Читать книгу 100.000 Tacken - Reiner Hänsch - Страница 10
Lord Dumbledore
Оглавление„Also gut“, sagt Steffi, und seufzt allerdings ein wenig zu theatralisch dabei, als ob sie einem ständig nörgelnden Kind schweren Herzens endlich nachgeben würde. Gibt ja sonst keine Ruhe.
Es geht natürlich um die Sache mit dem Haus, das ich persönlich ja schon sehr ins Herz geschlossen habe – mitsamt aller, nein, einiger Bewohner – und Steffi ja eigentlich auch, oder? Aber … sie ist halt vorsichtig, kann sich nicht so schnell entscheiden, weder bei H&M in der Damenabteilung bei der Anschaffung eines neuen Kleidungsstückes noch beim Häuserkauf anscheinend, und hat halt noch so ihre Bedenken, wie ich sie kenne.
Und obwohl sie „also gut“ gesagt hat, bringt sie dann doch noch mal den arabischen Markt mit der Hinrichtung eines Hammels oder eines Kameldiebes ins Spiel, der möglicherweise ja den Hausfrieden bedrohen könne, und erinnert auch kurz und mahnend an Herrn Horstkötter im Feinripp, der ihr nicht so sehr gefallen hat, wie sie sagt, und der einem ja vielleicht noch mal ganz schön Ärger bereiten könne, auch mit seinem sehr gewöhnungsbedürftigen lautstarken Musikgeschmack. Und auch die Familie Göktürk mit ihren möglicherweise etwas gefährlichen Verfahren der Nahrungszubereitung kommt zur Sprache.
Aber … sie hat „also gut“ gesagt und das zählt, finde ich.
„Schön ist es ja, Alex. Von außen wenigstens, obwohl ja auch da … na gut, das hat man sicher schnell gemacht. Und vielleicht hast du ja recht mit dem Betongold und so. Ist möglicherweise das Beste, was wir mit Onkel Günters Geld machen können. Obwohl es ja nicht reicht, das weißt du?“
„Daaa mach dir mal keine Sorgen“, sage ich beschwichtigend und reichlich voreilig, weil ich es natürlich noch nicht genau weiß, ob unser höchstpersönlicher Berater von der Sparkasse, Heribert Beckebanz, die andere Hälfte auch locker macht. „Aaach, das klappt auf jeden Fall.“
Steffi zieht ihre Stirn ein wenig kraus, sagt aber dann: „Ich hab mir auch alles noch mal angesehen und … ja, es sieht wirklich nicht schlecht aus. Und die Zahlen lügen ja nicht …“
„Genau“, sage ich und sie sieht mir meine wachsende Hoffnung natürlich auch an. Mir, der ich doch so gerne Immobilienbesitzer werden und für meine kleine Familie bis in alle Ewigkeit sorgen will. Mit diesem Haus wird es gehen. Ich freue mich auch sehr, dass es meine Idee war und dass ich mit Steffi ohne jede Hilfe eines Dritten (na gut, vielleicht noch mit Hilfe von Herrn Beckebanz von der Sparkasse) die ganze Sache stemmen werde.
„Die Zahlen lügen nicht. So ist es, und auch der Don hat gesagt, wir sollen’s machen, Schatz. Sieben Prozent wären sehr gut.“
Steffi nickt nur stumm, lächelt eher vorsichtig und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie vielleicht doch noch ein paar kleinere Zweifel am Projekt „Grauer Kasten“ hat.
Ich habe recht, denn da geht es schon wieder los mit der Zweifelei. Hach, vielleicht nehme ich doch lieber das grüne Kleid, was meinst du? Oder eben gar keins.
„Nur, Alex, wir verstehen überhaupt nichts von Häusern und Vermietung, und von Geldanlagen und Renditen und so was sowieso nicht. Und du hast doch selbst immer gesagt, wovon man nichts versteht, soll man die Finger lassen. Vielleicht sollten wir doch lieber von Onkel Günters Geld einfach ‘ne schöne Reise machen, ein neues Auto kaufen – der Volvo macht’s doch auch nicht mehr lange – und unsere eigenen Schulden bezahlen“, bäumt sie sich ein letztes Mal schon etwas kraftlos auf. „Oder wir sollten wenigstens meinen Alten Herrn fragen, der war schließlich mal bei der Bank.“
„Alfred? Nä!“
Bloß weil mein Schwiegervater mal bei der Sparda-Bank in Neuharlingersiel an der Nordsee sein Leben bis zur Rente als, naja, immerhin als Filialleiter verbracht hat, werde ich ihn jetzt nicht nach seinem Klugscheißer-Rat fragen.
Nein, das werde ich nicht! Er weiß sowieso immer alles besser und würde mir möglicherweise noch davon abraten. Lass man lieber die Finger von wat, wat du nich versstehss, min Jong, würde er sicherlich mit seinem ausgeprägten norddeutschen Dialekt zu mir sagen, überheblich dabei lächeln und mir schwiegerväterlich auf die Schulter klopfen.
