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5. Erpressungsversuch

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Winnetou und ich nahmen, wie so oft, ein Zimmer zusammen, Jeff Robinson bekam eine winzige Kammer am Ende des Gangs zugewiesen, die zwar eine gewisse Deckenschräge aufwies, aber das Bett hatte normale Größe und machte einen einladenden Eindruck. Auf einem Spiegelschränkchen standen eine Waschschüssel und ein leicht angeschlagener Porzellankrug für frisches Wasser. Damit ist auch schon die ganze Zimmereinrichtung beschrieben. In Winnetous und meinem Doppelzimmer sah es nicht anders aus, nur das Bett war breiter.

Wir holten die Sättel, Gewehre und Satteltaschen mit unseren weiteren Habseligkeiten zu uns in die Gastzimmer.

Dann wollten wir uns erst einmal um unsere Pferde kümmern, doch waren wir gerade erst wieder bei den Tieren an der Fence vor dem Lodging-House angekommen, da kam auch schon Lieutenant Witherspoon eilfertig auf uns zugelaufen und schlug vor:

„Wenn Ihr wollt, könnt Ihr Eure Pferde auf die Koppel zu unseren Kavallerierossen stellen. Die Einzäunung dafür liegt gleich hinter den Zelten für die Mannschaften. Genügend Gras ist dort auch noch vorhanden und ringsum haben wir Wassertröge aufgestellt, es mangelt den Tieren also an nichts.“

„Das nehmen wir dankend an.“

„Außerdem hat es noch den Vorteil, dass die Pferde rund um die Uhr durch unsere Privates16 bewacht werden.“

„Das hört sich noch besser an.“

Er schritt uns voran und wir kamen zunächst an der Zeltstadt der Soldaten vorbei. Bei einigen Behausungen waren an Kopf- und Fußende schmale Bretter in den Boden geschlagen worden, über die einfach eine Zeltplane gelegt und mit großen Steinbrocken auf dem Erdreich befestigt worden war. Vor den Zelten lümmelten die Soldaten im Gras, spielten Karten, besserten ihre Ausrüstung aus, lasen oder dösten, jeder nach seinem Belieben, derzeit war offensichtlich ‚Freizeit‘ angesagt.

Die Pferdekoppel hatte geradezu riesige Ausmaße. In der Umzäunung hätten auch leicht doppelt so viele Tiere Platz gefunden, wie ich auf der Wiese ausmachen konnte. Von unseren Rappen waren wir es gewohnt, dass sie die anderen Pferde lieber mieden und sich ein Plätzchen fernab der Soldatenrosse suchten. Jeff Robinsons Schecke allerdings wurde geduldet, dafür waren wir wohl schon lang genug gemeinsam unterwegs.

Beruhigt kehrten wir in die Herberge zurück und orderten beim Gastwirt eine Mahlzeit. Das war im Nachhinein keine gute Idee, denn das Essen war mehr als lausig. Eigentlich schmeckten die Baked Beans17 nach gar nichts, und das ist immerhin ungewöhnlich. Wir hätten lieber Winnetous zwei Präriehasen verspeisen sollen, die er aber erst nach dem Essen briet, in Streifen schnitt und in seinem Proviantsack verstaute.

Nach dieser Tätigkeit unternahmen Jeff, Winnetou und ich noch einen Erkundungsgang durch die Ortschaft Fort Worth. Erstaunlicherweise waren nur wenige Menschen auf den Straßen anzutreffen. Aber es gab eine große Mehlmühle zu bewundern und viel mehr Geschäfte, als ich mir vorgestellt hatte. Sogar ein steinernes Gerichtsgebäude war in Entstehung, dessen Bau allerdings schon fast zehn Jahre vorher begonnen worden war, aber wegen des Bürgerkriegs so lange hatte unterbrochen werden müssen und immer noch nicht beendet war.

