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Die folgenden Tage war Johannes extrem eingespannt. Verifikationstests von gleich fünf Lebensmittelgruppen liefen parallel. Außerdem hatte er versprochen die Einleitung seiner Doktorarbeit fertig zu schreiben. Denn Prof. Kingston und er wollten auf der Konferenz im Oktober zur Lebensmittelsicherheit in Vancouver einen Überblicksvortrag zur Lebensmittelherkunftsanalyse geben. Doch vorher mussten sie ihre Ideen in einem Review Paper publizieren, sonst war die Gefahr, dass ihnen jemand zuvor kam, zu groß. Dafür war die Zeit jedoch wirklich knapp bemessen und deshalb verbrachte er die folgenden Tage von morgens halb acht bis abends um neun in der Uni vor Schreibtisch und Laborgeräten. Zuhause schrieb er dann noch weiter, korrigierte oder formatierte die Einleitung. Wenn er dann ins Bett fiel dachte er mit Sehnsucht daran, dass er Laura endlich wieder sehen wollte. Und dies spornte ihn dazu an am nächsten Morgen weiter diszipliniert zu arbeiten, denn erst wenn die Einleitung zur Korrektur abgegeben war konnte er wieder so entspannt sein, dass er sich traute Laura zu begegnen. So war Laura das erste und letzte an das er in diesen Tagen dachte.

Und nachdem er fast anderthalb Wochen auf diese Art gelebt, oder besser gesagt gearbeitet hatte, konnte er Samstagabend endlich auf senden drücken und die erste Rohfassung der Einleitung an Prof. Kingston schicken. Er sah auf die Uhr. Die Zeiger zeigten zehn vor elf. Es war dunkel draußen und regnete. Trotzdem hatte er das dringende Bedürfnis mal wieder etwas frische Luft zu schnappen und sich zu bewegen. Gleichzeitig hätte er am liebsten sofort Laura angerufen und sich mit ihr getroffen. Doch war er weder in einem besonders guten Zustand dafür, noch hatte er ihre private Nummer. Ihm wurde klar, dass er wohl oder übel noch bis Montag warten musste bevor er sie überhaupt im Büro erreichen konnte. Diese Klarheit zerrte nun noch zusätzlich an seinem abgearbeiteten Zustand.

Vor dem Haus angekommen, atmete er tief die regenfrische Luft ein und beschloss zum Strandhaus der Familie zu fahren, dort zu übernachten und den Sonntag über am Strand zu regenerieren.

Und überhaupt, selbst wenn er Lauras private Handynummer gehabt hätte, es wäre sicher keine besonders gute Idee, sie jetzt aus heiterem Himmel anzurufen oder eine SMS zu schreiben. Er wischte die Gedanken fort und überlegte stattdessen, was er für den Strandtag brauchen würde. Er packte schnell seine sieben Sachen zusammen und fuhr, alle Fenster weit geöffnet durch die ruhige Nacht zum Strandhaus. Im gemütlich weichen Bett fiel er alsbald in einen tiefen, erholsamen Schlaf.

Als er wieder erwachte, war es schon hell draußen und die Sonne strahlte eine milde morgendliche Wärme über den Sand. Er hörte die zarten Wellen, die sachte am Strand aufliefen, auf den nassen Sand fielen und schließlich leise wieder ins Meer zurück glitten. Er öffnete das Fenster und genoss die frische Luft, die zu ihm herein strömte. Tellergeklapper ließ ihn aufhorchen. Schnell streifte er sich einen Pullover über und ging die Wendeltreppe ins Wohnzimmer hinunter.

„Mama“, sagte er ganz erstaunt.

„Guten Morgen Johannes. Na wieder unter den Lebenden?“, begrüßte Margarethe ihn mit ihrer typischen Mischung aus trockenem Humor und liebender Wärme für ihre Kinder. „Ja, hab endlich den Entwurf meiner Einleitung fertig.“