Nee, nee, das mach ich mal schön alleine diesmal. Man kann ja auch nicht viel falsch machen. Die Zinsen sind im Keller und das Haus ist gut.
Und schön sogar. So! Fertig!
„Das kriegen wir auch sehr gut ohne deinen Papa hin“, sage ich mit der Stimme von Christian Kohlund, diesem Traumhotel-Schmierlapp aus dem Fernsehen.
„Stell dir vor, mein Liebling, du und ich an einem schönen Strand, ein kühles Getränk in der Hand und unser Blick über den Ozean, vorbei an Max, der gerade mit dem neuen Jetbike ein paar Runden dreht, während Herr Horstkötter das Überweisungsformular für seine monatliche Miete ausfüllt. Ist das nicht ein schönes Gefühl?“
Und dann nehme ich meine Steffi einfach genau, wie es mein Fernsehvorbild getan hätte, in den Arm, flüstere ihr noch mal mit derselben Stimme das schöne Wort „Betongold“ zu und knabbere ihr am Ohrläppchen.
***
„Falschgeld in Leckede! Wer sind die Hintermänner?“, so soll meine Headline mit einer entsprechend spannend und informativ aufgemachten Geschichte am Samstag im Sauerlandbeobachter stehen und unsere verschlafene Gegend wachrütteln.
Seid wachsam, Leute, das Falschgeld kann überall sein! Im Mittelpunkt der Story steht natürlich das Gespräch mit Juwelier Dorenkamp und dann ein paar Hintergründe über die Machenschaften europäischer und sogar weltweit agierender Geldfälscherringe.
Ich habe mich detailliert im Internet schlaugemacht und so einiges Hochinteressantes zusammengetragen. Zum Beispiel, dass in neuester Zeit die raffiniertesten Fälschungen von Euromünzen und -scheinen aus China kommen. Da versteht man es also nicht nur ausgezeichnet, Uhren, Handtaschen, DVDs, Schuhe und Klamotten der westlichen Konsumwelt zu fälschen, sondern auch unser gutes Geld. Auch die Italiener sollen an diesem Geschäft nicht ganz unbeteiligt sein. Vielleicht spreche ich auch noch mal mit Gaetano, unserem Lieblingsitaliener im Ort.
Mit Briefträger Fauseweh habe ich schon gesprochen. Der hat den Fünfziger an der Aral-Tankstelle in Sundern bekommen, nachdem er mit einem schwerverdienten Hunderter bezahlt hat. Tja, und der Tankwart weiß natürlich nicht mehr, woher der Fünfziger gekommen ist. Kann man verstehen. Und auch die Auswertung des Überwachungsvideos hat wohl nichts gebracht, wie mir der Tankwart noch sagen konnte. Die Polizei tappt jedenfalls im Dunkeln.
Natürlich steht die ganze Sache schon heute in der WAZ. „Vorsicht: Falsche Fünfziger!“ hat der Kollege getextet.
Naja, nicht besonders originell, aber egal. Ja, sie sind natürlich immer schneller, die werten Kollegen, aber da kann man nichts machen. So ist das eben bei einer Tageszeitung.
Aber vielleicht sind sie nicht ganz so genau wie wir. Unser wöchentlicher Sauerlandbeobachter hat bisher immer damit gepunktet, Hintergründe zu zeigen, viel informativer zu berichten und vielleicht sogar auch aufzudecken. Jawohl, so wie im letzten Jahr die Korruptionsgeschichte mit unserem ehemaligen Bürgermeister und der Sache mit diesem geplanten schrecklichen Wellnesskasten auf dem Selbecker Kopp, den keiner da haben wollte. Ein Monstrum. Ein ganzes Naturschutzgebiet sollte dafür geopfert werden. Nicht mit uns!
Da haben wir als kleines Anzeigenblättchen quasi alles aufgedeckt und in letzter Minute verhindern können. Ulli, der Don und ich. Und so könnte es vielleicht diesmal auch wieder laufen. Ich werde also alles daran setzen, Licht in diese Falschgeldsache zu bringen.
Vielleicht sollte ich doch die Headline ändern. Wie wär’s mit „Blüten vor Weihnachten! Falschgeld im Sauerland“?
Ja, schon viel besser.
***
Herr Beckebanz von der örtlichen Sparkasse bietet uns freundlich die beiden Stühle vor seinem geometrisch, fast autistisch aufgeräumten Schreibtisch in seinem Büro in der Darlehensabteilung an und schaut dann sehr freundlich, aber erwartungsvoll. Einmal noch sieht er kurz auf seine Armbanduhr und ordnet mit strenger Miene ein paar Papiere.
„Allso, wat kannich für Sie tun, lliebes Ehepaah Knippschilld?“, eröffnet er steif und nasal wie mit einem schweren Schnupfen das spannende Match, aber seinen Sauerlanddialekt kann er trotzdem nicht verbergen. Besonders die Ls wälzt er breit und feucht in seinem weichen Maul herum. Er erinnert mich mit seinen dicken Lippen an diesen Fürsten aus den bunten Blättern. Wie heißt der noch gleich? Schaumburg-Irgendwas.
