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I.Der Mann für böse Überraschungen

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Wie Barack Obamas Witz Trumps Ego verletzte und den Weg ins Weiße Haus beförderte. Von der paradoxen Wirkung des 45. Präsidenten und den Blindspiralen in den westlichen Demokratien. Eine Geschichte mit unberechenbarem Ausgang.


»Show me someone without an ego, and I’ll show you a loser.« — How To Get Rich. Donald J. Trump @realDonaldTrump 19.7.2012

Am 1. Mai 2011 trat ein gut gelaunter, gut aussehender und eleganter Barack Obama anlässlich der Gala des Pressekorps des Weißen Hauses vor das Publikum. Am Tisch von FOX News saß unter anderem der Immobilienmillionär und Star der NBC-Reality-TV-Show »The Apprentice«, Donald Trump. Wochenlang hatte er eine Schmutzkampagne gegen Barack Obama geführt. Wo war die Geburtsurkunde des ersten schwarzen Präsidenten? Weshalb präsentierte er nicht einfach das offizielle Dokument? Wurde hier das amerikanische Volk belogen, betrogen, indem ihm ein Nicht-Amerikaner vorgesetzt wurde? Die Presse, angetrieben vom rechten Hetzsender FOX News, drehte die Empörungsspirale eifrig weiter. Es schien, als gäbe es für die Demokratie nichts Wichtigeres als das Drama um die Geburtsurkunde des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Und dann war es so weit: In sympathischer Art und Weise machte sich Barack Obama, der »König der Spötter« (»Tagesspiegel«, 1.5.2011), über seine politischen Gegner, insbesondere über Donald Trump lustig. Auf dem Screen im Saal erschien – zur Musik von »Real American« – eine Kopie von Barack Obamas Geburtsurkunde aus den staatlichen Archiven Hawaiis. Das Publikum klatschte. »Tonight«, meinte der umwerfende Barack Obama charmant lächelnd, »bin ich bereit, noch einen Schritt weiterzugehen. Heute Abend gebe ich – zum ersten Mal – das offizielle Originalvideo meiner Geburt preis.« (großes Gelächter) »Ich warne Sie: Seit mehr als 50 Jahren hat niemand diese Bilder gesehen – selbst ich nicht. But ah, let’s take a look.«

Auf den Bildschirmen erschien ein Ausschnitt aus dem Disney-Film »König der Löwen« – der Clip, der Baby Simba mit bewegender Musik im »Reich der Tiere« begrüßt. Das Gelächter im Saal wandelte sich zum tosenden Applaus. Die Groteske war offensichtlich. Die politische Satire geglückt wie keine andere – selbst Jahre danach ist die Szene auf YouTube umwerfend lustig. Sehr schön auch die Zwischenschnitte auf Donald Trump. »An die Adresse des FOX-Table gerichtet, möchte ich festhalten«, so Obama, »dass dies ein Joke war. Nochmals: Es war ein Witz. Es war nicht das Originalvideo meiner Geburt. Es war wirklich nur ein Cartoon – rufen Sie Disney an, falls Sie mir nicht glauben, die haben die lange Version.« Erneut riesiges Gelächter und großer Applaus. An die Adresse von Trump gewandt, meinte Obama weiter, dass man sich nun vielleicht den wirklich wichtigen Fragen der Welt zuwenden könnte, wie zum Beispiel: »Did we fake the moon landing?« Den Knüller aber behielt sich Obama bis zum Schluss vor: Mit der Einleitung »He would certainly bring some change to the White House« (Er würde einige Veränderungen ins Weiße Haus bringen) zeigte der Gala-Screen ein überdimensionales Foto des Weißen Hauses, aufgemotzt im Stil eines Trump’schen Casinos, mit einem obligaten Jacuzzi voller Bikini-Girls, alles »pretty much« in Gold gehalten. Das Gelächter war ausgelassen – die Revanche von Barack Obama gegen die rechten Hetzmedien, angeführt von Donald Trump, war eine Punktlandung: intelligent, ironisch, anständig, etwas schmerzhaft, aber nicht so, dass der Gedemütigte alle Achtung vor sich selbst verlieren musste. Es war umwerfend komisch.

