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2 Deutschland hat wieder einen Kaiser
ОглавлениеJetzt hatte das Jahr 1984 begonnen, das sogenannte „Orwell-Jahr“. Im gleichen Jahr habe ich das Buch „1984“ des britischen Schriftstellers George Orwell erstmals gelesen. Im Jahr 1949 ist sein Werk veröffentlicht worden und es war fast ein wenig beängstigend, beim Lesen feststellen zu müssen, dass Vieles vom dem, was Orwell prophezeit hatte, 35 Jahre später Realität geworden war. „Big brother is watching you“ war Orwells Schreckensvision eines perfekten Überwachungsstaates und spätestens seit dem wirklichen Jahr 1984 ein geflügeltes Wort in der Öffentlichkeit. Als ich im Jahr 1969 meine Lehre begonnen hatte, mussten noch Schuhkartons mit Lochkarten nach Hamburg transportiert werden, wo sie von einem riesigen Rechner zu einem großen Papierstapel verarbeitet wurden. In der Zwischenzeit hatten sich die Elektronische Datenverarbeitung und die Computertechnik rasant entwickelt und bei vielen Bürgern zu der durchaus nachvollziehbaren Angst vor der totalen Überwachung und der Sorge um den Datenschutz geführt. Die Ängste der breiten Bevölkerung vor der sich ausbreitenden Elektro-Technologie bekamen neue Nahrung, als bekannt wurde, dass es Jugendlichen aus Hamburg gelungen war, sich in das Computer-System einer Sparkasse einzuklinken. Im Laufe einer Nacht hatten die ersten „Hacker“ der Bundesrepublik 135.000 DM von den Konten der Sparkasse abgebucht, doch sie hatten es nicht auf das Geld abgesehen, sondern sie wollten Spaß haben, in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregen und letztendlich aufzeigen, wie anfällig die Computertechnik sein kann. Dass die betroffene Sparkasse selbst die widerrechtlichen Abbuchungen zunächst nicht bemerkt hatte, war für die jungen „Hacker“ wahrscheinlich der größte Triumph. Vor diesem Hintergrund war es nicht verwunderlich, dass die deutsche Bevölkerung der anstehenden Volkszählung und der geplanten Einführung des maschinenlesbaren Personalausweises, ausgerechnet im Orwell-Jahr, äußerst skeptisch auf sich zu kommen sah.
Auch in der deutschen Medien-Landschaft war eine revolutionäre Erneuerung eingeleitet worden. Am 01.01.1984 bekamen die etablierten staatlichen Fernsehsender mit PKS, dem Vorläufer von SAT 1, erstmals Konkurrenz durch einen Privatanbieter. Einen Tag später startete auch RTL, der Privatsender aus Luxemburg, damals noch RTL plus genannt, mit einem Programm im deutschen Fernsehen. Dieses neue Sendeangebot konnten zunächst allerdings nur die Fernsehkonsumenten in Anspruch nehmen, die in ihrem Wohnhaus bereits über einen Kabelanschluss verfügten. In meiner Wohnung war ein entsprechender Anschluss rechtzeitig installiert worden, so dass ich vom ersten Moment an die neuen Sender empfangen konnte. Mir hat es damals ausgesprochen gut gefallen, in welch lockerer Art und Weise die Moderatoren der Nachrichten- und Sportsendungen die aktuellen Informationen verbreiteten, wenngleich die Flut der nervenden Werbeunterbrechungen gewöhnungsbedürftig war, vor allem weil selbst Spielfilme durch Werbeblöcke unterbrochen wurden. Aber dies ist nun einmal die einzige Möglichkeit, private Fernsehsender zu finanzieren.
Datenschutz und der kontrollierte Einsatz der neuen Medien wurde vor allem von den „Grünen“ thematisiert, der jungen Partei, die seit dem Vorjahr im Bundestag vertreten war und sich dort aufgemacht hatte, die etablierten Parteien aus ihrer Ruhe aufzuscheuchen, die sich plötzlich mit Themen auseinanderzusetzen hatten, die bis dahin weitgehend ausgeklammert waren, wie zum Beispiel der Umweltschutz. Zur Fraktion der „Grünen“ gehörte zu jener Zeit auch Otto Schily, der später zur SPD überwechseln sollte. Vor allem ihm war es zu verdanken, dass der Untersuchungsausschuss des Bundestages nicht locker ließ, um zumindest etwas Licht in das Dunkel der fragwürdiger Parteienfinanzierungen, insbesondere durch den Flick-Konzern, zu bringen. Vor allem im Zusammenhang mit der politischen Wende in der Bundesrepublik im Jahr 1982, als ein Großteil der FDP-Fraktion zum Sturz des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt in Form des konstruktiven Misstrauensvotums beigetragen hatte, kam der Verdacht auf, dass politische Entwicklungen durch Spenden entscheidend beeinflusst worden waren. Eine direkte Bestechlichkeit konnte keinem Abgeordneten nachgewiesen werden, doch zusammen mit einigen anderen Spitzenpolitikern war Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff in Verdacht geraten, großzügige Partei-Spenden entgegengenommen zu haben, ohne sie zu versteuern. Nachdem der Bundestag seine Immunität im Dezember 1983 aufgehoben hatte und die Anklage gegen ihn vom Bonner Landgericht zugelassen worden war, trat Graf Lambsdorff von seinem Ministeramt zurück. Später wurde er wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe in Höhe von 180.000 DM verurteilt, was ihn jedoch nicht daran hindern sollte, seine politische Laufbahn fortzuführen. Der Skandal um die politische „Landschaftspflege“, wie Flick-Chef Eberhard von Brauchtisch die Zuwendungen seines Konzerns an die Bundestagsparteien genannt hatte und der im Jahr 1987 ebenfalls wegen Steuerhinter-ziehung verurteilt wurde, fand einen weiteren Höhepunkt, nachdem bekannt geworden war, weshalb Bundestagspräsident Rainer Barzel im Oktober 1984 seinen Rücktritt erklärt hatte. Über Umwege hatte er einen Beratervertrag vom Flick-Konzern erhalten, der ihm 1,7 Millionen Mark einbrachte und ihn dafür entschädigen sollte, dass er zugunsten von Helmut Kohl auf den Parteivorsitz verzichtet hatte. Für seine Feststellung: „Der Weg Kohls an die Spitze der CDU war also gewissermaßen von Flick freigekauft worden“ wurde der Abgeordnete der Grünen Jürgen Reents vom damaligen Bundestagspräsidenten Stücklen (CDU) von der weiteren Debatte im Bundestag ausgeschlossen, weil der Präsident dies als eine Beleidigung angesehen hatte. Dem Parteikollegen Joschka Fischer entfuhr daraufhin der berühmt gewordene Satz: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“ Dass Fischer aufgrund dieses Ausspruches ebenfalls von der Bundestagsdebatte ausgeschlossen wurde, konnte man dann schon eher nachvollziehen.
Während die Abgeordneten der Grünen, Jürgen Reents und Joschka Fischer, für einen Eklat im Bundestag gesorgt hatten, sorgte ihre Parteivorsitzende Petra Kelly, die sich gerne mit einem blumengeschmückten Stahlhelm in der Öffentlichkeit zeigte, für andere Schlagzeilen. Insbesondere die Regenbogenpresse interessierte sich für die Liebesbeziehung eines der Gründungsmitglieder der Grünen zu dem ehemaligen Generalmajor Gert Bastian. Der war trotz seiner führenden Position in der Bundeswehr entschiedener Gegner der geplanten Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen in Europa und schied 1980 nach einem öffentlichen Streit mit dem damaligen SPD-Verteidigungsminister Hans Apel in Bezug auf den NATO-Doppelbeschluss freiwillig aus der Bundeswehr aus. Anschließend schloss er sich umgehend der Friedensbewegung an, die den ehemaligen General natürlich gerne als Aushängeschild nutzte. In diesem Rahmen lernte Bastian im November des gleichen Jahres Petra Kelly kennen, seine spätere Lebensgefährtin. Ein anderer hochrangiger Offizier der Bundeswehr hatte in jener Zeit andere Probleme. Günter Kießling, dem Vier-Sterne-General und damaligen stellvertretenden NATO-Oberbefehlshaber wurde der Vorwurf gemacht, dass er homosexuell und deshalb erpressbar sei. Obwohl er alle Vorwürfe vehement von sich gewiesen hatte, wurde der General von Manfred Wörner, der seit der politischen Wende das Amt des Bundesverteidigungsministers inne hatte, im Dezember 1983 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Das was im Jahr 1984 als die sogenannte „Kießling-Affäre“ die Medien beherrschte, war letztlich das Resultat einer vorschnellen und peinlichen Aktion des Verteidigungsministers, der nur aufgrund unbewiesener Anschuldigungen einen untadeligen General seines Amtes enthoben hatte. Nachdem die Vorwürfe entkräftet worden waren, musste er Kießling wieder in den Dienst nehmen.
Ohne Skandal verlief am 23. Mai 1984 die Wahl des neuen Bundespräsidenten in der Bundesversammlung, das Gegenteil war der Fall. Richard von Weizsäcker, CDU-Politiker und bis dahin regierender Bürgermeister von Berlin, stand zur Wahl für das höchste Amt in der Bundesrepublik, nachdem Dr. Karl Carstens nach seiner fünfjährigen Amtsperiode nicht erneut kandidiert hatte. Da sich auch ein Großteil der SPD- und FDP-Vertreter entschieden hatte, für Richard von Weizsäcker zu stimmen, wurde er mit 832 von 1017 Stimmen mit überwältigender Mehrheit gewählt. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt jedoch ahnen, dass in diesem Moment der wohl beliebteste und meistgeachtete Bundespräsident aller Zeiten gewählt worden war, sieht man einmal von Theodor Heuss ab, der aber in einer ganz anderen Zeit Deutschlands Staatsoberhaupt gewesen war.
Der Hamburger SV und ihr Trainer Ernst Happel wollten zum dritten Mal in Folge Deutscher Meister werden und kurz vor Ende der Saison 1983/84 schien dieses Ziel auch erreichbar zu sein, wenngleich bis zum Schluss fünf Mannschaften im Titelrennen involviert waren. Am vorletzten Spieltag fiel dann die Entscheidung um die Meisterschaft. Im Volksparkstadion verlor der HSV vor nur 38.000 Zuschauern sein Heimspiel mit 0:2 gegen Eintracht Frankfurt, nachdem der junge Ralf Falkenmayer die beiden Treffer für die Hessen erzielt hatte. Manni Kaltz schimpfte nach dem Spiel: „Wir haben die deutsche Meisterschaft gegen eine A-Jugendmannschaft verloren“ und lieferte sich anschließend in der Kabine ein lautes Wortgefecht mit Torhüter Uli Stein. Der Ärger war verständlich, denn gleichzeitig hatte der VfB Stuttgart mit 2:1 in Bremen gewonnen und blieb damit Tabellenführer. Am letzten Spieltag der Saison sollte es zu einem Endspiel in Stuttgart kommen, wo die Hamburger dann anzutreten hatten, aber jetzt hatten sie zwei Punkte weniger als der VfB und die hatten ein um neun Treffer besseres Torverhältnis. Der HSV hätte also mit fünf Toren Unterschied beim Tabellenführer gewinnen müssen, um doch noch Meister werden zu können. HSV-Trainer Ernst Happel war an dem Samstag nach der Niederlage gegen Eintracht Frankfurt Gast im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF und wurde von Moderator Harry Valérien gefragt, ob er noch an eine erfolgreiche Titelverteidigung glaube. Der Meistertrainer des HSV antwortete mit einer Gegenfrage: „Glauben sie an Wunder?“ um sogleich die Antwort selbst zu geben: „Ich nicht!“ Auch Manager Netzer gab zu verstehen: „Ein 5:0 traue ich uns in Stuttgart nicht zu. So vermessen sind wir nicht. Eine realistische Titelchance gibt es für uns nicht.“ Durch ein Tor von Jürgen Milewski fünf Minuten vor Spielende konnte der HSV dieses entscheidende Spiel tatsächlich gewinnen, doch aufgrund des besseren Torverhältnisses wurde der VfB Stuttgart deutscher Meister, erstmals seit 32 Jahren und zum ersten Mal in der Bundesliga. Trainer Helmut Benthaus und die Spieler des VfB Stuttgart werden wahrscheinlich der „A-Jugendmannschaft“ der Frankfurter Eintracht dankbar gewesen sein, denn hätte der HSV am vorletzten Spieltag der Saison wenigstens unentschieden gespielt, hätte der Meistertitel verteidigt werden können. So aber endete diese „Krimi-Saison“ mit einem Novum, denn erstmals seit Bestehen der Bundesliga standen nach dem letzten Spieltag drei Mannschaften punktgleich an der Tabellenspitze, nachdem es auch der Tabellen-Dritte, Borussia Mönchengladbach, auf 48:20 Punkte gebracht hatte. Nur einen Punkt dahinter folgte der FC Bayern München, wobei dessen Weltklasse-Linksaußen Karl-Heinz Rummenigge mit 26 Treffern erneut Torschützenkönig geworden war, bevor er nach zehn Jahren die Münchener verließ, um fortan für die italienische Spitzen-Mannschaft von Inter Mailand auf Tor-Jagd zu gehen. Die 10,5 Millionen DM, die aus Italien auf das Konto der Bayern flossen, hat der damals etwas klammen Vereinskasse allerdings auch recht gut getan.
1.097 Tore waren in der Saison 1983/84 erzielt worden, soviel wie nie zuvor. Großen Anteil an dieser Tor-Flut hatte Kickers Offenbach und damit die beiden Torhüter Oliver Reck und Valentin Herr. Besonders bitter war es für Reservetorwart Valentin Herr gelaufen. In den Auswärtsspielen beim HSV (0:6), bei Werder Bremen (1:8) und bei Bayern München (0:9) musste er in drei Spielen 23 Gegentore hinnehmen. Da war Valentin offenbar nicht ganz Herr der Lage. Neben den Offenbacher Kickers musste auch der 1. FC Nürnberg als Tabellenletzter aus der 1. Bundesliga absteigen. Der Club hatte dabei einen einmaligen Negativrekord aufgestellt. Am 30. Oktober 1982 verloren die Franken mit 1:3 in Düsseldorf. Dies war der Auftakt für insgesamt 29 Auswärtsniederlagen in Folge. Am Ende der Saison hatten die Nürnberger lediglich 14 Punkte erreicht, gerade einmal sechs mehr als das Synonym der Erfolglosigkeit Tasmania Berlin in der Saison 1965/ 66.