„Tjaa …“, sage ich erst mal, um etwas Anlauf zu nehmen und mich warm zu machen, versuche, ganz locker zu wirken und es mir in dem sehr sachlichen ledernen Bürostuhl irgendwie bequem zu machen.
Es gelingt mir aber nicht so recht. Vielleicht sind diese Stühle ja absichtlich so gebaut, dass man es sich nicht allzu bequem machen soll. Ich glaube, sie sind auch ein paar Zentimeter niedriger als die Stühle der Damen und Herren Sparkassengeier, oder ich schaffe es eben einfach nicht, mich in dieser Atmosphäre gut und bequem zu fühlen. Ich weiß es nicht. Banken haben für mich schon immer etwas Beklemmendes gehabt, seit ich in ganz jungen Jahren immer wieder vor dem Bankschalter zittern musste, weil es nie sicher war, ob ich tatsächlich auch Geld bekam. Gut, damit ist es nun eigentlich vorbei, aber so ein Gefühl bleibt.
Und jetzt brauchen wir also wieder Geld, weil Onkel Günter es ja nun leider nicht geschafft hat, genügend Kohle für seine lieben Erben auf die Seite zu schaffen, damit die sich ein schönes Haus kaufen können, um damit für alle Zeiten abgesichert zu sein. Naja, wir wollen mal nicht undankbar sein.
Aber: Wir brauchen mehr Geld. Ganz einfach.
Ich erkläre Herrn Beckebanz unser Vorhaben und er scheint interessiert. Sehr interessiert sogar, wenn man seine Ohren beobachtet. Die bewegen sich in etwa so, wie die von Herkules in der Redaktionssitzung, wenn er erhöhte Aufmerksamkeit zeigt und durchaus bereit ist, einem gleich freudig durchs Gesicht zu lecken. Das ist jetzt bei Herrn Beckebanz sicher nicht zu erwarten. Aber er freut sich auch.
„Dat höat sich ja allles sähr gut an, wolll“, näselt Herr Beckebanz dann so vor sich hin und ich spüre jetzt schon, dass er uns das Geld geben wird. Ja, er macht es. Er zögert es nur taktisch klug noch ein wenig heraus, um seine billige kleine Machtposition ein wenig auszukosten, eine kleine Show abzuziehen. Soll er.
„Un de Substanss?“, fragt er dann als Erstes. Aber mit dieser Frage kann er mir ja nun gar nichts. Darauf bin ich vorbereitet.
„Sehr gut!“, antworte ich ohne nennenswerten zeitlichen Versatz.
„Volll vermietet?“, fragt er dann. Ts, ts, ts, er meint doch tatsächlich, dass er es mit Anfängern zu tun hat.
„Voll vermietet! Natürlich“, schieße ich umgehend zurück. „Alles nette Leute!“
Ich weiß auch, dass er als Nächstes „Gute Lage?“ fragen wird, und genau das macht er.
„Sehr gut sogar“, sage ich und lehne mich in meinem unbequemen Sitzmöbel zurück.
„Ich fraach dat ja nur, weill wir normaallerwaise ein‘ Gutachter rausschicken, um dat Haus zu bewärten, wolll. Lleider is‘ unser Gutachter zur Zait in Urllaub …“
„Brauchen wir nicht“, sage ich und schüttele energisch den Kopf und blicke kurz zu Steffi hinüber. Sie sitzt auch nicht besonders bequem auf diesen Stühlen. „Sie können sich drauf verlassen. Das Haus ist super!“
Dann nickt er nachdenklich und schreibt etwas auf einen Zettel. Er scheint also etwas auszurechnen. Das macht die ganze Sache noch ein wenig spannender. Steffi sieht mich an und auch sie spürt, dass es jetzt wohl drauf ankommt. Hit oder Niete? Geld oder Liebe?
„Allsooo“, sagt Beckebanz dann schwer gedehnt, „ich denke … da llässt sich wat mach’n, wolll, besonders, wo Se ja sellbs über fast de Hällfte vonne Summe sogar an Aigenkapitaall verfüg’n.“
„Mehr als die Hälfte!“, protestiere ich. Kann dieser Autist nicht rechnen?
„Naja, Se müss’n natürllich de Erbschaftsstoier bedenk’n, die wird mit gut fünfzehn, sechzehntausend zu Buche schllagen, un außerdem komm’n ja noch de Kaufneb’nkost’n auf Sie zu. Die müss’n Se natürllich auch bedenk’n, wolll.“
„Jaja, natürlich.“
Er merkt sofort, dass ich keine Ahnung habe, wovon er redet, und sagt dann „Notahkost’n, Grunderwärbssteuer, Grundbuchaintragung, Makller muss ja getz der Verkäufer … insgesamt so umme zehn Prozent, wolll.“
„Jaja, klar“, sage ich, „Makler ist aber umsonst.“
„Ja, egal.“ Herr Beckebanz wundert sich trotzdem, und ich nicke ansonsten eifrig, als ob das schon längst alles eingeplant sei.