Als wir drei uns die Beine genug vertreten hatten, kehrten wir zum Lodging-House zurück. Wir hatten das Gasthaus noch nicht betreten, da kam uns Witherspoon aufgeregt auf der Mainstreet entgegen und sprudelte aufgeregt hervor:

„Mesch’schurs, Ihr werdet es nicht glauben, wer eben bei Major Agnew eingetroffen ist!“

„Woher sollen wir das wissen? Wir kennen hier doch niemanden, Lieutenant!“

„Na, kein anderer als der von euch so sehnlichst gesuchte Brad Turner!“

„Zounds“, entfuhr es mir, aber sogleich zügelte ich mich wieder. Manchmal hat man einfach bestimmte Ahnungen, jedenfalls läuteten bei mir in diesem Moment innerlich die Alarmglocken und ich gab daher zu bedenken: „Vielleicht ist es besser, wir fallen nicht gleich mit der Tür ins Haus, sprich, zeigen uns ihm vorerst nicht. Ich kann zwar nicht sagen, warum, aber es …“

Mein Blutsbruder legte mir den Arm auf die Schulter und sagte:

„Scharlihs Gefühl hat bisher nie getrogen, also werden wir es so machen, howgh!“

Jeff Robinson sah uns etwas verdattert an, hatte er doch eine andere Reaktion erwartet.

„Ja, aber …“, begann er.

Winnetou schnitt ihm rasch das Wort ab:

„Der Häuptling der Apatschen und Jeff Robinson werden sich auf ihre Zimmer zurückziehen. Scharlih wird den Comanchero, wenn möglich, belauschen!“

„Ich hoffe nur, dass auch der Major so bedacht ist, sich harmlos zu stellen und erst einmal auf ein freundliches Gespräch mit dem Schurken einzugehen.“

„Und wenn nicht?“

„Dann verdirbt er wohlmöglich alles, wenn er gleich damit herausplatzt, dass er über Turners Verbrechen Bescheid weiß. – Doch nun, nichts wie weg!“

Ich wandte mich an den Lieutenant und hoffte, dass sich für mich eine Möglichkeit zum Lauschen fand:

„Gibt es neben dem Arbeitszimmer des Majors einen Raum, den man unbemerkt betreten kann, Lieutenant?“

„Natürlich, Old Shatterhand, ich führe Euch, immer mir nach!“

Ich war froh, dass Lieutenant Witherspoon keinen Einwand gegen meine Lauscherei hatte. Er machte allerdings auch keine Anstalten, selbst nicht mit von der Partie sein zu wollen, was ich nun wohl oder übel hinnehmen musste. Eilfertig strebte er voran.

„Seht zu, dass Ihr keine Geräusche verursacht“, warnte ich. „Haltet vor allem Euren Säbel fest, nicht dass Ihr mit dem Metall irgendwo anschlagt und Lärm verursacht.“

„Mr. Shatterhand, fast müsste ich jetzt beleidigt sein. Ich wäre nicht Offizier geworden, wenn ich so ein einfältiger Tölpel wäre.“

Die Tür, zu der der Lieutenant hinstrebte, ließ sich leicht öffnen, war also nicht abgeschlossen. Sofort ging Witherspoon nach rechts durch den ganzen Raum hindurch, bis er an der Rückwand der Stube anlangte. Das Zimmer schien als Vorrats- und Aufbewahrungsraum genutzt zu werden, denn neben einem riesigen Haufen Tischdecken lagen und standen viele derzeit nicht benötigte Möbelstücke ohne rechte Ordnung herum.

Der Lieutenant legte sein Ohr an die Holzwand und schien zu lauschen. Dann nickte er befriedigt und winkte mich zu sich. Wenig später lag mein rechtes Ohr ebenfalls dicht an der Wand, die glücklicherweise nur aus dünnen Brettern und nicht aus massiven Stämmen errichtet war. Wir konnten auf diese Weise jedes Wort bestens verstehen.

Gerade sprach offensichtlich der Comanchero, also Liam Norris alias Brad Turner, denn die Stimme kannte ich nicht:

„Es ist schrecklich, Major, aber die verdammten Rothäute haben schon wieder einen Siedlertreck im Llano überfallen.“

Agnew donnerte mit der Faust auf den Schreibtisch – das schien er immer zu tun, wenn er wütend war – und schimpfte:

„Ich werde noch wahnsinnig. Hat man hier am Rande des Llano Estacado denn niemals Ruhe vor diesen roten Teufeln? Sagt schon, wer sind denn diesmal die Übeltäter? Die Komantschen oder die Kiowas?“

„Die Kiowas!“ „Und?“

„Ein Unterhändler der Horde oder des Stammes ist zu mir in meine Handelsstation gekommen und verlangt Geld für die Frauen und Kinder, sonst wird man sie versklaven oder zu Kiowas machen.“