Fünf Jahre später blieb den Gästen des Pressekorps des Weißen Hauses in Washington das Lachen im Hals stecken.

Donald Trump setzte sich am 8. November 2016 als Kandidat der Republikaner gegen die vorgesehene Nachfolgerin von Barack Obama, Hillary Clinton, in den Präsidentschaftswahlen durch. Nach einer dramatischen Wahlnacht hatte es Donald Trump allen demoskopischen Prognosen zum Trotz geschafft, die notwendigen 270 der insgesamt 538 Wahlleute für sich zu gewinnen. Ausschlaggebend für den Erfolg waren die Siege im normalerweise klassisch demokratisch wählenden Staat Ohio und dem immer wieder Match-entscheidenden Florida. In den USA wird der Präsident indirekt vom Volk gewählt, es votieren in den einzelnen Bundesstaaten Wahlleute, deren Anzahl sich nach der Bevölkerungsgröße des jeweiligen Staates richtet. Hillary Clinton hatte zwar bei der US-Präsidentschaftswahl mehr Stimmen bekommen als Trump, nach absoluten Zahlen hätte also Clinton mit hauchdünnem Vorsprung gewonnen, doch das Mehrheitswahlsystem der Amerikaner funktioniert eben anders. Die Wahl von Donald Trump wurde von sämtlichen Medienschaffenden mit großer Überraschung quittiert. Tenor der meisten Kommentare war: Die USA haben ihren ersten »populistischen Präsidenten« (»Spiegel Online«, 9.11.2016). Dass dies nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick erscheint, zeigen die 22 Monate TRUMPISMUS danach. Das Bibelwort »Es wird nicht ein Stein auf dem anderen bleiben« wäre die korrektere Interpretation gewesen. Denn die Wahl von Donald Trump veränderte nicht nur die Art und Weise, wie im Weißen Haus regiert wird, sondern die Wahrnehmung von Politik, Macht, Verfassung, Rechtsstaat, Presse und letztlich auch der Demokratie. Die Wahl von Donald Trump hat zahlreiche Schriften, Monografien, Essays, ja sogar eine Dokumentation bei Netflix über den Immobilienmogul ausgelöst. Politisch sprießen fast täglich neue demokratische Bewegungen gegen den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten aus dem Boden. Fast über Nacht entstand in den sozialen Netzwerken das »Pussyhat«-Projekt einer globalen Frauenbewegung, die mit selbst gestrickten rosa Mützen am 21. Januar 2017, dem ersten Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump, für Frauen- und Menschenrechte in Washington D.C. protestierte. Seitdem hören die gleichstellungspolitischen Kämpfe nicht mehr auf. Die Wahl von Donald Trump war aber nicht nur ein Weckruf für die Bürgerrechts- und Frauenbewegungen, sondern auch für die Regierungen aller westlichen Demokratien und die auf autoritärer Parteienherrschaft basierende Volksrepublik China. Seitdem ist auch das globale Freihandelssystem aus den Fugen geraten, bebt das internationale Finanzsystem immer wieder. Die Angst ist groß, dass der Kombination Trump’scher Unberechenbarkeit, Zölle, Handel, digitaler Revolutionen und Kreditsysteme ein globales politisches Erdbeben folgen könnte. Eine Erschütterung, die