Читать книгу Skorpion und Klapperschlange - Reinhard Marheinecke - Страница 6
3. Eine böse Überraschung
ОглавлениеIch sah meinen Blutsbruder an. Mehr brauchte ich nicht zu tun. Winnetou nickte und sagte zu Jeff Robinson:
„Wir werden den weißen Mann nach Fort Worth begleiten. Die Gegend ist gefährlich, und er ist in der Wildnis unerfahren.“
„Wollt ihr das wirklich tun? Äh – bitte haltet mich nicht für egoistisch oder vermessen, aber ich müsste ja völlig dumm im Kopf sein, wenn ich die großzügige Hilfe Winnetous und Old Shatterhands ablehnen würde.“
Ich schmunzelte. Mir gefiel dieser junge Mann. Er schien eine durch und durch ehrliche Haut zu sein, ein Mensch, dem die augenblickliche Gemütslage rasch auf der Zunge lag, was ihn mir aber irgendwie auch gleich sympathisch machte.
„Weiß mein Bruder, wo wir uns derzeit genau befinden?“, fragte ich Winnetou, um das Gespräch auf unsere gemeinsame Weiterreise zu lenken.
„Vielleicht einen knappen Tagesritt von Waco entfernt, Scharlih.“
„Ah, das ist eine größere Stadt. Habe gehört, sie soll inzwischen das Viehhandelszentrum der Gegend sein“, warf Robinson ein.
„Wenn wir uns von hier immer nordwestlich halten, müssten wir bald auf den Brazos River treffen, an ihm liegt dann später die große Siedlung der Bleichgesichter.“
Waco also war die nächste Ortschaft auf unserem Weg. Der Name dieser Stadt leitet sich von den Huaco ab, einem Indianerstamm, der zuvor in der Gegend gelebt hat. Nördlich der Stadt floss der Bosque River in den Brazos Fluss, daran konnte ich mich aus meinen vielen Kartenstudien in der Heimat in Radebeul erinnern.
Winnetou hielt sich immer an den kleinen Bachlauf, und keine Stunde später erreichten wir so tatsächlich den Brazos River. Wie bei vielen Orten und Flüssen in der Gegend war der Name spanischen Ursprungs und ging auf den Ausdruck ‚Los brazos de dios‘ zurück, was so viel wie ‚die Arme Gottes‘ bedeutet. Möglicherweise war damit die Freude über das erste trinkbare Wasser nach einer Durchquerung des wüsten Llano Estacado gemeint, wie mir Winnetou erklärte.
Der Brazos River war hier bestimmt einhundert Meter breit, doch wir wollten ihn ja nicht überqueren, sondern nur an seinem Ufer entlangreiten.
Zumeist kamen wir zu Pferd gut voran, da die Nadelbäume nur licht standen und selten bis dicht an den Rand des Flusses heranreichten. Auch das Buschwerk wuchs spärlicher als bei unserem Anschleichen früher am Tag, wo wir uns mitten im Wald befunden hatten.
In ein bis zwei Stunden mussten wir uns ein Nachtlager suchen, denn der Nachmittag war inzwischen schon sehr weit fortgeschritten. Ich suchte mit meinem Fernrohr die Umgebung nach einem passenden Lagerplatz ab. Entweder eine Lichtung in einem kleinen Wäldchen oder ein Berghang, in dessen Schutz man es sich gemütlich machen konnte, wären dafür gut geeignet gewesen.
Ich glaube bekanntlich nicht an Zufälle, also will ich es lieber einmal Vorsehung nennen, dass ich einen 360°-Rundblick vornahm und so auch das Terrain in unserem Rücken mit meinem Fernrohr bestrich. Zunächst sah ich nur eine Staubwolke, aus der sich aber mehr und mehr Reiter herausschälten.
„Wir werden, fürchte ich, verfolgt, Winnetou!“
„Uff, uff, hat der ‚Große Bogen‘ etwa sein Wort, das er uns mit der Pfeife des Schwurs gegeben hat, gebrochen?“
„Ich denke, mein Bruder ahnt das Richtige, denn es sind eindeutig Kiowas, die sich da auf unserer Fährte befinden.“
Ich übergab das Fernrohr meinem Blutsbruder, sodass er nicht erst sein eigenes zücken musste. Jeff Robinson blieb ruhig, obwohl sich sicherlich eine große Aufregung seiner bemächtigte.
