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Verliebtheit und ihre egoistischen Bedürfnisse
ОглавлениеHinter der Verliebtheit verstecken sich „neurotische Bedürfnisse und egoistische Bedürfnisse, die wir halb bewusst und halb unbewusst mithilfe von Liebesbeziehungen zu realisieren versuchen“. So scharf grenzt Dr. Dirk Revensdorf, Professor für Klinische Psychologie an der Universität Tübingen, die Verliebtheit von der Liebe ab. Er schreibt, dass wir die Motive, die wir fälschlicherweise für Liebe halten, mit folgenden Bedürfnissen verwechseln:
– Wiedergutmachung der Kindheitsenttäuschungen,
– Wiederholung der früheren Frustrationen, weil sie uns vertraut sind (…),
– Abglanz der Urliebe zur Mutter (Rückkehr in die kindliche Geborgenheit (…),
– Nichteinlassung aus Angst vor dem Verlassenwerden,
– Benutzung der anderen als Orgasmus-Instrument, das heißt als psychohygienisches Fitnessgerät, oder um sich seine Potenz zu beweisen,
– Solidarität mit dem Partner als Schutz gegen den feindlichen Rest der Welt.4
Revensdorf ist der Meinung, dass wir erst von Liebe sprechen können, wenn wir die neurotischen Bedürfnisse und unsere egoistischen Ziele hinter uns gelassen haben. Er weist nach, dass „die sichere Bindung und die Unterstützung zur Selbstständigkeit eine gute Grundlage bilden für spätere Liebesbeziehungen“.
Liebe beinhaltet:
– Keine Abhängigkeit vom anderen,
– keine Angst vor dem Verlust des anderen,
– keine völlige Selbstaufgabe,
– keine völlige Kontrolle über den anderen,
– kein instinktives Gefühl „wir sind füreinander bestimmt“,
– kein Gefühl, das wir wie rote Blutkörperchen produzieren.
Wenn die Droge „Verliebtheit“ ihre Wirkung eingebüßt hat, tritt eine Katerstimmung auf:
– Hoffentlich laufen beide jetzt nicht auseinander und fürchten, sie hätten ihre „Liebe“ eingebüßt.
– Hoffentlich werten beide jetzt die Enttäuschung als Ende der Täuschung.
– Hoffentlich entdecken beide jetzt ihre Stärken und Schwächen.
– Hoffentlich erleben jetzt beide den Alltag als Herausforderung.