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Gorch Fock! Der Name ist bekannt. So heißen heute Schiffe und Schulen, Straßen und Plätze. Produkte wie Biere und Schnäpse tragen seinen Namen, der so präsent und lebendig ist, dass er weit über Deutschland hinaus strahlt. Gorch Fock ist eine Marke.

Zuallererst aber ist Gorch Fock ein Mythos. Ein Mythos von Seefahrt und Abenteuer, der sich am besten in der Popularität des nach ihm benannten Segelschulschiffs der Bundesmarine widerspiegelt, das als Botschafter Deutschlands seit 1958 auf den Weltmeeren unterwegs ist und dessen Bild jahrzehntelang die Rückseiten der Zehnmarkscheine schmückte.

Hinter Mythos und Marke ist der Mensch so gut wie vergessen. Wenige kennen noch den Schriftsteller Gorch Fock, geboren 1880 als Johann Kinau auf der Elbinsel Finkenwerder, umgekommen 1916 als Marinesoldat am Skagerrak. Dabei muss Gorch Fock zu den einflussreichen Erfolgsautoren des 20. Jahrhunderts gerechnet werden: Über eine halbe Million Mal verkaufte sich sein Roman „Seefahrt ist not!“ allein im deutschsprachigen Raum; er wurde übersetzt, verfilmt und als Hörbuch verarbeitet. Gorch Fock, das ist ein niederdeutscher Klassiker.

Es ist vor allem die NS-Rezeption seines von Heldengestalten durchsetzten Werkes, die heute eine unvoreingenommene Beschäftigung mit Gorch Fock erschwert. Das Spektrum der Urteile über ihn ist breit gefächert und reicht vom „blutigen Militaristen“ und „Vordenker des Nationalsozialismus“ bis zum |9|„genialen Abenteuerschriftsteller“ und „Erneuerer der niederdeutschen Literatur“.


Gorch Fock, um 1913

Seine Schriften waren lange Zeit fester Bestandteil des Schulunterrichts. Bis in die 1960er Jahre gehörten seine Werke zur Pflichtlektüre an deutschen Schulen. Mit ihrer Verankerung in den Lehrplänen begann auch die staatlich geförderte Rezeption seiner Schriften. Gorch Fock wurde zum „Dichter neuer deutscher Jugend“ und zur Leitfigur mit Vorbildcharakter stilisiert. Durch seinen frühen Tod als Soldat umwehte den Autor selbst jener „geheimnisvolle Zauber ewiger Jugend“.

Nach dem tragischen Tod des Schriftstellers setzte der Prozess seiner Glorifizierung ein. Sein „Heldentod“ auf See wurde dazu genutzt, das Werk unangreifbar zu machen und die reale Person ins Übermenschliche zu stilisieren. Man deklarierte Gorch Fock zu einer Art Gott, unfehlbar, unsterblich. Das „Dritte Reich“ machte ihn endgültig zum Superstar, zu einer Ikone, dessen Foto in Marineuniform damals ähnlich bekannt war wie heute das Bild von Che Guevara.

100 Jahre nach seinem Tod ist es an der Zeit, Gorch Fock neu zu bewerten: Aus heutiger Perspektive muss der Autor vor allem in seiner Funktion als Vermittler spezifischer Kultur- und Zeitgeschichte zwischen Jahrhundertwende und Erstem Weltkrieg erkannt und gewürdigt werden. Als Repräsentant einer bei Ausbruch des Krieges jungen Generation von Kulturschaffenden, die blind-begeistert für Volk und Vaterland ihr Leben ließen.

Wer war Gorch Fock? Zu erzählen ist die Geschichte eines Menschen mit vielen Gesichtern. Gorch Fock war eine Kunstfigur, ein Ideal, zum Leben erweckt von ihrem Schöpfer Johann Kinau. Ego und Alter Ego, zwei Seiten ein und derselben Medaille zwar, aber auch zwei Aspekte einer Persönlichkeit, wie sie gegensätzlicher kaum denkbar sind. Auf der einen Seite der selbstbestimmte, heroische Schriftsteller, auf der |10|anderen der angepasste Buchhalter aus kleinbürgerlichem Milieu. Aus diesem Spannungsverhältnis entwickelt sich eine Lebensgeschichte, die romanhafte Züge trägt. Es ist keine Heldenbiografie. Es ist die Biografie einer zutiefst widersprüchlichen Persönlichkeit, eines Menschen aus Fleisch und Blut, der zum Mythos wurde.

Die Beschäftigung mit Gorch Fock ist bis heute vielfach noch immer geprägt von ideologischen (und philologischen) Entstellungen, die ihren Ursprung nicht zuletzt in der Instrumentalisierung des Schriftstellers im Rahmen der Kulturpolitik des „Dritten Reichs“ haben. Von diesen Einflüssen befreite Darstellungen, wie die hier vorgestellte Biografie wollen ein authentischeres Bild von Johann Kinau alias Gorch Fock zeichnen – jenseits von Glorifizierung und Mythos.

›Seefahrt ist not!‹

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