Читать книгу Voll super, Helden (1). Einer muss den Job ja machen - Rüdiger Bertram - Страница 10

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Außen pfui, innen hui

»Dann erzähl ich euch mal ein bisschen was über das kleine Hotel, zu dem ich euch jetzt bringe. Es gehört eurem Onkel«, erzählte Bruce, während er weiter die Straße entlangraste. »Der ist kein wirklich schlechter Kerl, echt nicht, auf einer Skala von null bis zehn würde ich ihm eine glatte Drei geben. Glaubt mir, ich habe schon schlimmere erlebt und immerhin hat er euch über die Ferien zu sich eingeladen. Das ist doch nett, oder?«

»Aber warum wissen wir nicht, dass wir beide verwandt sind? Wenn das überhaupt stimmt.« Jenny stieß mir ihren Zeigerfinger in die Seite. »Der da und ich haben weniger gemeinsam als Superwoman und Donald Duck.«

Ich sagte nichts, weil mir von der Raserei kotzübel war und ich Angst hatte, den Mund aufzumachen. Aber ich hörte mit geschlossenen Augen zu, weil mich die Antwort auf Jennys Frage auch interessierte.

»Soweit ich das weiß, gab es in eurer Familie drei Brüder: meinen Chef und eure Väter. Irgendwann haben sich eure beiden Väter verkracht, keine Ahnung warum, aber seitdem reden sie nicht mehr miteinander. Vielleicht hat Horsti euch zwei deswegen zur selben Zeit eingeladen. Vielleicht seid ihr beiden so eine Art Versöhnungsprojekt.«

»Wer ist Horsti?«, wollte Jenny wissen und wurde im selben Moment gegen mich gedrückt, weil Bruce mit Vollgas um eine scharfe Kurve bog.

»Na, mein Chef natürlich, euer Onkel. Eigentlich heißt er Horst-Theodor Schmitz, aber alle nennen ihn nur Horsti.«

»Und was ist Ihr Job? Ich mein, außer der Rennfahrerei«, erkundigte sich Jenny, die nach der Kurve schnell wieder in ihre Ecke der Rückbank zurückgekehrt war.

»Ich? Ich bin im Hotel der Liftboy und das Mädchen für alles«, antwortete Bruce. »Und jetzt aufgepasst, wir sind gleich da.«

Ich öffnete vorsichtig meine Augen und da sah ich das Meer. Das allererste Mal überhaupt. Es lag links neben der Straße und zwischen mir und dem Wasser war nur noch ein schmaler Strand. Auch Jenny starrte mit offenem Mund auf das endlose Wasser und ich hatte den Verdacht, dass auch sie es vorher noch nie gesehen hatte. Mit einem lauten Plopp platzte die Kaugummiblase vor ihrem Mund, aber Jenny machte sich nicht die Mühe, sich die klebrige Masse aus dem Gesicht zu wischen, sondern schaute einfach weiter aufs Meer hinaus. Genau wie ich.

»Und dort werdet ihr die nächsten Wochen leben.« Bruce zeigte nach vorne, wo ein alter Hotelkasten am Ende der Straße stand. Mit seinen vielen Türmchen, Erkern und Anbauten sah das Hotel eher aus wie eine Burg. Allerdings wie eine, die erst vor Kurzem von ihren Feinden erobert worden war. Das Gebäude befand sich in einem katstrophalen Zustand. Die Farbe blätterte von den Mauern und auch einige der Fenster sahen aus, als ob die Scheiben zersplittert wären.

»Wem gehört denn die Bruchbude?«, fragte Jenny.

»Das ist das Hotel eures Onkels.« Bruce trat hart auf die Bremse und parkte den Wagen genau vor dem Hoteleingang. Aus der Nähe sah der Zustand des Hotels sogar noch übler aus.

»Das ist ja grauenhaft«, murmelte ich.

»Schlimmer geht immer«, brummte Jenny. »Wetten, drinnen ist es noch gruseliger? Um eine Tafel Schokolade?«

Ich antwortete nicht, weil Bruce ausgestiegen war und uns die Autotüren geöffnet hatte.

»Herzlich willkommen im Fünf-Sterne-Hotel Zum schönen Meerblick«, verkündete er feierlich.

