Читать книгу Hölle vs Himmel - reiner nawrot - Страница 3
ОглавлениеDie beiden Gestalten schüttelten sich das Wasser aus dem Pelz. Nach dem unerwarteten Guss sah ihr schwarzes Fell noch struppiger aus als sonst. Mit einem Fingerschnippen hatten sie zwar das entstandene Loch in der Decke sofort wieder verschlossen, aber nun lag hier dieses komische, elendlange Ding und blockierte einen großen Teil des Saals. Ein schneller Kontrollblick hatte zwar gezeigt dass niemand in der Nähe war, der das Malheur hätte bemerken können, aber es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis Ärster erschien um die ihnen aufgetragenen Vorbereitungen für die Abschlussfeier zu kontrollieren.
„Ich habe dir immer gesagt, dass du deine Aufgaben ernster nehmen solltest …“, sagte Machmanix der etwas Kleinere von beiden vorwurfsvoll, „…das kommt nun von deiner schluderigen Arbeit. So etwas musste ja irgendwann mal passieren.“
Geetnich, der Angesprochene machte einen zerknirschten Eindruck und konnte seine roten Augen kaum von dem langen, stählernen Eindringling abwenden. Er war in diesem Reich für Hoch- und Tiefbau zuständig. Seine Aufgaben beinhalteten unter anderem die statische Überwachung baulicher Anlagen. Bei kontinuierlicher Überwachung hätte also solch ein Deckeneinsturz nie und nimmer stattfinden dürfen. Weil Geetnich aber eine ziemlich lockere Arbeitsauffassung hatte, ließ er ziemlich oft Fünfe gerade sein, frei nach der Devise: Danach ist oft auch noch früh genug.
Jetzt sah es allerdings mehr nach zu spät aus. Mit so einem Einsturz konnte man doch aber auch wirklich nicht rechnen. Und überhaupt, was war denn das für ein komisches langes Ding? Das hatte doch das Unglück scheinbar verursacht.
Zusammen mit seinem Kollegen betrachtete Geetnich den reglos am Boden liegenden Eindringling. Von den Alten hörte man immer wieder, dass weit irgendwo da oben in der Unendlichkeit seltsame Wesen leben und ihr Unwesen treiben würden. Nach ihrem Tod würden deren Seelen dann hier zu ihnen herunter kommen um zur Strafe im ewigen Fegefeuer zu brutzeln. Sollte es sich etwa um solch ein Wesen handeln? Zumindest schien es selber ziemlich verängstigt zu sein, denn es rührte sich keinen Millimeter mehr. Oder sollte es sogar bei dem Absturz ums Leben gekommen sein? Dann hatte es aber selber Schuld.
Obwohl die Sache mit der Unendlichkeit und den Seelen bei vielen hier unten auf Skepsis stieß. Vieles war ja undurchschaubar und wurde nur durch Überlieferung und Erzählung der Alten verbreitet. Manche meinten sogar, die Oberen würden ihnen vieles vorenthalten, anderes verdrehen und vielleicht sogar bewusst die Unwahrheit sagen. Alles Wissen stammte doch sowieso nur aus einem Buch, dem "Großen alten Buch", kurz gesagt, dem GaB. Darin hieß es unter anderem, dass alle Gebote aus dem GaB streng befolgt werden müssten, sonst könnte es irgendwann später mal ziemlichen Ärger geben. Manche glaubten mehr daran, andere weniger. Bisher war jedenfalls noch nichts Dramatisches passiert.
„Wir müssen irgendwas machen, bevor das hier jemand sieht.“, flüsterte Machmanix jetzt in die Stille hinein.
Geetnichs Blick wanderte zum jetzt wieder verschlossenen Loch in der Decke, aus dem der Besuch gekommen war. Ob man den Fremdling dadurch wohl zurückschicken konnte? Denn eigentlich wollte er mit dem so plötzlich Aufgetauchten ja gar nichts zu tun haben. Gerufen hatte er ihn jedenfalls nicht. Obwohl Geetnich natürlich auch so ein gaaanz kleines bisschen vom schlechten Gewissen geplagt wurde. Hätten seine regelmäßigen Kontrollen dieses Unglück vielleicht doch verhüten können?
„Hallo du da...“, versuchte es Machmanix jetzt leise in Richtung des Eindringlings. Doch der blieb stumm. Stand der vielleicht noch unter Schock, war es Unhöflichkeit oder konnte er gar nicht sprechen? Auch ein vorsichtiger Stupser mit dem Fuß brachte keinen weiteren Aufschluss. Hatte der seinen Sturz tatsächlich nicht überlebt?
