Читать книгу Ganz allein – in Deinem Alter? - Rena Reisch - Страница 10
Оглавление5. Feinschliff
Nachdem das Gerüst für die Reise errichtet worden war, begann die Feinarbeit. Um in der Analogie eines Reisekörpers, des kleinen, zierlichen, damenhaften Weltreise-Körpers zu bleiben, so waren die Flugdestinationen das Skelett und mussten nun mit Fleisch gefüllt werden.
Dies bedeutete zunächst intensive Internetrecherchen, zuerst zum Thema „Australisches Outback“, denn dieses wollte ich möglichst hautnah erleben. Mit einem Mietauto von Alice Springs selbst dorthin zu fahren, hielt ich schlicht für zu gefährlich. Daher las ich unzählige Angebote zu Touren ins Outback, manche höchst luxuriös mit Flug bis Uluru Airport und Candle Light Dinner direkt am Felsen. Nicht mein Fall, dachte ich, erstens wollte ich von Alice Springs anreisen, um mir das Outback richtig nahezubringen, und zweitens waren diese Luxustouren richtig teuer.
Schließlich, ziemlich weit unten auf der Suchseite, fand ich einen Anbieter, der vielversprechend klang: „Erleben Sie alle Highlights des Australia Red Center in diesem 3-tägigen Outback-Abenteuer ab Alice Springs. Begeben Sie sich auf eine geführte Wanderung rund um den dramatischen Kings Canyon, genießen Sie eine beeindruckende Aussicht auf den berühmten Uluru und sehen Sie die beeindruckenden Felsformationen Kata Tjuta (The Olgas), während Sie das Tal der Winde erkunden. Das ist noch nicht alles: Lernen Sie auf einem geführten Mala Walk die Kultur der Aborigines kennen und campen Sie in einem traditionellen Swag oder Zelt unter den Sternen. 3-tägige Campingtour mit Uluru, Kata-Tjuta und Kings Canyon von Alice Springs aus. Beobachten Sie den faszinierenden Sonnenaufgang und Sonnenuntergang über dem heiligen Uluru. Campen Sie im Outback und probieren Sie den typischen australischen Busch-Tucker Transport im klimatisierten Bus mit maximal 21 Passagieren. Perfekte Tour für Erstbesucher.“
Das gefiel mir und als ich mich genauer in das Angebot vertiefte, stellte ich fest, dass dieses Angebot von „backpackerdeals“ preis-leistungsmäßig das beste war, das auf der Suchseite zu finden war. Die Gruppen waren maximal 21 Personen groß und für das Schlafen auf dem Boden im Outback konnten zusätzlich zu den Swags auch Schlafsäcke gemietet werden. Swags sind so etwas wie Überschlafsäcke aus schwerem Segeltuch mit einer Art Kapuze und einer sehr dünnen Bodenmatte. Wer in der kühlen Wüstennacht nicht frieren und auch keine ungebetenen Gäste bei sich haben möchte, ist gut beraten, einen zusätzlichen Schlafsack zu benützen. Nun schläfst du also wieder auf dem Boden, lächelte ich in mich hinein, so wie in jungen Jahren, als Zelten die einzig leistbare Art von Urlaub war. Dass ich jede einzelne Minute dieser beiden Nächte verfluchen würde, wusste ich damals noch nicht. Die gesamte dreitägige Tour ab Alice Springs mit voller Verpflegung sollte € 247 kosten, das fand ich einen sehr guten Preis. Gesagt, getan – gebucht.
Die Gruppenreise nach Nordthailand fand ich auf die gleiche Art und Weise: Stichworte in Google eingeben, Angebote prüfen, Angebot auswählen und buchen. Diesmal war es die Seite des deutschen Anbieters ID-Reisewelt, auf der ich fündig wurde: eine siebentägige Busreise ab Bangkok mit zwei Hotelnächten in Bangkok um € 650, Einzelzimmerzuschlag inklusive. Die Stationen der Rundreise sollten die alten Königsstädte sein, mit zahlreichen Tempel- und Marktbesichtigungen, bis hinauf nach Chiang Mai. Das klang vielversprechend, also schlug ich kurz entschlossen zu. Wie es sich später herausstellte, waren es zwei gute Entscheidungen gewesen.