Was sich im DFB-Pokalhalbfinale am 01. und 02. Mai 1984 abspielte, dürfte für diesen Wettbewerb bis zum heutigen Tag unübertroffen sein. Am Mai-Feiertag führte Borussia Mönchengladbach am Bökelberg gegen Werder Bremen eine Viertelstunde vor Spielende mit 3:1 und wähnte sich bereits im Finale, doch dann gelang den Bremern das Kunststück, das Spiel innerhalb von vier Minuten zu drehen und selbst mit 4:3 in Führung zu gehen. Die Dramatik schien ihren Höhepunkt erreicht zu haben, als der Schiedsrichter den vermeintlichen Ausgleichstreffer durch Wilfried Hannes nicht anerkannte, doch wenig später gelang Hans-Jörg Criens doch noch der Ausgleich und in der Verlängerung erzielte der selbe Spieler auch noch den 5:4-Siegtreffer. Die Borussia hatte zum ersten Mal seit 1973 das Endspiel um den DFB-Pokal erreicht und alle Fußball-Fans waren von diesem grandiosen Halbfinalspiel begeistert. Die beiden Trainer Jupp Heynckes und Otto Rehhagel schwärmten anschließend: „Das war beste Werbung für den Fußball in Deutschland. Nach den müden Länderspiel-Übertragungen hatte das Fernsehen endlich mal wieder eine Sternstunde.“
Wer aber geglaubt hatte, dass dieser Wahnsinn nicht zu überbieten sei, sah sich einen Tag später eines Besseren belehrt. Im mit 70.000 Zuschauern ausverkauften Gelsenkirchener Parkstadion traf der FC Schalke 04, zu jener Zeit Zweitligist, auf den FC Bayern München und was die Fans im Stadion oder vor dem Fernsehschirm an diesem Abend erleben sollten, kommt noch heute einem Mythos gleich. Die Gäste aus München waren in der 1. Halbzeit bereits mit 2:0 in Führung gegangen, mussten dann aber den Ausgleich hinnehmen, bevor sie dennoch mit einer 3:2-Führung in die Pause gehen konnten. Was dann kam war unbeschreiblich und die Sternstunde eines 18-Jährigen Nachwuchsspielers des FC Schalke. Der kleine Olaf Thon erzielte mit einem herrlichen Kopfballtreffer den 3:3-Ausgleich gegen Bayern-Torwart Jean Marie Pfaff, bevor die Schalker durch Stichler sogar in Führung gehen konnten. Michael Rummenigge war es vorbehalten den erneuten Ausgleich herzustellen und für die Verlängerung zu sorgen. Nach zwei weiteren Toren durch die Bayern schien der Widerstandswille des Zweitligisten gebrochen. Dies galt jedoch nicht für den jungen Olaf Thon. Der erzielte noch zwei weitere Treffer, den letzten in der 120. Spielminute zum umjubelten 6:6-Endstand. Auf den Schultern der Fans wurde der junge Spieler, dessen großartige Karriere gerade erst beginnen sollte, vom Feld getragen. Eine Woche später kam es in München zum Wiederholungsspiel, das nach dem Unentschieden trotz Verlängerung erforderlich geworden war. Als die Schalker auch im Olympiastadion einen 0:2-Rückstand egalisiert hatten, kam bei den Königsblauen die Hoffnung auf, auch in diesem entscheidenden Spiel für eine Sensation sorgen zu können. Doch das 3:2 durch Karl-Heinz Rummenigge zwanzig Minuten vor Spielende besiegelte das Schicksal des tapferen Zweitligisten.
Am 31. Mai 1984 kam es im Frankfurter Waldstadion somit zur Neuauflage des alles dominierenden Duells der Fußball-Bundesliga in den 70-er Jahren zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern München. Die Halbfinalbegegnungen waren an Dramatik kaum zu überbieten und auch das Endspiel wurde spannend bis zur letzten Sekunde. Im Vorfeld schlug jedoch zunächst eine Nachricht wie eine Bombe ein. Lothar Matthäus, Mönchengladbachs bester Spieler, um den herum Trainer Heynckes eine neue starke Mannschaft aufbauen wollte, hatte öffentlich bekannt gegeben, für eine Ablösesumme von 2,4 Millionen DM zum Erzrivalen an die Isar zu wechseln. Ein Schock für die Fans am Niederrhein, auch wenn Matthäus beteuerte, im Finale noch einmal alles für seinen bisherigen Verein geben zu wollen. Hier sah es dann in der Tat zunächst gut aus für die Gladbacher, die schon nach einer halben Stunde durch einem Kopfball von Frank Mill, nach einem hervorragenden Eckball durch Lothar Matthäus, mit 1:0 in Führung gehen konnten. Nachdem aber Bayerns Abwehrspieler Dremmler in der 82. Minute für den Ausgleich gesorgt hatte und in der anschließenden Verlängerung kein weiterer Treffer mehr fiel, kam es zu einem Elfmeterschießen, das dann genauso legendär werden sollte, wie die beiden vorangegangenen Halbfinalbegegnungen. Ausgerechnet Lothar Matthäus nahm sich als erster Elfmeterschütze den Ball, übernahm also Verantwortung, doch wenige Momente später flog der Ball über den Querbalken des Tores und verschwand in der Abend-dämmerung Frankfurts. Wie ein Häufchen Elend kauerte der Fehlschütze anschließend auf dem Rasen und fühlte nur noch „eine unglaubliche Leere“, wie er später erklärte. Es war nicht der entscheidende Elfmeter in diesem Duell, obgleich es in der Folgezeit häufig so dargestellt wurde. Gleichwohl wurde dieser verschossene Elfmeter in Verbindung mit dem bevorstehenden Vereinswechsel zu Bayern München gebracht. Fortan wurde Lothar Matthäus von seinen früheren Mönchengladbacher Fans als „Verräter“ oder „Judas“ beschimpft, einige ließen sich sogar dazu hinreißen, von Bestechung und Schiebung zu sprechen, nachdem der FC Bayern München das Endspiel mit 8:7 nach Elfmeterschießen für sich entschieden hatte. Eine völlig irrationale und unsinnige Einschätzung gegenüber einem Spieler, der in diesem Endspiel mit vollstem Einsatz für seine Mannschaft gekämpft hatte und den Schuss in die Wolken sowie seine Folgen noch viele Jahre später als „die bitterste Stunde in meiner Laufbahn“ bezeichnete.
In der Bundesliga hatte es der Hamburger SV durch eigene Nachlässigkeit am vorletzten Spieltag versäumt, den Titel zu verteidigen. Auch im Europapokal der Landesmeister war der HSV nach dem Triumph gegen Juventus Turin als Titelverteidiger angetreten, doch in diesem Wettbewerb gab es schon gleich zu Beginn ein Debakel. Der HSV hatte in der ersten Runde keine Begegnung zu bestreiten, nachdem der ausgeloste Gegner darauf verzichtet hatte, gegen den Europapokalsieger anzutreten. Das Achtelfinale wurde also kampflos erreicht. Jetzt hieß der Gegner Dynamo Bukarest und offenbar fuhren die Hamburger etwas überheblich zum Hinspiel in die Rumänische Hauptstadt, wo sie vom rumänischen Meister vorgeführt wurden und mit 0:3 verloren. Der Titelverteidiger war damit schon so gut wie ausgeschieden. Das Rückspiel im Volksparkstadion gehört zu jenen Fußballspielen, die man nicht vergisst, wenn man als Zuschauer dabei war. Der HSV wurde von der ersten Minute an durch die 45.000 Zuschauer angefeuert, obwohl kaum einer noch an ein Weiterkommen glaubte, dazu war der Rückstand nach der Hinspiel-Niederlage zu deutlich. Sekunden vor dem Halbzeitpfiff kam jedoch noch einmal Hoffnung auf, als Ditmar Jacobs den HSV mit einem Kopfball in Führung bringen konnte. Das Volksparkstadion glich wieder einmal einem Hexenkessel nachdem Vorstopper Jacobs zehn Minuten nach dem Seitenwechsel auch noch das 2:0 erzielen konnte. Gleich anschließend wechselte Trainer Ernst Happel seinen Joker Thomas von Heesen ein und der brauchte wieder einmal keine zehn Minuten, bevor er das Tor zum 3:0 erzielte und damit die peinliche Hinspiel-Niederlage in Bukarest egalisieren konnte. Das „Wunder“ war zum Greifen nahe und die Zuschauer peitschten ihre Mannschaft an, die schon von Beginn an das Tor des rumänischen Meisters bestürmt hatte. Ich werde es niemals vergessen, was sich zehn Minuten vor Spielende ereignete. Die Fans sprangen auf, schrien und jubelten, denn dies war der Moment, als der entscheidende Treffer zum 4:0 zu fallen schien. Der Ball lag frei vor dem Tor der Rumänen, doch der neue HSV-Mittelstürmer Dieter Schatzschneider verstolperte diese Riesenchance, so zumindest hatten es die Zuschauer und wohl auch ein Großteil der HSV-Spieler wahrgenommen. Es folgte ein Konterangriff der Rumänen, bei dem sich Mittelfeldspieler Jimmy Hartwig plötzlich mit drei oder vier Gegenspielern auseinander zu setzen hatte. Der daraus resultierende Treffer zum 3:1 war von ihm und Torwart Uli Stein nicht zu verhindern. Aufgrund dieses Auswärtstreffers der Rumänen war der HSV in dieser Europapokalrunde schon frühzeitig ausgeschieden. Dass ein weiterer Gegenangriff sogar noch zum 3:2 führte, hatte letztlich nur noch statistischen Wert.
Vor dieser Begegnung hielt sich die Erwartung auf ein Weiterkommen bei den Fans ziemlich in Grenzen, doch jetzt, nachdem der HSV über 80 Minuten lang das Tor der Rumänen bestürmt und den Rückstand zwischenzeitlich egalisiert hatte, war die Enttäuschung riesengroß. Dieses Ausscheiden im Europapokal warf plötzlich aber auch Zweifel an der Personalplanung des Hamburger SV auf. Horst Hrubesch, der bisherige Mannschaftskapitän und der dänische Linksaußen Lars Bastrup, die langsam älter und verletzungsanfälliger geworden waren, hatte Günter Netzer vor Beginn der Saison durch die jungen Spieler Dieter Schatzschneider und Wolfram Wuttke ersetzt, denen man eine große Karriere voraussagte. Sowohl Experten, die Presse, wie auch ein Großteil der Fans hatten die Maßnahme des HSV-Managers als richtigen Schritt zur Verjüngung der Mannschaft gefeiert. Spätestens nach dem Ausscheiden im Europapokal gegen Dynamo Bukarest konnte man jedoch selbst als Außenstehender spüren, dass diese beiden Spieler es nicht schaffen würden, sich in der HSV-Mannschaft zu integrieren, zu wenig waren sie offenbar bereit und in der Lage, sich im Team unterzuordnen. Dieter Schatzschneider wurde schon nach seiner ersten Saison beim HSV wieder aussortiert und an den FC Schalke 04 abgegeben, der in die 1. Bundesliga zurück gekehrt war. Erst im Laufe der Saison wurde deutlich, dass Horst Hrubesch viel mehr für das HSV-Team war, als nur der kopfballstarke Torjäger. Wahrscheinlich war seine Rolle als Führungsspieler, der es immer wieder verstanden hatte, seine Mannschaft mitzureißen - auf und neben dem Platz – doch wichtiger, als alle Verantwortlichen es seinerzeit wahr haben wollten. Wolfram Wuttke war noch ein Jahr lang in Hamburg unter Vertrag, fand sich jedoch immer häufiger auf der Reservebank wieder, bis Trainer Happel eines Tages der Kragen platzte. Nachdem sich sein aufmüpfiger Stürmer mit einigen Teamkameraden in die Haare geraten war, ließ er das „schlamperte Genie“ wie er Wuttke tituliert hatte, auf einem Nebenplatz des Trainingsgeländes viele einsame Runden laufen. Im September 1985 wurde der „Dauerläufer“ suspendiert und wenig später zum 1. FC Kaiserslautern transferiert.
Dynamo Bukarest scheiterte später im Halbfinale am FC Liverpool. Das Europapokalfinale fand dann am 30. Mai 1984 im Römischen Olympiastadion statt und hier bekam es der englische Meister mit dem AS Rom zu tun. Die Italiener hatten also ein Heimspiel und dieses endete nach Verlängerung 1:1-Unentschieden. Das fällige Elfmeterschießen gewann dann der FC Liverpool mit 4:2 und konnte wieder einmal über einen Europapokal-Sieg jubeln. Englische Mannschaften und Elfmeterschießen, dies sollte allerdings in den folgenden Jahrzehnten nicht allzu häufig zusammenpassen. Der deutsche Pokalsieger 1. FC Köln, der im Vorjahr den „kleinen Stadtrivalen“ Fortuna im DFB-Pokalfinale nur mit Mühe und glücklich 1:0 besiegt hatte, schied bereits im Achtelfinale des Europapokals der Pokalsieger gegen Ujpest Budapest aus. Das Endspiel gewann Juventus Turin mit 2:1 gegen den FC Porto. Für die Italiener war es ein kleiner Trost für die ein Jahr zuvor erlittene Endspielniederlage gegen den HSV im Europapokal der Landesmeister. Auch im UEFA-Pokal kamen die deutschen Clubs nicht weit. Bayern München musste sich ebenfalls bereits im Achtelfinale Tottenham Hotspur London, dem späteren Cupsieger, geschlagen geben. Die anderen drei Bundesliga-Clubs mussten sich noch früher aus diesem Wettbewerb verabschieden.