Jedenfalls würde Geetnich wohl ordentlichen Ärger bekommen, wenn das hier entdeckt werden sollte. Obwohl er ja ohnehin als schwarzes Schaf galt. Das heißt, schwarz waren sie ja alle, bis auf Sgibtmichwirklich, ihrem Oberhaupt. Der konnte je nach Tageszeit in verschiedenen Farbvariationen schimmern. Erzählte man sich zumindest, denn von den Jüngeren hatte ihn noch niemand gesehen. Mit dem verhielt es sich nämlich noch mysteriöser als mit den angeblichen Wesen über ihnen. Niemand wusste genau wo er sich befand. Es hieß immer nur, eines Tages würde er wieder erscheinen. Allerdings war dieses „eines Tages“ wohl noch nicht gekommen, denn er war und blieb bisher unsichtbar wie ein Phantom. Genau deshalb gab es unter einigen Jung-Schwarzen auch starke Zweifler, die sogar die gesamte Existenz von Sgibtmichwirklich in Frage stellten. Was sollte man aber auch von jemandem halten der sich nicht blicken ließ und meinte, alles was er zu sagen hatte durch ein Buch mitteilen zu können, das darüber hinaus noch uralt und ziemlich angestaubt war.
Einen Hungernden würde doch auch das schönste Bild eines belegten Brötchens auf Dauer nicht vor dem Verhungern retten. Und so sah es nicht nur Geetnich.
„Nun steh nicht lange rum, wir müssen das Ding endlich wieder loswerden.“
Machmanix trippelte von einem Bein aufs andere und sah sich suchend um, wobei er immer wieder leicht den Kopf schüttelte. Außer den aufgestellten Tischen für die Gäste gab es hier nämlich nichts, wohinter oder worunter man etwas so Großes hätte verstecken können. Geetnich wirkte ebenso ratlos. Wären sie aus fester Materie gewesen, hätte man in diesem Moment einige leere Denkblasen von seinem Kopf aufsteigen sehen können. Machmanix hatte das stumm daliegende Ding eine Weile fixiert, bevor ihm ein erlösendes Jetzthabichs-Grinsen übers Gesicht huschte.
„Wir lassen es einfach für immer verschwinden. Derjenige dem es gehört, hätte eben besser auf seine Sachen aufpassen sollen. Und wenn es hier erst wieder verschwunden ist, wissen w i r jedenfalls von nix.“
Geetnich zauderte weil er sich natürlich betroffener als Machmanix fühlte. Immerhin hatte der seine Aufgaben ja nicht vernachlässigt und konnte leicht daherreden. Andererseits hatte er schon Recht, dass man den Besucher schnell wieder loswerden musste bevor ihn hier noch jemand sah. Ehe er jedoch überhaupt zustimmen oder ablehnen konnte, handelte Machmanix schon. Mit erhobenen Armen stand der jetzt vor dem Eindringling und ließ einen Funkenregen über ihn prasseln. In einem gelblich qualmend, sprühenden Inferno schrumpfte das Ding immer weiter zusammen bis es völlig verschwunden war. Kaum hatte Machmanix seine Arme wieder sinken lassen, versiegte auch der Funkenregen. Zwar dampften seine Hände noch etwas, aber er schien zufrieden.
Von dem komischen Besucher war jedenfalls nichts mehr zu sehen. Ohne auch nur die kleinste Spur auf dem Boden hinterlassen zu haben hatte der sich aufgelöst. Obwohl Geetnich im tiefsten Innern wusste, dass das die beste Lösung war, zeigte er sich über das drastische Ende doch erschreckt.
Ein langgezogenes sparsames „Ooooha“ war allerdings seine einzige Reaktion darauf. Machmanix hatte wirklich keine Sekunde zu früh gehandelt, denn schon im nächsten Augenblick hörten sie Schritte und sahen Ärster durch die Tür kommen. Zwischen den Tischen durchschlendernd kam ihr Vorgesetzter mit prüfendem Blick langsam näher und schien zufrieden. Als er die beiden allerdings sah, die wie ertappte Lausbuben dastanden, wurde er misstrauisch. Sein Blick wanderte von einem zum andern und blieb dann an Machmanix’ immer noch dampfenden Fingerspitzen hängen.
„Habt ihr schon wieder gezaubert? “
Bevor Geetnich überhaupt etwas einfiel womit man sich hätte herausreden können, schüttelte Machmanix schon entschieden den Kopf.
