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5.

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Elzbieta Oblonsky schaute mit klopfendem Herzen zu der Fensterfront im vierten Stock hinauf. „Das ist purer Wahnsinn“, hämmerte es hinter ihrer Schläfe. „Wenn ich tatsächlich in meine Wohnung zurückkehre, ist mit wirklich nicht mehr zu helfen.“

Elzbieta ballte die Fäuste und versteckte sich wieder hinter der Kastanie. Gegen den Baumstamm gelehnt blickte sie kurz zu dem Wagen ihrer besten Freundin und hörte prompt Danutas ängstliche Stimme: „Bitte Ela! Der Golf ist gerade erst einen Monat alt! Also fahr um Himmelswillen vorsichtig. Janozc dreht durch, wenn er eine Schramme entdeckt!“

„Oh Gott, Dana! Ein Kratzer im Lack; ist das deine einzige Sorge?“ Elzbieta schüttelte unwillkürlich den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit erneut auf das gegenüberliegende Haus. Nichts rührte sich dort, alles schien unverändert, abgesehen von einem bis zum ersten Stock reichenden Baugerüst.

Bei seinem Anblick verspürte Elzbieta Oblonsky den starken Drang hysterisch aufzulachen. Das war wieder einmal typisch! Da blieb sie genau einen halben Tag ihrer Wohnung fern und schon begannen die vom Eigentümer angekündigten Arbeiten an der Vorderfront des Hauses. Genügte es denn nicht, dass die Maurer monatelang die Hofseite verputzt hatten?

Frustriert rannte Elzbieta über die Straße und betrat das ihr auf einmal so fremd erscheinende Gebäude. „Herr im Himmel“, klagte sie, während sie das frisch gestrichene Treppenhaus emporstieg. „Warum habe ich nicht die nötige Kraft besessen, Leo aufzuhalten?“ Einen Augenblick lang wollte sie sich wieder der Verzweiflung hingeben, aber dann straffte sie energisch ihre schmalen Schultern. Sie würde später weinen, tröstete sie sich. Sehr viel später, wenn sie wieder in Leos starken Armen lag.

Elzbieta Oblonsky wischte sich eine einzelne Träne von der Wange und schloss ihre Wohnung auf. Ohne die Schuhe abzuputzen, lief sie durch den Korridor und blieb vor der als Büro eingerichteten Kammer stehen. Unschlüssig starrte sie einen Augenblick auf die silbergrau lackierte Tür und versuchte dabei ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen.

„Du dumme Kuh“, beschimpfte sie sich selbst. „Was regst du dich auf? Leo’s Verbote gelten nicht mehr!“ Alles, alles hatte sich geändert, seit ihre kleine Welt aus den Fugen geraten war, und dazu gehörten auch die ungeschriebenen Gesetze ihres Mannes.

Leopold und seine schmutzigen Geheimnisse! Unwillkürlich zuckte Elzbieta zusammen. Wie oft war sie mit schlimmen Worten und Schlägen belehrt worden, ihre neugierigen Finger von Leos Unterlagen zu lassen. Die Erinnerungen an diese Wutanfälle saßen so tief, dass sie jetzt all ihre Kraft benötigte, um die Klinke niederzudrücken. „Böses, böses Mädchen“, flüsterte sie dabei und betrat mit einer fast kindlichen Schadenfreude den schmalen Raum. Ohne zu zögern rollte sie den Bürostuhl zur Seite und zog andächtig die oberste Schublade des aus der Berliner Gründerzeit stammenden Sekretärs heraus. Sofort quoll ihr Leos Korrespondenz entgegen und Elzbieta überflog erstaunt die unbekannten Namen und Adressen auf den Briefköpfen. Immer ungeduldiger werdend schob sie das viele Papier einfach über den Rand des Faches, bis sie auf seinem Grunde endlich den erhofften Umschlag entdeckte.

Elzbieta öffnete hastig das braune Packpapierkuvert und schüttete zwei Scheckkarten und einen Stapel zusammengehefteter Kontoauszüge auf die Schreibtischunterlage. Das oberste Blatt wies im „Haben“ eine Summe von 45.000 DM auf und Elzbieta lächelte selbstgefällig. „Gott, wie naiv Leo manchmal war. Hatte er denn wirklich geglaubt, sie hätte nichts von seinem ach so geheimen Schwarzgeld gewusst?“

Achtlos stopfte sie die Scheckkarten in ihre Handtasche und rüttelte an dem nächsten Messinggriff. Wenn sie ihren Mann wirklich aufspüren wollte, musste sie unbedingt sein spezielles Notizbuch finden. Das graue Büchlein hatte er immer vor ihr geheim gehalten und nun ruhte es vollkommen ungeschützt unter einem Stapel bunter Plastikordner. Aufgeregt schlug sie den ledernen Einband zurück und starrte auf die mit roter Tinte eingetragenen Telefonnummern. Das waren also Leos berüchtigte Kontakte: Namen von Menschen, die einfach wissen mussten, wo er sich diesmal verkroch.

Elzbieta hustete ein böses, kleines Lachen. Das Geld und die Verbindungen ihres Mannes hatte sie an sich genommen, und nun wartete das Werkzeug der Nemesis auf sie. Zielstrebig zog sie die unterste Schublade auf und öffnete den Deckel des in ihr versteckten Schuhkartons. In ihm lag ein in Ölpapier eingeschlagenes Bündel, das sie vorsichtig heraushob. Behutsam wickelte sie aus der provisorischen Schutzhülle Leos Erbstück und hielt es schräg gegen das Licht. Auf dem Griff der Mauser schimmerte deutlich ein dilettantisch abgefeiltes Naziemblem und Fett verschmierte die Griffschalen. Elzbieta verzog verächtlich die Mundwinkel. Leos glorreicher Erzeuger hatte die Waffe im großen vaterländischen Krieg erbeutet, und nun ruhte sie seit Jahrzehnten wie eine Reliquie in dem profanen Pappkarton.