Im Jahr 1984 fand in Frankreich die Fußball-Europameisterschaft statt und so stand das davor liegende Jahr für die Nationalmannschaft ganz im Zeichen der Qualifikationsspiele. Aufgrund der zum Teil unrühmlichen Vorkommnisse bei der vergangenen Weltmeisterschaft hatte das Team allerdings sehr viel Kredit bei den Fans verspielt und das Interesse an den Auftritten des Titelverteidigers hielt sich in Grenzen. Entsprechend mühsam gestaltete sich die Qualifikation und die Gegner Österreich, Nordirland, die Türkei sowie Albanien erwiesen sich allesamt als äußerst unbequem. Auch ich war in jener Zeit nicht sonderlich begeistert über die Leistungen der deutschen Nationalmannschaft, aber trotzdem ließ ich es mir nicht nehmen, mich am 16. November 1983 zusammen mit etlichen Kollegen und Freunden auf den Weg ins Hamburger Volksparkstadion zu machen, wo an diesem Tag das vor entscheidende Qualifikationsspiel gegen Nordirland stattfinden sollte. Mit Toni Schumacher, Uli Stielike, Karl-Heinz Förster, Hans-Peter Briegel und Kapitän Karl-Heinz Rummenigge standen an diesem Tag nur noch fünf Spieler aus der erfolgreichen Endspielmannschaft von 1980 im deutschen Team, doch alle Zuschauer waren davon überzeugt, dass es einen Sieg gegen die Nordiren geben werde und damit wäre der Gruppensieg und die Qualifikation für die Europameisterschaft geschafft gewesen. Doch es kam anders als gedacht, denn durch einen Treffer von Whiteside gewann Nordirland diese Begegnung vor 62.000 Zuschauern mit 1:0 und übernahm damit die Gruppenführung. Im abschließenden Gruppenspiel musste vier Tage später in Saarbrücken deshalb Albanien unbedingt geschlagen werden. Kein Problem sollte man meinen, doch in jenen Tagen sah dies anders aus. Die Zuschauer waren entsetzt, als die albanische Mannschaft nach 23 Minuten in Führung gehen konnte, doch schon eine Minute später erzielte Karl-Heinz Rummenigge mit einem Freistoß den Ausgleich. In der Folgezeit aber gelang der deutschen Mannschaft nur noch wenig. Zehn Minuten vor Spielende jedoch konnte der Kölner Libero Gerd Strack, der nur dabei war, weil Uli Stielike von Real Madrid für dieses Spiel nicht frei gegeben worden war und Klaus Augenthaler sich verletzt hatte, den 2:1-Siegtreffer erzielen. Mit viel Glück hatte sich Deutschland aufgrund des besseren Torverhältnisses gegenüber Nordirland den Gruppensieg gesichert.
Bei der Europameisterschaft 1984 in Frankreich musste Deutschland im Auftaktspiel gegen Portugal antreten und kam in Straßburg nicht über ein enttäuschendes 0:0-Unentschieden hinaus. Etwas besser lief es dann beim 2:1-Sieg gegen Rumänien. Rudi Völler hatte beide Tore erzielt, aber es sollten die einzigen für die deutsche Mannschaft in diesem Turnier bleiben, denn sie schied vorzeitig aus, nachdem das letzte Gruppenspiel gegen Spanien mit 0.1 verloren worden war. Die Spanier erreichten anschließend das Endspiel in dem die Mannschaft des Gastgebers der Gegner war. Frankreich brillierte in diesem Turnier und dies lag vor allem an dem Weltklasse-Mittelfeld Giresse, Tigana und allen voran Platini. Der war derweil zum absoluten Weltklassespieler gereift und schoss auch im Finale die 1:0-Führung für die Franzosen. Nachdem Stürmer Bellone in der Schlussminute das Tor zum 2:0 erzielen konnte stand endgültig fest, dass Frankreich erstmals Europameister geworden war.
In Deutschland herrschte dagegen Bestürzung über das vorzeitige Ausscheiden, doch schon zuvor war Bundestrainer Jupp Derwall heftig in die Kritik geraten, weil die Leistungen der Nationalmannschaft häufig nicht den Erwartungen entsprachen. Der Bundestrainer wurde auch dafür verantwortlich gemacht, dass frühere Leistungsträger, wie Manni Kaltz und Bernd Schuster, nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen wollten. Ob diese Anschuldigung zu Recht erhoben wurde oder nur in der Öffentlichkeit vorherrschte, sei dahin gestellt. Tatsache ist, dass sich die Verantwortlichen des DFB nach der enttäuschenden Europameisterschafts-Endrunde gezwungen sahen, Jupp Derwall als Bundestrainer zu entlassen. Wie aber sollte es jetzt weiter gehen? Wer könnte in der Lage sein, die deutsche Nationalmannschaft wieder auf Kurs zu bringen? Nur eine Lösung war in dieser Situation als Rettungsmaßnahme denkbar – der Kaiser musste her. Lediglich zwei Jahre, nachdem er mit seinem Abschieds-spiel im Hamburger Volksparkstadion seine einzigartige Profikarriere beendet hatte, sollte Franz Beckenbauer, der beste Fußballer, den Deutschland jemals hatte, als Teamchef die Verantwortung für die Wiederauferstehung der deutschen Nationalmannschaft übernehmen. Da er selbst keine anerkannte Trainerlizenz besaß, musste ihm ein Bundestrainer zur Seite gestellt werden, der als Co-Trainer fungierte. Diese Funktion übernahm zunächst Horst Köppel, später Holger Osieck und Berti Vogts. Für das erste Länderspiel unter seiner Leitung am 12. September 1994 holte der neue Teamchef für das Abwehrzentrum Dietmar Jacobs zurück in die Nationalmannschaft, der bis dahin nur einmal, im Jahr 1980 gegen Polen, zum Einsatz gekommen war. Ihn hatte er als zuverlässigen Abwehrspieler kennen gelernt, als er selbst noch beim HSV aktiv war. Aber auch der Hamburger Vorstopper konnte es nicht verhindern, dass die erste Begegnung des deutschen Nationalteams unter der Leitung des Kaisers mit 1:3 gegen Argentinien verloren ging. Immerhin erzielte Jacobs mit einem Kopfball den Ehrentreffer und gehörte fortan als Stammspieler der Nationalmannschaft an. Beckenbauer ließ sich von dieser Niederlage gegen die Südamerikaner nicht aus der Ruhe bringen, denn er hatte es ja schon oft genug bewiesen: Dort wo der Kaiser ist, da ist auch Erfolg.
Durch die Zustimmung der Bundesregierung zum Nato-Doppelbeschluss hatte die deutsche Friedensbewegung eine schmerzliche Niederlage hinnehmen müssen und aufgrund der anschließenden Nachrüstung von Mittelstreckenraketen mit Atomsprengkörpern in West-Europa kam es erwartungsgemäß zu neuen Spannungen zwischen Ost und West. Erst seit November 1982 war Juri Andropow im Amt, aber bereits am 09. Februar 1984 endete diese Ära, weil der neue Kremlchef verstorben war. Eine Wiederaufnahme der Genfer Abrüstungs-Gespräche konnte auch mit Nachfolger Konstantin Tschernenko nicht realisiert werden, weil der den Kurs seines Vorgängers weiter führte. Vor diesem Hintergrund, aber auch aufgrund des politischen Kurswechsels in der Bundesrepublik geriet das von wirtschaftlicher und politischer Annäherung geprägte deutsch-deutsche Verhältnis mehr und mehr ins Stocken. Zuvor aber war deutlich geworden, dass der Kurs der neuen Bundesregierung von dem der sozial-liberalen Koalition erheblich abwich. Es wurde nicht mehr in dem Maße wie zuvor über Erleichterungen verhandelt, sondern der DDR wurden jetzt Milliardenkredite gewährt, um Zugeständnisse zu erkaufen. So honorierte das SED-Regime einen zweiten von der Bundesregierung genehmigten Milliardenkredit mit Reiseerleichterungen für Ost- und Westbürger, mit denen es auch die steigende Flut von Ausreiseanträgen in den Griff zu bekommen hoffte. Der auf der Basis dieser neuen Zusammenarbeit vorgesehene Besuch Erich Honeckers in der Bundesrepublik wurde im September 1984 überraschend abgesagt. Offensichtlich hatte die Führung im Kreml interveniert, die eine zunehmende Annäherung der beiden deutschen Staaten mittlerweile mit Misstrauen beobachtete.
Die frostigen Beziehungen zwischen den Machtblöcken wurden bereits einige Wochen zuvor deutlich. Die Olympischen Sommerspiele 1984 fanden in Los Angeles statt und nach dem Boykott der Spiele vier Jahre zuvor in Moskau durch die USA und dem Großteil der westeuropäischen Länder, unter anderem auch der Bundesrepublik, musste man kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass die Sowjetunion und andere sozialistische Staaten auch die Spiele in den USA boykottieren würden. Dem Boykott war allerdings ein Aufruf des rechtskonservativen Politikers John Doolittle im Senat Kaliforniens vorausgegangen, die Sportler der UdSSR von den Olympischen Wettkämpfen auszuschließen, nachdem am 1. September 1983 ein südkoreanisches Verkehrsflugzug von sowjetischen Abfangjägern wegen Verletzung des Luftraumes abgeschossen worden war. Viele Bürger der USA schlossen sich dieser Meinung an. Am 8. Mai 1984 gab die Sowjetunion offiziell ihren Boykott bekannt und 18 sozialistische Staaten folgten dieser Maßnahme. Nur China und Rumänien hatten sich entschieden, doch an den Spielen teilzunehmen. So waren die Wettkämpfe zum zweiten Mal in Folge zwar kein Muster ohne Wert, aber wieder fehlte ein Großteil der Spitzensportler. Doch die Sportler, die in Los Angeles an den Start gehen durften, zeigten auch ohne die Konkurrenz aus dem Ostblock zum Teil überragende Leistungen. Der absolute Super-Star der Spiele war der amerikanische Leichtathlet Carl Lewis, der das Kunststück seines Landsmannes Jesse Owens von 1936 wiederholte und die Goldmedaillen über 100 m, 200 m, mit der Sprintstaffel sowie im Weitsprung gewann. Vier Goldmedaillen erreichte auch die rumänische Turnerin Ecaterina Szabo, die zudem noch eine Silbermedaille gewann. Aber auch das bundesdeutsche Olympiateam war durchaus erfolgreich, belegte am Schluss den dritten Rang in dem inoffiziellen „Medaillenspiegel“ hinter den USA und Rumänien und stellte dabei insgesamt siebzehn Olympiasieger. Einer von ihnen war Reiner Klimke, der im Dressurreiten sowohl mit der Mannschaft als auch in der Einzelwertung gewann und damit bereits seine fünfte Goldmedaille erringen konnte. Viele Jahr lang war er damit der erfolgreichste bundesdeutsche Teilnehmer an olympischen Sommerspielen. Der herausragende deutsche Sportler bei den Spielen in Los Angeles aber war der Schwimmer Michael Groß, dem aufgrund seiner außergewöhnlichen Armspannweite der Spitzname „Albatros“ verpasst worden war. Jeweils in Weltrekordzeit gewann er Gold über 200 m Freistil und 100 m Schmetterling. Unvergessen dabei ist die Fernsehreportage Jörg Wontorras, der voller Euphorie ins Mikrophon schrie: „Flieg Albatros, flieg.“ Neben seinen beiden Goldmedaillen holte Michael Groß auch noch Silber über 200 m Schmetterling und mit der 4 x 200 m Freistilstaffel. Er wurde damit der erfolgreichste Schwimmer bei dieser Olympiade. Großartig waren aber auch die deutschen Leichtathleten. Der Diskuswerfer Rolf Danneberg, die Kugelstoßerin Claudia Losch und der Hochspringer Dietmar Mögenburg gewannen olympisches Gold, doch das Erstaunlichste ereignete sich im Hochsprung der Damen. Im Alter von nur 16 Jahren wurde Ulrike Meyfarth bei den Olympischen Spielen von München sensationell Olympiasiegerin und stellte den damaligen Weltrekord mit einer Höhe von 1,92 Meter ein. Sie vollbrachte das Kunststück, zwölf Jahre später erneut Olympia-siegerin zu werden, obwohl sie zwischenzeitlich in ein sportliches Tief geraten war. Doch sie kämpfte sich an die Spitze zurück und stellte im Jahr 1983 mit 2,03 Meter einen neuen Weltrekord auf. In Los Angeles bezwang sie dann die Titelverteidigerin Sara Simeoni und gewann erneut Gold.
Als die Athleten in den USA um Medaillen kämpften, befand ich mich zusammen mit meiner Freundin am Gardasee in Norditalien. Im Gegensatz zu mir besaß meine Freundin einen Führerschein und auch einen eigenen VW-Polo. Sie hatte allerdings genau so wenig wie ich Spaß am Autofahren und so hatten wir uns entschlossen, uns mit Rucksack und Zelt in einem Ferienzug der Bundesbahn auf den Weg nach Malcesine in Südtirol zu machen, um auf dem dortigen Campingplatz unsere Urlaubstage zu verbringen. Es war in dieser Form sehr mühsam, das Urlaubsziel zu erreichen und mit meinen heutigen Rückenproblemen wäre ich wohl kaum noch in der Lage, eine solche Urlaubsreise zu wiederholen. Trotz der Strapazen bleibt jedoch die schön Erinnerung an den ersten Urlaub, den ich alleine mit meiner Freundin verlebt hatte. Eines aber lernte ich in diesen Tagen auch noch kennen, wobei mir dies erst etliche Jahre später bewusst werden sollte. Vom Gardasee aus haben meine Freundin und ich lange Busfahrten unternommen, um wunderschöne Städte wie Florenz und Venedig kennen zu lernen, genauso wie ein Jahr zuvor, als wir von der Costa Brava aus Barcelona besucht hatten. In all diesen Städten haben wir später jeweils einen längeren Urlaub verbracht und dabei konnten wir erst feststellen, dass man von einer sehenswerten Stadt im Rahmen eines Kurzbesuches nur einen oberflächlichen Eindruck gewinnt. Erst nach einem längeren Aufenthalt über mehrere Tage kann man behaupten, solch eine Stadt zumindest ein wenig kennen gelernt zu haben.
