Читать книгу Einer fällt den Baum - Reiner Strunk - Страница 7

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SAMSTAG, 1. APRIL 2000

Der Tag versprach, ein Geschenk des Frühlings zu werden. Das Thermometer kletterte auf frühsommerliche Temperaturen, der Himmel hatte alle Schleier und Wolkenkleider abgelegt und brüstete sich im zarten Azur. Rasenflächen in den Vorgärten zauberten die kleinen weißen Sterne der Gänseblümchen und das milde, vergängliche Männertreu hervor. In den Beeten entfalteten Narzissen ihre Kelche, als wollten sie der Sonne und den ersten Bienen ein wollüstiges Entree gewähren. Aus den Büschen zilpzalpte der Weidenlaubsänger, und eine graumelierte Katze lag entspannt davor und träumte von erfolgreichen Jagden.

What a day for a daydream… Beermann pfiff die Melodie gut gelaunt vor sich hin, nachdem er sein Frühstück auf dem Balkon eingenommen hatte und nun die Zeitung durchblätterte. Ab und zu lehnte er sich zurück und sah den Kondensstreifen großer Flieger nach, die lautlos und fern über die Stadt hinzogen. Irgendwo schlug eine Kirchenuhr die falsche Zeit. Es war eine Genugtuung zu wissen, dass es nicht die eigene war.

Eben als er sich besann, ob ihm ein weiterer Kaffee, vielleicht mit einem Schuss Rum verstärkt, gut tun würde, klingelte es an der Haustür. Es war Mesner Wilhelm. Er sei vorhin mit dem Hund ums Viereck gelaufen, erklärte er, da habe er’s bemerkt. In die Sakristei sei eingebrochen worden.

„Die Tür ist hin“, kommentierte er, als sie den Ort des Unheils erreicht hatten. In Höhe des Schlosses war ein Stemmeisen eingeführt worden, mit dem man das Ganze aufgebrochen hatte. Holzsplitter lagen auf der Erde und ragten spitz aus der Türfüllung.

„Waren Sie schon drin?“, fragte Beermann.

Der Mesner verneinte. Er sei sofort ins Pfarramt gelaufen.

Sie traten ein. Alle Schranktüren standen offen, Trau­bibeln, Antependien, Agendenbücher lagen auf dem Boden. Das silberne Abendmahlsgerät war verschwunden. Ebenso der Recorder, mit dem für bettlägerige Gemeindeglieder die Gottesdienste aufgenommen wurden, das Mikroport und der Tageslichtprojektor. Alles, was man brauchen und auf dem Hehlermarkt umsetzen konnte.

„Die Kirche hilft allen Bedürftigen, jedem auf seine Weise“, grinste Wilhelm.

Beermann warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu – und stutzte. Der Einbruch hatte sie ein paar Gegenstände gekostet, gut. Aber wenn diese Tat nun gar nicht den erbeuteten Gegenständen gegolten hatte? Wenn die bloß im Vorbeigehen mitgenommen wurden? Was, wenn das eigentliche Interesse darauf gerichtet war, dieses vermaledeite Bild zu erwischen und verschwinden zu lassen? Beermann starrte den Mesner an und murmelte: „Am Ende ging es denen gar nicht um die Kollekte und Silbersachen zum Verscherbeln. Es könnte ein Zusammenhang mit dem Bild bestehen. Diesem Bild von der Bühne. Es kam ja in der Zeitung. Und einige wussten oder meinten zu wissen, dass es hier in der Sakristei sei.“

„Wer zum Beispiel?“, fragte Wilhelm.

„Einige Kirchengemeinderäte zum Beispiel.“

Der Mesner glotzte und schüttelte langsam den Kopf: „Das meinen Sie nicht im Ernst, Herr Pfarrer?“

„Natürlich bin ich überzeugt, dass alle Kirchengemeinderäte über jeden Verdacht erhaben sind…“

„… aber man hat schon Pferde kotzen sehen“, ergänzte Wilhelm bedeutungsvoll.