„Da sei Gott vor.“

„Äh – mmh – es gibt da noch ein weiteres Problem!“

„Na, was noch? Heraus mit der Sprache!“

„Eure Tochter Jane war bei dem Siedlerzug dabei.“

„Unsinn! Das kann doch gar nicht sein!“

„Der Unterhändler der Kiowas hat mir ein Beweisstück dafür mitgegeben.“

„Na, da bin ich aber gespannt.“

Eine kleine Weile blieb es ruhig, dann schrie Major Agnew plötzlich erregt auf:

„Ich fasse es nicht, das Amulett meiner Tochter! Hier, wenn man es aufklappt, sieht man eine winzige Zeichnung, die den Kopf meiner Frau darstellt. Es ist eindeutig Janes Schmuckstück, da gibt es keinen Zweifel. Aber was macht sie denn bei diesem Siedlertreck? War die Sehnsucht nach ihrem Vater so groß, dass sie mir unbedingt einen Überraschungsbesuch bescheren wollte?“

„Keine Ahnung, Major, ich kann schließlich nicht hellsehen.“

Dieser Comanchero sprach in keinster Weise unterwürfig mit dem Offizier, sondern hatte eher einen arroganten Tonfall am Leib.

„Und was wollen die roten Teufel nun für die Gefangenen haben?“

„Dreihundert Dollar pro Frau, einhundertfünfzig für jedes Kind.“

„Heavens, sind die denn völlig jenseits von Gut und Böse? Das heißt ja pro Weibsbild so viel wie für einen guten Sattel.“

„Na, es gibt Sättel auch schon für dreißig Dollar, Major.“

„Die guten, die dreihundert kosten, halten aber auch dreißig Jahre. Und wie viele Frauen und Kinder haben die elenden Hunde gefangen genommen?“

„Zehn Frauen und fünfzehn Kinder.“

„Alle Wetter, das macht ja fünftausendzweihundertfünfzig Dollar, wenn ich denn noch richtig im Kopf rechnen kann.“

„Auf genau den Betrag komme ich auch, Major.“

„Und was ist mit den Männern des Auswandererzugs?“

„Die sind bei dem Überfall alle getötet worden.“

„Diese roten Teufel, diese elenden Hunde! Ich bin ja sonst ein Menschenfreund, aber …“ Major Agnew ließ den Satz unvollendet, schlug nur wütend abermals auf die Schreibtischplatte und fuhr nach einer kurzen Pause fort: „Wisst Ihr denn, wessen Horde für den Überfall verantwortlich zeichnet?“

„Der Abgesandte wollte da nicht so recht mit der Sprache herausrücken.“

„Schlaues Kerlchen, hat wohl Angst, dass wir sonst mit unserer Kavallerie über ihn und seine Bande einfach herfallen könnten, anstatt das geforderte Lösegeld zu berappen.“

„Wisst Ihr denn überhaupt, wo die roten Stämme alle ihre Lagerplätze und Dörfer aufgeschlagen haben, Major?“

Ein wütendes Schnaufen war zu vernehmen.

„Nein, natürlich nicht.“

„Aber dann hätte Euch die Information, wer für den Überall verantwortlich ist, doch auch gar nichts genützt.“

„Ja, ja, ist ja schon gut! Und wann soll das Geld übergeben werden, Turner?“

„Am besten sofort an mich, die Roten haben mich doch zum Unterhändler erkoren.“

Bisher hatte ich die Visage des Comancheros ja nur auf dem Steckbrief gesehen, aber mit jedem Satz aus seinem Mund wurde mir der zwielichtige Kerl unsympathischer, dazu musste ich ihm nicht einmal ins Gesicht sehen.

Major Agnew entgegnete dem Ansinnen Turners:

„Gut und schön, aber über so viel Bargeld verfüge ich hier nicht, ich habe schließlich keine Kriegskasse, die ich mein Eigen nennen kann.“

„Das ist schlecht. Das ist sogar sehr schlecht! Denkt doch nur an Eure Tochter!“

„Das tue ich die ganze Zeit, Turner, das könnt Ihr mir glauben. Äh – mmh – ich bin ja selbst nicht ganz arm, kann mir also das nötige Geld anweisen lassen, aber das dauert ein paar Tage.“

„Von der Armee anweisen?“

„Nein, das würde bei all der Bürokratie viel zu lange dauern. Ich strecke es erst einmal aus meinem eigenen Vermögen vor, aber ich muss es mir, wie gesagt, erst einmal von meiner Bank hierher senden lassen, und das braucht nun einmal seine Zeit. Dazu muss ich mit Mr. Khleber M. Van Zandt vom Bankhaus Tidball, Van Zandt and Company18 persönlich sprechen, eine andere Möglichkeit gibt es hier ja nicht.“