Auch der neue Bundeskanzler Helmut Kohl besuchte im Jahr 1984 eine europäische Stadt, allerdings nicht um Urlaub zu machen. Siebzig Jahre nach Ausbruch des 1. Weltkrieges war er Gast des französischen Staatspräsidenten Francois Mitterand. Das Bild ging um die Welt, als die Staatsmänner zweier vormals über Jahrhunderte befeindeter Staaten auf dem grausamsten Schlachtfeld des Weltkriegs zu Beginn des 20. Jahrhunderts plötzlich Hand in Hand dastanden und ergriffen der unzähligen völlig unsinnig gefallenen Soldaten auf dem riesigen Soldatenfriedhof gedachten. Die deutsch-französische Freundschaft hatte sich längst stabilisiert und jetzt sollte auch zwischen diesen beiden Staatsmännern eine echte Männerfreundschaft entstehen.
Tote gab es in diesem Jahr auch im Hamburger Hafen. Eine fröhliche Geburtstagsfeier an Bord der Barkasse „Martina“ endete mit einer Tragödie. Der Schiffsführer hatte nicht aufgepasst und steuerte die Geburtstags-Barkasse unter einen Schleppzug. Das Schiff sank sofort und neunzehn Menschen ertranken im Wasser des Hamburger Hafens. Wesentlich heiterer aber auch spannend ging es in der erfolgreichen Fernsehshow Frank Elstners zu. „WETTEN DAS“ hieß die neue Spielshow, die das Fernsehpublikum begeistert hat und noch heute in ihren Bann zieht.
Wie sein Vorgänger Juri Andropow war auch Konstantin Tschernenko nur kurze Zeit Staats-Oberhaupt der Sowjetunion. Nach nur einem Jahr im Amt verstarb er am 10. März 1985 in Moskau. Einen Tag später wurde der erst 54 Jahre alte Michail Gorbatschow zum neuen Generalsekretär der KPdSU gewählt. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass damit der Mann an die Macht gekommen war, der entscheidenden Einfluss auf die Überwindung des Kalten Krieges haben sollte. In der Innen- und Wirtschaftspolitik seiner Vorgänger konnte der neue Chef im Kreml mit Rücksicht auf die orthodoxen Kräfte in der Parteiführung zunächst keine entscheidenden Änderungen herbeiführen, doch in der Außenpolitik setzte er deutliche Akzente. Den bisherigen Außenminister Andrei Gromyko ersetzte er durch seinen Vertrauten Eduard Schewardnadse, der bis dahin Parteichef in Georgien gewesen war. Durch die Wiederaufnahme der Abrüstungsverhandlungen und durch sein Treffen mit dem US-Präsidenten Ronald Reagan in Genf gab Gorbatschow der Welt die Hoffnung, einer weiteren Spirale des Wettrüstens mit der Gefahr eines drohenden Atomkrieges entgehen zu können.
Zeitgleich mit dem beginnenden Umschwung in der Sowjetunion wandelte sich auch die politische Situation in Lateinamerika. Nach jahrzehntelanger Militärherrschaft etablierten sich in Brasilien und Paraguay wieder Zivilregierungen und die Diktatoren des südamerikanischen Kontinents mussten sich zurück ziehen. Andere Probleme in der Welt aber blieben bestehen. Die hoch verschuldeten Länder der Dritten Welt hofften auf der 40. Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank vergeblich auf eine Schuldentilgung, da dies in erster Linie am Widerstand der Vereinigten Staaten scheiterte. Auch eine Friedenslösung im Nahen Osten war nach neuerlichen Anschlägen radikaler arabischer Terroristen in weite Ferne gerückt, wobei insbesondere der Überfall auf das italienische Kreuzfahrtschiff „Achille Lauro“ sowie die Terroranschläge auf Büros der israelischen Fluggesellschaft „El Al“ in Wien und Rom für weltweites Aufsehen gesorgt hatten. Im Juni 1985 hatte sich Israel zwar aus dem Libanon zurück gezogen, doch am 1. Oktober bombardierte die israelische Luftwaffe das Hauptquartier Jassir Arafats. Der Palästinenser-führer war dem Anschlag zwar entgangen, doch das Pulverfass Naher Osten stand vor der Explosion.
Höhepunkt des politischen Geschehens in der Bundesrepublik war eine vielbeachtete Rede, die Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 08. Mai 1985 im Plenarsaal des Bundestages anlässlich einer Gedenkfeier zum 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hielt. Mit seiner Rede, in der er auch neue Normen für Moral und Verantwortung anmahnte, verschaffte sich der Bundes-präsident selbst und dem ganzen Land großen Respekt. Beachtung fand natürlich auch der fünftägige Besuch des US-Präsidenten Ronald Reagan in der Bundesrepublik. Heftige Diskussionen wurden ausgelöst, weil der Präsident zusammen mit Bundeskanzler Kohl den Soldatenfriedhof in Bitburg besuchte, da dort auch SS-Angehörige bestattet worden waren. Um die Wogen der Erregung zu glätten, fuhren die beiden Staatsmänner auch in das ehemalige Konzentrationslager Bergen-Belsen, dort wo unzählige Häftlinge – insbesondere Juden – ums Leben gekommen sind.
In der Bundesliga-Saison 1984/ 85 konnte der VfB Stuttgart die Leistung der Meistersaison nicht annähernd wiederholen und fand sich am Ende auf einem enttäuschenden zehnten Tabellenplatz wieder. Daran konnte auch der vom Lokalrivalen Kickers gekommene neue Mittelstürmer Jürgen Klinsmann nichts ändern. Dagegen hatte der FC Bayern München zu alter Stärke zurück gefunden. Nachdem Karl-Heinz Rummenigge den Verein in Richtung Mailand verlassen hatte, wollte Trainer Udo Lattek eine neue Mannschaft aufbauen und dies ist ihm gelungen. Der von Mönchengladbach an die Isar gewechselte Lothar Matthäus setzte sofort Akzente und schoss als Mittelfeldspieler gleich in seiner ersten Saison für die Bayern 16 Tore. Auch der vom Zweitligisten MSV Duisburg verpflichtete Stürmer Roland Wohlfarth zeigte sich als die erhoffte Verstärkung und der kleine Flügelflitzer Ludwig „Wiggerl“ Kögl war einer der stärksten Bayernspieler. Wichtige Säulen im Team waren zudem Torwart Pfaff, Libero Augenthaler und Vorstopper Eder. Der entscheidende Spieler beim neuen Meister aber war der Däne Sören Lerby, der mit seiner überragenden Technik und Übersicht glänzend die Regie im Mittelfeld führte. Die Saison wurde jedoch erst im letzten Moment entschieden, denn es hatte sich ein spannender Zweikampf zwischen den Bayern und Werder Bremen entwickelt, eine Konstellation die sich in den Folgejahren häufig ergeben sollte. Nach dem vorletzten Spieltag lagen die Münchener nur zwei Punkte und zwei Tore vor Werder, doch beim Saison-Finale patzten die Bremer und verloren in Dortmund mit 0:2. Der FC Bayern dagegen gewann sein letztes Saisonspiel durch ein Tor von Dieter Hoeneß mit 1:0 beim Absteiger Eintracht Braunschweig und holte nach vier Jahren erstmals wieder die deutsche Meisterschaft. Torschützenkönig aber wurde kein Bayernspieler, sondern mit 26 Toren Klaus Allofs vom 1. FC Köln, der mit seiner Mannschaft den dritten Platz erreicht hatte und später bei Werder Bremen, dem jetzigen Vizemeister, erfolgreich als Profispieler tätig war und dort anschließend eine noch erfolgreichere Tätigkeit als Manager begann.
Schon bevor die Münchener Bayern mit knappem Vorsprung die deutsche Meisterschaft erringen konnten, hatten sie die Möglichkeit, als Titelverteidiger erneut Sieger im DFB-Pokal zu werden. Kaum Jemand zweifelte daran, dass dies gelingen würde, denn der Gegner hieß Bayer 05 Uerdingen, ein Verein aus dem Bundesliga-Mittelfeld, der zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte das DFB-Pokalendspiel erreicht hatte. Dieses Finale am 26. Mai 1985 sollte erstmals seit 1943 wieder in Berlin stattfinden. Im Vorfeld wurde von Vielen befürchtet, dass sich kaum ein Berliner Bürger für dieses Ereignis interessieren würde und nur wenige Fans ihre Mannschaften begleiten würden, weil die Reise nach Westberlin durch die DDR aufgrund der massiven Grenzkontrollen nach wie vor beschwerlich und nervig war. So ging man davon aus, dass das Olympiastadion nur zur Hälfte gefüllt sein werde und deshalb kaum Stimmung aufkommen würde. Das Gegenteil war der Fall. Das Stadion war mit 70.000 Zuschauern restlos ausverkauft und die sorgten für eine unglaubliche Stimmung. Natürlich sympathisierten die neutralen Zuschauer mit dem Außenseiter aus dem Krefelder Stadtteil Uerdingen. Doch schon nach acht Minuten schien das Spiel den erwarteten Verlauf zu nehmen, als Dieter Hoeneß die Bayern mit 1:0 in Führung gebracht hatte. Nur 60 Sekunden später jedoch herrschte Riesenjubel bei einem Großteil der Zuschauer im Olympiastadion, weil Feilzer der Ausgleich gelungen war. Wer jetzt aber dachte, dass die Bayern mit Wut im Bauch auf das Tor des Außenseiters anstürmen würden, sah sich getäuscht. Sie zogen sich stattdessen mehr und mehr in die eigene Hälfte zurück und wurden dafür bestraft, denn in der 66. Minute erzielte Wolfgang Schäfer das 2:1 und sorgte damit für die Entscheidung. Zum ersten Mal hatte der FC Bayern München ein DFB-Pokalfinale verloren, aber gleichzeitig feierte Bayer 05 Uerdingen den größten Triumph seiner Vereinsgeschichte. Dieses DFB-Pokalfinale hatte jedoch nicht nur einen überraschenden Sieger gesehen, sondern es war gleichzeitig die Geburtsstunde des „Deutschen Wembley“, denn fortan sollten die Endspiele um den DFB-Pokal stets im Berliner Olympiastadion stattfinden und bis zum heutigen Tage rufen die Fans „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ in dem Wunsch, dass ihre Mannschaft das Finale erreichen würde.
Nach einem 1:1 bei Levsky/ Sparta Sofia und einem 2:2-Unentschieden im heimischen Neckarstadion schied der deutsche Meister VfB Stuttgart bereits in der ersten Runde des Europapokals aus. Das Endspiel um den Europapokal der Landesmeister am 29. Mai 1985 in Brüssel erreichten Juventus Turin und der FC Liverpool. Durch ein Tor von Michel Platini konnte der italienische Meister endlich den Cup gewinnen, zwei Jahre nach dem Debakel von Athen gegen den Hamburger SV. Dieser Triumph wurde allerdings überschattet von einer der größten Katastrophen des Europäischen Fußballs. Vor Beginn des Spiels wurden die italienischen Anhänger von sogenannten Fans des FC Liverpool angegriffen. Die Ordnungskräfte im Stadion waren der Situation nicht gewachsen und konnten es nicht verhindern, dass bei den Ausschreitungen 38 Menschen ums Leben kamen. Ich frage mich, wie abartig man veranlagt sein muss, an solch einer Tragödie beizutragen. Menschen die vorgeben, sich für ihren Verein einzusetzen, indem sie Anhänger gegnerischer Teams verprügeln und dabei deren Tod billigend in Kauf nehmen, sind krank im Kopf. Das Einzige was sie mit ihren Gewaltaktionen erreichen ist, dass sie ihrem eigenen Verein schaden, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von „ihrem Verein“ sprechen darf. Fußball – die schönste Nebensache der Welt.
Bayern München scheiterte im Europapokal der Pokalsieger erst im Halbfinale am späteren Cup-Sieger FC Everton. Das Endspiel gewannen die Engländer dann mit 3:1 gegen Rapid Wien. Im Achtelfinale des UEFA-Cups musste der Hamburger SV gegen Inter Mailand antreten. Beim Hinspiel im Hamburger Volksparkstadion konnte ich zusammen mit 61.000 Zuschauern schon nach 72 Sekunden jubeln, weil Michael Schröder die frühe 1:0-Führung erzielt hatte. Die italienische Spitzenmannschaft ließ sich jedoch nicht schockieren und setzte die Hamburger immer mehr unter Druck. Insbesondere Karl-Heinz Rummenigge, der eine Weltklasseleistung zeigte, trieb seine Mannschaft immer wieder gefährlich nach vorne und er war es auch, der den Ausgleich erzielte. Wieder einmal war es dann aber Thomas von Heesen, der für die Entscheidung sorgen konnte. Nach einem Eckball von Manni Kaltz erzielte er mit einem Kopfball den Siegtreffer zum 2:1. Die Zuschauer bejubelten nicht nur den Erfolg des Hamburger SV, sondern waren begeistert von einem außerordentlich guten Fußballspiel, das sie gesehen hatten. Auch das Rückspiel im Giuseppe-Meazza-Stadion verlief auf Augenhöhe und es sah kurz vor Spielende so aus, als ob die Hamburger ein torloses Unentschieden erreichen und damit in die nächste Runde einziehen könnten. In der 77. Minute kam dann jedoch das große Missgeschick Michael Schröders, als er bei einem Flankenball, der in den Hamburger Strafraum segelte, aus Reflex und völlig unnötig mit hoch erhobener Hand zum Ball ging. Den fälligen Elfmeter verwandelte der Ire Liam Brady zum 1:0-Sieg. Aufgrund des Auswärtstreffers, den Karl-Heinz Rummenigge zwei Wochen zuvor in Hamburg erzielt hatte, zog Inter Mailand in die nächste Runde ein, in der die Italiener gegen den 1. FC Köln beide Spiele gewannen und somit einen weiteren Bundesligavertreter ausschalten konnten. Erst im Halbfinale scheiterten sie an dem späteren Cup-Sieger Real Madrid.