die Welt finanz- und industriepolitisch so kurz nach dem weltweiten Crash im Jahr 2008 weiter an den Abgrund drängen könnte. Als wäre dies nicht genug, hat der Twitterpräsident Trump zusätzlich die Presselandschaft auf den Kopf gestellt: Er inkarniert damit den ersten Archetyp des Herrschers im digitalen Zeitalter, wobei ihm schon sein Vorgänger Barack Obama eine Steilvorlage geboten hatte: Die Medien haben dem Präsidenten zu dienen und ihn nicht zu kontrollieren. Das Verhältnis von Barack Obama zur Presse war ein symbiotisches, das von Donald Trump ein antagonistisches. Strukturell sind aber beide Arten der Kommunikation vorwiegend Exekutivinformationen und nicht – wie der Demokratie angemessen – weitgefächerte politische Diskurse, die gesamte Öffentlichkeit betreffend. Hier möchten wir zunächst mal ansetzen: Denn abgesehen von den populistischen Aspekten rund um die Art und Weise, wie Donald Trump die Vereinigten Staaten, ja die Welt dominiert (regiert wäre ein unpräziser Begriff), und unabhängig von seiner Persona, ist es diese Verschiebung von öffentlicher Kommunikation hin zu reiner Exekutivinformation, die an Journalisten, Wissenschaftlern, Kulturschaffenden, Politikern vorbeizugehen scheint. Die Wahl von Donald Trump war, entgegen üblicher Interpretationen, kein Unfall, kein Sonderfall, kein Missgeschick, kein Skandal, kein Glücksfall (wie dies einige betonen), sondern ein Normalfall in den existierenden, von Medien, Fokussierung auf die Exekutive und Umfragen getriebenen westlichen Demokratien. In den 1970er-Jahren entwickelte Elisabeth Noelle-Neumann die Theorie der Schweigespirale. Diese besagte, dass es eine Unmenge an Informationen gäbe, die aber immer nur Ähnliches vermitteln würden. Andere Versionen der Meinungen hätten gegenüber der Mehrheit kaum Chancen, dies selbst dann, wenn die Bürger wissen, dass sie manipuliert werden. Ich habe in Analogie dazu für die digitale Gegenwart die Theorie der Blindspirale entwickelt. Es gibt eine Unmenge von Bildern, doch deren Botschaften vermitteln immer ähnliche Informationen. Vielfältige Bilder, Codes, Programme, alternative Vorschläge können gar nicht wirklich wahrgenommen werden. Im Hinblick auf die Wahrnehmung bedeutet dies, dass Wahrheit und Fakten nicht nur in Bezug auf ihren Gehalt, sondern auch hinsichtlich der Möglichkeit, überhaupt als solche erkannt zu werden, geprüft werden müssen. Vor lauter Tweets verschwindet die Politik, ja überhaupt viele Zusammenhänge, die real die Öffentlichkeit bestimmen. Die diversen Blindspiralen von Experten und Journalisten drehen sich um personalities, Narrative, Diskurse, Kontroversen und die Skandalisierung von Posts, Tweets, Statements. Dahinter gerät die Wirklichkeit der Menschen in den westlichen Demokratien regelrecht aus dem Blick. Die Wahl von Donald Trump hat das Übergewicht von Fiktion gegenüber der Realität in den westlichen Medien- und Umfragedemokratien besonders sichtbar gemacht.