„Das sind bestimmt vier mal zehn Krieger; genau kann der Häuptling der Apatschen das auf die Entfernung nicht ausmachen, der stark aufgewirbelte Staub verhindert es.“
„Vorsicht ist besser als Nachsicht, daher sollten wir schnell zusehen, entweder auf die kahle Ebene hinauszukommen, wo wir jede Feindesannäherung sofort sehen …“
„… oder wir finden einen geeigneten Hügel, auf dem wir uns verschanzen können und alles gut im Blick haben“, ergänzte Winnetou.
„Wenn ich mich hier so umschaue, kann ich allerdings nirgends ein richtig kahles Gelände ausmachen.“
„Aber sieh, Scharlih, in nordöstlicher Richtung, sieht das nicht wie ein geeigneter Berg aus?“
Wenn man an die gigantischen Mountains der Rockys dachte, dann war das, was Winnetou da ausgemacht hatte, mehr ein ‚Hügelchen‘, aber immerhin besser als nichts.
„Dann lasst uns keine Zeit verlieren. Auf, auf!“
Jeff lenkte während des Galopps sein Pferd neben meines und schrie zu mir herüber:
„Kann man sich denn nicht auf das Rauchen der Friedenspfeife verlassen, Mr. Shatterhand?“
„Doch, eigentlich sogar einhundertprozentig.“
„Also handelt es sich bei denen da hinter uns vielleicht gar nicht um Za-ko-yeas Bande?“
„Das halte ich wiederum für unwahrscheinlich. Nirgends auf unserem Ritt ist uns zu Ohren gekommen, dass sich die Kiowas und Kiowa-Apatschen11 am Brazos River zum jährlichen Sonnentanz treffen würden.“
„Und was heißt das?“
„Zum Sonnentanz kommen immer viele Stämme an einem Ort zusammen, aber dafür ist es von der Jahreszeit her eigentlich schon zu spät. Insofern müsste ich mich schwer irren, wenn es sich nicht um Za-ko-yeas Kiowas handeln sollte, die da hinter uns herpreschen.“
Winnetou war uns inzwischen schon einige Pferdelängen voraus. Immer wieder bestrich ich das Gelände hinter uns durch das Fernrohr. Die Kiowas waren uns noch nicht nähergekommen. Bestimmt würde ihnen aber auffallen, dass wir den Pfad am Brazos River inzwischen in nordöstlicher Richtung verlassen hatten und nun unseren Ritt auf schwieriger zu meisterndem Untergrund fortsetzten.
Als wir an dem Hügel anlangten, war Winnetou mit Iltschi schon halb hinaufgeklettert. Da der Anstieg nur sanft war, brauchten auch wir nicht einmal abzusteigen.
Wir schreckten dabei einen Roadrunner12 auf, der sofort eilig das Weite suchte. Den Hügel hoch wuchsen nur relativ verdorrt und verkrüppelt aussehende Büsche, ab und an gab es etwas größere Gesteinsbrocken. Als wir das Plateau erreicht hatten, nahm ich mit Befriedigung zur Kenntnis, dass auf ihm höchstens doppelt so viele Tiere und Menschen, wie wir es nun einmal waren, Platz gefunden hätten.
„Jeder von uns muss ein Drittel der Gesamtfläche rundherum abdecken!“, schlug ich vor.
Winnetou nickte und bestimmte:
„Jeff Robinson möge die hintere Seite des Hügels bewachen.“
„Aber da ist doch gar nichts los, von dort kommen die Indianer doch gar nicht.“
Am liebsten hätte ich geantwortet „genau darum“, verkniff mir das aber, sondern sagte stattdessen:
„Ich sehe, Ihr habt nur ein zweischüssiges Gewehr. Hier, nehmt zusätzlich noch meinen Revolver, es kann wichtig sein, die Gegner mit Schüssen vom Besteigen des Hügels abzuhalten.“
Da der Hügel keine einhundert Meter hoch war, war auch die Gefahr für uns bei Weitem nicht gebannt. Wir befahlen also den Pferden, sich hinter einigen Felsbrocken niederzulegen. Iltschi und Hatatitla kamen dieser Aufforderung sofort nach, aber Jeff Robinsons Schecke machte mehr Probleme, als uns lieb war. Er war zunächst partout nicht dazu zu bewegen. Mit vereinten Kräften schafften wir es zwar schließlich, aber da sahen wir auch schon die Kiowas auf unsere Erhebung zustürmen.