„Dann setz dich, ich mache dir ein Rührei.“

„Oh wie toll“, antwortete er und setzte sich an den langen hellen Holztisch. Der Wind wehte leicht zu ihnen herein und er erzählte seiner Mama von den Laboruntersuchungen und dem neuesten Klatsch und Tratsch aus der Uni. Dann erkundigte er sich, wie es ihr ging und was ihre Schüler machten. Ganz begeistert erzählte sie wie sie Fortschritte machten und fragte, ob er nicht Lust hätte in zweieinhalb Wochen zum nächsten Schülervorspiel zu kommen. „Klar, gerne“, sagte er und freute sich, mal wieder etwas Zeit mit ihr zu verbringen. Dann sprachen sie noch über Lina und ihr Literaturstudium und dass Mama ihren Freund Mario bisher schwierig einzuschätzen vermochte. Schließlich landeten sie beim Thema Urlaub und dem bevorstehenden Segelturn. Da es ihr Wunsch gewesen war, zwischen den Kanaren segeln zu gehen, hatte sie sich schon ins Zeug gelegt und Informationen über schöne Stellen, Häfen und Sehenswürdigkeiten gesammelt. Deshalb wusste sie schon, dass sie auf jeden Fall Lanzarote, Teneriffa, La Palma und La Gomorra sehen wollte. Überall gab es Besonderheiten der Natur zu bewundern und Mama hörte sich so begeistert an, wie schon lange nicht mehr vor einem Familien Urlaub.

Nach dem Frühstück räumten sie gemeinsam den Tisch ab und gingen noch eine Weile zusammen am Strand spazieren. Als Margarethe dann zurück wollte, um ihre Woche vorzubereiten, wanderte er weiter durch die Dünen und am Strand entlang. Nach einigen Stunden, so viel Zeit musste wohl schon vergangen sein, kehrte er zurück und fühlte sich zwar ein bisschen erschöpft vom Spaziergang, jedoch innerlich frisch und aufgetankt mit Natur und Ruhe.

Im Strandhaus waren Lina und ihr Freund Mario mit Mama im Gespräch über den Segelurlaub und er erhaschte die Wortfezen: „...darauf hätte ich Lust, bitte, bitte Mama das sollen wir machen.“

Er sah Lina und wie ihr Körper vor Begeisterung energiegeladen wurde und wusste sofort, dass es um eine Wandertour, nein, sicher sogar um eine Bergtour ging.

Johannes ging duschen und als er wieder runter ins Wohnzimmer kam hatten Mario und Lina schon begonnen ein Abendessen zu zaubern.

„Kann ich was helfen?“

„Du könntest noch Zwiebeln schneiden.“

„Natürlich“, antwortete er Lina mit einem Augenzwinkern und anschließender Heulgrimasse und holte Brett und Messer hervor und begann zu schneiden.

„Na Mario, wie läuft’s im Studium“, fragte er.

„Och joa“, antwortete der, mit einem vielsagenden Grinsen. „Habe gerade stressige Seminararbeiten zu machen.“

„Worum geht's?“

„Z.B. um das Thema Mensch und Maschine und wahrscheinliche Entwicklungen in den nächsten 50 Jahren.“

„Kann man das schon so voraussehen?“

„Johannes“, nölte Lina „lass Mario doch mal abschalten. Lass uns lieber mal überlegen was wir heute Abend noch machen.“

„Ok, dann reden wir einfach ein Andermal, das Thema finde ich echt interessant.“ Und zu Lina gewandt: „Auf was hättest du denn Lust? Carcassonne spielen oder Siedler?“ „Aber nur wenn die Anderen auch mitspielen.“

Margarethe und Mario nickten zustimmend und damit war der Abend Plan entschieden.

„Wo ist eigentlich Papa?“, erkundigte sich Johannes.

„Der wollte auch kommen“, antwortete Margarethe, „in 10 Minuten müsste er hier sein.“

Wow, voll der Familienabend, dachte er sich und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.

„Na, weinst du schon vor Rührung?“, stichelte Lina.

„Ja, besonders darüber, wie gut ich Zwiebeln schneiden kann.“ Arroganz konnte Lina gar nicht vertragen und es machte Freude, sich mit ihr zu kabbeln.

Thomas kam herein und rief freudig:

„Hallo Familie.“

„Gutes Timing!“, sagte Margarethe und gab ihm einen langen Kuss. Das Essen war fertig und alle setzten sich an den Tisch. Sie erzählten, was gerade so los war in ihrem Leben. Laura verschwieg er. Johannes ließ sich ganz in den Familienabend fallen und für ein paar Stunden war er wieder ganz Kind, das beim Spielen gewinnen wollte und seine Eltern gerne in der Nähe wusste. Sie ließen den Abend mit einer gemütlichen Gesprächsrunde auf dem Sofa ausklingen und besprachen noch einige Ideen zum Segelurlaub. Dann gingen Lina und Mario auf ihr Zimmer und Margarethe und Thomas unternahmen noch einen kleinen Strandspaziergang in der Nacht. Jetzt saß er alleine auf dem Sofa, sehnte sich und dachte dabei an Laura.

Ohne dich ist's schon viel besser

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