Die paradoxe Wirkung der Wahl von Donald Trump ist nämlich auch, dass endlich wieder grundsätzlich über Demokratie, Medien und die fortschreitende digitale Revolution öffentlich nachgedacht wird. Vielen Menschen wird bewusst, dass nicht nur Donald Trump die größte Gefahr für die Demokratien weltweit darstellt, sondern auch die Tendenz der politischen Berichterstattung, öffentliche Belange zu privatisieren, trivialisieren und zu skandalisieren. Zudem verstärkt das Vermessen politischer Zusammenhänge in der Umfragedemokratie das Auseinanderklaffen von Fiktion und Realität – und dies nicht ausschließlich auf Seiten des amerikanischen Präsidenten, sondern ebenso auf Seiten der Medien und der Experten. Nicht nur Donald Trump bedient sich einer Wirklichkeit, die er sich zurechtschneidert, sondern auch seine Gegner und Gegnerinnen. TRUMPISMUS gehört als Phänomen, das die Welt verändert, nicht einfach zu der teilweise sehr lächerlichen Figur des älteren Herrn, sondern ist Ausdruck einer gewandelten politischen Kommunikation, die eine außerordentlich große Gefahr für alle Demokratien darstellt.

Wer am 8. November 2016 den Fernseher einschaltete, der meinte zunächst Zeuge des Undenkbaren geworden zu sein. Dies obwohl die Wahlen im alten Europa, in Ungarn, in der Slowakei, in Tschechien und in Polen, dank der Mittäterschaft von Medien und Demoskopen schon länger Polittypen ähnlicher Fasson an die Macht gespült hatten. Seit Jahren wurde mittels Umfragen und in den Medien behauptet, dass sich das Volk nicht irren könne – vor allem nicht, wenn es sich dermaßen klar und deutlich in der Mehrheit äußere. Umfrageforscher wiesen empört jede Kritik der dadurch entstandenen »Tyrannei der Mehrheit« (Alexis de Tocqueville) zurück. Nun also auch die USA: Ein alter, wütender Mann, der kaum mehr als 140 Zeichen beherrscht und einiges davon versteht, wie man ohne viel zu leisten enorm viel Geld schaffen kann, sitzt im Weißen Haus wie kurz zuvor im Fernsehstudio und regiert das mächtigste Land der Welt. Den entsetzten linksliberalen Medienkommentaren weltweit, den globalen populistischen Jubelrufen folgten allein im ersten Amtsjahr zahlreiche Bücher, Expertenanalysen und Warnrufe. Nur die Selbstbezichtigungen der Demoskopen und Journalisten, die seit Jahrzehnten auf die Quotenkumpanei von Populismus und Aufmerksamkeit gesetzt hatten, fehlten. Nur wenige realisierten, dass auf der anderen Seite des Atlantiks ähnliche Politiktypen mit denselben Rezepten Wahlerfolge für sich verbuchten. Selbst Politiker, bei denen man auf Anhieb keine Ähnlichkeit mit Donald Trump vermuten würde. So marschierte der Newcomer Emmanuel Macron, ein bis dahin eher unbekannter 39-jähriger Absolvent der renommierten Verwaltungshochschule ENA, wie Trump durch alle Medienkanäle und schaffte aus dem Stegreif das schier Unmögliche: Mit einer neuen Bewegung, ohne festgelegtes parteipolitisches Programm, allein durch sein medial geschicktes Auftreten und seine topmoderne digitale Wahlkampagne wurde der ehemalige Sozialist Macron am 14. Mai 2017 zum jüngsten Präsidenten der französischen Republik gewählt. Sein Wahlkampf bestand im Wesentlichen aus einem Hashtag mit dem Hyperlink »En Marche«. Die völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten Macron und Trump täuschen über ihre Ähnlichkeiten im Hinblick auf Außenseitertum sowie den damit verbundenen Personenkult hinweg. Ähnliches geschah, als die deutschen Wählerinnen und Wähler am 25. September 2017 die ersten Hochrechnungen auf ARD und ZDF verfolgten. 72 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zog mit fast 13 Prozent eine Partei in den deutschen Bundestag, die für viele Beobachter als Vertreter der »alten und neuen Nazis« (Heribert Prantl) galten. Die Alternative für Deutschland (AfD) erreichte diesen Erfolg mittels braun getünchten Parolen, spektakulärer Geschichtsfälschung und dem pauschalen Vorwurf der »Lügenpresse«. Seitdem tobt die Diskussion darüber, wer die Mitverantwortung für den Aufstieg der neuen Rechten trägt.