„Seht zu, dass Ihr Euch auch hinter einem größeren Stein postiert, Jeff. Und wenn der Revolver leergeschossen sein sollte, dann werft ihn mir herüber, damit ich wieder Patronen nachladen kann.“
Die Kiowas hätten mit Blindheit geschlagen sein müssen, wenn sie nicht sofort entdeckten, dass wir auf dem Plateau des Berges Schutz gesucht hatten. Der Vorderste teilte das auch den Seinen mit, und schon starteten die Roten zu Fuß einen Sturmangriff. Das konnte gefährlich werden, schließlich waren wir ja nur zu dritt. Ganz bewusst hatte ich mir den Platz ausgesucht, an dem die Gegner zuerst anlangen würden, denn mit meinem Henrystutzen konnte ich sie bestimmt besser in Schach halten als Winnetou mit seiner Silberbüchse oder gar Jeff Robinson mit seinem rostigen, altertümlichen Gewehr, bei dem ich mir nicht einmal sicher war, ob es nicht beim ersten Schuss auseinanderbersten würde.
Aber ich wollte natürlich möglichst Blutvergießen vermeiden, so rief ich den heranstürmenden Kiowas zu:
„Ist die Pfeife des Schwurs und der Versöhnung in den Zelten der Kiowas nichts mehr wert? Sind die Krieger der Kiowas elende Hunde, auf deren Wort man sich nicht mehr verlassen kann?“
Ein Kiowa rief nur zurück:
„Weder Za-ko-yea noch einer seiner vier Begleiter sind bei uns. Und wir haben mit euch nicht die Pfeife des Schwurs getrunken, howgh!“
Was für ein Schlitzohr dieser Kiowa-Häuptling doch war. Da er und seine vier Krieger von vorhin sich nicht unter den jetzigen Angreifern befanden, konnten sie ihre Hände in Unschuld waschen!
Schon erklang das durch Mark und Bein gehende „Aiiiiiiiiiiii“, der Angriffsruf der Kiowas.
„Winnetou, schieß nur auf die Beine“, bat ich meinen Blutsbruder.
In der ersten Welle stürmten bestimmt zwanzig Rote den Hügel hoch. Mein Henrystutzen krachte in einem fort. Auch den Klang von Winnetous Silberbüchse konnte ich zweimal heraushören. Mehr als ein halbes Dutzend Kiowas brachen getroffen zusammen. Anscheinend hatten sie diese massive Gegenwehr nicht erwartet.
Schnell trugen und schleppten sie ihre Verwundeten aus der Reichweite unserer Waffen, wobei ich allerdings mit meinem schweren, viel weiter tragenden Bärentöter, ihren Sammelpunkt immer noch leicht erreichen konnte.
Das wollte ich doch gleich einmal ausprobieren, um ihren Schrecken noch zu erhöhen. Ich robbte zu Hatatitla, zog das schwere Gewehr aus dem Futteral und zielte genau vor die Füße des Sprechers der Angreifer. Erdreich und Steinchen spritzten nur so auf. Ein Geheul des Ärgers und der Wut erklang und die Roten zogen sich noch ein paar hundert Meter weiter auf die Ebene zurück.
„Bestimmt werden sie gleich einen erneuten Angriff versuchen, dann aber von mehreren Seiten“, war sich Winnetou sicher.
Und so kam es auch. Noch war genügend Licht vorhanden, sodass wir deutlich sehen konnten, wie die Kiowas sich in vier Gruppen aufteilten. Mit dem Fernrohr sah ich unverkennbar, dass jede dieser Abteilungen etwa acht Mann stark war. In einem weiten Bogen, außerhalb der Reichweite der Gewehre, ritten die Roten dann aus allen Himmelsrichtungen auf den Hügel zu. Offensichtlich wollten sie nun von allen vier Seiten gleichzeitig reitend den Berg stürmen.
Und wieder ertönte wenig später das schreckliche „Aiiiiiiiiii!“ Ich zielte nun auf die Pferdekörper, wenn es mir auch um die armen Tiere leid tat, Winnetou verfuhr genauso. Bei Jeff konnte ich nicht sehen, was er so in meinem Rücken trieb, hörte aber, dass auch er seine Büchse abfeuerte und danach sofort auch von meinem Revolver Gebrauch machte.
Ein eiliges Nachladen war erst einmal unnötig, denn wieder zogen sich die Angreifer ergebnislos zurück. Nun setzten sie sich in einem Halbkreis zusammen, um zu beraten, wie sie weiter vorgehen wollten. In aller Ruhe konnten wir so unsere Waffen wieder schussfertig machen.
Es begann zu dämmern. Nun konnte es heikel werden, denn solange nicht Mond und Sterne die Ebene ausreichend beschienen, konnten wir ein heimliches Anschleichen der Roten schwer ausmachen.
„Schade, dass hier oben nicht genügend Brennmaterial ist“, rief ich meinem Blutsbruder zu.
