater erst kürzlich umgestaltet hatte.

Die Geburtstagsparty startete mit den üblichen Reden und Toasten und wurde dann noch ganz nett. Er war eben doch ein Familienmensch. Besonders genoss er die Nähe seiner Eltern und Schwester, als sie für eine kurze Weile eine schön zusammengestellte Couch- Garnitur in Beschlag nahmen. Sie plauderten viel über ihren gemeinsamen Segelturn im letzten Jahr. Plötzlich kündigte Johannes Vater Thomas an, er wolle dieses Jahr wieder 10 Tage mit allen segeln gehen und fragte mit bittendem Blick, ob sie sich dafür Zeit nehmen würden. Lina verhandelte sofort, dass ihr Freund Mario auch mitkommen durfte. Und Johannes wollte wissen, wann die Reise stattfinden solle. Thomas, wie immer sehr beschäftigt, hatte es geschafft, sich 10 Tage um Pfingsten herum frei zu nehmen. Er sagte, er wolle diesmal durch die Ägäis oder um die kanarischen Inseln segeln und fragte, was ihnen lieber sei. Lina antwortete: „Ganz klar Bermudas!“, und Johannes fragte, was Margarethe, seine Mutter, dazu denke? Die plädierte zu seiner Überraschung für die Kanaren, denn Thomas und sie waren bevor ihre Kinder geboren waren viel in der Ägäis gesegelt und sie wollte gerne neues entdecken. Johannes war es egal und Lina im Prinzip auch. Damit war die Sache fast schon entschieden und weil sich nun andere Gäste zu ihnen gesellten war das Thema für diesen Abend beendet.

Johannes quatschte noch mit seiner Lieblingscousine Vanni und vielen weiteren Gästen, überreichte Tante Yvonne ihr Buch-Geschenk und verabschiedete sich gegen 23 Uhr, mit der Begründung, dass er am nächsten Morgen ja früh raus müsse.

Ohne dich ist's schon viel besser

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