Alle Unterkunftsbuchungen tätigte ich über www.booking.com. Meiner Erfahrung nach ist dies die preiswerteste und verlässlichste Plattform. Die Beschreibungen der Unterkünfte stimmen mit den Tatsachen überein, allerdings sollte man auch immer die Erfahrungsberichte der Gäste lesen. Wenn es dort heißt, es war lebhaft, bedeutet dies Lärm und wahrscheinlich jede Menge betrunkener Gäste. Bei nicht ganz sauber klicke ich sofort weiter. Ganz wichtig ist für mich stets die unmittelbare Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Denn ein angepriesener „Nur kurzer Fußmarsch von wenigen hundert Metern zur nächsten U-Bahn“ kann bei Hitze oder Regen sehr enervierend sein. Es ist auch wichtig, zu erkunden, ob die Unterkunft überhaupt ein Fenster hat und wie geheizt beziehungsweise gekühlt wird. Als ich in einer Gästebewertung zu einer Unterkunft in Neuseeland die Aussage las: „Endlich ein warmes Zimmer“, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich hier besondere Sorgfalt walten lassen müsste, denn kalte Hotelzimmer sind mir ein Gräuel.
Die Frage, warum nicht airbnb, beantwortete ich stets damit, dass ich in einem Hotel das Zimmer wechseln könne, wenn es mir nicht gefiele. Des Weiteren hat man in einem Hotel immer einen Room Service, ein gutes Frühstück und eine Rezeption, die einem weiterhilft, sei es mit Informationen über Sehenswürdigkeiten, mit Taxis oder sonstigen Verkehrsmitteln und, wenn man es besonders bequem haben will, auch mit Ausflugsangeboten. Ein kleines Gespräch mit dem Rezeptionisten/der Rezeptionistin kann oft zu verblüffenden Ergebnissen führen.
Ich erinnere mich an eine Situation in Singapur, als ich den sehr jungen Rezeptionisten fragte, was er sich denn in der Stadt anschauen würde, wenn Tourist wäre. „Unbedingt das Nationalmuseum, Madam“, war seine überraschende Antwort. Ich war erstaunt – ein junger Mann erzählte mir begeistert von einem Museum? Ich zögerte lange, Nationalmuseum klang für mich richtig verstaubt. Gott sei Dank ging ich dann doch hin, zwar erst am letzten Tag meines Aufenthalts, weil ich noch ein bisschen Zeit vor dem Transfer zum Flughafen hatte. Was ich sah, verschlug mir den Atem: eine innovative und einzigartige Präsentation von Kultur und Geschichte mit dem Schwerpunkt des Einmarsches der Japaner während des Zweiten Weltkrieges. Ich staunte mir die Augen aus dem Kopf, solch eine ungewöhnliche und faszinierende Aufbereitung der wechselvollen Geschichte dieses Stadtstaates hatte ich nicht erwartet.
Taxifahrer sind eine weitere sehr gute Informationsquelle. Wenn es keine sprachlichen Hürden gibt, sind viele Taxifahrer stolz, wenn sie ihr Wissen weitergeben und quasi den Fremdenführer geben können. Auf meinen Reisen habe ich schon manch guten Tipp von den Taxlern bekommen. Aber ich schweife ab – zurück zur Weltreise.
Alle meine Zimmer buchte ich stets mit kostenloser Stornierungsmöglichkeit, die meistens bis 24 Stunden vor dem Einchecken galt. Auch wenn das Hotelzimmer dadurch eine Spur teurer wird, bleibt man doch flexibel, falls sich kurzfristig etwas ändern sollte. Und wenn man noch in der Planungsphase ist, kann man die Unterkünfte dadurch immer wieder ändern. Als ich versuchte, eine vernünftige und möglichst stressfreie Auto-Route über die neuseeländische Südinsel festzulegen, buchte ich die ausgewählten Hotels mindestens fünf Mal um.
