Читать книгу Ganz allein – in Deinem Alter? - Rena Reisch - Страница 8
Оглавление3. Ein Reisegerüst muss her
Wie legt man eine Reise an, wenn man die ganze Welt zur Auswahl hat?
Eigentlich war die Planungsphase das Spannendste der ganzen Reise, das sage ich hier ganz offen.
Da war ich nun, hatte vier Langstreckenflüge rund um die Welt gebucht und musste dieses Gerüst mit Ländern und Orten füllen. Manchmal stellte ich mir meine Reise wie einen menschlichen Körper vor – die großen Flugverbindungen waren das Skelett und alles, was ich noch hinzufügte, würde diesen Körper groß oder klein, dick oder dünn werden lassen.
Nach einer Phase der Unschlüssigkeit und der Frage, wie ich die Planung überhaupt anlegen sollte, begann ich mit Australien und Neuseeland, dem Hauptteil meiner Reise, oder, um in der Körperanalogie zu bleiben, mit dem Rumpf. Außerdem erinnerte ich mich, irgendwann von Australienreisenden gehört zu haben, man solle seine Unterkünfte und Mietautos mindestens ein halbes Jahr im Voraus buchen, denn zu den Hauptreisezeiten würden diese knapp werden.
Was wollte ich also dort erleben, was war möglich in der veranschlagten Zeit? Alice Springs und Uluru/Ayers Rock, den roten Felsen, wollte ich unbedingt sehen. So viele Bücher hatte ich über diese Stadt in der Mitte Australiens, mitten im Outback, gelesen und nun war die Gelegenheit da, die Hitze der australischen Wüste, den Staub und die rote Erde am eigenen Leib zu spüren und die magische Ausstrahlung von Uluru, dem heiligen Berg der Aborigines, zu erleben. Des Weiteren war Sydney, die Stadt mit dem wunderschönen Opernhaus und der berühmten Harbour Bridge, von der jedes Neujahr das erste Feuerwerk losgeht, ein Muss auf meiner Australienliste. Melbourne vielleicht auch noch, und dann musste ich irgendwie nach Auckland/Neuseeland kommen.
Wie bewegt man sich in Australien, diesem riesigen Kontinent, wenn man nicht alle Zeit der Welt hat? Mit einem Airpass der australischen Qantas Airlines, der – Wunder, Wunder – auch einen Flug nach Neuseeland beinhaltet. Meine Routine bei Flugrecherchen machte sich bezahlt, der Airpass war günstig – € 562 für drei lange Flüge: Sydney – Alice Springs – Melbourne – Auckland.
Nun kam das Schwierigste und das erwies sich als die größte Herausforderung für meinen Planungen: Die Fixflüge gaben ein Zeitkorsett vor und ich musste mit der Buchung festlegen, wie lange ich wo bleiben wollte, wenn ich diese günstigen Tickets erwerben wollte – und dies bereits neun Monate vor meiner Abreise. Mir war schon damals klar, dass ich Fehler machen würde: Waren vier Tage in Sydney zu viel oder zu wenig, reichten fünf Tage für Alice Springs und Uluru, sollte ich eine Woche in Melbourne bleiben und das dortige Umland mitsamt der Great Ocean Road, einem besonders schönen UNESCO-Weltnaturerbe-Landstrich, erkunden? Ginge sich noch etwas Anderes in Australien aus oder wollte ich lieber mehr Zeit in Neuseeland verbringen?
Ich muss gestehen, dass ich diese Planungsphase als überaus schwierig empfand – jeder Fehler, den ich hier machte, würde sich vor Ort bitter rächen. Ich ging nochmals in mich und fragte mich, was ich wirklich wollte, und kam zum Schluss, dass mich zwar Australien in seiner riesigen Dimension sehr verlockte, meine zeitlichen Möglichkeiten jedoch eine intensive Bereisung dieses Kontinents nicht zuließen. Natürlich hätte ich die Reise zeitlich ausdehnen können, aber zwei Monate erschienen mir damals als lange genug, überhaupt, da ich ja allein unterwegs war. Also entschloss ich mich für weniger Australien und mehr Neuseeland, zumal die Naturschönheiten Neuseelands stets mit Attributen der Superlative versehen werden – traumhaft, verzaubert, mystisch, das Naturparadies auf Erden – das wollte ich mit eigenen Augen sehen und hautnah erleben.
Also fixierte ich auch die Inlandsflüge und begann mir Gedanken über die Art der Fortbewegung in den jeweiligen Ländern zu machen.
Die Art des Vorankommens in Neuseeland beschäftigte mich besonders.
Dieses Land wollte ich möglichst intensiv erleben. Bus? Nein, ich bin kein Langstreckenbus-Typ. Außerdem kann man nie dort stehenbleiben, wo man möchte, um zu fotografieren oder einfach nur zu genießen. Camper? Als Einzelreisende? Auch keine wirkliche Option – das Handling erschien mir zu umständlich und, ehrlich gesagt, wollte ich am Ende des Tages in ein richtiges Bett in einem richtigen Zimmer steigen – mit Badezimmer und Toilette. Also fiel die Entscheidung auf ein Mietauto, was sich für meine Bedürfnisse als vollkommen richtig herausstellen sollte. Der Linksverkehr machte mir zwar ein bisschen Sorgen, aber ich sagte mir, ich würde das schon schaffen.