Deutschland hatte wieder einen Kaiser, doch auch unter Teamchef Beckenbauer verlief das Länderspieljahr 1985 für die Nationalmannschaft bei nur vier Siegen in elf Spielen recht enttäuschend. In einer Gruppe mit Portugal, Schweden, der Tschechoslowakei und Malta wurde die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Mexiko im darauf folgenden Jahr dennoch erreicht. Das vorletzte Spiel am 16. Oktober 1985 gegen Portugal, dem ärgsten Rivalen in dieser Qualifikations-Gruppe, konnten mein Chef und ich zu unserem Bedauern nicht am Fernsehschirm verfolgen, weil wir an diesem Abend an einer Veranstaltung mit Ärzten teilnehmen mussten. Auf der Rückfahrt von der Sitzung hörten wir im Autoradio, dass Portugal diese Begegnung in Stuttgart mit 1:0 gewonnen hatte. Es war das erste Mal, dass eine deutsche Nationalmannschaft ein Qualifikationsspiel zur Fußball-Weltmeisterschaft verloren hatte. Jetzt bedauerten mein Chef und ich es nicht mehr, dass wir dieses Spiel nicht am Fernseher verfolgen konnten. Auch das abschließende Qualifikationsspiel gegen die Tschechoslowakei am 17. November 1985 vor nur 22.000 Zuschauern im Münchener Olympiastadion war keine Wiedergutmachung, sondern eine Riesenenttäuschung, die mit einem 2:2 endete. Mit zwei Punkten Vorsprung vor Portugal hatte sich Deutschland dennoch für Mexiko qualifiziert.
Im Juli 1985 hatte ich mich mit meiner Freundin erneut mit Rucksack, Schlafsack und Zelt per Bahn auf den Weg zu einem Campingplatz gemacht. Diesmal ging die Reise zur Halbinsel Istrien in Jugoslawien. Wir machten von unserem Urlaubsort aus etliche Ausflüge, in die nähere und auch weitere Umgebung, wie zum Beispiel zum Nationalpark Plitvicer Seen, von denen ich schon im Zusammenhang mit den Karl May-Filmen berichtet habe. Meine Freundin lernte auf dem Campingplatz eine nette ältere Frau aus dem Ruhrgebiet kennen. Sie erzählte, dass sie mit ihrem Ehemann schon seit Jahren jeden Urlaub auf diesem Campingplatz verbringe und stellte etwas verbittert fest, dass sie in der ganzen Zeit noch nicht annähernd so viel von der Gegend gesehen hatte, wie wir in ein paar Tagen. Ihr Mann war dagegen stolz, jeden Angestellten auf dem Campingplatz persönlich zu kennen. Nun ja, die Interessen sind halt unterschiedlich. Am 07. Juli 1985, einem Sonntag, machten wir keinen Ausflug, sondern hatten beschlossen, einige Stunden am Strand der Adria zu verbringen. In unmittelbarer Nähe zu unserem Platz hatten sich einige junge Leute aus Deutschland niedergelassen, die ein Kofferradio dabei hatten und aus dem erklang die Direktübertragung des Tennis-Finales von Wimbledon. So wurde es mir ausnahmsweise mal nicht langweilig am Strand, denn normalerweise halte ich es nicht lange aus, nur einfach in der Sonne zu liegen. Die BILD-Zeitung konnte man auch damals schon in Kroatien erhalten und wie in jedem Urlaub informierte ich mich auf diese Weise, was gerade in Deutschland und der restlichen Welt passierte. Mit Erstaunen verfolgte ich auf diese Weise, dass ein erst 17 Jahre alter Tennisspieler aus Leimen, dessen Namen ich bis dahin noch nie gehört hatte, beim berühmtesten Tennisturnier der Welt für Furore sorgte und eine um die andere Runde überstanden hatte. Sensationell stand Boris Becker an diesem Sonntag, als ich am Strand der Adria lag, im Endspiel gegen den Amerikaner Kevin Curren und ich lauschte gespannt der Radioreportage. Es war kaum zu glauben, aber der bis dahin in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte junge Deutsche konnte tatsächlich in Wimbledon gewinnen. Er war der jüngste Tennisspieler aller Zeiten, der das größte Tennisturnier der Welt als Sieger beenden konnte und zugleich der erste Deutsche überhaupt, dem dieses Kunststück gelang. Heute weiß man, dass dieser sensationelle Sieg keine „Eintagsfliege“ bleiben würde, sondern dass Boris Becker der beste deutsche Tennisspieler aller Zeiten wurde und dass er mit seinem ersten Sieg in Wimbledon einen wahren Boom dieser Sportart in Deutschland ausgelöst hatte.
An eine Begebenheit auf dem Campingplatz in Istrien erinnere mich ebenfalls noch, als wenn es gestern gewesen wäre. Eines Morgens krabbelten meine Freundin und ich aus unserem Zelt und waren überrascht, denn plötzlich standen zwei kleine Wohnwagen direkt vor unserer Behausung und wir wurden freudig begrüßt von zwei befreundeten Ehepaaren aus Jugoslawien, die wir zuvor noch nie gesehen hatten. Schon vor der Morgentoilette hatte ich zur Begrüßung mindestens fünf Gläser Slivovic mit den neuen Nachbarn getrunken. Die „Unterhaltung“ war nicht ganz einfach, aber mit Händen und Füßen, etwas englisch, ein paar Brocken deutsch und noch weniger jugoslawisch verständigten wir uns so gut es ging und hatten eine Menge Spaß dabei. Immerhin konnte ich in Erfahrung bringen, dass eines der Ehepaare aus der kroatischen Hauptstadt Zagreb kam, das andere aus Belgrad, der Hauptstadt Serbiens und Gesamt-Jugoslawiens. Nachdem nur wenige Jahre später in Jugoslawien der furchtbare und Menschenverachtende Bürgerkrieg ausgebrochen war, habe ich mich mehrfach gefragt, was aus den beiden Ehepaaren, die unsere Nachbarn auf dem Campingplatz in Istrien waren, wohl geworden ist. Waren sie Freunde geblieben oder mussten sie in den Kriegswirren auch Feinde werden? Diese Frage wird mir mit Sicherheit Niemand mehr beantworten können.
Mit Boris Becker hatte Deutschland im Jahr 1985 von einem Moment zum anderen einen neuen Star am Sporthimmel erhalten. Einem erfolgreichen Sportler vergangener Tage erging es in dieser Zeit weniger gut. Der frühere Box-Europameister Gustav „Bubi“ Scholz hatte im Juli 1984 im betrunkenen Zustand seine Ehefrau erschossen. Im Februar 1985 verurteilte ihn das Landgericht Berlin wegen fahrlässiger Tötung zu drei Jahren Haft. Das Gericht hatte dem Ex-Boxer eine Tötungsabsicht nicht nachweisen können und resümierte in der Urteils-Begründung, Scholz habe seine Frau nicht umbringen wollen. Insofern hatte Bubi Scholz doch noch Glück im Unglück.
Im April 1985 ging in Stuttgart nach 14 Monaten der Prozess gegen die RAF-Terroristen Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt zu Ende. Beide Terroristen wurden wegen neunfachen Mordes und mehrfacher Mordversuche zu jeweils fünfmal lebenslänglich plus 15 Monate Haft verurteilt. Es waren die höchsten Strafen, die in den RAF-Prozessen verhängt wurden doch was soll die ganze Farce mit „fünfmal lebenslänglich“, wenn die Täter, die Menschen voller Berechnung und kaltblütig ermordet haben, 25 Jahre später wieder auf freiem Fuß sind? Noch weniger ist zu ertragen, wenn sich mittlerweile sogenannte Experten zu Wort melden, die nachgewiesen haben wollen, dass Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt eventuell nicht für alle Morde, die ihnen zur Last gelegt worden sind, verantwortlich gemacht werden können. Ja wo sind wir denn? Reicht nicht ein kaltblütiger Mord aus, um einen Mörder lebenslang hinter Gitter zu bringen und ist es nicht völlig egal, ob Siegfried Buback, Jürgen Ponto, Martin Schleyer oder „nur ein einfacher“ Polizeibeamter bei den Anschlägen der Mörder ums Leben gekommen ist?
Schon vor der Verurteilung der Terroristen Klar und Mohnhaupt hatte eine neue Serie von Mordanschlägen begonnen, zu denen sich die RAF bekannte. Es handelte sich jetzt um die dritte Generation der Terrororganisation. Etwa 20 gewaltbereite Personen und ungefähr 250 Helfer gehörten der Organisation nunmehr an, die aber hatten nicht einmal mehr unter den radikalen Linken Sympathisanten und sie blieben im Gegensatz zu ihren Vorgängern weitgehend im Verborgenen. Das erste Opfer dieser brutalen und hinterhältigen Morde war der Vorstandsvorsitzende der Maschinen- und Turbinen Union Ernst Zimmermann. Am 01. Februar 1985 drangen Terroristen in sein Haus im oberbayrischen Gautingen ein, fesselten seine Ehefrau und führten das Opfer ins Schlafzimmer, um es dort mit mehreren Schüssen in den Hinterkopf zu töten. Die Täter konnten bis heute nicht identifiziert werden. Dies ist ohnehin das Phänomen der dritten RAF-Generation, denn kaum einer der ihr zur Last gelegten Morde konnte aufgeklärt werden und bis auf wenige Ausnahmen sind die Mitglieder des „harten Kerns“ dieser Gruppe nicht einmal bekannt. In Wiesbaden wurde am 07. August der US-Soldat Edward Pimental von den Terroristinnen Birgit Hogefeld und Eva Haule erschossen, nur weil sie in den Besitz seiner „Identification Card“ gelangen wollten. Diese Tat wurde selbst in der linken Szene heftig kritisiert, weil dieser „einfache“ Soldat nicht dem herkömmlichen Feindbild der RAF entsprach, wenngleich man festhalten darf, dass auch in der Vergangenheit keine Rücksicht auf „einfache“ Polizisten genommen worden ist, wenn sie im Weg waren. Die von dem ermordeten Edward Pimental geraubte „ID-Card“ wurde einen Tag später benutzt, um den Kontrollposten der Rhein-Main-Airbase“ passieren zu können. Dort zündeten die Terroristen eine Autobombe. Bei diesem Anschlag sind ein weiterer US-Soldat und eine Zivilangestellte getötet worden, elf Personen wurden verletzt. Der Terror war zurück gekehrt in die Bundesrepublik.
Um sich gegen den Terrorismus zu schützen und der Polizei die Ermittlungen zu erleichtern, wurde am 28. Juni 1985 vom Bundestag mit den Stimmen der konservativ-liberalen Koalition das Versammlungsgesetz geändert. Das „Vermummungsverbot“ untersagte es den Bürgern in der Bundesrepublik, ihre Gesichter bei Demonstrationen zu verdecken. Ziel war es, die Verfolgung einer im Laufe einer Demonstration begangenen Straftat zu erleichtern. In der Öffentlichkeit wurde diese Einschränkung der persönlichen Freiheit heftig diskutiert und es wurde die Frage aufgeworfen, ob diese Maßnahme ein angemessenes und notwendiges Mittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung war, denn es wurde befürchtet, dass auch friedliche Bürger dadurch gehindert wurden, an Demonstrationen teilzunehmen, weil sie Angst vor Diskriminierung oder vor gewalttätigen Übergriffen durch politische Gegner hatten. Befürworter hielten dem entgegen, dass die Verfolgung von Straftaten angemessen durchführen zu können, einen höheren Stellenwert haben müsse, als der Wunsch von Demonstranten nach Anonymität.
Am 19. August sorgte eine erneute Spionageaffäre für Aufregung in der Bundesrepublik. Der für die Spionageabwehr im Bundesamt für Verfassungsschutz zuständige Regierungs-Direktor Hansjoachim Tiedge war in die DDR übergelaufen. Es war der Höhepunkt einer ganzen Serie von Spionagepannen in der Bundesrepublik, bei denen Sekretärinnen Bonner Behörden aber auch Spitzenpolitiker als DDR-Agenten enttarnt worden waren.
Ein weiterer Skandal wurde im selben Jahr in Österreich aufgedeckt, der allerdings keinen politischen Hintergrund hatte, aber einmal mehr deutlich machte, wie verantwortungslos der Umgang mit den Menschen im Alltag gestaltet wird, wenn alleine der wirtschaftliche Profit das Handeln bestimmt. Gewissenlose Winzer hatten ihren Wein mit Glykol, einem giftigen Zusatzstoff, versetzt und damit die Gesundheit vieler Menschen billigend aufs Spiel gesetzt. In der Folgezeit wurden die Konsumenten durch weitere Lebensmittelskandale verunsichert.
520 Menschen kamen bei einem Flugzeugunglück in Japan am 12. August 1985 ums Leben, ein Erdbeben in Mexiko-City forderte im September circa 5.200 Menschenleben und bei einem Vulkanausbruch in Kolumbien zwei Monate später wurden mehr als 23.000 Menschen getötet. Diese Katastrophen verdeutlichten, auf welch schmaler Grundlage die menschliche Existenz ruht.
Im Dezember 1985 begannen in Wackersdorf massive Proteste gegen den Bau der dort geplanten Wiederaufarbeitungsanlage. In der Nähe des Baugeländes errichteten Atomkraft-gegner ein Hüttendorf und lieferten sich anschließend gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Die Kinoversion des Spielfilms „Das Boot“ wurde im September 1981 in München uraufgeführt und erschien im Jahr 1985 als dreiteilige Serie im Fernsehen. Erfolgsregisseur Wolfgang Petersen hatte in eindrucksvoller Art und Weise das Leben einer U-Bootbesatzung während des 2. Weltkrieges interpretiert. Jürgen Prochnow spielte den Kommandanten des Bootes, der von seiner Mannschaft meistens „der Alte“ genannt wurde, und eine Reihe bekannter Schauspieler stellten die Mitglieder der Besatzung dar, so unter anderem Klaus Wennemann, Martin Semmelrogge, Uwe Ochsenknecht, Jan Fedder und Heinz Hoenig. Für viele von ihnen war es der erste Schritt auf dem Weg zu einer großen Schauspielerkarriere. Einer aber muss besonders erwähnt werden. Leutnant Werner, der Berichterstatter, wurde von Herbert Grönemeyer gespielt, der in der Folgezeit eine bemerkenswerte Sängerkarriere startete. Ich war fasziniert von diesem Film und habe mir geschworen, niemals in ein U-Boot einzusteigen, auch nicht in Friedenszeiten. Noch eine andere erfolgreiche Serie startete in diesem Jahr. Die „Schwarzwaldklinik“ war ein absoluter Renner beim Fernsehpublikum, wenngleich ich eingestehen muss, dass ich nicht zu den größten Fans Professor Brinkmanns gehörte.
