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Abi und weg
ОглавлениеVorwort
Hi, da bin ich wieder, und zwar im Waterside Hotel in Windermere im Lake District, England.
Wie ich hierhin gekommen bin und was ich hier mache, später. Ich habe zuerst einiges nachzuholen. Seit gut einem halben Jahr habe ich nämlich nichts mehr geschrieben, sondern mein Abi gemacht. Hier habe ich Zeit und Wetter, um auf die letzten Monate zurückzublicken. Was ich zum Schreiben brauche, sind nämlich Zeit und Regen. Beides habe ich hier reichlich. Zwei freie Tage pro Woche und Regen alle Tage. „Never go on a walk without an umbrella“, heißt es im Lake District, auch wenn man nur zum Bäcker geht. Es regnet dauernd hier in der regenreichsten Region des verregneten Königreichs, und zwar ohne Ankündigung. Gerade scheint noch die Sonne vom blauen Himmel, und schon platscht der Regen runter, um nach fünf Minuten wieder der Sonne zu weichen. Mein Blick schweift über den Lake Windermere, den größten See Englands, und da mal gerade der Regen wieder aufgehört hat, sehe ich dahinter die frisch gewaschenen, kahlen Hügel von Cumbria.
Ich bin also weit weg von zu Hause, wie sich das für eine Abiturientin gehört. Es gibt ja einige, die nach dem Abitur zu Hause bleiben, entweder weil sie da billig wohnen können oder weil Mama so gut kocht und die Wäsche macht oder weil es im heimischen Nest so warm ist. Ich bin aber flügge und habe mich davongemacht. Henning, der Latein gelernt hat, hat mir erklärt, was Abi bedeutet: Hau ab! Auch ohne Übersetzung habe ich Abi schon immer so verstanden: Raus aus dem Nest!
Und das habe ich also getan. Auf dem Abizeugnis steht allerdings hochtrabend: Zeugnis der Reife. OMG! Einerseits hochtrabend, andererseits auch beleidigend. Von Reife spricht man sonst nur im Zusammenhang mit Äpfeln, Birnen und Tomaten. Und was passiert mit denen, wenn sie reif sind? Sie fallen entweder vom Baum und verrotten oder sie werden konsumiert. Beides verbitte ich mir. Reife? Die Österreicher verwenden schamhaft die lateinische Übersetzung: Matura. Besser machen es aber die Engländer, die überhaupt vieles besser machen. Die sprechen von Graduation. Da ist man also eine Stufe aufgestiegen. Das finde ich passend. Ich will nämlich noch ein paar weitere Stufen aufsteigen und nicht den Endzustand der Reife erreicht haben. Danach fällt man ja nur noch vom Baum.