„Tja,“ sagt Beckebanz da seufzend, „dann solllt’n we beim Kaufprais von Einhundertachtzichtausend vellleicht eher über Einhundertzwanzichtausend alls Kredit nachdenk’n, wolll. Plus dat Gellld von Ihrem Onkel Günter haut dat dann doch hin.“
Das sind natürlich Beträge, über die ich bisher eigentlich eher seltener nachgedacht habe. Kredit ist auch kein schönes Wort und mir ist etwas schwindelig, aber das geht ja auch wieder vorbei.
Gut, also Erbschaftssteuer, Nebenkosten. Mist. Dann eben Einhundertzwanzigtausend. Phh. Mir doch egal. Herr Beckebanz will sie uns ja geben. Na dann, her damit! Ich kneife Steffi ein Auge, so dass Herr Beckebanz es nicht sieht. Der rückt die Kohle raus.
Aber dann geht es erst los.
„Wir könnt’n Ihn‘ Follgendes anbiet’n, wolll“, sagt Beckebanz und holt ganz tief Luft:
„EinhundertzwanzichtausendEurozuEinsKommafünfProzentEinsKommafünfsechsProzentäffäktivbeieineLlaufzeitvonzehnJahreundeineBelleihungvonsächzichProzentunzwaiProzentTillgungmiteinemonatllicheRatevondraihundertsechsunvierzichEurodreiundreißich.“
Wie ein einziges riesiges Wort!
Steffi scheint er mit dieser Breitseite voll erwischt zu haben und sie droht von ihrem unbequemen Stuhl zu kippen, doch ich sage fröhlich: „Hört sich doch gut an“, und nicke Beckebanz zufrieden und mit gnädiger Gönnermiene zu, als sortiere ich gerade alles mal eben in meinem Finanzgeniehirn, und atme dann auch endlich wieder befreit aus, denn ich habe bis jetzt entsetzt die Luft angehalten. Meine Güte! Der arme Beckebanz. Was der alles drauf haben muss! Aber Autisten haben ja manchmal ganz erstaunliche Fähigkeiten.
Und als er dann noch sagt, dass man von einer Rendite von mindestens sieben bis acht Prozent ausgehen könne, raste ich fast aus. Innerlich natürlich. Mein Pokerface verrät nichts.
Acht Prozent! Wahnsinn!
„Sie müss’n natürllich bedenk’n, dat an so ’m Haus immer wieder ma wat zu mach’n is‘, woll. Muss man immer beihallt’n“, sagt er weise.
„Natürlich. Muss alles in Ordnung sein!“, gebe ich ihm recht.
Und dann schütteln wir Herrn Beckebanz noch mal ganz cool die Hand. Diesmal allerdings auf gleicher Ebene – von Finanzexperte zu Finanzexperte. So wie Wirtschafts- und Finanzminister auf einem Europäischen Währungsgipfel, die beschließen, dass der Leitzins mal wieder ein wenig in Bewegung kommen müsste. Hoch oder runter? Egal. Hauptsache Bewegung und die Leute regen sich auf.
Die Darlehensverträge würden uns in den nächsten Tagen zugehen und wir bräuchten dann nur noch zu unterschreiben. Und dann ginge alles wie von selbst.
Danke. Alles klar. Tschüss, Beckebanz, du armes Ei.
Er hat gar keine schwieligen Finger wie in meinem Traum mit dem Geldsack.
„Hast du was verstanden?“, fragt Steffi mich vor dem gläsernen Portal der Sparkasse, das sich selbsttätig für uns geöffnet hat, und wir endlich wieder frische, freie, unverzinste Luft atmen dürfen.
„Nö.“
„Ich auch nicht“, sagt sie da und ich weiß, es wächst in ihr wieder diese eine kleine, unschöne Frage: Machen wir da eventuell was falsch? Sie braucht sie gar nicht auszusprechen, ich verstehe sie auch so. Wir hätten dann noch mehr Schulden, und so wieter und so weiter.
„Steffi, mach dir keine Sorgen, Herr Beckebanz wird uns doch nicht über’s Ohr hauen. Den kennen wir jetzt schon so lange. Der hat doch Max dieses schöne Sparschwein und den Kalender geschenkt und ihm dann das tolle Sparkonto eröffnet. Er schickt uns jedes Jahr eine Weihnachtskarte … Der ist in Ordnung. Heribert Beckebanz. Das klappt schon. Bester Mann.“
Steffi nickt nachdenklich.
„Und acht Prozent! Hast du das gehört, Steffi? Sogar noch mehr, als Willi Dunkeloh gesagt hat.“
„Ja, ich hab’s gehört.“
Dann werde ich unseren neuen Maklerfreund mal gleich anrufen.
***
„Willi, wir kaufen die Hütte!“, röhre ich freudig durch mein Telefon und fühle mich wie Michael Douglas als Gordon Gekko, mit seinen Hosenträgern, in Wall Street. Kaufen! Verkaufen! Dann muss ich aber erst mal eine ganze Weile auf Antwort warten.