In Italien gewann im März 2018 die Fünf-Sterne-Protestbewegung als digitale Erneuerungspartei zusammen mit der rechtsnationalistischen Lega die Parlamentswahlen. Die erfolgreichen Parteien gaben an, alles anders machen zu wollen, sie politisierten nicht mit Programmen, sondern teils mit sehr skurrilen Erneuerungsnarrativen. Erst nach Monaten medienpolitischen Dauerwahlkampfs konnte Sergio Mattarella die neue Regierung, bestehend aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega, vereidigen. Der neue Innenminister Matteo Salvini segelt mit »Italien zuerst« auf dem Trump’schen Nationalismus-Motto und teilt mit diesem die ausgesprochene Ego-Shooter-Politik und eine offensichtliche Schwäche für Russlands Präsident Wladimir Putin.

TRUMPISMUS macht sich also definitiv auch in Europa breit. Einige behaupten sogar, dass der erste Politiker im Stil Trumps aus Italien stamme: Silvio Berlusconi. Dies lässt vermuten, dass Donald Trump nicht den Auftakt, sondern den Höhepunkt des Zerfalls der westlichen Demokratien darstellt. Denn zum Reigen der genannten Länder gehört auch der kleine Alpenstaat mitten in Europa, die Schweiz. Schon seit den 1990er-Jahren definiert dort nämlich ein für die Medien- und Umfragedemokratie sehr typischer Mix aus Rhetorik, Populismus und sehr selfish orientierter Realpolitik. Die Schweiz ist gewissermaßen ein TRUMPISMUS-Experiment avant la lettre, genießt sie nicht nur den Status als Einfallstor für viele US-amerikanische multinationale Unternehmen, sondern sie zeigt auch hinsichtlich ihrer Wissenschafts-, Kultur- und Medienpolitik viele Ähnlichkeiten mit den USA. Der Umbruch in der Medienlandschaft, die große Macht der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP), die im Gegenzug dazu neu erstarkenden radikallinken und genderfeministischen Bewegungen weisen entsprechende politische Polarisierungen auf, wie dies in Amerika zu beobachten ist. Der Kleinstaat Schweiz mit globaler Finanz- und Industriekraft wird zwar gern in politikwissenschaftlichen Übersichtsstudien zum Populismus vergessen, dabei hätte ein Blick auf die Eidgenossenschaft viele der gegenwärtigen globalen Entwicklungen vorhersehen können.

TRUMPISMUS formt also völlig unterschiedliche Länder, Wahlsysteme, Sprachen, Gesellschaften, weist im Kern aber auf die großen Erfolge von Außenseitern und personalities und auf die durch Medien und Umfragen teilweise pervertierten demokratischen Entscheidungsprozesse hin. Politische Ego-Shooter machen in diesem Spiel schon länger das Rennen. Sie spielen mit der Presse, nutzen die Struktur der populistischen Umfragen, dominieren mit ihren extremen Positionen die Polit-Talks und finden mit Einwegparolen omnipräsenten medialen Widerhall.

Vulgarität triumphiert in den USA, präsidial-neoliberaler Charme verbreitet sich in Frankreich, nationalistisches Dumpfgrunzen wird unüberhörbar in Deutschland, und in Italien werden Slogans zur Politik, die man bisher bei alten Mussolini-Anhängern als fehlgeleitete Nostalgie noch übersehen konnte. In der Schweiz macht sich ein Schweiz-untypischer Zentralismus Richtung Medien&Bankenmetropole Zürich breit, der die politische Kultur der direkten Demokratie unter großem Beifall einiger radikalisierter Minderheiten und Medienschaffender so ziemlich vergiftet.