Als ich am Morgen des 29. April 1986 am Frühstückstisch saß, bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit machen wollte, hörte ich im Radio erstmals die unvorstellbare Nachricht. In der ukrainischen Stadt Tschernobyl, 130 Kilometer nördlich von Kiew gelegen, hatte sich in dem dortigen Atomkraftwerk eine Katastrophe ereignet. Es hatte eine Explosion gegeben, der Reaktorblock vier stand in Flammen, Brennstäbe hatten begonnen zu schmelzen und Radioaktivität konnte ungehindert in die Atmosphäre entweichen. Das Unglück hatte sich bereits drei Tage zuvor ereignet, doch die sowjetischen Behörden hatten zunächst eine Nachrichtensperre ausgegeben und erst am Abend bevor ich von der Katastrophe erfuhr, die Weltöffentlichkeit darüber informiert, was in Tschernobyl passiert war. Allerdings sickerte erst nach und nach durch, dass es sich tatsächlich um einen „Super-Gau“ gehandelt habe und die Folgen noch nicht ansatzweise einzuschätzen waren. In dem Augenblick, als ich im Radio erstmals von der bis dahin schlimmsten Atom-Katastrophe gehört hatte, war der Beschwichtigungsversuch des damaligen Bundesinnenministers Friedrich Zimmermann so katastrophal, wie das Ereignis selbst. Ich hörte ihn tatsächlich in der morgendlichen Radiosendung ins Mikrophon säuseln: „Wir wissen zwar nicht genau was geschehen ist, aber ich kann Ihnen versichern, dass so etwas bei uns nicht passieren kann!“ Ich habe in meinem Leben viele dumme Äußerungen von Politikern zur Kenntnis nehmen müssen, aber diese „Erklärung“ des Innenministers dürfte in Sachen Inkompetenz wohl unübertroffen sein. Wenn man nicht im Geringsten weiß, was wirklich passiert ist, sollte man sich besser mit der Prophezeiung zurück halten, dass Gleiches nicht woanders auch geschehen kann. Viele Jahre später sollte in Japan deutlich werden, dass sich die Menschen Jahrzehnte lang maßlos überschätzt hatten in ihrem unbändigen Glauben, die Technik und Naturgewalten zu beherrschen. Eine ganze Region wurde auf Dauer durch den Super-Gau in Tschernobyl verstrahlt und viele Menschen haben dies mit ihrem Leben bezahlen müssen oder leiden noch heute dauerhaft an gesundheitlichen Schäden. Der Reaktorblock 4 wurde mit großen Mühen in einem Beton- und Stahlmantel eingeschlossen, doch im Inneren wird der Reaktorblock noch lange strahlen und bleibt weiterhin eine Gefahr für Menschen und die Umwelt. Wie viele Helfer ihr Leben verloren, als sie damals gegen die austretende Radioaktivität ankämpften, wird die Öffentlichkeit wohl nie erfahren.
Der Atomunfall in Tschernobyl war der erste, der staatsübergreifend beängstigende Folgen hatte. Radioaktiv verseuchte Luftmassen verbreiteten sich über weite Teile Mitteleuropas. In Bayern wurden stark erhöhte Werte gemessen und noch Jahre später hohe Strahlenwerte zum Beispiel bei Waldpilzen oder bei Wildtieren festgestellt. Durch Tschernobyl erhielt die Diskussion über die Kernenergie eine neue Dimension, doch in keinem Staat wurde ein Baustopp oder ein Verbot der Inbetriebnahme neuer Kernkraftwerke in Erwägung gezogen. Eine mögliche Selbstvernichtung durch eine nicht beherrschbare Technik stand im Schatten des wirtschaftlichen Profits.
Doch nicht nur Tschernobyl zeigte die Grenzen der Menschen bei ihrem Glauben auf, die Technologie jederzeit im Griff zu haben. Bereits im Januar wurden die Öffentlichkeit und die amerikanische Raumfahrtbehörde geschockt, als die Raumfähre „Challenger“ explodierte und dabei sieben Astronauten ums Leben kamen. Nach einem Großbrand bei der Sandoz AG in Basel am 1. November 1986 wurden giftige Chemikalien in den Rhein geleitet. Auf einer Strecke von 280 Kilometern führte dies zu schwersten ökologischen Schäden. Vor dem Hintergrund weiterer schwerer Giftunfälle in Schweizer und deutschen Chemieunternehmen war es nicht verwunderlich, dass sich ein Großteil der bundesdeutschen Bevölkerung ernsthafte Sorgen in Bezug auf die Umwelt machte und der Ruf nach besseren Sicherheits-vorkehrungen lauter wurde.
Die Saison 1985/ 86 in der Fußball-Bundesliga begann mit einer äußerst kuriosen Szene. Zum Saisonauftakt musste Borussia Dortmund beim Vorjahresmeister Bayern München antreten und Dortmunds Mittelstürmer Frank Mill hätte für die Entscheidung sorgen können. Er war steil geschickt worden und hatte Münchens Torwart Jean-Marie Pfaff ausgespielt. Jetzt stand er ohne Bedrängnis vor dem leeren Tor, schoss aber den Ball aus drei Meter Entfernung an den Pfosten. Dieses Missgeschick wird immer wieder erwähnt, wenn es um Kuriositäten in der Bundesliga-Geschichte geht. Das Spiel endete 2:2-Unentschieden und konnte damit durchaus als Achtungserfolg für die Dortmunder gewertet werden. Frank Mill jedoch hätte sich wahrscheinlich gerne den Spott erspart, den er nach seinem Fehlschuss über sich ergehen lassen musste und stattdessen sicherlich lieber das Siegbringende Tor erzielt. Weniger zum Lachen war eine Aktion die sich am 28. November 1985 ebenfalls im Münchener Olympia-Stadion ereignete. Beim Bundesligaspiel zwischen dem FC Bayern und Werder Bremen wurde Rudi Völler von Klaus Augenthaler brutal gefoult, zumindest hatte es so ausgesehen. Wochenlang wurde über dieses Foulspiel diskutiert und Münchens Kapitän an den Pranger gestellt, weil Rudi Völler anschließend operiert werden musste und fünf Monate lang an keinem Fußballspiel teilnehmen konnte. Die Wirklichkeit aber sah wohl etwas anders aus. Augenthaler war während seiner langjährigen Karriere sicherlich ein harter Abwehrspieler, aber niemals hatte man gesehen, dass er es vorsätzlich in Kauf nehmen würde, einen Gegner ernsthaft zu verletzen. In dem Spiel gegen Werder Bremen hatte Münchens Rechtsaußen Frank Hartmann den Ball an der Mittellinie verloren und Klaus Augenthaler wollte ihn aus der Gefahrenzone schlagen. Dabei traf er allerdings Rudi Völlers Schienbein und dessen spektakulärer Flug durch die Luft ließ in der Tat das Schlimmste befürchten. Die Operation, die Rudi Völler anschließend außer Gefecht setzen sollte, hatte jedoch keinen ursächlichen Zusammenhang mit dem Foul Augentalers, denn er musste an beiden Seiten der Leiste operiert werden und entsprechende Beschwerden, die letztlich die Operation erforderlich machten, hatte er schon vor dem Zusammenprall mit dem Münchener Innenverteidiger. Im Übrigen blieben die beiden Team-Kollegen aus der Nationalmannschaft Freunde und fuhren auch nach diesem Vorfall noch regelmäßig gemeinsam in den Skiurlaub. Dieses viel diskutierte Spitzenspiel in München gewannen die Bayern im Übrigen mit 3:1, obwohl Lothar Matthäus nach einem Revanchefoul gegen den österreichischen National-spieler Bruno Pezzey des Feldes verwiesen worden war.
Natürlich fehlte Rudi Völler den Bremern sehr bei ihrem Bestreben, erstmals seit 1965 die Meisterschale an die Weser zu holen, doch er wurde ausgesprochen gut von dem jungen Frank Neubarth vertreten, der von Concordia Hamburg gekommen war, nachdem er sich bei einem Probetraining vor den Augen des HSV-Trainers Ernst Happel nicht für den Kader der Hamburger qualifizieren konnte. In der Spielzeit 1985/ 86 gelang Neubarth jedoch der Durchbruch zu einem herausragenden Bundesligaspieler, der immerhin 20 Saisontreffer erzielen konnte. So blieb es bis zum Saisonende bei einem Kopf- an Kopfrennen zwischen den beiden Rivalen aus Nord- und Süddeutschland, das am vorletzten Spieltag der Saison aber kurz vor der Entscheidung zu stehen schien. Mit zwei Punkten Vorsprung führte Werder Bremen die Tabelle vor Bayern München an, bevor es am 33. Spieltag zum direkten Duell der Titelaspiranten im Bremer Weserstadion kam. 89 Minuten waren in dieser Begegnung schon gespielt und es stand noch immer 0:0, als den Bremern in der Schlussminute vom Schiedsrichter ein Elfmeter zugesprochen wurde, nachdem Lerby den Ball im eigenen Strafraum mit der Hand gespielt hatte. Jetzt nur ein Schuss noch und der SV Werder wäre Deutscher Meister. Der lange Abwehrspieler Michael Kutzop legte sich den Ball auf dem Elfmeterpunkt zurecht und nahm Anlauf. Der Jubel über den vermeintlichen Treffer zur Meisterschaft blieb den Zuschauern allerdings in der Kehle stecken, denn der von Kutzop geschossene Strafstoß war am Außenpfosten des Münchener Tores gelandet. Nach der aufgekommenen Euphorie herrschte jetzt fassungslose Stille und tiefes Entsetzen. Man war so nahe vor dem Erfolg und dann dieses Ende. Entschieden war aber in diesem Moment noch nichts, denn den Bremern würde auch jetzt ein Unentschieden am letzten Spieltag in Stuttgart reichen, um Meister zu werden. Doch der Schock der verpassten Chance im heimischen Weserstadion saß tief und so verlor Werder Bremen das letzte Saisonspiel beim VfB Stuttgart mit 1:2. Die Münchener dagegen deklassierten den früheren Rivalen aus den 70er Jahren Borussia Mönchengladbach mit 6:0 und konnten es bei dem Verlauf in der Schlussphase der Saison wohl zunächst selbst kaum glauben, dass sie den Titel doch noch verteidigt hatten. Die Bremer dagegen mussten sich erneut aufgrund des schlechteren Torverhältnisses mit der Vizemeisterschaft abfinden.
Im Frühjahr 1986 unternahm ich zusammen mit meiner Freundin eine Städte-Tour nach Berlin, wo wir bei schon sommerlichen Temperaturen gemeinsam die Sehenswürdigkeiten der heimlichen Hauptstadt Deutschlands bestaunten. Am Vormittag des 03. Mai begleitete ich meine Freundin nach Dahlem, dem Künstler-Viertel Berlins. Als ausgesprochene Kunst-Liebhaberin hatte sie sich vorgenommen, einen ganzen Tag lang in den Museen Dahlems zu verbringen, um sich die Werke großer Künstler anzuschauen. Soviel Kunst „am Stück“ war mir zu viel und so vereinbarten wir, dass ich meine Freundin in Dahlem abholen würde, wenn die Museen geschlossen werden. So hatte ich bei wunderschönem Wetter einen Tag für mich allein und ich hatte beschlossen, nicht viel zu unternehmen, sondern nur ein wenig durch die Stadt zu bummeln und einige Pausen in dem einen oder anderen Straßen-Cafe zu machen. An diesem Samstag fand das DFB-Pokalendspiel statt und ich wurde Zeuge des gerade aufkeimenden Mythos „Deutsches Wembley“. Überall in den Straßen und auf den Plätzen traf man Fans des VfB Stuttgart und des FC Bayern München, der Mannschaften, die am Abend im Olympiastadion das Endspiel bestreiten sollten. Die Anhänger feuerten ihre Mannschaften schon am frühen Nachmittag mit den jeweiligen Schlachtrufen und Liedern an, doch alle hockten friedlich und beinahe freundschaftlich zusammen. Ich war begeistert, denn so stelle ich es mir vor, wie man wirklich die Sympathie zu seinem Verein demonstrieren kann. Eine Eintrittskarte für das Pokalfinale hatte ich nicht, ich musste ja auch meine Freundin aus Dahlem abholen. Das Endspiel habe ich dann am Fernsehschirm im Hotel verfolgt, nur wenige Kilometer vom Olympiastadion entfernt und ich sah einen absolut verdienten Sieg des FC Bayern München, obwohl Lothar Matthäus zum zweiten Mal einen Elfmeter in einem DFB-Pokal-Endspiel verschossen hatte. Drei Tore hatte Roland Wohlfarth für den FC Bayern erzielt, bevor Michael Rummenigge noch zwei weitere Treffer folgen ließ. In der Schlussphase konnten auch die Stuttgarter noch zwei Tore erzielen und die Niederlage ein wenig erträglicher gestalten. Doch mit diesem 5:2-Sieg wurde Bayern München erneut DFB-Pokalsieger. Pikant an diesem Ereignis war, dass der VfB Stuttgart die Münchener eine Woche zuvor durch den Sieg gegen Werder Bremen zum Deutschen Meister gemacht hatte, jetzt Opfer bei der deklassierenden Niederlag im DFB-Pokalendspiel wurde und damit auch am Gewinn des Doubles der Bayern direkt beteiligt war. Dieter Hoeneß, der selbst für den VfB gespielt hatte bevor er nach München wechselte, war der Sieg vor diesem Hintergrund offensichtlich selbst ein bisschen unangenehm, denn er gab nach dem Spiel zu verstehen: „Irgendwie bedaure ich ja doch, dass wir gewonnen haben!“ Fußball – die schönste Nebensache der Welt.