Wieder zurück im Pfarramt verständigte Beermann die Polizei, den Vorsitzenden des Kirchengemeinderats und auch gleich den kirchlichen Bautrupp, der den Sakristeieingang möglichst rasch wieder verschließbar machen sollte.

Von der Polizei erschienen zwei Herren – ein Inspektor mit Assistent. Der Inspektor hieß Knolle und sah auch so aus. Er hatte einen rundlichen Rumpf, einen ebensolchen Schädel und mitten im Gesicht eine prächtige Knollennase. Für ihn war der Fall eine Routineangelegenheit.

„So was kommt vor“, warf er lakonisch hin. „Seien Sie froh, wenn Sie in dieser Hinsicht bisher keine Scherereien hatten!“

Er sah sich das Ergebnis des nächtlichen Spuks in der Sakristei an, sehr oberflächlich, wie Beermann fand, die Hände in den Hosentaschen. Der Assistent gab sich entsprechend. Beermann hatte mit ausführlichen kriminalpolizeilichen Ermittlungen gerechnet, mit einer Suche nach Fingerabdrücken, Eintüten von verdächtigen Partikeln, Kreidezeichnungen auf dem Boden. Nichts dergleichen. Der Inspektor erfragte die Uhrzeit der Entdeckung und ob irgendein Verdacht bestehe. Beermann zuckte mit den Schultern und verneinte.

Der Assistent werde nachher eine Liste der abhanden gekommenen Gegenstände anfertigen, sagte Inspektor Knolle, es handle sich ja offensichtlich um einen Einbruch mit der Absicht, Wertartikel zu stehlen.

„Haben Sie Hoffnung, die Täter ausfindig zu machen?“, fragte Beermann naiv.

Der Inspektor war solche Fragen gewohnt. „Hoffnung haben wir immer“, sagte er, „das ist unser Job… so ähnlich wie bei Ihnen!“

* * *

Gegen Mittag hatte Beermann im Kühlschrank ein einsames Ei entdeckt, in die Pfanne gehauen, einen Haufen Salz darüber geschüttet und das Ganze anschließend verbrennen lassen. Er kippte den missratenen Happen auf den überfüllten Abfalleimer, schlitzte die letzte, bereits dunkel verfärbte Banane aus dem Obstkorb auf, setzte sich in den Wohnzimmersessel und streckte die Beine aus.

Die dumme Rätselsache mit dem Bild hatte nicht nur angefangen, lästig zu werden, sie nahm auch immer verwirrendere Züge an. Hätte die Krohn es bloß nicht hervorgeklaubt – oder hätte wenigstens er selber es unbesehen für den Flohmarkt frei gegeben! Dann wäre es weg, aus seinen Augen und aus aller Sinn.

Selbstverständlich war nach wie vor nicht auszuschließen, dass die ganze Angelegenheit sich am Ende als lächerliche Farce herausstellen würde… dass das Bild wirklich von unverdächtiger Herkunft und ohne Bedeutung war. Aber sein Gefühl sagte etwas anderes. Die dargestellten Gegenstände waren nicht zufällig gewählt und zusammengeordnet, es musste ein Sinn dahinter stecken. Die irritierende Mischung aus Hinweisen und Verrätselungen konnte nur einer strategischen Absicht entsprungen sein, die sich ihm verschloss. Wer hatte das Ding bloß auf dem Speicher abgelegt und wann und warum? Und dann noch der Einbruch in die Sakristei. Möglich, dass es sich um ein Allerweltsdelikt handelte, in der Stadt war es nicht die erste Sakristei, in der man sich mit profaner Gewalt am sakralen Kirchengut bereichern wollte. Aber dass dies gerade jetzt passierte, zwei Tage nach dem Zeitungsbericht, war immerhin auffällig.

Beermann schleuderte die Bananenschale zum Papierkorb, den er prompt verfehlte, und reihte dieses kleine Missgeschick in die Serie von Schicksalsschlägen ein, die seit Tagen über ihn hereinbrachen.