Alle Akteure bedienen sich dabei der Königin aller Kommunikationskanäle, dem Zwitscher-, Gossip- und nur noch ansatzweise Emanzipationsmedium TWITTER. Diesem Medium wohnt die Qualität inne, dass der Unterschied zwischen Ruhm und Schande eliminiert wird. Donald Trump ist in der bemerkenswerten Situation, dass seine Beliebtheit als notorischer Lügner bei jedem Fake steigt. Alles wird als Kredit auf das Prominenz-Konto des Präsidenten verbucht. Hashtags, Followers, Facebook-Seiten und Instagram-Accounts mobilisieren Massen zu fiktiven Diskursen. Einflüsterer (neudeutsch »Influencer«) verhelfen einzelnen Volks- oder Identitätsnarrativen zum hunderttausendfachen Erfolg, und die klassischen Holzmedien (Printmedien, die in Anlehnung an die Buchdruck-Gesellschaft und ihre Herstellungsart so genannt werden) hecheln in Untertanenmanier mit. Die Umfrage- und Mediendemokratie erhebt dabei vor allem Meinungen, nicht Wirklichkeiten. Gleichzeitig sammeln Maschinen Wählerstimmen, und Roboter benehmen sich wie ganz normale Journalisten.

TRUMPISTEN finden mittlerweile überall willige Vollstrecker: meist rechts, aber viel zu oft auch links, wenn dort beispielsweise die Kritikerinnen in den eigenen Reihen regelrecht niedergebrüllt werden. Unglücklicherweise betätigen sich hier die klassischen Medien als Mittäter.

Politisieren per Dekret findet mediale Aufmerksamkeit, Debatten werden nicht als Debatten, sondern als Hashtag gewaltig und unterkomplex behandelt, Politik wird überall mit Kultur, Religion, Identität, Geschlecht oder Hautfarbe verwechselt, die neuen sozialen Medien heben radikal jede Trennung zwischen Regierenden und Regierten, zwischen öffentlich und privat auf. Dies passiert vor unser aller Augen – und wird doch nicht gesehen. Tweets, Begriffe, Codes, Buchstaben, Kategorien funktionieren dabei wie Apparate, deren einziges Ziel zu sein scheint, möglichst alle bestehenden Systeme zu destabilisieren, alles neu zu beschriften und alle bisherigen Werte auf den Abfallhaufen der Geschichte zu werfen. Die Demokratien präsentieren sich plötzlich als Systeme mit unberechenbarem Ausgang.

Die unbequeme Einsicht ist: Donald Trump stammt nicht aus dem Niemandsland. Es sind die grassierenden Identitäts- und Selfie-Ideologien von links bis rechts, die einen Politik-Typ wie ihn salonfähig gemacht haben. Donald Trump befriedigt die zeitgenössische Sucht nach individuellen Storys, Psychogrammen, Skandalen, Sex und Crime perfekt: Great Media Stuff!