Ein im Preis inkludiertes Frühstück war mir ebenfalls wichtig, denn gut bestückte Frühstücksbuffets ersparten mir auf meiner Reise zumindest das Mittagessen, und so brauchte ich mich nur einmal am Tag selbst um eine Mahlzeit zu kümmern. Dies war besonders dort von Vorteil, wo die hygienischen Bedingungen nicht einwandfrei waren, wie in Kambodscha oder Thailand. Ich esse grundsätzlich kein Streetfood, auch wenn dies in diversen Reiseratgebern oft als besonders authentisch angepriesen wird. Mein Verdauungssystem ist empfindlich und Durchfallerkrankungen können eine Reise ziemlich versauen.
Unser thailändischer Guide erzählte auf der Nordthailand-Rundreise schauerliche Geschichten von Reisenden mit Durchfall, so furchtbar, dass ich sie an dieser Stelle nicht wiedergeben möchte. Als prompt zwei Mitreisende an Verdauungsstörungen erkrankten, war seine erste Frage: „Haben Sie Streetfood gegessen?“ Ja, natürlich.
Also hielt er im Bus einen kleinen Vortrag über Streetfood, vor allem über Fleisch- und Fischwaren, die stundenlang in der Sonne liegen, bevor sie verarbeitet werden, von unterbrochenen Kühlketten, von der zweifelhaften Herkunft der Waren, von Gemüse, das mit verseuchtem Wasser abgespült wird, und davon, dass das Verdauungssystem von Europäern nicht mit asiatischen Bakterien umgehen kann. Mir graute und ich beschloss, meine No-Streetfood-Strategie weiterhin strikt zu befolgen. Im Falle einer Durchfallerkrankung hätte ich niemanden, der mich versorgen würde – einer der Nachteile einer Soloreise. Außerdem war ich nicht so weit gereist, um mit einer selbstverschuldeten Verdauungserkrankung tagelang im Bett liegen zu müssen, nur weil ich unbedingt hatte authentisches Streetfood essen wollen. Natürlich kann man sich immer etwas einfangen, aber man muss es nicht unbedingt herausfordern.
Und so verpflegte ich mich auf meiner Reise oft mit Fertigsuppen, die nur mit heißem Wasser aufgegossen werden müssen, ich nahm das Abendessen hin und wieder im Hotel ein oder kochte selbst in Camp-Küchen und Hostels. Natürlich war meine Ernährung nicht übermäßig gesund und ausgewogen, aber mein Körper würde das schon eine Weile aushalten, sagte ich mir. Und wenn ich mich zu sehr um eine mangelnde Vitaminzufuhr sorgte, könnte ich immer noch Vitaminpillen einwerfen.
Welche Unterkünfte buchte ich also? Hotels, Hostels und Cabins auf Campingplätzen, immer als Einzelzimmer und immer kostenbewusst. In Melbourne beispielsweise wohnte ich in einem außerordentlich preiswerten Budget Hostel, das so groß und sauber war wie manch teureres Hotelzimmer nicht. Die Unterkünfte waren unterschiedlich in ihrer Ausstattung von sehr einfach (Bett, Tisch, Sessel oder gar nur zwei Betten, sonst nichts) bis sehr gut. Die besten Hotelzimmer fand ich in Thailand. Alle waren riesig groß und blitzsauber und boten herrliche Frühstücksbuffets. Die schlechteste Wahl hatte ich in Buenos Aires getroffen. Hier waren die Matratzen so durchgelegen, dass ich auch nach einem Zimmerwechsel die letzten beiden Nächte auf dem Boden schlief, weil meine Kreuzschmerzen bereits unerträglich geworden waren. Damals schwor ich mir, in Zukunft die Gästekommentare zu Matratzen unbedingt genau zu lesen.
Am schwierigsten gestaltete sich die Festlegung der Reiseroute durch Neuseeland. Auf der Südinsel würde ich ein Mietauto haben, aber wohin sollte ich fahren? Die Reiseführer schwärmten vom Milford Sound, von der Westküste und den Gletschern, vom Abel Tasman Nationalpark, von Dunedin im Südosten und der Otago Halbinsel mit den Pinguinen und Robben.
