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Vorwort

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In der Schule, im Elternhaus oder auf dem Spielplatz werden manche Kinder besonders häufig beschimpft: die Hochsensiblen oder Hochsensitiven. Ihre Empfindlichkeit ist Gabe und Last zugleich. Sie bekommen Worte zu hören wie:

 „Meine Güte, bist du empfindlich!“

 „Ein absolutes Weichei!“

 „Du heulst bei jeder Kleinigkeit!“

Es gibt nicht nur hochsensible Kinder, es gibt auch hochsensible Erwachsene. Hochsensitiv meint, dass (oft) alle 5 Sinne empfindlicher als beim Durchschnitt reagieren. Alle Sinnesorgane tendieren bei ihnen zu überstarkem Empfinden. Innere und äußere Reize werden verstärkt wahrgenommen. Erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter scheint sich die Hochsensibilität zu verringern.

Auch Erwachsene fühlen sich häufig angegriffen, gekränkt und provoziert. Sie hören regelmäßig Dinge wie:

 „Sie reagieren wie eine Mimose!“

 „Warum sind Sie so überempfindlich?“

 „Sie nehmen aber auch alles tierisch ernst!“

Wir leben in einer Welt der Macher und Powerfrauen. Da haben es hochsensible Menschen schwer, sich durchzusetzen.

Zweifellos gibt es unterschiedliche Charaktere:

 einfühlsame und weniger einfühlsame,

 oberflächliche und tiefgründige,

 spontane und weniger spontane,

 kopfgesteuerte und gefühlsgesteuerte Menschen.

Alle bringen wichtige Fähigkeiten in die Gemeinschaft ein. Auch die Hochsensiblen werden in unserer Gesellschaft gebraucht. Viele Künstler, Schriftsteller, Maler und Dichter waren und sind hochsensibel. Viele Christen in Kirchen und Freikirchen, die mit herausragenden Gaben ausgestattet waren und sind, zählen zu den Hochsensiblen.

Leider muss man sagen: Wo Licht ist, ist Schatten, und wo viel Licht ist, ist viel Schatten. Das ist auch das Schicksal der Hochsensiblen:

Hochsensible Menschen

 sind häufig überstimuliert,

 sind häufig übererregt,

 sind häufig überempfindlich.

Es handelt sich nicht um eine Krankheit, sondern um einen Zustand. Diese Menschen hat es zu allen Zeiten gegeben. Ihre Wahrnehmungen sind reichhaltiger, differenzierter und vielgestaltiger. Sie brauchen insgesamt

 mehr Verständnis,

 mehr Achtung,

 mehr Wertschätzung.

Diese Menschen erleben ihre Begabung gleichzeitig als

 ein Geschenk und eine Belastung,

 eine Gabe und eine Störung,

 eine Bereicherung und eine Krise.

Sie sehen und hören mehr, sie tragen und empfinden mehr als der Durchschnitt.

Viele Hochsensible sind gute Beraterinnen und Berater, gute Seelsorgerinnen und Seelsorger. Es gelingt ihnen, sich in andere Menschen, in ihre Probleme, in ihre Schwierigkeiten und in ihre Kümmernisse und Ängste einzufühlen.

Ein Fünftel aller Menschen etwa ist hochsensibel, feinfühlig, von Selbstzweifeln und von Unsicherheiten geplagt, aber auch mit großer Einfühlung und intensivem Mitempfinden ausgestattet.

Viele fühlen sich

 nicht verstanden,

 nicht ernst genommen,

 nicht angenommen.

Ihre Eindrücke, ihre Wahrnehmungen und Empfindungen gehen weit über das Normale hinaus. Sie werden abgelehnt und ziehen sich zurück.

Seit über 40 Jahren praktiziere ich Seelsorge, Beratung und Therapie. In den ersten Jahren habe ich die Probleme, die hohe Sensibilität und die gesteigerte Erregung dieser Ratsuchenden nicht einordnen können. Ihre Introversion ist dabei oft nur die Folge ihres Rückzugs, weil sie nicht verstanden werden. Nach meinem Dafürhalten erleben wir in unseren Kirchen, Gemeinden und in der Beratungspraxis viele Menschen, die sensibel, hochsensibel und empfindlich reagieren. Alle Ratschläge,

 nicht zu übertreiben,

 nicht alles auf sich zu beziehen,

 nicht so hellhörig auf viele Erlebnisse zu reagieren,

 nicht in den Rückzug zu gehen,

 sich nicht die Probleme anderer auf die eigene Seele zu laden,

sind zwar gut gemeint, aber nehmen den „Lastenträger“ nicht ernst.

Heute habe ich den Eindruck, dass

 viele Menschen mit großen Ängsten,

 viele Depressive,

 viele Borderline-Gestörte,

 viele Burnout-Gefährdete zusätzlich mit Hochsensibilität befähigt sind.

Oft wird in erster Linie Frauen diese Eigenschaft zugeschrieben. Doch Forschungen belegen, dass Mädchen und Jungen bei der Geburt gleich stark von einer erhöhten Sensibilität betroffen sind. Außerdem habe ich als langjähriger Seelsorger die Erfahrung gemacht, dass wir in zunehmendem Alter sensibler, feinfühliger, aber auch empfindlicher werden.

Das Buch will die Unterschiede zwischen weniger sensitiven und stark sensitiven Menschen verdeutlichen. Was sind die Gründe und Ursachen für die Entstehung? Was heißt es für die Betroffenen, die besonders begabt, gesegnet sind und gleichzeitig schnell an ihre Leistungsgrenzen kommen? Was bewegt sie, oft mehr zu fragen, detaillierter zu denken und vieles reichhaltiger wahrzunehmen?

 Was haben uns diese Menschen zu sagen?

 Was sind ihre Stärken, was sind ihre Schwächen?

 Wie gehen wir mit ihnen um?

 Wie können sie lernen, sich in der Welt wohl zu fühlen, ohne Rückzug zu praktizieren?

 Wie gehen diese Menschen mit sich selbst um?

 Und wie können wir ihnen helfen, wenn ihnen die Schwierigkeiten über den Kopf wachsen?

Wie kann der Hochsensible den christlichen Glauben leben? Denn in der Regel ist er der Gründliche, der Gewissenhafte, der Ernste, der Gottes Wort hoch einschätzt.

 Sein feines Gespür durchdenkt Gottes Wort tiefer,

 seine Empfindlichkeit lässt ihn in der Gemeinde zum Randsiedler werden (das müssen Verantwortliche in der Gemeinde verhindern),

 seine Verletzlichkeit verführt ihn zum Rückzug, der ihn einsam und unsicher macht,

 seine Wahrnehmungsfähigkeit verschafft ihm ein besonderes Gehör für Gottes Botschaften. Gaben und Fähigkeiten sind Geschenke und Belastungen zugleich.

Hochsensibel - und trotzdem stark!

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