Eigentlich sollte er sich hinsetzen und mit der Predigt für den Sonntag beginnen. Er hatte sich noch nicht einmal darum gekümmert, welcher Bibeltext zu behandeln war. Überhaupt musste man erst in betreffende Stimmungen geraten, um zum Verfassen geistlicher Reden aufgelegt und fähig zu sein. Davon war er im Augenblick weit entfernt. Zur Not würde er später einen Ordner mit abgehefteten alten Predigten hervorholen und eine auswählen, von der angenommen werden konnte, dass sie im Langzeitgedächtnis der Gemeinde nicht mehr vorhanden war.

Als er die Halblage im Sessel gegen eine bequemere Totallage auf dem Sofa eintauschen wollte, ging das Telefon. Anrufer, die seine Mittagsruhe missachteten, erregten seinen Unmut. Er erwog, liegen zu bleiben und die Störung zu ignorieren. Doch der Weckruf blieb hartnäckig. Beermann wälzte sich in Seitenlage, erhob sich stöhnend und spielte ein paar saftige Bemerkungen durch, die er dem Ruhestörer ins Gewissen drücken wollte. Mit einer zornigen Gebärde riss er den Hörer an sich, holte Luft… Es war Bettina.

Seit ihrem Auszug hatte sie überhaupt noch nicht angerufen. Und während des überraschenden Besuches kürzlich in seiner Wohnung hatte sie nach redlichen Versuchen, ein wenig Ordnung zu schaffen, mit einem Schlag kapituliert, den nassen Lappen in die Spüle gefeuert und erklärt: „Schluss und aus! Es hat überhaupt keinen Sinn!“ Das hatte nicht danach geklungen, als ob sie sich bald wieder melden und freundlich an ihn wenden wollte.

„Hör mal zu“, sagte Bettina, „die Sache mit eurem Bild vom Kirchenspeicher geht mir nach.“

„Mir auch!“, knurrte Beermann.

„Die Abbildung in der Zeitung habe ich mir genauer angesehen und ich denke, wenn die Krohn ein Gemälde mit Blumenmotiven oder ein Porträt entdeckt hätte, dann wär’s wahrscheinlich belanglos. – Aber so?“

„Was – so?“

„Na, so kompliziert, wie es ist. Und irgendwie auch wieder stringent. Das Bild erzählt eine Geschichte und es will hinaus auf eine ganz bestimmte Mitteilung.“

„Welche?“

„Schafskopf! Wenn ich das wüsste, würde ich’s dir verraten.“

„Sieh mal an“, frotzelte Beermann.

Bettina tat, als habe sie die Bemerkung überhört.

„Wenn du meine Meinung hören willst“, fuhr sie fort, „dann solltet ihr euch nicht allein mit dem Bild und seinen kryptischen Motiven befassen, sondern auch mit dem Ort, an dem es gefunden wurde. Vielleicht hat die Krohn ja gar nicht alles entdeckt, was mit dem Bild in Verbindung steht. Wenn es in einer Hülle aufbewahrt war, könnte es Hinweise geben, aus welcher Zeit diese Hülle stammt. Vielleicht ist ja auch irgendetwas in der Hülle zurückgeblieben, was ein bisschen Licht in die Geschichte bringen könnte.“

„Danke“, brummte Beermann, „ich will dran denken.“

Es wurmte ihn, dass Bettina bloß Interesse zeigte für das lausige Bild, das ihm längst auf den Nerv ging. Für das Schicksal dieses Schmarrens konnte sie sich erwärmen, sein eigenes Schicksal in der verlassenen Wohnung ließ sie kalt. Während er sich durch den Alltag schlug, gefangen in tausend Fesseln und Fallstricken, saß sie gelassen auf dem Malerschemel in der Frühlingssonne und tupfte Farben auf die Leinwand.

„Bist nicht gut gelaunt, wie?“, hörte er sie fragen und gab zurück: „Was denn! Der Engel in mir jubiliert. Wie immer!“

* * *

Am Nachmittag rückten sie alle an, als hätten sie sich verabredet: der kirchliche Kunstsachverständige, der Vorsitzende des Kirchengemeinderats, der Schreiner von der Bauabteilung.

