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11. Blut

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Nackt hatte mich auch mein Herr nicht gesehen. Julianus, er sah nicht sehr oft vorbei, immer erst bei Einbruch der Dämmerung, wenn meine Herrin sich wer weiß wo herumtrieb und noch nicht von dort zurückgekehrt war. Er warf mich aufs Bett, beim ersten Mal begriff ich gar nicht, was jetzt kommen würde, er knetete mich nur, Blut, immer mehr Blut, ich dachte schon, das würde nie mehr aufhören; der Herr wand sich, das Tier, soll er doch verrecken, später hörte ich auf zu denken, lag mit geballten Fäusten da, weinte lautlos und ohne Tränen, biss mir die Lippen wund, jedes Mal, das hörte nicht auf, wie sehr ich mich auch immer an die ganze Abscheulichkeit gewöhnt hatte.

Doch eines Tages, gegen Abend, ich sah mich nach meiner Herrin um, sie konnte nach Hause kommen, sie hatte mich wie immer geheißen, sie an der Tür abzuholen, ich schlurfte herum und wartete, ließ Kieselsteine durch die Luft fliegen, neckte die Hunde – jemand packte mich an den Haaren, schon wieder an diesen verfluchten Locken, nicht umsonst hasste ich sie so sehr, packte mich und hob mich auf einen Wagen. Ich schrie nicht, ich hatte mir schon vor langer Zeit abgewöhnt zu schreien, um Hilfe zu bitten oder zu beten, ich wusste, es würde so kommen, wie es kommen musste, nichts zu machen, nichts zu erflehen, du musst nehmen, was du bekommst. »Du wirst meine Glesum sein«, sagte er, was soll’s, ich bin schon ganz anderes gewesen.

Dieser Mann, Gondas, brachte mich wieder in einem Wagen weg, ohne Gitter, wie einen Menschen, wie seine ermatteten Krieger, die längste Zeit wusste ich nicht, wohin, vielleicht ja nach Hause, ihre Sprache ähnelte der unseren sehr, und sie sahen auch aus wie unsere Männer mit ihren Wildschweinamuletten auf der Brust. Ich schwieg, als hätte man mir den Mund gestopft; es ist stets besser zu schweigen, bis man weiß, was auf einen zukommt, und es kommt, wie es kommt, meist schlecht, also schwieg ich. Der Wagen rüttelte und schüttelte wieder, Holzräder, aber wenigstens lagen auf dem Boden ein wenig Stroh und Pelze. Wir fuhren erneut sehr lange, die Sonne ging auf und unter, immer wieder, er fütterte mich wie eine Prinzessin, rührte mich selbst nicht an, die Krieger hielten überhaupt großen Abstand. Als ich völlig durchgerüttelt war und mich ausgekotzt hatte vor lauter Schaukeln, erlaubte man mir auszusteigen. Ich fühlte mich wirklich wie zu Hause – die Bäume und Häuser und Menschen wie bei uns, sie sahen mich nur böse an, als wäre ich freiwillig hier, als wäre ich zu Besuch, wo mich niemand wollte, alle sahen in mir so etwas wie ein Scheusal, ein von der Göttermutter gesandtes Ungemach. Nur Gondas nicht, obwohl er dem Alter nach hätte mein Vater sein können, noch schön und stark, ich sah, dass er gut zu mir wäre.

Er kam zu mir, als er mir ein Haus gebaut hatte, ziemlich weit weg von den anderen, nur für mich, und obwohl auch er ein Tier war, hatte sein Blick einen anderen Ausdruck, irgendwie sanft, und auch die Hände waren sanft, er gab sich Mühe, mich nicht zu verletzen. Er fand mich nicht hässlich, streichelte immer wieder mein Haar und sagte: »Du bist meine Glesum.« Schon gut, ich werde sein, was du willst, habe ich denn eine Wahl?

Kleines Bernstein

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