„Willi? Bist du noch dran?“
„Ja, ja.“ Dann ist es wieder ruhig und endlich fragt er: „Echt?“, als er wieder zu sich gekommen ist, und es fehlt nur noch, dass er „Ihr seid verrückt!“ sagt. Das tut er aber nicht.
„Aaach, vielleicht solltet ihr doch lieber die Finger …“, sagt er stattdessen sehr nachdenklich, als wolle er es uns vielleicht doch noch ausreden. Aber dann bremst er sich im letzten Moment noch ab und sagt dann: „Na gut. Sehr gut sogar … ich kümmer mich um den Notar, woll“, und dann sagt er auch noch: „Glückwunsch!“.
Gesprächsende.
Na bitte, Willi freut sich also auch.
Die Beckebanz-Papiere kommen überpünktlich, am nächsten Tag schon, und ich werde das Gefühl nicht los, dass Herr Beckebanz über Nacht alles ausgearbeitet, den Filialleiter gegen zwei Uhr geweckt und ihn um Unterzeichnung gebeten hat, und sie dann höchstpersönlich heute morgen noch vor Briefträger Fauseweh in unseren Kasten gesteckt hat. Ja, ja, den Banken geht’s auch nicht mehr so.
Papiere, Papiere … ich habe plötzlich so eine Ahnung, dass die Papierflut überhaupt nicht mehr aufhören wird. Ich hatte keinen Schimmer mehr, dass man sich durch so viel Papier fressen muss, um einfach nur ein schönes Haus zu besitzen. Einmal hatten wir das ja schon alles gemacht bei unserem eigenen Haus, aber war es denn da auch so viel?
Ich weiß es nicht mehr. Ich war auch noch ein paar Jahre jünger. Das wird es sein.
***
Der Termin beim Notar, Herrn Dr. Dr. Großjohann, in dessen Kanzlei in einer alten furchteinflößenden protzigen alten Villa im Graf-Arnold-Weg ist für uns so etwas wie das Betreten einer unheimlichen, eigentlich gar nicht existierenden Zwischenwelt, die sich hinter unserem bisherigen erbärmlichen Leben irgendwo versteckt hatte, einer bisher völlig unbekannten Sphäre in einer nicht vorstellbaren Daseinsform.
Es riecht nach alten Büchern, Staub, großer Weisheit und Angst und Schrecken. Ein paar fast durchscheinende schimmelige Bücherwesen durchqueren missmutig die finsteren Flure, an ihren Tentakeln kleben Papiere und Verordnungen, die das außerterrestrische Leben in dieser feindlichen Welt hier draußen regeln.
Ein fast kopfloser Aktenmolch in grauer Strickweste trägt ein paar schwere Steinplatten mit wichtigen Gesetzestexten zu einem Kopierer. Wir haben soeben die Karten gelöst für die abenteuerlichste Geisterbahnfahrt durch Formulierungen, Paragrafen, bisher nie vernommene Begriffe und die wundersamsten Satzkonstruktionen, die wir je erlebt haben. Steigen Sie ein, meine Herrschaften, anschnallen und ab geht die Fahrt. Wer überlebt, ist selber schuld! Hahaha.
Ein Kartenabreißer in dunklem Anzug und einem dritten Auge auf der Stirn dirigiert uns mit einer Andeutung von Lächeln zu unseren Startpositionen. Wir nehmen also eingeschüchtert und ehrfürchtig Platz auf lederbezogenen Holzsesseln, die beim Hinsetzen überheblich knarzen und nach Tod und Verzeiflung riechen.
Und so verharren wir still eingeklemmt zwischen hundert Meter hohen, einsturzgefährdeten Bücherwänden voller Gesetze und Verordnungen, die wahrscheinlich nur ein einziger Mensch auf der ganzen Welt alle auswendig kann, und das ist Dr. Dr. Großjohann-Dumbledore höchstpersönlich, der jetzt nach einem blechernem Fanfarensignal erscheint. So sieht er jedenfalls aus mit seinen schütteren weißen, recht langen Haaren und so bewegungs-, regungslos und völlig unbeeindruckt, als hätte er alle diese Gesetze selbst gemacht, rasselt Lord Dumbledore dann auch den äußerst schwierigen und für uns völlig unverständlichen Text unseres vielleicht lebensentscheidenden Vertrages einfach so locker herunter. Er ist Gott.
Und Gott macht das nun sicherlich schon zum hundertausendsten Mal, seit er Moses die ersten selbstgemachten Gesetze seiner Laufbahn überreicht hat, und er sieht auch so aus, als ob er es nicht mehr lange machen würde. Großjohann-Dumbledore nuschelt da die kompliziertesten Sachverhalte und Wortgebilde einfach so lässig raus, als würde er aus einer langweiligen, immer gleichen Speisekarte eines beliebigen griechischen Lokales vorlesen, die ja nun wirklich jeder auswendig kennt.