„Natürlich nicht Meister …ohne Grund ist das doch verboten.“
Dazu zog er ein Gesicht, das hätte Steine erweichen können. Ärster starrte aber noch immer auf Machmanix’ Hände. „Und was ist damit …?“
Jetzt war Geetnich schneller und er beeilte sich Machmanix aus der Patsche zu helfen, der jetzt doch noch in Not zu geraten drohte. Vor einigen Jahren hatte Geetnich als Bester die Abschlussprüfung des zweiwöchigen Seminars „Wie dehne ich die Wahrheit unter Zuhilfenahme der Buchstaben L, Ü, G, und E“ mit Auszeichnung bestanden, was ihm seither schon oft hilfreich war.
„Es waren einige Kohlen aus dem Feuer gepurzelt und keine Schaufel zur Hand.“
Nur ganz kurz zog Machmanix ein erstauntes Gesicht, dann nickte er zustimmend.
„Genauso war's …die Schaufel war weg.“
Ärster verzog das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse und zeigte damit ohne Worte an, dass er an dieser Erklärung doch erhebliche Zweifel hatte. Ohne aber weiter darauf einzugehen sah er sich wieder im Saal um. „Wie weit seid ihr gekommen?“
Machmanix, der sich wieder gefangen hatte, beeilte sich mit der Antwort, um so endgültig von dem peinlichen Thema wegzukommen.
„Soweit alles klar …nur noch ein paar Kleinigkeiten.“
Ärster nickte zufrieden und Geetnich atmete erleichtert auf. Offensichtlich aber zu früh, denn Ärster stutze und guckte mit schief gelegtem Kopf in die Saalecke wo noch die Restlache des durchgebrochenen Wassers schimmerte.
„Und was ist das …?“
Geetnich griff noch einmal auf seine Seminarkenntnisse zurück.
„Ähh... das ist der Rest vom Kühlwasser …,“ sagte er mit leicht stockender Stimme, „…das wir für die Getränke nachher vorbereitet haben.“
Ärster zog die Augenbrauen hoch, was aber kaum zu sehen war, weil sie genauso schwarz und zottig waren wie sein übriges Fell. „Lügen haben kurze Hosen …“
Geetnich stutzte einen Moment und meinte ihn verbessern zu müssen.
„Ach, heißt das nicht …haben kurze B e i n e …?“
Ärster grinste wissend.
„Eben …und kurze Beine brauchen keine langen Hosen.“
Mit einer Siehste-wohl-Miene drehte er um und schlenderte zwischen den Tischen hindurch dem Ausgang zu. Korrigierend zupfte er mal an der einen oder anderen Tischdecke, rückte ein Glas näher zum dazugehörenden Teller und machte im Großen und Ganzen einen zufriedenen Eindruck. Die Inspektion war beendet.
„Wir sehen uns dann in …“
Um nach der Uhrzeit zu sehen, neigte er den Kopf. In der dichten Behaarung seines linken Unterarms hatte ständig eine Gruppe von Glühwürmchen Dienst. Niemand wusste genau, was die in ihrem Leben ausgefressen hatten, um jetzt hier zu diesem Strafdienst verdonnert worden zu sein. Auf alle Fälle saßen sie fast ohne Unterbrechung tagein tagaus zwischen den schwarzen zotteligen Haaren und mussten immer wenn der Meister auf sie blickte, in Windeseile die aktuelle Uhrzeit in Zahlen darstellen. Vier hatten sich jetzt eilig zur Null aufgestellt, sieben zu einer Neun und zwei zu den Trennpunkten. Ärster guckte entgeistert und nahm den Arm höher, weil er nicht glauben konnte was er sah. Was war denn das? Hinter den Trennpunkten waren nur Haare zu sehen?
„Holla …“, rief er verstimmt und schüttelte dazu seinen Arm, „…was ist mit euch? Neun Uhr waaas …?“
Hastiges Rascheln und leises Fluchen war zu hören, dann schurrten Stühle über Holzdielen und schon kräuselten sich die Haare hinter dem Trennpunkt wo sich im nächsten Moment eine flackernde Zwölf bildete. Ärster bedachte sie mit einem strengen Blick.
„Noch einmal verschlafen und der freie Sonntag ist gestrichen …“
Die Zwölf nickte kollektiv, was Ärster wohlwollend aufnahm und sich noch einmal Geetnich und Machmanix zuwendete.
„Also in zwei Stunden, seht zu dass ihr fertig werdet.“
Einer nickte, der andere reckte seinen Daumen wortlos in die Luft und Ärster hob zum Abschied die Hand. Erst als die Tür hinter ihm wieder geschlossen war wich auch die knisternde Spannung. Geetnich atmete erleichtert auf wobei zwei Rauchwölkchen aus seinen Ohren aufstiegen.
„Das ist ja gerade noch mal gut gegangen.“
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