Die Meisterschaft hatte Bayern München knapp, das DFB-Pokalendspiel dagegen souverän gewonnen. Im Europapokal der Landesmeister scheiterte der Deutsche Meister allerdings bereits im Viertelfinale. Im Hinspiel siegten die Bayern zwar 2:1 gegen den RSC Anderlecht, in Belgien gab es dann jedoch eine 0:2-Niederlage und dies bedeutete das Ausscheiden aus dem Wettbewerb. Das Europapokal-Endspiel fand in Sevilla statt und endete mit einer Sensation. Der FC Barcelona trat gegen Steaua Bukarest an, wurde seiner Favoritenrolle auf heimischen Boden jedoch nicht gerecht. Nach Verlängerung endete das Spiel torlos und deshalb wurde ein Elfmeterschießen fällig. Dieses endete mit dem für ein Elfmeterschießen recht ungewöhnlichen Ergebnis von 2:0 für Bukarest, nachdem der rumänische Torwart alle fünf Elfmeter der Katalanen gehalten hatte. Zum ersten Mal war eine Mannschaft aus Rumänien Europapokalsieger der Landesmeister geworden.
Bayer Uerdingen sorgte im Europapokal der Pokalsieger für Furore. Die ersten beiden Runden hatten die „Werksfußballer“ souverän überstanden, bevor es im Viertelfinale zum deutsch-deutschen Duell mit Dynamo Dresden kam. Das Hinspiel in Dresden hatte der Pokalsieger aus der DDR mit 2:0 gewonnen und im Rückspiel am 19. März 1986 führte Dynamo, in dessen Mannschaft unter anderen Matthias Sammer und Ulf Kirsten standen, zur Halbzeit bereits mit 3:1. In der Halbzeitpause blieb der erfahrene Trainer „Kalli“ Feldkamp ganz ruhig und bevor die Mannschaft auf das Spielfeld zurückkehrte, gab er seinen Spielern mit auf den Weg: „Jungs, jeder weiß, dass wir ausgeschieden sind. Aber jetzt habe ich eine Bitte an Euch. Sorgt dafür, dass wir uns wenigstens anständig aus dem Europapokal verabschieden“. Was dann kam, kann man mit Fug und Recht als das „Wunder von der Grotenburg“, bezeichnen und ich glaubte vor dem Fernsehgerät meinen Augen nicht zu trauen, als ich sah, was sich plötzlich im Stadion in Krefeld-Uerdingen ereignete. Nachdem Abwehrspieler Wolfgang Funkel in der 58. Spielminute mit einem verwandelten Foulelfmeter für den Anschluss sorgen konnte, spielte sich Bayer Uerdingen in einen wahren Rausch. In der letzten halben Stunde dieser unglaublichen Begegnung schossen die Uerdinger noch fünf weitere Tore und gewannen am Ende mit 7:3. Fußball – die schönste Nebensache der Welt. Dieses Spiel des „Europapokal-Neulings“ gehört sicherlich zu den spektakulärsten in der deutschen Europacup-Geschichte. Im Halbfinale musste sich Uerdingen dann allerdings nach zwei Niederlagen Atletico Madrid geschlagen geben. Der spanische Pokalsieger verlor das Endspiel dann später im französischen Lyon gegen Dynamo Kiew deutlich mit 0:3. Die Ukrainer gewannen diesen Pokalwettbewerb damit bereits zum zweiten Mal und immer noch war der Weltklasse-Außenstürmer Oleg Blochin dabei, der das Tor zum 2:0 für Kiew erzielen konnte.
Im UEFA-Cup scheiterte der HSV bereits in der ersten Runde an Sparta Rotterdam. Die 0:2-Niederlage aus dem Hinspiel in der Niederländischen Hafenstadt konnten die Hamburger in den Schlussminuten des Rückspiels zwar egalisieren, doch im entscheidenden Duell vom Elfmeterpunkt aus scheiterten sie mit 3:4. Den Elfmeter zum 3:3 verwandelte dabei ein gewisser Louis van Gaal, den die meisten Fußballanhänger in Deutschland wohl eher als erfolgreichen Trainer kennen. Besser als der HSV machte es der 1.FC Köln, der zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte ein Finale im Europapokal erreichen konnte. Gegen Real Madrid gab es im Hinspiel in der spanischen Hauptstadt allerdings mit 1:5 eine deftige Niederlage. Der 2:0-Sieg im Rückspiel reichte den Kölnern dann nicht, um erstmals einen europäischen Titel zu gewinnen.
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hatte seit einiger Zeit einen Kaiser an der Spitze, doch auch unter Teamchef Franz Beckenbauer fehlte ihr bisher der Glanz. Dies sollte sich jedoch in der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Mexiko ändern. Im ersten Spiel des Länderspieljahres 1986 besiegte Deutschland am 12. März den Rekordweltmeister Brasilien in Frankfurt mit 2:0. Felix Magath bot dabei eine überragende Leistung, die Tore erzielten Hans-Peter Briegel schon in der zweiten Spielminute und Klaus Allofs kurz vor Spielende. Stark war auch die Leistung des deutschen Teams im letzten Testspiel vor der WM, als es in Dortmund Holland mit 3:1 besiegen konnte. Beim Start in die Weltmeisterschafts-Endrunde am 04. Juni 1986 geriet die deutsche Mannschaft gegen Uruguay schon nach fünf Minuten in Rückstand und war danach aber die klar bessere Mannschaft, hatte aber überaus viel Pech im Abschluss. Der Ausgleich zum 1:1-Endstand fünf Minuten vor Spielende durch Klaus Allofs war dann mehr als berechtigt. Durch Strachan geriet die Deutsche Mannschaf auch gegen Schottland im zweiten Spiel früh in Rückstand, doch Rudi Völler, der nach seiner langen Verletzungspause rechtzeitig wieder fit geworden war, dem aber natürlich noch die nötige Spielpraxis fehlte, konnte schon wenige Minuten später den Ausgleichstreffer erzielen. Wieder war es Klaus Allofs, der das wichtige Tor zum 2:1-Sieg erzielte und erneut war Felix Magath der überragende Spieler in einer guten deutschen Mannschaft. Das abschließende Gruppenspiel gegen Dänemark endete dann in einem hochklassigen Spiel mit einer 0:2-Niederlage des deutschen Teams. Felix Magath stand in diesem Spiel nicht zur Verfügung, genauso wie Klaus Augenthaler, der sich zuvor so schwer verletzt hatte, dass er bis zum Ende der Weltmeisterschaft ausfallen würde und fortan von seinem Freund Dietmar Jacobs vertreten wurde. Die erste Niederlage gegen den Nachbarn im Norden Europas, unter Leitung des ehemaligen deutschen Nationalspielers Sepp Piontek, nach 56 Jahren, konnte man damals aber keinesfalls als Blamage ansehen, denn es gab wohl niemals eine so gute dänische Nationalmannschaft wie in jener Zeit. Das dänische Team verfügte über eine ganze Reihe von Weltklassespielern, die in europäischen Spitzenvereinen ihr Geld verdienten. So zum Beispiel Morten Olsen, der damals für den RSC Anderlecht spielte und nach der WM in Mexiko im Alter von 37 Jahren zum 1.FC Köln wechselte, wo er noch drei Jahre in der Bundesliga spielen und später als Trainer tätig sein sollte. Zu den Leistungsträgern gehörten zudem der überragende Außenstürmer Michael Laudrup sowie die Mittelfeldspieler Sören Lerby, der zu jener Zeit beim FC Bayern München spielte, und Frank Arnesen, der später Manager beim HSV wurde, allerdings nicht mit durchschlagendem Erfolg. Bei dem Spiel gegen Deutschland in Mexiko konnte sich Trainer Piontek es sich sogar leisten, Alan Simonsen erst zur Halbzeit einzuwechseln.
Das Achtelfinale hatte die deutsche Mannschaft trotz der Niederlage gegen Dänemark erreicht und traf jetzt auf die Mannschaft Marokkos. Das Spiel gegen die Nordafrikaner gestaltete sich dann weitaus schwerer als erwartet. Beim Spielstand von 0:0 kurz vor Spielende hatte sich Jeder schon auf die drohende Verlängerung eingestellt, dann aber wurde Mannschaftskapitän Karl-Heinz Rummenigge kurz vor dem Strafraum der Marokkaner gefoult. Lothar Matthäus verwandelte den fälligen Freistoß mit einem wuchtigen Schuss, der unhaltbar für den marokkanischen Torwart Zaki im unteren linken Eck des Tores einschlug. Gegen Gastgeber Mexiko musste die deutsche Mannschaft im Viertelfinale antreten und es sollte erneut eine äußerst knappe Angelegenheit werden, vor allem nachdem der Frankfurter Thomas Berthold in der 65. Minute zu Recht vom Platz gestellt worden war. Das Problem des deutschen Teams lag darin, dass Felix Magath, Kapitän Karl-Heinz Rummenigge und insbesondere Hans-Peter Briegel weit hinter der eigenen Leistungsfähigkeit blieben. Die besten deutschen Feldspieler in dieser Begegnung waren Ditmar Jakobs, der immer wieder freistehende Angreifer der Mexikaner übernehmen konnte sowie Lothar Matthäus, der agilste Akteur im deutschen Mittelfeld. Der große Held dieses Spiels jedoch wurde Torwart Toni Schumacher. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit verhinderte er mit einer Glanzparade den 0:1-Rückstand und im entscheidenden Elfmeterschießen, das erforderlich geworden war, weil auch in der Verlängerung keine Tore fielen, hielt der Kölner Schlussmann zwei Elfmeter, so dass sein Vereinskollege Pierre Littbarski, der erst fünf Minuten vor Beendigung der Verlängerung eingewechselt worden war, mit seinem entscheidenden Elfmeterschuss den Einzug ins Halbfinale sichern konnte.
Nicht zuletzt aufgrund seiner Leistung im Spiel gegen Mexiko wurde Toni Schumacher später von den Sportjournalisten zum deutschen Fußballer des Jahres gewählt und dies ist mit einer pikanten Randnotiz verbunden. Zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Nationalmannschaft wurde ein Spieler im Laufe eines großen Turniers wegen „ungebühr-lichen Verhaltens“ vorzeitig nach Hause geschickt. Der in jener Zeit sicherlich ab und an exzentrische Torhüter des Hamburger SV, Uli Stein, hatte den Teamchef Franz Beckenbauer als „Suppenkasper“ bezeichnet und diese Äußerung war als Reaktion auf Ereignisse im Vorfeld dieses Skandals gewertet worden. Öffentlich hatte Stein gefordert, bei der WM in Mexiko spielen zu müssen, weil er momentan der beste Torwart Deutschlands sei. Auch Beckenbauer soll sich gegenüber seinem ehemaligen Vereinskameraden beim HSV dahingehend geäußert haben, dass auch er ihn derzeit für den besseren Keeper ansehe, dass er aber dennoch Toni Schumacher aufstellen werde, weil der seit langer Zeit die Nummer 1 im deutschen Tor sei. Rückblickend wird man sicherlich zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Reaktion der DFB-Verantwortlichen und folglich in der Öffentlichkeit, Uli Stein aus der Nationalmannschaft verbannen zu müssen, überzogen war, denn diesbezüglich dürfte eher ein Missverständnis vorgelegen haben. Einige Spieler des deutschen Teams hatten es sich angewöhnt, am Frühstückstisch des WM-Quartiers in Mexiko eine Art Ratespiel zu veranstalten. Einer von ihnen nannte einen Begriff oder einige Buchstaben und die anderen hatten zu raten, welche der Personen damit gemeint war, die sich in diesem Moment noch im Frühstücksraum befanden. Uli Stein hatte den Begriff „SK“ genannt und keiner seiner Team-Kameraden konnte erraten, wer mit dieser Abkürzung gemeint gewesen sein könnte. Uli Stein, musste also selbst aufklären, dass „SK“ für „Suppenkasper“ stehe und dass damit Franz Beckenbauer gemeint war, in Anspielung auf dessen Werbe-Spots für einen deutschen Suppenhersteller, zwanzig Jahre zuvor. Ein Mitspieler am Tisch hatte die Äußerung Steins offensichtlich an die Offiziellen des DFB weitergetragen, die dann ihre entsprechenden Konsequenzen daraus gezogen hatten. Ich persönlich hätte nicht Uli Stein, sondern den Denunzianten nach Hause geschickt.
Sei es drum, Deutschland hatte das Halbfinale erreicht, nicht zuletzt aufgrund einer überragenden Leistung Toni Schumachers und so wie vier Jahre zuvor in Spanien, war auch diesmal Frankreich der Gegner. Nicht immer in diesem WM-Turnier waren die Leistungen wirklich überzeugend, doch in diesem Halbfinale zeigte die deutsche Mannschaft ihr Können vom ersten Moment an und schon nach neun Minuten konnte Andreas Brehme das deutsche Team mit einem Freistoß in Führung bringen. Neben Ditmar Jakobs und Felix Magath war mit Wolfgang Rolff ein dritter Spieler des HSV in die Mannschaft gerückt und der hatte erheblichen Anteil an dem erfolgreichen Auftritt der deutschen Nationalmannschaft. Wie drei Jahre zuvor im Europapokalfinale der Hamburger gegen Juventus Turin, konnte er auch diesmal den Wirkungskreis von Michel Platini soweit eingrenzen, dass es dem französischen Mannschaftskapitän nicht gelang, seine ohne Zweifel vorhandene Weltklasse für seine Mannschaft wirklich zu nutzen. In der Schlussminute erlief Rudi Völler nach einem Konterangriff eine Steilvorlage, lupfte den Ball cool über den französischen Torwart Bats, um ihn dann ins leere Tor zu schieben. Nicht nur Franz Beckenbauer streckte seine Faust nach diesem Erfolg in die Höhe.