Suflaki, Bifteki, Zaziki, Gyros, Kalamaris, Chefplatte …
„Fragen Sie bitte, wenn Ihnen irgendetwas unklar ist.“ Wolle noch ein Ouzo?, sagt Gott gnädig und fast gelangweilt über seine silberne Lesebrille und meint damit natürlich nur uns. Aber wir fragen lieber nicht. Was sollte man auch fragen? Es ist alles unklar.
Der Noch-Besitzer des Hauses, Herr Pollmann, ein älterer, stiller, grauhaariger, vielleicht auch leicht verkniffener Mann, dem das bisherige Leben scheinbar übel mitgespielt hat, mit einem Gesicht, das irgendwie von langem Leiden, aber auch ein wenig neuer Hoffnung erzählt, scheint alles zu verstehen, oder es ist ihm egal. Jedenfalls hat er wohl nicht vor, den Abschluss dieses Vertrages durch unnötige Fragen seinerseits aufzuhalten. Ihm kann es kaum schnell genug gehen, hat man den Eindruck. Er ist etwas unruhig. Und auch Willi macht mächtig Druck.
„Ja, dat is‘ ja alles klar, woll? Also, weiter bitte, keine Fragen von uns, Herr Dr. Dr. Großjohann.“
Nein, nein, wir fragen auch nix und sind dann irgendwann auch fast durch. Die Bücherwände stehen noch und Gott will schon die Speisekarte zuklappen, als er dann noch fragt: „Gibt es noch irgendwas zum baulichen Zustand der Immobilie zu sagen, Herr Pollmann? Alles in Ordnung damit?“
Herr Pollmann macht eine spitze Schnute, stößt ein wenig Luft aus und sagt dann recht zögerlich: „Naja, wissen Se, dat issene alte Kasten. 1896 jebaut … da jeht schomma wat kaputt, aböörr …“
Wir nicken voller Verständnis und sind Herrn Pollmann geradezu dankbar für so viel Offenheit. Klar, dass da mal was kaputtgeht. 1896. Leute! Natürlich kann da mal was passieren.
„Aber es geht alles, oder?“, fragt Dumbledore streng über seine Brille hinweg.
„Jo“, sagt Herr Pollmann und nickt dazu, „et jeht allet. Heizung löppt, dat Dach is‘ noch discht … tjooo … naja, die Rohre sin natürlisch alt …“
Willi Dunkeloh schwitzt schon wieder. Was hat er denn nur? Ist doch klar: 1896!
„Gut“, sagt Dumbledore und räuspert sich ein wenig nervös, er wird auch etwas unruhig und will wohl ein Ende haben. „Dann nehmen wir noch auf, dass die Immobilie in einem altersentsprechenden Zustand ist. Gekauft wie gesehen. Alle einverstanden?“
Pollmann nickt zufrieden und wir sowieso. Einverstanden. Natürlich. Alles klar.
Na gut. Dann also: griechische Speisekarte zuklappen! Ich weiß jetzt, was ich nehme.
Baklava, Joghurt mit Honig, Ouzo? Die Rechnung, kali nichta!
Gute Nacht!
So, das war’s also für den guten alten Dumbledore. Seine letzte große Rolle. Ich rechne mal kurz nach, was diese halbstündige Veranstaltung dem weisen, alten Mann bei einskommafünf Prozent von der Kaufsumme eingebracht hat und komme auf circa zweitausendsiebenhundert Euro. Nicht schlecht. Da hat Richard Harris‘ die Gage für seine Auftritte in den Harry-Potter-Filmen weitaus schwerer verdient.
Herr Pollmann übergibt uns sichtlich erleichtert eine dicke Mappe mit viel, viel Papier drin.
„Dat sin de Mietverträge, de Pläne, Versischerungen und all dä janze Kram, dä dazujehört. Wärden Se jlücklisch damit.“ Herr Pollmann kommt aus dem Rheinland. Mönschenjladbach. Hat nach Arnsberg hin geheiratet.
„Danke“, sage ich und nehme die schwere Mappe entgegen. „Warum haben Sie denn jetzt eigentlich Ihr schönes Haus verkauft, Herr Pollmann?“, frage ich ihn dann noch ganz munter.
Er sieht mir daraufhin tief in die Augen und sagt: „Wissen Se wat? Isch bin zu alt für so’n Scheiß.“
Ah so. Ja klar. Und dann nickt er uns noch mal zu und ich meine auch, dass er fast entschuldigend seine Schultern um ein paar Millimeter hebt … und dann haut er ab.
Nach ausgiebigem Händeschütteln mit allen anderen Beteiligten verlassen auch wir dann sehr erleichtert und trotzdem auch irgendwie bedrückt die finstere Halbwelt von Dumbledore und seinen Gesellen, lassen den Geruch nach alten Büchern und schweren Schicksalen hinter uns und schleppen uns über knarzende, dunkle Eichendielen schwer erledigt, aber auch leicht euphorisch und doch irgendwie von dunklen, ungewissen Ahnungen durchzogen nach draußen.