Dies alles kündigte sich an jenem 1. Mai 2011 an. Man lachte damals noch herzlich über Politik. Mit Hugo Ball stellen wir indessen im Nachhinein fest: »In dem Maße, in dem sich das Grauen verstärkt, verstärkt sich das Lachen.« Die Sternstunde Barack Obamas entpuppte sich nämlich als Geburtsstunde für den Unternehmer-Präsidenten Donald Trump. Dieser war nach der Veräppelung durch den amtierenden Präsidenten und der Bloßstellung seiner Geburtsurkundenpolemik an besagtem Abend alles andere als amused. Sein Ego war schwer angekratzt. Männer wie Trump verfügen über wenig Selbstkritik oder gar Humor. Bei ihnen nimmt das Grauen überhand. Gelacht wird höchstens über andere, aber unter keinen Umständen über sich selbst: Dies verbindet übrigens rechte und linke Ideologen. Es gibt keine witzigen Autokraten, selfish Personae, Diktatoren, Egomanen, dominante Besserwisser. Als der volle Saal über die intelligente Rede von Barack Obama lachte, wusste »Der Donald«, dass er diese Scham niemals auf sich sitzen lassen würde. Er würde es allen zeigen. Diese Art von Retaliation, von Vergeltung, passt zu Persönlichkeiten neueren Datums und politischen Positionen, die sich dem Selbst und einer selfish-Position unterworfen haben: selfish Personae dient jede Schmach, jede Verletzung, jede Zurücksetzung nicht als Moment der Besinnung, sondern als Antrieb, sich noch stärker in Szene zu setzen. Darin gleichen Ego-Politiker fanatischen, radikalisierten, desozialisierten, meist jungen Männern, die vor allem von sich selbst und von niemandem anderen beseelt sind: »Was guckst du so blöd?« Die ganze Welt dient solchen Figuren nur dazu, sie selbst zu bestätigen oder, falls die Bestätigung ausbleibt, die Widersacher zu zerstören. Dissens, selbst humorvoller, ist in jedem Fall inakzeptabel. Jede vermeintliche Beleidigung wird mit äußerster Schärfe verfolgt. Dieses asoziale und für die gesamte Gesellschaft ungeheuer gefährliche Verhalten gibt sich meist mit zunehmendem Alter. Doch leider nicht immer, und das rachsüchtige, unterentwickelte Ego treibt selbst im besten Mannesalter sein Unwesen. Donald Trump ist hier ein Paradebeispiel. So berichtet der ehemalige FBI-Direktor James Comey, dass er noch nie in seinem Leben eine derart »unerwachsene Person« getroffen hätte (»Markus Lanz«, 21.6.2018). »Der Donald« würde mit großer Rachsucht und äußerster Präzision alle verfolgen, die ihm jemals geschadet hätten. Dies musste der FBI-Chef auch am eigenen Leib erfahren. Er hatte es in einem der ersten Treffen gewagt, Trump nicht wie einem Mafiaboss seine »ewige Loyalität« zu schwören, sondern nur zu einer »ehrlichen Loyalität« bereit zu sein (idem »Markus Lanz«). Comey wusste noch nicht, dass ihm dies der amerikanische Präsident nie verzeihen würde. Donald Trump entließ wenig später den langjährigen FBI-Direktor auf eine bisher nie da gewesene spektakuläre Art. Quasi live ließ Trump James Comey, der zu dem Zeitpunkt in Los Angeles vor jungen Menschen über die Aufgaben des FBI einen Vortrag hielt, feuern. Comey fiel, wie sich später herausstellen sollte, sprichwörtlich aus allen Wolken. So war er als FBI-Direktor noch mit einer FBI-Maschine nach Los Angeles geflogen. Jetzt stand er da, hatte nicht nur keinen Job mehr, sondern auch keine Ahnung, wie er wieder nach Hause fliegen sollte. Comeys Stellvertreter, Andrew McCabe, fand die ganze Situation derart grotesk, dass er seinen ehemaligen Chef trotz Blitzkündigung dennoch mit der FBI-Maschine zurückfliegen ließ. Donald Trump war alles andere als amused. Auch hier ließ die Vergeltung nicht lange auf sich warten. Nur 26 (!) Stunden vor seinem rechtmäßigen Renteneintritt wurde McCabe vom 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten entlassen. Dies hatte zur Folge, dass dem langjährigen Beamten im Dienst der USA die reguläre Rente vermasselt wurde.

Unter TRUMPISMUS kann man also durchaus auch bösartige und rachsüchtige Charaktereigenschaften eines selfish Superegos subsumieren.

2018 gab es wieder ein »White House Correspondents Dinner«, diesmal ohne die Anwesenheit des amtierenden Präsidenten: »I sort of feel like the press so bad, it’s so fake, it’s so made up« (Donald Trump am 5. April 2018 in einem Gespräch mit WABC Radio). Donald Trump tat gut daran, nicht zu erscheinen. Eingeladen war eine der jüngsten, bissigsten Komödiantinnen der USA, Michelle Wolf. Sie griff mit ihrer unnachahmlichen Quietschstimme alle frontal an und begrüßte erst einmal die versammelte Presse mit »Pussies«. Von Anfang an war klar: Da weiß eine, wovon sie spricht. »Was niemand in diesem Raum zugeben möchte, ist, dass Trump euch allen genutzt hat. Er hat euch geholfen, eure Zeitungen, eure TV-Stationen und Bücher zu verkaufen. Ihr habt dieses Monster erschaffen und profitiert jetzt davon.«

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