»Von wegen fünf Sterne«, flüsterte ich und Jenny sagte: »Höchstens fünf Seesterne, aber so vertrocknete, die nach vergammeltem Fisch stinken.«

Bruce tat so, als wenn er uns nicht gehört hätte. Er schnappte sich unser Gepäck und warnte uns vor den losen Brettern auf der Veranda: Da vorne müsst ihr ein bisschen vorsichtig sein, ihr wärt nicht die Ersten, die sich hier ein Bein oder was anderes brechen.«

Dann öffnete er die Eingangstür.


»Wow!«, rief Jenny und auch mir fiel nichts Besseres ein, als einmal laut »Wow!« zu sagen.

So kaputt das Hotel von außen gewirkt hatte, so luxuriös sah es innen aus. Der ganze Empfangsraum strahlte von den riesigen Kronleuchtern, die über uns an der Decke baumelten. An den Wänden hingen überall Gemälde, die ziemlich alt und ziemlich wertvoll aussahen, und in dem dicken Teppich, der in der ganzen Halle auf dem Boden lag, versank ich fast bis zu den Knöcheln.

»Die Wette hast du verloren, wir sind quitt«, flüsterte ich.

»Wir haben ja gar nicht gewettet, du hast nicht eingeschlagen, Juli«, erwiderte Jenny.

»Genau wie vorhin am Bahnhof, deswegen sind wir ja quitt.«

»Klugscheißer.«

»Musst du gerade …«

»Ihr seid zu spät!«, unterbrach uns eine Stimme. Ich erkannte nicht gleich, wer da gerufen hatte. Erst auf den zweiten Blick entdeckte ich einen Mann, der hinter dem Empfangstresen stand. Er war so klein, dass man nur seinen Kopf sehen konnte.

»Das ist Horsti, euer Onkel«, raunte Bruce uns zu, dann antwortete er laut: »Das war meine Schuld, ich musste vorhin noch den Pool sauber machen. Deswegen habe ich mich ein wenig verspätet, tut mir leid.«

»Super! Es gibt einen Pool!«, rief Jenny begeistert.

»Ja, aber bestimmt nicht für euch«, sagte Horsti und hielt uns zwei Blätter hin. »Und jetzt kommt schon und holte euch eure Aufgabenzettel ab. Danach zeigt euch Bruce eure Zimmer, ihr unnützen Rotzlöffel.«

Als Jenny und ich uns nicht sofort in Bewegung setzten, schubste Bruce uns sanft Richtung Rezeption, damit wir die Zettel in Empfang nehmen konnten, die unser Onkel uns ungeduldig entgegenstreckte. Jenny und ich nahmen je einen Zettel und lasen gleichzeitig:

Aufgaben von Julian und Jenny während der Ferien:

► Flure staubsaugen + nass wischen (jeden zweiten Tag)

► Fenster putzen (einmal wöchentlich)

► Gemälde abstauben (täglich)

► Tische eindecken und wieder abräumen (zu allen Mahlzeiten)

► Den Gästen Getränke servieren (zwischen den Mahlzeiten)

► Morgens Liegestühle aufstellen

und abends wieder abbauen (täglich)

► Betten machen (täglich)

► Zimmer säubern (täglich)

Jenny reagierte als Erste: »Spinnen Sie?«

»Das ist nur die erste Seite, hinten steht noch mehr drauf«, erwiderte Onkel Horst. Obwohl ich ahnte, dass es auf der Rückseite genauso weitergehen würde, drehte ich den Zettel um.

► Koffer schleppen (wenn Gäste ankommen und abreisen)

► Küchendienst: Kartoffeln schälen, Gemüse schnippeln, abspülen usw. (täglich)

► Teppich staubsaugen (jeden zweiten Tag)

► Silber putzen (einmal wöchentlich)

► Kronleuchter reinigen (einmal wöchentlich)

Da war ich gerade erst auf der Mitte der Seite angekommen und nirgendwo stand: lange schlafen, am Strand liegen, im Meer baden und Comics lesen.

»Wie ihr seht, habt ihr jede Menge zu tun. Also vertrödelt weder eure noch meine Zeit und macht euch an die Arbeit.« Onkel Horst machte eine Handbewegung, so als würde er eine lästige Fliege verscheuchen.

Ich spürte, dass Jenny ganz kurz davor war, vor Wut zu platzen. Aber bevor sie so richtig loslegen konnte, drängte Bruce uns mit unserem Gepäck in den Aufzug, der in der Empfangshalle schon mit offenen Türen auf uns wartete.

Voll super, Helden (1). Einer muss den Job ja machen

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