Puuh. Geschafft.
Willi Dunkeloh übergibt mir dann auch noch den kiloschweren Schlüsselbund und ist dann genauso schnell weg wie Herr Pollmann. Der Kasten ist verkauft, seine Mission beendet.
Er nickt noch mal nachdenklich und sagt dann ernst und endgültig, fast, wie man auf einer Beerdigung zu den Angehörigen „Mein Beileid“ sagt: „Alles Gute für euch, woll!“, so als ob wir das wirklich gebrauchen könnten, und geht.
„Ihr könnt mich gärne anruf’n, wenner noch Frag’n habbt, woll!“, ruft er uns noch zu, als er schon fast nicht mehr zu sehen ist und sich in gewisser Sicherheit wähnt.
Ja, ja, alles klar. Und dann stehen wir da.
Wir haben es also tatsächlich gemacht. Wir haben ein riesiges altes Haus gekauft und blicken einer sorgenfreien Zukunft entgegen.
Ja?
Na also, ich denke doch. So soll es jedenfalls sein.
„Nix verstanden“, sage ich als Erstes zu Steffi, ohne dass sie mich danach fragt.
„Ich auch nicht“, sagt sie ganz bescheiden und kleinlaut, wie ich sie gar nicht kenne.
Aber das mit dem „nix verstehen“ scheint ab jetzt ganz normal für uns zu werden in dieser Schattenwelt, in der wir uns bewegen. Ist das einfach alles zu viel für uns? Sieht so aus.
Ich weiß auch gar nicht, wie wir bisher so durch unser ärmliches Leben gestolpert sind, wo wir doch von solch grauenhaften Gesetzen und finsteren Regeln so überhaupt nichts verstehen. Sind wir möglicherweise die einzigen, die nichts kapieren? Wie konnten wir nur bis hier und heute überleben, wenn man Wortgebilde wie Auflassungsvormerkung oder Zwangsvollstreckungsunterwerfung noch nie gehört hat und auch keine Ahnung hat, wie und wozu man sie benutzen könnte.
Es liegt sicher daran, dass manche Worte einfach für manche Köpfe gar nicht gemacht sind. Sie prallen einfach ab, wie an einem unüberwindlichen Schutzschirm. Der Körper schützt sich, weil es sonst nur Ärger gibt innendrin.
Die bösen Worte vertragen sich einfach nicht mit den anderen, den normalen. Wie soll ein Wort wie zum Beispiel Ölwechsel, Elternabend oder Rasenmähen mit einem Wort wie Annuitätendarlehen oder Notaranderkonto klarkommen? Das funktioniert doch nie.
Und das soll es auch nicht. Da sind sich doch die Notare, die Anwälte, die Ärzte, die Steuerberater, Handyverkäufer und die Gebrauchtwagenverkäufer einig. Man ist da verbal lieber unter sich und bastelt sich seine eigene Fremdsprache. Zu viele Mitwisser können da nur schaden. Der Kunde braucht ja schließlich nur an der richtigen Stelle zu unterschreiben. Und das haben wir ja auch gemacht.
Und dabei verstehen wir sie ja, diese Sprache. Es ist ja unsere. Die Worte gehen rein, weil das Ohr ja gut funktioniert, aber sie bleiben nicht lange drin. Wenn unser Steuerberater, Herr Grenningloh, mir zum Beispiel erklärt, dass es durchaus steuerunschädlich und für mein sozial akzeptiertes Weiterbestehen in dieser Gesellschaft lebenswichtig ist, alle Quittungen und Rechnungen aufzubewahren und darauf zu achten, dass die Mehrwertsteuer ausgewiesen ist und die Bewirtungsbelege auch ausgefüllt und unterschrieben sein müssen, dann verstehe ich ihn natürlich, aber ich begreife es anscheinend nicht, weil ich es dann doch nicht mache.
Ich kann mich dann natürlich zwingen, seine Worte und Ermahnungen eine Weile bei mir zu behalten, wie ein ekliges fettes, kaltes Stück Fleisch, ohne zu würgen, aber spätestens nach ein paar Tagen, haben mich die Worte dann doch wieder auf ganz natürlichem Wege verlassen.
Kann man nix machen.
„Na, die werden uns schon nicht über’s Ohr hauen, Steffi. Können die ja nicht machen. Guck mal, der Dumbledore ist ja schließlich ein Notar.“ Ich betone das Wort besonders erhebend, wie ich meine. „Da wird schon alles korrekt sein.“
Steffi sieht mich an und kann auch schon wieder lächeln. Na bitte.
„Ja klar, denke ich auch“, sagt sie dann und so beruhigen wir uns ganz wunderbar gegenseitig.
„Komm, wir gehen zur Feier des Tages noch zu Gaetano!“
Ja, das ist schön. Lecker essen bei Gaetano und Giovanna am Marktplatz in Leckede-Hintersten. Sapori Italiani heißt sein wunderbarer kleiner Laden. Das wird ein Fest. Hoffentlich hat er gut geheizt, weil es wirklich verdammt kalt geworden ist bei uns im Sauerland.