Ich griff zur Straßenkarte und stellte zunächst fest, dass es auf der Südinsel keine Autobahnen gab. Oh je! Das hieß, ich müsste genügend Zeit fürs Fahren einplanen und durfte die Etappen nicht zu lange wählen, um mich nicht vollkommen fertig zu machen. Damit fiel eine Durchquerung von Nord nach Süd aus, zu lange waren die Fahrtstrecken und zu wenig Zeit verblieb zum Verweilen. Also beschränkte ich meine Planung auf den Süden der Südinsel, denn dort lag der berühmte Milford Sound, den ich unbedingt sehen wollte. Ich beschloss, nach Queenstown zu fliegen, mir dort ein Auto zu mieten und dieses dann am Ende meiner kleinen Autoreise weiter nördlich in Christchurch zurückzugeben. Von dort wollte ich per Flugzeug nach Auckland zurückkehren, um weiter nach Südamerika zu fliegen, der letzten Etappe meiner Weltreise.
Also suchte ich zunächst nach Autovermietungen, die so etwas im Programm hatten. Bei der Budgetfirma „Dollar“ wurde ich zu einem guten Preis fündig. Sehr gut.
Nun ging es darum, die Etappen festzulegen.
Von Google Maps ließ ich mir Entfernungen und Fahrtzeiten berechnen, die alle fast bis auf die Minute genau stimmten, wie ich auf der Reise feststellen sollte. Es wurde mir sehr schnell klar, dass ich, wenn ich nicht den ganzen Tag im Auto verbringen und jede Nacht woanders schlafen wollte, mich beschränken und nochmals eine Auswahl würde treffen müssen. Nur, nach welchen Kriterien sollte ich sie treffen? Alles schien so sehenswert zu sein und ich wollte nicht durchs Land hetzen, sondern mindestens zwei oder drei Nächte an einem Ort verweilen, um die Gegend in Ruhe erkunden zu können.
Ich beschloss, die Wetterkarte als ein Kriterium heranzuziehen.
Es zeigte sich, dass die als wunderschön beschriebene Westküste unglaublich viel Regen abbekam und überdurchschnittlich viele Reisende in diversen Reiseblogs gestanden, außer Regen und Nebel nicht viel gesehen zu haben. Ich zuckte sofort zurück, denn dies erinnerte mich an einen komplett verregneten zehntägigen Urlaub in Irland, wo ich außer Regen, Wolken und nasser Straße nichts von der Insel zu sehen bekommen hatte.
Der Blick auf die neuseeländische Straßenkarte hatte mir außerdem gezeigt, dass die Straßen dort sehr kurvig waren, was ein langsames Vorankommen bedeutete. Nein, die Westküste würde ich streichen. Auch der Südosten reizte mich nicht so sehr, dass ich eine lange Autofahrt dorthin unternehmen wollte. Die schottisch angehauchte Stadt Dunedin würde wohl eher Schottland-Fans interessieren und Robben und Pinguine könnte ich vielleicht auch im Milford Sound beobachten. Ich wollte schöne Landschaften sehen, weite Täler, türkisfarbene Seen und einsame Landstriche.
„Weniger ist mehr“, überlegte ich und beschränkte mich nochmals. Ich buchte meine Unterkünfte in Queenstown, Te Anau und Twizel, alles Orte im Zentrum der Südinsel. Die Entscheidung stellte sich als goldrichtig heraus, denn als ich dann von dort WhatsApp-Nachrichten an Familie und Freunde schickte, schrieb ich Sätze wie: „So schöne Landschaften sah ich noch nie“, „Wieviel Schönheit erträgt der Mensch?“ oder „Ich bin von Schönheit umgeben.“
Nun konnte ich mich zufrieden zurücklehnen, alles war geplant, alles war organisiert. Es war April 2019, noch ein halbes Jahr bis zu meiner Abreise.