Nach dem 2:0-Sieg gegen Frankreich stand Deutschland also erneut im Endspiel um eine Fußball-Weltmeisterschaft. Gegner am 29. Juni 1986 vor beinahe 115.000 Zuschauern im Azteken-Stadion von Mexiko-City war Argentinien, das sich mit einem 2:0-Sieg gegen Belgien für dieses Finale qualifiziert hatte. Bei den Südamerikanern hatte sich mittlerweile Diego Maradona zum absolut besten Spieler der Welt etabliert und sogar Michel Platini überflügelt, dessen Weltklassekönnen damit aber auf keinen Fall geschmälert werden sollte. In der 23. Minute dieses Endspiels wird sich Uli Stein vor dem Fernsehschirm im heimischen Hamburg seinen Teil gedacht haben, nachdem man ihn vorzeitig nach Hause geschickt hatte. Ein relativ harmloser Flankenball flog in den deutschen Strafraum, aber Toni Schumacher griff wie ein Anfänger am Ball vorbei und so war es für den argentinischen Libero Brown ein Kinderspiel, mit dem Kopf die 1:0-Führung für die Südamerikaner zu erzielen. Dem Endspiel von Mexiko-City fehlte lange Zeit die spielerische Klasse vorangegangener Begegnungen und nachdem Valdano das 2:0 erzielt hatte, schien die Weltmeisterschaft 1986 entschieden zu sein. Dann jedoch erfolgte eine nicht mehr für möglich gehaltene Aufholjagd der deutschen Mannschaft, die für knisternde Spannung und Dramatik sorgte. Als Karl-Heinz Rummenigge, der endlich an seine Normalform heran gekommen war, in der 74. Minute den Anschlusstreffer erzielen konnte, keimte neue Hoffnung auf. Die war nicht unberechtigt, denn zwölf Minuten später sorgte Rudi Völler, der so lange aufgrund seiner Leistenoperation ausgefallen war, aus kurzer Distanz für den umjubelten Ausgleich. Beflügelt durch den kaum noch für möglich gehaltenen Ausgleichs-treffer stürmte die deutsche Mannschaft jetzt mit aller Macht auf das argentinische Tor an, um noch vor einer Verlängerung den Siegtreffer zu erzielen und lief dabei in einen tödlichen Konterangriff. Als die Argentinier einen deutschen Angriff abwehren und mit mehreren Spielern einen Gegenangriff starten konnten, stand nur noch Hans-Peter Briegel in der Abwehr und der war überfordert gegen diese Übermacht der gegnerischen Angriffsspieler. Burrachaga wurde am Ende steil geschickt und konnte mit einem Flachschuss gegen einen in dieser Situation chancenlosen Toni Schumacher den 3:2-Endstand herstellen. Argentinien war nunmehr, wie auch Deutschland, zweimaliger Fußball-Weltmeister.
Am 24. September 1986 konnte sich die deutsche Mannschaft in einem Freundschaftsspiel gegen Dänemark für die Niederlage im Laufe der Weltmeisterschaft mit einem 2:0-Sieg revanchieren. Jürgen Kohler, der damals noch für Waldhof Mannheim spielte, sowie Thomas Hörster von Bayer Leverkusen feierten in diesem Spiel ihr Nationalmannschafts-Debüt. Drei Wochen später wurde dieser Sieg in Kopenhagen aber ein wenig relativiert, als man sich in Hannover schwer tat und über ein 2:2-Unentschieden gegen Spanien nicht hinaus kam. Mit einem dann allerdings recht peinlichen Auftritt wurde das Länderspieljahr abgeschlossen. Anlässlich der Neueröffnung des Prater-Stadions in Wien war die deutsche Mannschaft zu Gast in der österreichischen Hauptstadt und verlor dort mit 1:4. Es war die höchste Niederlage gegen Österreich nach dem 2. Weltkrieg. Ein Kaiser war gekommen, um der deutschen Fußball-Nationalmannschaft neuen Glanz einzuhauchen. Doch es ist nicht alles Gold was glänzt.
Die Hoffnungen, die im Vorjahr hinsichtlich eines erfolgreichen Dialogs zwischen Ost und West aufgrund der Wahl Michail Gorbatschows zum neuen Generalsekretär der KPdSU in der Sowjetunion geweckt worden waren, konnten zunächst noch nicht wirklich erfüllt werden. Das von den Vereinten Nationen proklamierte „Jahr des Friedens“ wurde 1986 leider noch keine Realität. Am 27. Mai verkündete US-Präsident Ronald Reagan den Rückzug der USA vom SALT II–Rüstungsbegrenzungsvertrag und im Oktober scheiterte der Ost-West-Dialog auf Island, weil die USA weiterhin auf ihrem SDI-Programm, der weltraumgestützten Raketenabwehr, beharrte. Auch ansonsten tat sich die USA in diesem Jahr nicht wirklich darin hervor, den Weltfrieden voranschreiten zu lassen. Dem früheren Erzfeind Iran wurden Waffen geliefert, um im Gegenzug amerikanische Geiseln aus dem Libanon frei zu bekommen. Bereits am 15. April hatte die US-Luftwaffe die libyschen Städte Tripolis und Bengasi bombardiert, um Libyens Revolutionsführer und Staatschef Muammar al- Gaddafi einzuschüchtern, dem schon damals der Vorwurf gemacht wurde, terroristische Aktivitäten zu unterstützen. Die Aktionen der USA waren zum Teil durchaus nachvollziehbar, trugen aber nicht unbedingt dazu bei, den Friedenswillen Ronald Reagans, dem ehemaligen Revolverhelden etlicher Westernfilme, zu bekräftigen.
Derweil wurde Europa erneut von feigen Terroranschlägen aufgeschreckt. Tief bewegt war die Öffentlichkeit als bekannt wurde, dass am 28. Februar 1986 der angesehene und beliebte schwedische Ministerpräsident Olof Palme, der sich vehement für ein Europa ohne Atomwaffen eingesetzt hatte, ermordet worden war. Kompetenzgerangel und dadurch inkompetente Ermittlungsarbeit trugen allerdings dazu bei, dass niemals aufgeklärt werden konnte, wer diesen Mord begangen hatte und damit auch nicht, ob überhaupt ein politisches Motiv dahinter gestanden hat. Anders sah es allerdings aus, als der Siemens-Manager Karl-Heinz Beckurts und sein Fahrer Eckhard Groppler am 06. Juli 1986 ums Leben gekommen sind. Mit einer am Straßenrand deponierten Sprengladung in Straßlach bei München wurden sie von Mitgliedern der RAF getötet und auch der Mord an Gerold von Braunmühl, dem seinerzeitigen Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt, der am 10. Oktober vor seinem Bonner Wohnhaus erschossen wurde, ging auf das Konto der deutschen Terrororganisation, die jetzt in ihrer dritten Generation nur noch durch die Unterstützung und wahrscheinlich auch in Zusammenarbeit mit der DDR-Staatssicherheit agieren konnte.
Es gab im Jahr 1986 in der Weltpolitik jedoch auch positive Tendenzen. In Haiti und auf den Philippinen wurden erste Schritte zur Demokratisierung genommen, nachdem die bisherigen Diktatoren Ferdinando Marcos und Jean-Claude Duvalier, genannt „Baby Doc“, abgesetzt werden konnten. Europa wuchs derweil immer mehr zusammen, weil jetzt auch die iberischen Staaten Spanien und Portugal der Europäischen Union beigetreten waren.
Nach den schönen Urlaubsfahrten gen Süden in den vergangenen Jahren zog es mich im 1986 Jahr in den Norden Europas, dies aber eher unfreiwillig. Durch meine Freundin hatte ich eine junge Frau und einen genauso jungen Mann kennen gelernt, die mir vom ersten Moment an sehr sympathisch waren. Das Paar war seit seiner Schulzeit miteinander zusammen und beide waren seit jener Zeit mit meiner Partnerin bestens befreundet. Auch mich verband zu den Beiden schon nach kurzer Zeit eine wirkliche Freundschaft, dann aber sollte ein Ereignis folgen, das alles zerstören würde. Von den Freunden, die wie meine Partnerin neun Jahre jünger waren als ich, kam der Vorschlag, gemeinsam mit einem Campingbus nach Norwegen zu fahren. Ich versuchte zunächst, mich gegen diese Reise zu wehren, da ich zuvor von einigen Bekannten erfahren hatte, dass bei einer solchen gemeinsamen Urlaubsreise schon Freundschaften zerbrochen waren. Schließlich ließ ich mich dennoch zu dieser gemeinsamen Reise überreden. Als ich jedoch einen Tag vor der Abreise den angekündigten „großen“ Campingbus sah, den wir beladen wollten, wusste ich, dass dies nicht gut gehen könne. Es handelte sich um einen umgebauten Lieferwagen, bei dem ich das Gefühl hatte, dass er selbst für zwei Personen nicht genügend Platz bieten würde. Es kam wie es kommen musste, allerdings früher als erwartet. Wir hatten Schleswig-Holstein noch nicht halbwegs durchquert, als die beiden jungen Frauen, die seit ihrer Schulzeit die besten Freundinnen waren, bereits so sehr in Streit geraten waren, dass ich völlig genervt angeboten habe, mich in der nächsten Stadt aussetzen zu lassen, damit ich mit der Bahn zurück nach Hause fahren kann. Nur der Ausgeglichenheit des Freundes war es zu verdanken, dass ich mein Vorhaben nicht in die Tat umsetzte.
So erreichten wir dann von Hirtshals in Dänemark kommend mit einer Fähre Kristiansand und die ersten Tage in Norwegen waren dann auch recht angenehm und blieben ohne nennenswerte Streitigkeiten. Mit Mühe hatte der „große Campingbus“ die ersten kleinen Höhen Norwegens bewältigt und wir hatten ein Fjord im Süden des Landes erreicht. Die Sonne schien, es war herrlich warm und die Augen wurden von einer wunderschönen Landschaft verwöhnt. Enttäuscht war ich dennoch, denn bereits jetzt stand fest, dass wir mit dem PS- schwachen Automobil nicht einmal das Nahziel Bergen erreichen würden. Dann kam der Regen, es wurde kalt und es begann der erneute Streit zwischen den Freundinnen über die kleinsten Kleinigkeiten. So beschlossen wir bereits nach nur wenigen Tagen, den gemeinsamen Urlaub vorzeitig abzubrechen. In der kleinen norwegischen Hafenstadt Larvik trennten sich unsere Wege. Die bisherigen Freunde begaben sich auf die Heimreise, während meine Freundin und ich mit der Bahn nach Oslo fuhren, wo wir noch einige schöne Urlaubstage verleben konnten. Eine Freundschaft aber war zerbrochen, so wie ich es zuvor schon befürchtet hatte. Was sagt uns diese Geschichte? Jeder sollte es sich gut überlegen, mit einem befreundeten Paar in den Urlaub zu fahren und wenn überhaupt, dann nach Möglichkeit nicht gemeinsam in einem Wohnmobil.
Im Jahr 1982 wurde die Affäre um die „Neue Heimat“ in der Öffentlichkeit bekannt. Nach langwierigen Verhandlungen verkaufte der DGB das gewerkschaftseigene Wohnungsbau-Unternehmen am 18. September 1986 zum symbolischen Preis von einer Mark an den Berliner Bäckerei-Unternehmer Horst Schiesser. In der Öffentlichkeit stieß dieser Kauf auf Unverständnis, zumal der symbolische Kaufpreis von einer Mark für ein überschuldetes Unternehmen damals nicht geläufig und vielen Bürgern offensichtlich nicht bewusst war, dass der Bäckerei-Unternehmer mit dem Kauf auch Verbindlichkeiten in Höhe von 16 Milliarden Mark übernommen hatte. Das Ergebnis war letztendlich ein weiterer Skandal, denn die Banken hatten das Sanierungsprogramm des Unternehmers nicht akzeptiert, so dass der Kaufvertrag am 12. November 1986 rück abgewickelt werden musste. Die millionenschwere Abfindung, die Horst Schiesser in diesem Rahmen zugesprochen wurde, ging allerdings überwiegend für die Bezahlung seiner Anwälte verloren. Zwei Wochen später wurde eine Auffanggesellschaft gegründet, die bis zum Jahr 1990 die ehemaligen Wohnungsbestände der Neuen Heimat an einige Bundesländer und private Investoren verkaufen konnte.
Nach seinem Sieg in Wimbledon im Vorjahr sorgte Boris Becker für ein unbeschreibliches Tennis-Boom in Deutschland und 1986 konnte der junge Leimener seinen Titel beim bedeutendsten Tennis-Turnier der Welt verteidigen. Sein Gegner war kein Geringerer als der Weltklassespieler Ivan Lendl aus der Tschechoslowakei. Doch auch bei den Damen im Tennissport sorgte mittlerweile eine Deutsche für Furore. Steffi Graf hatte im Jahr 1986 acht bedeutende Turniere gewinnen und sich damit auf den dritten Platz der Weltrangliste katapultieren können. Die beiden Tennisstars wurden gemeinsam „Sportler des Jahres“ 1986 in Deutschland.
In Bonn, dem bundesdeutschen Regierungssitz, gab es im Jahr 1986 einen interessanten Umzug. Das Bundestagsgebäude sollte erneuert werden und so mussten die Abgeordneten ihre mehr oder weniger interessanten Debatten vorübergehend in einem früheren Wasserwerk abhalten. Spektakulärer als der Neubau des Bundestagsgebäudes in Bonn war am Ende des Jahres jedoch der sich jetzt wirklich abzeichnende Wandel in der sowjetischen Hauptstadt Moskau. Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) hatte Michail Gorbatschow als neue politische Richtung für sein Land ausgegeben. Am 19. Dezember 1986 setzte er ein erstes Zeichen dafür, dass er es ernst gemeint hatte mit seinem Versprechen, als er dafür sorgte, dass der Regimekritiker Andrei Sacharow zusammen mit seiner Ehefrau Jelena aus seiner langen Verbannung in Gorki nach Moskau zurück kehren durfte.