Ostendorf war Angestellter eines Versicherungskonzerns und führte den Vorsitz im Kirchengemeinderat. Sein erster Satz betraf den Tresor, der trotz seines Antrags nicht in der Sakristei eingebaut worden war. Durch die Sekretärin zeigte er sich bestens informiert. Frau Brotbeck war ihrerseits über alle wesentlichen und notfalls auch unwesentlichen Vorgänge gut im Bilde, sie sammelte Nachrichten wie andere Briefmarken oder Glasperlen.

Ostendorf versprach, die versicherungstechnischen Dinge in die Hand zu nehmen.

„Was meinen Sie, Herr Pfarrer?“, fragte er. „Ob ein Zusammenhang bestehen könnte zwischen dem Einbruch und dem Bild?“

„Keine Ahnung“, meinte Beermann, „möglich ist vieles. Aber wenn es der Einbrecher wirklich auf das Bild abgesehen hatte, ist eigentlich unverständlich, wieso er sich nicht vorher genauere Kenntnis besorgt hat über dessen Aufenthaltsort.“

„Vielleicht war man sich ganz sicher.“

„Außerdem: Warum ließ er so viel Zeug mitgehen, wenn es ihm nur auf das Bild in der Sakristei ankam?“

„Gelegenheit macht Diebe!“

„Dass das Bild bei uns vorhanden ist, konnte natürlich jeder wissen, der in die Zeitung geschaut hatte. Aber über den Wert war doch gar nichts bekannt. Es hätte doch ein simples Andachtsbild sein können, das früher über Großmutters Sofaecke hing.“

„Der Gedanke an das Bild macht also nur Sinn, wenn nicht der eventuelle Kaufwert von Interesse war, sondern etwas anderes.“

„Zum Beispiel?“

„Das Thema oder die Herkunft oder beides.“

„Und da tappen wir total im Dunkeln.“

„Wo haben Sie das Bild jetzt?“

„Im Hinterzimmer des Pfarramts.“

„Ist es dort sicher?“

„Vorläufig schon, hoffe ich. Die Polizei meinte, sie müsse es vielleicht in ihre Obhut nehmen, hat aber erst einmal Abstand genommen davon. Solange wir mit kunstgeschichtlichen Recherchen befasst seien, um herauszufinden, was es damit auf sich haben könnte.“

In diesem Augenblick läutete es an der Bürotür, und Münchinger erschien, Kunstsachverständiger der Landeskirche. Dass der Vorsitzende des Kirchengemeinderats gerade zugegen war, erwies sich als praktisch, und Beermann bat ihn zu bleiben, um die Ausführungen des Experten mit anzuhören.

Er holte das Bild und stellte es auf den Tisch.

Münchinger trat einen Schritt nach vorn, beugte sich dem Bild entgegen, trat einen Schritt zurück, straffte sich, zog Luft durch die Nase, wippte auf den Sohlen, zwirbelte mit Daumen und Zeigefinger das Barthaar unterm Kinn zu dünnen Flechten.

„Nun ja“, meinte er schließlich, „nicht viel mehr als die Wiedergabe in der Zeitung auch schon erkennen ließ. Technisch nicht übel gemacht, aber eine rein handwerkliche Sache. Vielleicht Auftragsarbeit. Der Platz auf dem Speicher war nicht dumm gewählt. Da gehört so was hin.“

„Können Sie Näheres über Thematik und Sinn des Bildes sagen?“, fragte Ostendorf.

„Nichts Gewisses“, erwiderte Münchinger. „Klar, es handelt sich um eine Allegorie. Eine mehr oder weniger komplizierte Konstruktion. Das Bild will also nicht durch einen unmittelbaren optischen Eindruck wirken, es will entschlüsselt werden, Zug um Zug. Die abgebildeten Objekte und Figuren sind allegorische Verkleidungen der Dinge und Ereignisse, die tatsächlich gemeint sind. Eine Art Bilderrätsel also, wenn Sie so wollen. Im Mittelalter und in der Renaissance hat man häufig so etwas gemacht, teilweise auch in der Romantik. Aber es ist im Grunde wenig romantisch, es ist rational. Eine Bildersprache, die sich tarnt und zugleich mit Andeutungen dazu lockt, entziffert zu werden.“

„Was entziffern Sie?“, bohrte Ostendorf.

