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Wissens-Autorität und Vorgesetzten-Autorität
ОглавлениеDie Fachleute sprechen auch von „epistemischer Autorität“ (gr. episteme = Wissen) und von „deontischer Autorität“ (gr. deomai = ich soll). Die Wissens-Autorität besteht in der Vermittlung von Wissen. Die Vorgesetzten-Autorität besteht in der Vermittlung von Weisungen, Richtlinien und unter Umständen Befehlen.
Die Autorität der Wissenden ist die Autorität
des Lehrers,
des Sachverständigen,
des Fachmanns,
des Kenners.
Die Autorität des Vorgesetzten ist die Autorität
des Chefs,
des Leiters,
des Übergeordneten,
des Kommandeurs.
Auch das ist möglich, dass Wissende und Vorgesetzte in einer Person handeln. Hilfreich ist es, wenn Menschen mit Wissens-Autorität gleichzeitig eine überzeugende Weisungsbefugnis besitzen. Nicht das eine wird gegen das andere ausgespielt. Aber es muss klar sein: Menschen mit Weisungsbefugnis sind noch lange keine Wissens-Autoritäten. Die Tragik besteht darin, dass sich immer wieder Menschen mit Weisungsbefugnissen, Menschen mit Vorgesetzten-Autorität, Wissens-Autorität anmaßen und ihre Grenzen überschreiten. Über 20 Jahre habe ich Beratung und Seelsorge praktiziert. Für viele Ratsuchende war ich die Wissens-Autorität. Aber mit Händen und Füßen habe ich mich gewehrt, in die Rolle der Vorgesetzten-Autorität hineinzurutschen. Im Prinzip gebe ich keine Weisungen, keine Ratschläge, keine Anordnungen. Wenn Seelsorger und Therapeuten diese Sach-Autorität nicht von der Vorgesetzten-Autorität unterscheiden, geraten sie unter der Hand in eine verführerische Rolle. Dem Missbrauch sind Tor und Tür geöffnet.