„Ich kann ja mit Häuptling Sao – äh – äh – mit den Kiowas sprechen …“

„Was habt Ihr da gerade eben gesagt?“

„Äh – mmh – da hatte ich mich nur versprochen – haha, kann ja vorkommen, oder?“

Ich zog Lieutenant Witherspoon in die Mitte des Zimmers und flüsterte ihm zu:

„Lauft rasch zu Winnetou und sagt ihm, dass er mit Iltschi diesen Comanchero Brad Turner verfolgen soll, wenn er Fort Worth wieder verlässt.“

„Warum wollt Ihr ihn nicht hier gleich auf der Stelle dingfest machen?“

„Ihr habt doch gehört, dass die Tochter des Majors sich in den Händen der Kiowas befindet.“

„Was hat denn das damit zu tun?“, fragte er etwas irritiert zurück.

„Seid Ihr so naiv, Lieutenant? Ich fresse meinen Stetson zum Nachtisch, wenn dieser Comanchero nicht mit den Kiowas unter einer Decke steckt.“

„Dann müsstet Ihr doch erst recht alle hinter dem Kerl her.“

„Wichtig ist, dass Ihr Winnetou das mit der entführten Tochter des Majors und den anderen Geiseln auf der Stelle erzählt!“

„Ja, aber …“

„Außerdem, dass ich, bevor hier noch irgendwelche falschen Entscheidungen durch das Militär getroffen werden, mit Major Agnew ein paar Worte sprechen muss, daher den Apatschen also nicht begleiten kann.“

„Was heißt denn falsche Entscheidungen?“

„Dazu ist jetzt keine Zeit, dass ich Euch das langwierig erkläre. Bitte gebt Winnetou Bescheid, dann wird der Häuptling schon in meinem Sinne handeln.“

Glücklicherweise verstrickte mich Witherspoon nicht weiter in endlose, unnütze Diskussionen, sondern machte sich tatsächlich sofort auf den Weg.

„Und bitte leise, ganz leise“, flüsterte ich noch, damit er nicht vor lauter Ehrgeiz draußen vor der Tür ordentlich herumpolterte, was mir aber nur einen vorwurfsvollen Blick des Lieutenants einbrachte.

Schon strebte ich wieder zu der dünnen Holzwand, um dem Gespräch des Comancheros mit dem Major weiter zu lauschen.

Die Sache mit dem angeblichen ‚Versprecher‘ des Boten ließ dem Befehlshaber der Soldaten offensichtlich keine Ruhe. Das konnte ich gut verstehen, schwante mir doch, wie wohl auch dem Major, dass der Comanchero den Urheber des Überfalls sehr wohl kannte.

„Und Ihr wisst wirklich nicht, wessen Kiowa-Horde für den Überfall verantwortlich ist?“, fragte Agnew lauernd.

„Nein, das weiß ich wirklich nicht, Major, bei meiner Ehre!“

Der Halunke sprach von Ehre, dabei war das wohl das Letzte, was er für sich beanspruchen konnte.

Es war sowieso verwunderlich, dass der Major hier mit einem gesuchten Mörder verhandelte, ohne darüber ein Wort zu verlieren. Die Angst um seine Tochter ließ ihn offensichtlich alles andere vergessen.

Agnew bohrte weiter:

„Woher wisst Ihr denn überhaupt, dass es Kiowas waren?“

„Na, ich kann doch wohl noch einen Kiowa von einem Apatschen oder Komantschen unterscheiden, schließlich kaufen und tauschen die Roten sehr oft bei mir Waren, da lernt man schon mit der Zeit, die einzelnen Stämme und Völker auseinanderzuhalten.“

„Ja, stimmt auch wieder.“

„Wie wollen wir denn nun verbleiben, Major? Ich muss schließlich dem Unterhändler der Roten, wenn er wieder bei mir im Handelsposten vorbeischaut, eine Antwort geben.“

„Bittet ihn um eine Woche Geduld. Ich weise so schnell wie möglich an, dass Geld von meinem Konto hierher zu Tidball, Van Zandt and Company transferiert wird, damit ich es dann bar abheben kann.“

„Gut, dann komme ich in einer Woche wieder.“

„In Gottes Namen, machen wir es so – es bleibt mir ja nichts anderes übrig.“

Skorpion und Klapperschlange

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