***
„Aaah, kommte reine, Alessandro, Sstääffii!“, singt Gaetano durch seinen kleinen Feinkost-Laden mit Restaurantabteilung im vorderen Bereich und breitet freudig beide Arme aus. Es ist Mittag und recht voll. Alle Tische sind besetzt, weil Gaetano wirklich die beste Pasta von Leckede, nein, überhaupt macht. Außerdem verkauft er leckere Schinken, eine Wahnsinns-Salami und ganz besonderen, verschimmelten Käse.
„Sstääfii, schönste Frau von de Wäälte!“
Das sagt er etwas leiser, damit seine eigene Frau, Giovanna, ihn nicht hört, und dann küsst er meine Steffi wieder von allen Seiten ab, weil Giovanna gerade nicht da ist, und ich kann schon gar nicht mehr hinsehen. Zum Glück kommt da die gute Giovanna breit lächelnd aus der Küche, und ich kann dann auch ein bisschen rumknutschen. Giovanna ist eine kleine rundliche, sehr herzliche, geradezu mütterliche Person mit einem riesigen Busen, der einem fast die Luft nimmt, wenn sie einen erbarmungslos an sich drückt.
„Ragazzo! Bello!“, schnurrt sie, drückt mir einen Schmatzer auf die Wange, dass ich fast ersticke. „Sstääffii, freu isch mir!“
„Wolle ässe, cari amici, liebe Freunde?“, fragt Gaetano freudig und reibt sich die Hände. Er reibt sich immer die Hände, das ist so eine Angewohnheit von ihm, und manch einer, der ihn nicht kennt und zum ersten Mal seinen Laden betritt, hat vielleicht das Gefühl, dass er ihm in die Falle gegangen ist.
Ja, wollen wir.
„Prego. Il menù!“
Damit schleudert er uns lässig die laminierte Speisekarte auf den Tisch, und bevor wir etwas daraus aussuchen können, weiß er schon, was wir auf jeden Fall nehmen sollen und nimmt uns die Karten schon wieder weg.
Es gibt heute Tortellini Colosseo und Rigatoni della Casa für alle, einen trockenen Weißen und dann noch einen, und es schmeckt wie immer fantastisch. Und Gaetano hat seinen Laden gut geheizt.
„Hast du Geld?“, fragt Steffi.
„Jep!“, sage ich großspurig, weil der Wein schon sehr angenehme Wirkung zeigt. „Über zweihundertausend.“
„Nein, ich meine jetzt zum Bezahlen, natürlich“, sagt sie und schmunzelt, weil wir auf einmal so reich sind. Jetzt hat sie es also auch begriffen und es scheint ihr zu gefallen.
„Ja klar.“
Ich zücke einen Hunderter und Gaetano gibt mir einen Fünfziger zurück. Aufgerundet. Ja, billig ist er nicht, unser italienischer Freund.
„Grazie mille!“
„Gaetano, wir haben ein Haus gekauft!“, sage ich ihm dann stolz, weil ich eigentlich immer allen alles erzähle, wenn es mir auf der Zunge brennt und mich augenblicklich bewegt. Steffi findet das nicht immer gut.
„Eine Chaus?“
„Ja, ein Mietshaus, weißt du?“
„Ooh, meine Bruder hatte so eine Chaus.“
„Unser Haus ist sehr schön. Wohnen viele Leute drin. Alle sehr nett!“
„Auche Ausseländär?“, fragt Gaetano vorsichtig.
„Nur!“
„Oooh, Alessandro“, stöhnt er da und sieht mich außerordentlich bemitleidenswert an, „gibbte nur Ärger! Gibbte nur Ärger! Pericoloso! Gefährelische! Passe auf, dass nisch falle auf Schnauze, liebe Amico!“
Ach was.
„Arrivederci, Gaetano! Arrividerci, Gioavanna!“
Und dann küssen wir uns wieder alle und Gaetano reibt sich die Hände.
Als wir das Sapori Italiani verlassen, freuen wir uns, dass es ein bisschen geschneit hat. Ein sanfter weißer Hauch hat sich über unser Städtchen gelegt und es sieht wunderbar kitschig aus. Puderzucker.
„Oh, Steffi, sieh dir das an! Bald ist Weihnachten!“, sage ich hocherfreut, denke an klingelnde Glöckchen, Paketchen mit goldenen Schleifchen und glitzernde Weihnachtsbäume und rutsche dabei überraschend elegant auf der untersten Stufe aus. Steffi kann mich leider nicht auffangen, weil ihre Reaktionsfähigkeit anscheinend doch etwas gelitten hat, aber zum Glück verfehle ich die tödlichen Spitzen des schmiedeeisernen Geländers von Gaetanos kleiner Treppe um einige Zentimeter mit dem Hinterkopf, so dass ich wohl gerade noch mal davon gekommen bin und nur mit dem Steißbein krachend und hart auf Beton lande.
„Scheiße!“
„Mann, Alex, das war knapp!“