„Ja, ein riesiges Feuer würde uns jetzt helfen.“
„Vielleicht sollte in der Dunkelheit einer von uns vom Felsen hinab, um die Annäherung der Feinde eher zu bemerken.“
„Das ist eine gute Idee, Scharlih. Sobald es dunkel ist, wird Winnetou hinunterschleichen.“
Für meinen Blutsbruder stand es unumstößlich fest, dass er derjenige sein würde, der diese heikle und gefährliche Aufgabe übernahm. Seine geübten Ohren würden allerdings auch eher als unsere ein Anschleichen der Feinde vernehmen.
Und wie in diesen Breiten üblich, versank die rotglühende Sonne in der Ferne rasch hinter den Bergkuppen und eine samtschwarze Dunkelheit umfing uns.
Als kaum noch die Hand vor den eigenen Augen zu sehen war, brach Winnetou auf. Dann blieb es eine ganze Zeit lang ruhig, zu ruhig. Auf einmal ertönte die Silberbüchse des Apatschen. Also starteten die Kiowas gerade einen dritten Angriffsversuch.
In meinem Rücken hörte ich plötzlich gurgelnde Laute. Als ich mich umdrehte, sprangen schon zwei rote Krieger auf mich zu. Ich war blitzschnell auf den Beinen und setzte dem ersten meinen Jagdhieb an die Schläfe. Der zweite hatte seinen Tomahawk gezückt und warf diesen. Mehr intuitiv, denn sehen konnte ich so gut wie gar nichts, drehte ich mich leicht zur Seite und spürte, wie die furchtbare Waffe an meinem Jagdrock längsschrammte. Doch das Schlachtbeil zu werfen, war dumm von dem Kiowa gewesen, stand er mir doch nun waffenlos gegenüber, sodass ich auch ihn mit einem Faustschlag an die Schläfe niederstrecken konnte.
Dann zückte ich meinen zweiten Revolver, den ich Jeff nicht gegeben hatte, und schoss einfach blind in die Richtung, aus der die Angreifer sich über den jungen Mann hergemacht hatten, natürlich in einer Höhe, dass ich die Ringenden darunter unmöglich treffen konnte. Jeff wehrte sich derweil immer noch gegen einen Krieger, der versuchte, ihn mit seinem Bowiemesser zu erstechen. Ich sprang daher lieber zu den Kämpfenden dazu und schmetterte dem Kiowa den Handgriff meines Revolvers auf den Kopf, dass er ohnmächtig zusammenbrach.
Mit der Linken hielt ich Jeff Robinson am Boden und legte mich ebenfalls flach an die Kante des Plateaus, um gewappnet zu sein, falls weitere Angriffe erfolgen sollten – aber alles blieb vor uns, den Hügel hinab, ruhig.
Unten hörte ich in unserem Rücken immer wieder Schüsse, auch Winnetou war längst dazu übergegangen, seine beiden Revolver leerzuschießen. Bestimmt verließ er nach jedem Schuss seinen Standort, um den Kiowas kein Ziel zu geben. Ein wenig bange war mir um meinen Blutsbruder schon.
Sie wissen ja, liebe Leser, dass ich kein großer Freund des Militärs bin, aber nie in meinem Leben habe ich das Angriffssignal des Trompeters der US-Kavallerie lieber gehört als in diesem Augenblick.
Das Krachen der vielen Schüsse musste die Blauröcke auf den Plan gerufen haben. Da kam mindestens eine Eskadron13 auf den Hügel zugeritten, den wir gerade verzweifelt verteidigten. Da eine Kompanie aus vier Offizieren, fünfzehn Unteroffizieren und zweiundsiebzig Mannschaften bestand, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es sich um eine ganze Kompanie handelte, die uns da zur Hilfe eilte; aber das würden wir ja rasch erfahren.
Kaum hörten wir die Trompete und dann das Getrappel vieler Pferdehufe, wandten sich die Kiowas umgehend zur Flucht. Gegen eine Übermacht oder zumindest gegen deutlich überlegene Bewaffnung – denn nur wenige der Roten hatten offensichtlich Feuerwaffen, das war ihnen doch nicht geheuer. Winnetou war so klug, sich nun zu uns auf das Plateau zurückzugesellen; denn wer wusste, wie die Soldaten mit ihm, einem Indianer, umgehen würden, wenn sie seiner allein auf der Ebene ansichtig wurden.