Angewidert verstaute Elzbieta die Automatik in ihrer Handtasche, verschloss sie, und zusammen mit dem Klicken der Metallschnalle schellte im Flur die Wohnungsklingel. Wie die Posaunen des jüngsten Gerichtes läutete sie durch die stillen Räume und die Frau Oblonsky erlag fast einem Herzschlag. „Dring, dring“, schrillte erneut der vertraute Dreiklang auf, sehr ungeduldig und sehr kurz gedrückt.

Elzbieta biss sich auf die Lippen und sofort perlte Blut aus der winzigen Wunde. Mechanisch tupfte sie den Tropfen ab, während eine ungewohnte Ruhe ihre aufgewühlten Sinne durchflutete. Wie eine gut funktionierende Maschine, die weder Angst noch störende Gefühle kennt, legte Elzbieta vorsichtig die Tasche auf den Sekretär und streifte die Slipper ab. Behutsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und schlich auf Zehenspitzen in den Korridor. Vor der Wohnungstür blieb sie mit angehaltenem Atem stehen und spähte durch den Spion. Ein ihr unbekannter junger Mann lauerte in der Mitte des Treppenabsatzes und so wie er angespannt lauschte, wartete er ohne jeden Zweifel auf irgendeine Reaktion der Nachbarn. Doch nichts rührte sich hinter den verschlossenen Türen und der Kerl drehte langsam den Kopf. Gelangweilt fixierte er das Guckloch und Elzbieta spürte förmlich seinen Blick über ihre bloße Haut wandern. Von einem aufsteigenden Entsetzen geschüttelt, presste sie das rechte Auge noch fester gegen den Spion, während der Mann seelenruhig einen Satz Schlüssel aus einem Lederetui zog.

„Dietriche, verdammte Dietriche“, schrie es in Elzbieta auf. Der Kerl hielt doch wirklich Einbruchwerkzeuge in seiner Hand! Schockiert wich sie zurück und kaltes Metall streifte ihren Oberarm.

Die Kette! Mein Gott, sie hatte vorhin vergessen, die Kette vorzulegen! Aufgeregt versuchte sie möglichst geräuschlos den Verschluss in das komplizierte Schloss einzuführen und schon entschlüpfte das glatte Teil ihren feuchten Fingern. Klirrend schlug es gegen den Türrahmen und im Treppenhaus grinste der Scheißkerl befriedigt. Unbarmherzig sandten seine kalten Augen eine Botschaft durch das dünne Holz: „Schön das Du doch zu Hause bist Baby! Gleich erhältst Du Besuch!“

Elzbieta wirbelte in unkontrollierter Furcht herum. Wie von tausend Furien gehetzt rannte sie in Leos Zimmer zurück, schlüpfte hastig in ihre Schuhe und raffte die Tasche an sich. Das Gewicht der Diorkreation erinnerte sie unheilvoll an die Waffe und Elzbieta schüttelte den Kopf. Nein, nein, so etwas durfte sie nicht einmal denken! Außerdem schützte die Eingangstür ein teurer Spezialriegel, der laut Hersteller nicht aufzubrechen war.

Aus dem Korridor erklang ein metallischer Knall und der Unbekannte sprengte mit einem korkenzieherförmigen Bohrer den Zylinder aus dem Schloss. Lässig drückte er die Klinke nieder und sofort spürte er den erwarteten Widerstand der Stahlkette. Grinsend nahm der Eindringling die zusätzliche Sicherung zur Kenntnis und öffnete seine Jacke.

Im Wohnzimmer riss Elzbieta das Fenster auf und starrte verzweifelt in die Nacht hinaus. Vor ihrem Gesicht schimmerte undeutlich eine mörtelbespritzte Latte und als sie die Augen anstrengte, erkannte sie die Umrisse weiterer Bretter. Gott sei Dank, das Gerüst war trotz der beendeten Renovierung noch nicht entfernt worden! Innerhalb der bis zum Dach reichenden Konstruktion führten mehrere Leitern zum Hof hinab und Elzbieta zwängte rücksichtslos das linke Knie zwischen die geheiligten Kakteen ihres Mannes. Gut, dass sie heute eine Jeans angezogen hatte!

Halb auf der breiten Blumenbank hockend, blickte Frau Oblonsky prüfend in den dunklen Hof hinab und dann presste eine eiserne Faust ihr Herz zusammen. Genau an dem neu angelegten Spielplatz glühte eine Zigarette auf und ein Mann schlenderte langsam an Bachhulkes Parterrewohnung vorbei. Völlig ungeniert beobachtete er die Fensterfront, während sein Kumpan im Treppenhaus einen armlangen Seitenschneider unter der Lederkutte hervorzog. Ohne sich um etwaige Lauscher aus den Nachbarwohnungen zu kümmern, setzte er das Werkzeug an, ein hässliches Knacken ertönte und die scharfgeschliffenen Stahlkiefern durchtrennten mühelos die Kette. Laut knallten ihre zwei Hälften gegen die Tür und Elzbieta zuckte bei dem Unheil verkündenden Geräusch wie unter einem Peitschenhieb zusammen.

„Oh mein Gott“, flüsterte sie verstört. Wenn nicht noch ein Wunder geschah, rettete sie nichts mehr, absolut nichts mehr, vor den gierigen Händen des Söldners!“

Operation Spandau

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