Читать книгу Das Lächeln des Sisyphos - Ray Müller - Страница 5
ОглавлениеVorwort
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Biergarten. Die Sonne scheint, es ist ein idyllischer Tag unter weiß-blauem Himmel. Plötzlich fällt ihr Blick auf das Bierglas. Hektisch schwimmt eine Fliege auf der hellen Flüssigkeit. Für das Insekt eine Situation von Leben und Tod. Wird ihr Finger sie retten? Nach ein paar Sekunden treffen Sie eine Entscheidung.
Erschöpft krabbelt die Fliege noch kurz über ihre Fingerspitze, dann fliegt sie weg.
Wohin? In die Freiheit.
In solchen Momenten können uns eigenartige Gedanken kommen. Ist unser Leben nicht manchmal ähnlich? Auch wir strampeln uns ab, um den Anforderungen im Beruf und in der Familie nachzukommen. Nur um dann irgendwann abzutreten. Doch wir können auf keinen Finger hoffen, der uns aus der Tretmühle emporhebt und wieder in die Luft entschweben lässt.
Langsam zerfallen die Schaumblasen im Bierglas. In den Bäumen singt ein Vogel. Er macht in jedem Augenblick, was er will. Jetzt singt er, dann fliegt er weiter.
Gibt es auch für uns, die wir ja so viel mehr sind als ein Vogel oder eine Fliege, einen Weg in die Freiheit?
Und wenn ja, welchen?
Dieser Frage wollte ich nachgehen. Zugleich suchte ich die Antwort auf eine andere Frage, die mich ebenso beschäftigte: Gibt es im Zeitalter von Google, wo fast alles Wissen auf Knopfdruck zur Verfügung steht, noch das, was man früher Weisheit nannte? Wenn ja, was versteht man darunter?
Es wurde eine geistige Reise in unterschiedlichste Regionen. Sie hat mir neue Perspektiven eröffnet und mich immer wieder zu erstaunlichen Erkenntnissen geführt. Diese möchte ich gerne mit Ihnen teilen.
Die meisten von uns glauben, freie Menschen zu sein. Doch von welcher Freiheit reden wir? Zwar können wir grenzenlos reisen und grenzenlos konsumieren, aber was wird aus unserer Sehnsucht, unseren Wünschen und Träumen? Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: Wir können selten leben, wie wir möchten. Materielle oder familiäre Zwänge engen uns ein, doch oft sind wir uns selbst das größte Hindernis. Warum ist das so und wie können wir das ändern?
In diesem Buch geht es um Barrieren und Grenzen, um die unsichtbaren Fesseln, die unser Leben einschränken, oder das, was wir dafür halten. Dass es diese Grenzen gibt, wissen wir. Sonst wäre ja alles möglich. Wer könnte das schon von sich behaupten?
Um zu sehen, wie klein der Spielraum für viele von uns ist, müssen wir nur hier, in einem der reichsten Länder der Welt, um 8 Uhr früh mit der U-Bahn fahren. Ein Blick auf die missmutigen Gesichter der Leute genügt. Sehen so Menschen aus, deren Leben reich ist – an Möglichkeiten oder Freude? Woran mag das liegen?
Diese Frage habe ich mir oft gestellt.
Die Antwort ruht in uns selbst.
Machen wir uns also auf die Suche nach ihr.
Dies ist das Thema dieses Buchs.
Im ersten Teil, ein eher unbeschwerter Spaziergang, wenden wir uns den Problemen unseres Alltags zu. Stellen unsere täglichen Sorgen und Ängste eine Notwendigkeit dar oder könnten wir uns von ihnen befreien? Wie steht es mit unseren Gefühlen? Sind wir Ihnen hilflos ausgeliefert, sind Schmerz und Leid etwas, das wir stumm ertragen müssen, oder können wir lernen, damit anders umzugehen? Vor allem dann, wenn wir der großen Herausforderung des Lebens begegnen – dem Tod. Vielleicht ist dieser ganz anders, als wir vermuten.
Dies führt uns zum zweiten Teil. Jetzt wird unser Weg steiler und mühsamer, aber dafür weitet sich auch der Blick.
Hier geht es vor allem um Wissenschaft und Spiritualität. Wir werden die letzten und tiefsten Fragen berühren, die sich Menschen seit Beginn der Zeiten gestellt haben. Wenn Sie jetzt bei dem Begriff „Spiritualität“ allerdings irritiert den Kopf geschüttelt haben, kann ich das gut verstehen. Auch ich bin gegen das Wort allergisch, es wird im Umfeld der Esoterik für die unsinnigsten Vorstellungen missbraucht. Leider gibt es kein anderes. Doch uns geht es nicht um abgehobene Spekulationen. Wir versuchen, unsere Position im Universum mit dem gesunden Menschenverstand zu betrachten, vor allem die alte Dualität von Materie und Geist, die sich im Laufe unserer Untersuchung auflösen wird.
Dazu müssen wir wissen, was diese Materie ist, aus der wir und der ganze Kosmos bestehen. Schon bald werden wir feststellen, dass die meisten von uns ein Weltbild vertreten, das längst überholt ist. Die moderne Physik hat uns radikal neue Einblicke geliefert, die die Basis unserer Existenz neu definieren. Hinter den Kulissen der uns angeblich so vertrauten Welt lauert eine Realität voller Geheimnisse, ganz anders als die, die wir zu kennen glauben. Der Versuch, in die geistigen Labyrinthe der Quantenphysik vorzudringen, wird uns an die Grenzen unseres Denkens bringen. Dort erwarten uns Erkenntnisse, die ebenso aufregend wie haarsträubend sind.
Von der Physik zur Metaphysik ist es dann nur noch ein kleiner Schritt, vor allem unter dem Blickwinkel fernöstlicher Philosophien. Die Parallelen zwischen den Aussagen von Physikern und denen großer spiritueller Meister sind erstaunlich. Sie zeigen uns, Physik und Metaphysik sind keine Gegensätze, auch wenn sie von den meisten Menschen immer noch so gesehen werden.
Dagegen hat sich schon Einstein gewehrt:
Religion und Naturwissenschaft – sie schließen sich nicht aus, wie manche heutzutage glauben und fürchten, sondern sie ergänzen und bedingen einander. (1)
Dass er damit nicht die Dogmen der Kirche meinte, versteht sich von selbst.
Der Blick auf die Geheimnisse der Physik kann den Raum öffnen für die spirituelle Dimension des Universums. Viele Menschen lehnen diese vehement ab, da sie mit dem Begriff Religion nichts mehr anfangen können. Deshalb müssen wir uns fragen: Existiert diese spirituelle Ebene überhaupt oder ist sie ein Relikt vergangener Jahrhunderte?
Macht Metaphysik im 21. Jahrhundert noch Sinn?
Wenn ja, was verstehen wir darunter?
Das Wissen um die Wurzeln unserer Existenz und die kleinsten Bausteine der Materie (die es, wie wir sehen werden, letztlich gar nicht gibt) könnte unsere Vorstellung von der Welt radikal verändern. Dies wiederum kann uns helfen, den Sinn unseres Daseins neu zu definieren. Erst dann leben wir unser volles Potential, erst dann sind wir wirklich frei.
Und erst dann haben wir vielleicht eine letzte Chance, die Probleme, die auf uns und diesen Planeten zukommen, doch noch zu lösen.
Zwar werden wir auch weiterhin wie Sisyphos unseren schweren Felsen den Berg hoch wuchten, aber vielleicht werden wir dabei lächeln - und eines Tages erkennen, es gibt keinen Fels und keinen Berg.