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II. Systematik der Freiheitsschutzdelikte und Aufgliederung des Rechtsguts „persönliche Freiheit“
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Die menschliche Freiheit ist nicht nur Handlungsfreiheit (so BVerfGE 6, 32 für Art. 2 Abs. 1 GG), sondern die das Wesen der menschlichen Persönlichkeit ausmachende natürliche Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Selbstbeherrschung[1]. Folgende Dimensionen der persönlichen Freiheit lassen sich unterscheiden:
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1. Der weiteste Begriff der Freiheit ist die persönliche Unabhängigkeit. Sie schützen die §§ 232 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und § 232b Abs. 1 Nr. 2: Verbringung in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft.
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2. Die nächste Dimension der Freiheit ist die politische Freiheit. Ihrem Schutz dient § 234a. Allerdings schützt er nicht vor politischer Unfreiheit als solcher, sondern vor der durch sie gegebenen Gefahr der Verfolgung aus politischen Gründen und von Gewalt- und Willkürmaßnahmen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die „Verfolgung aus politischen Gründen“ stammt aus dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Statut für den Internationalen Militärgerichtshof 1945), wurde aber hier zu einer Straftat gegen den Einzelnen umgewandelt[2]. Hierher gehört auch § 241a.
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3. Eine weitere Form der Freiheit ist die Freiheit von fremder Herrschaft. Sie wird durch die Tatbestände des Sich-Bemächtigens erfasst (§§ 232 Abs. 2 Nr. 2, 234, 239a, 239b).
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4. Die nächste Form der Freiheit ist die Fortbewegungsfreiheit. Ihrem Schutz dient die „Freiheitsberaubung“ nach § 239.
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5. Die engste Form der Freiheit ist die Freiheit zum Handeln oder Unterlassen im Einzelfall (§ 240). Da die §§ 239a, 239b das Sich-Bemächtigen zum Zweck einer Nötigung erfassen, wurden sie vom Gesetzgeber vor dieser eingeordnet. § 241 lässt sich als eine Gefährdung dieser Freiheit begreifen, § 238 als eine weitere Vorverlagerung.
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6. Eine noch schwächere Form der Beeinträchtigung der Freiheit ist eine Zwangslage. Ihre Ausnutzung erfassen die §§ 232–233a (s.u. § 15 III).
§ 235 erfasst nicht die Herbeiführung einer Unfreiheit, sondern die Ersetzung einer Abhängigkeit durch eine andere; es handelt sich damit um eine Straftat gegen die Erziehungsgewalt der Eltern, Vormünder und Pfleger (s. Tlbd. 2, § 63 V)[3]. § 236 (Kinderhandel) soll die ungestörte körperliche und seelische Entwicklung des Kindes schützen (BT-Dr 13/8587 S. 40; s. Tlbd. 2 § 63 V).
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7. Die folgende Darstellung befolgt eine umgekehrte Reihenfolge. Sie geht von der Nötigung als dem engsten Tatbestand der Freiheitsschutzdelikte aus (§ 13). Es folgt die Freiheitsberaubung als gesteigerter Angriff auf die menschliche Freiheit (§ 14). Danach werden als besondere Formen Menschenhandel, Menschenraub, Verschleppung und Geiselnahme behandelt (§ 15). Den Abschluss bilden die subsidiären Delikte der Bedrohung und der Nachstellung (§ 16).