„Tja, es liegt in der Natur dieser Art von Bilderrätseln, dass sie Eindeutigkeit vermeiden. Da bleibt immer etwas offen.“

„Trotzdem?“ Ostendorf ließ nicht locker.

„Gut, da haben Sie die wandernden Menschengruppen rechts und links. Prozessionen, wie es scheint. Mein Gott, was könnte damit alles gemeint sein!

Prozessionen von Menschen mit Grabbeigaben in den Händen finden Sie schon auf ägyptischen Reliefs. Das gibt’s überall, in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen. Fahren Sie in den Schwarzwald nach Bad Teinach, da finden Sie außen auf dem großen Tafelbild der Prinzessin Antonia die Prozession der biblischen Frauen, die den Brautzug der Sulamith bilden. Aber dieser Brautzug ist natürlich die versammelte biblische Frauengeschichte – und zwar versammelt auf dem Weg zu Christus, dem himmlischen Bräutigam, und die Sulamith aus dem Hohen Lied ist zugleich die Prinzessin Antonia und deren demütige Seele, die die mystische Vereinigung mit dem Christus sucht. Also auch hier Bild und Bilderrätsel, eine ganz gezielte Komposition. Barock und Pietismus und Theosophie. Bei diesem Bild hier haben wir zwei Prozessionen mit zwei Zielen. Oben links ein zusammengerollter großer Fisch, das eine Ziel. Das erinnert an Tiamat, die Urweltschlange, oder an den biblischen Leviathan, Meerungeheuer, Verkörperung des Chaos. Wer dorthin gerät, wird verschlungen. Die Gruppe am linken Bildrand, die sich auf Chaos-Leviathan zu bewegt, könnte dann auf dem Weg ins Verderben sein. Dann wäre es keine Prozession, sondern eher eine Art Deportation, Abmarsch in Gefangenschaft und Untergang. Nicht Exodus, sondern Exil. Verschleppung zu Fuß oder Transport in Viehwaggons – und am Ende steht Babylon, Auschwitz, Leviathan, der alles verschlingt.“

Münchinger hatte zuletzt immer langsamer, immer leiser gesprochen, als füge sich, was er als Einzelbeobachtungen machte, erst beim Sprechen zu einem bedrängenden Eindruck zusammen.

„Dazu stimmt die Gegenbewegung auf der anderen Seite“, fuhr er fort, „die Menschengruppe, die im Bild von oben nach unten wandert, und deren Ziel in der Diagonalen zum Fischleib ist die Festtafel, himmlisches oder irdisches, jedenfalls endzeitliches Freudenmahl, würde ich sagen. Auch wenn da kein Christus im Zentrum erscheint und die Gaben des Lebens austeilt. Aber das Ziel ist klar. Das ist nun wirklich Exodus, heraus aus Elend und Sklaverei und Tod, die Sphäre des Leviathan wird verlassen, Erlösung winkt, sei es aus Ägypten oder aus Babylon oder aus welcher Hölle der Geschichte sonst. Und natürlich der Baum zur Rechten üppig, da ist Frühling und Erntezeit, während der Baum zur Linken jämmerlich wirkt, bei ihm versiegt das Leben, je mehr er in den Bereich des Tödlichen und Chaotischen hinüberwächst.“

„Und das Motiv mit der Menschengestalt zwischen den Baumstämmen?“, fragte Beermann.

„Wenn die bisherigen Zuweisungen einigermaßen die Richtung treffen“, sagte Münchinger, „dann müssen die beiden Bäume in der Mitte die Bäume des Paradieses sein: der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.“

Ostendorf nickte, schnippte mit den Fingern und sagte: „Nur der Christus fehlt. Der Erlöser als Gastgeber an der himmlischen Festtafel.“

„Allerdings“, bestätigte Münchinger, „vollkommen richtig. Aber so ist das mit den Rätselbildern. Irgendwo bleibt da immer etwas offen. Ein Rest des Unauflösbaren, ich erwähnte es schon.“

Einer fällt den Baum

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