Als die Soldaten sich unterhalb des Hügels sammelten, rief ich zu ihnen hinab:
„Das nenne ich Hilfe zum richtigen Zeitpunkt, Mesch’schurs. – Mein Name ist übrigens Old Shatterhand. Vielleicht habt Ihr schon einmal von mir gehört. Vielen Dank, dass Ihr den Angriff der Kiowas abgewehrt habt.“
„Abwehren brauchten wir ja wohl kaum noch etwas, Mister, die Roten sind ja sofort geflüchtet wie die Hasen.“
„Das ist erklärlich, ihr Häuptling Za-ko-yea befand sich nicht bei ihnen.“
„Auch das noch. Das waren tatsächlich Krieger von Za-ko-yeas Horde? Dieser rote Halunke ist ein wahrer Teufel!“
„Meine Freunde und ich konnten uns vor den Kiowas gerade noch auf diesen Hügel hinaufretten.“
„Schlau, so konntet ihr Euch wenigstens wirksam verteidigen, aber kommt jetzt ruhig herunter. Auge in Auge spricht es sich doch angenehmer.“
Da hatte der Offizier, um den es sich bestimmt handelte, eindeutig Recht. Wir erlaubten unseren Pferden sich zu erheben. Erstaunlicherweise war auch Jeffs Schecke trotz des Kampflärms brav liegengeblieben. Iltschi und Hatatitla hatten wohl gute Vorbilder abgegeben, denen er sich folgsam gefügt hatte.
Wir fesselten die betäubten Kiowas und warfen sie über den Rücken unserer Pferde. Dann führten wir die Tiere vorsichtig den Abhang hinab, was jetzt im Dunkeln ein schwieriges Unterfangen war, wenn auch der zunehmende, fast volle Mond und ein beeindruckender Sternenhimmel inzwischen zumindest für ein wenig Licht sorgten, was die Sache erleichterte. Am Fuß des Hügels erwarteten uns die Soldaten. Ich zählte rasch durch, es waren weniger als ich erwartet hatte, denn der Trupp bestand nur aus fünfundzwanzig Mann. Dann warfen wir erst einmal die Gefangenen zu Boden.
„Ihr seid Old Shatterhand, nehme ich an“, begrüßte mich ein Offizier gleich freundlich, ein Lieutenant, wie ich an den Rangabzeichen unschwer erkennen konnte. Unter seiner Schirmmütze sah ich ein freundlich dreinschauendes, schmales Gesicht. Die Haare trug der Lieutenant kurz. Über den blassen Lippen saß ein wohlgestutzter Oberlippenbart. Die Nase wies keine Auffälligkeiten auf. Vom Wuchs her war der Mann eher als klein zu bezeichnen. Ich bin ja wahrlich auch kein Riese, aber er war bestimmt einen Kopf kleiner als ich.
Seine Männer entzündeten gerade einige große Feuer. Der Lieutenant sah meinen besorgten Blick und sagte:
„Keine Angst, Mr. Shatterhand, natürlich habe ich rundum ein paar Männer mit ihren Spencer-Repetiergewehren stehen, falls die Kiowas noch mal wiederkommen sollten. Ach so, mein Name ist übrigens William Witherspoon.“
„Erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen. Neben mir steht …“
„Sagt nichts, sagt nichts, das ist bestimmt Winnetou, der berühmte Apatschenhäuptling!“
Mein Blutsbruder schmunzelte: „So ist es!“
„Und mich nennt man Jeff Robinson, ich bin aus San Antonio.“
„Angenehm, seid auch Ihr uns herzlich willkommen.“
In kurzen und knappen Worten brachten wir danach Lieutenant Witherspoon auf den Stand der Dinge. Kaum hatten wir unseren Bericht beendet, den natürlich nur Jeff und ich zum Besten gaben, denn Winnetou hielt sich beim Reden ja meistens sehr zurück, da mahnte der Lieutenant zum Aufbruch:
„Ich würde ungern die Nacht so weit ab vom Wasser verbringen.“
„Das kann ich verstehen, dann lasst uns zum Brazos River reiten, dort können wir uns ein Plätzchen für den Rest der Nacht suchen.“
„Sergeant Bullitt?“ Keine Reaktion. „S – e – r – g – e – a – n – t…“
Weiter brauchte Witherspoon gar nicht mehr zu brüllen, der Angeforderte eilte herbei.
„Zur Stelle, Sir!“
„Lasst aufsitzen, wir reiten zum Brazos River zurück!“
Der Sergeant brüllte nun noch lauter als sein Vorgesetzter soeben:
„Aufsitzen, Männer, und in Zweierreihen antreten!“
Umsichtig wurden die Feuer gelöscht, die es eigentlich gar nicht gelohnt hatte, überhaupt zu entzünden, und wenige Minuten später waren wir schon wieder auf dem Weg, der uns vorhin zu diesem Hügel getragen hatte. Die inzwischen erwachten Kiowas ließen wir einfach in ihren Banden zurück, ihre Stammesangehörigen würden sie später schon befreien.