Somit waren alle großen Entscheidungen getroffen und die Routen festgelegt, sowohl zeitlich als auch verkehrstechnisch. Mein „Weltreise-Körper“ begann, Gestalt anzunehmen. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es ein kleiner, zierlicher, damenhafter Körper war, kein großer, außergewöhnlicher, spektakulärer. Ich kann im Nachhinein auch sagen, dass ich gerne noch einen Monat drangehängt hätte, wäre dazu die Möglichkeit gewesen. Und jetzt weiß ich auch, wo ich mich länger hätte aufhalten wollen und worauf ich verzichten hätte können. Im Nachhinein ist man immer klüger.
Grundsätzlich war das Reisegerüst in Ordnung, von kleinen Planungsfehlern abgesehen. Der Aufenthalt in Bangkok war definitiv zu lange, für Neuseeland braucht man für den Vollgenuss der beiden Inseln mindestens vier Wochen und wenn man Australien intensiver erleben möchte, sind aus meiner Sicht mindestens sechs Wochen dafür zu veranschlagen. Eine Woche für Buenos Aires war viel zu viel, diese heruntergekommene südamerikanische Großstadt war eine einzige Enttäuschung. Die Landschaften des argentinischen Berglandes jedoch sind dramatisch schön und haben mir unerwartet noch einen letzten Höhepunkt zum Abschluss meiner Reise gewährt. Auch hier könnte man viel länger verweilen und ich überlege mir ernsthaft, noch einmal dort hinzureisen, um die gigantischen Landschaften der südamerikanischen Anden mit all ihrer bizarren Schönheit voll auszukosten.
Mittlerweile war es Anfang März, die Reise würde im Oktober beginnen. Was also war als Nächstes zu tun?
Lesen, lesen, lesen und sich schlau machen über die Destinationen, die ich ausgewählt hatte. Also besorgte ich mir Reiseführer über Südostasien, Australien, Neuseeland und Argentinien. Tagelang vertiefte ich mich in die Reiseführer von Marco Polo, Stefan Loose und Lonely Planet sowie ins Internet, um möglichst viel wichtige Reiseinformation aufzusaugen. Nach langem Hin und Her traf ich die Entscheidung, das australische Outback im Rahmen einer geführten Abenteuertour zu erleben. In Bezug auf Neuseeland schwankte ich lange, entschied mich jedoch dann für einen längeren Trip mit einem Mietauto auf der Südinsel und verzichtete auf die Nordinsel. Argentinien würde ich auf Buenos Aires beschränken, außerdem, so meinte ich, wäre dies die letzte Destination meiner Weltreise und wahrscheinlich würde ich mich ein bisschen erholen wollen.
Am meisten Kopfzerbrechen bereitete mir Bangkok, die allererste Station meiner Reise.
Ich würde dort am 23. Oktober ankommen und nach 16 Tagen in Richtung Sydney abfliegen. Somit hatte ich rund zwei Wochen Zeit für ein kleines Südostasien-Abenteuer, von dem ich noch nicht wusste, wie es aussehen sollte. Eine Freundin empfahl mir, gleich Vietnam und Laos mitzumachen, wenn ich schon einmal dort sei – die Halongbucht sei besonders schön. Ich überprüfte die Entfernungen auf Google Maps, checkte stundenlang Flugverbindungen und kam zum Ergebnis, dass dies viel zu stressig werden würde. Ich würde jeden Transfer selbst organisieren, mein Gepäck mit mir herumschleppen und mit knappen Flugverbindungen kalkulieren müssen. Nur ein einziger Flugausfall oder eine massive Flugverspätung würde meinen gesamten Reiseplan kollabieren lassen. Das wollte ich mir nicht antun. Die Halongbucht würde warten müssen. Eine andere Bekannte riet mir zu Nordthailand, Chiang Mai sei zauberhaft, das müsse man gesehen haben. Warum nicht, dachte ich mir, dann könnte ich gleich nach Myanmar weiterreisen, obwohl ich dort bereits zweimal gewesen war. Aber den Goldenen Felsen und die Shwedagon Pagode, das schönste buddhistische Bauwerk der Welt, würde ich mir gerne auch noch ein drittes Mal anschauen. „Aber da warst du ja schon, willst du nicht etwas Neues erleben?“, fragte mein Sohn. Ich musste zugeben, dass er recht hatte.
Also nahm ich – ganz Old School – meinen zerfledderten Schulatlas zur Hand, schlug Südostasien auf und versuchte, herauszufinden, was es Sehenswertes in einer sinnvollen Distanz zu Bangkok gab. Nordthailand würde mir zusagen und im Südosten gab es Siem Reap in Kambodscha mit der antiken Tempelstadt Angkor Wat. Die mystischen Dschungeltempel, UNESCO-Weltkulturerbe und legendär geworden durch Dreharbeiten zu bekannten Filmen, ja, das war es!
Weniger ist mehr, überlegte ich, ich würde nicht durch ganz Südostasien hetzen, sondern mich auf Thailand und Kambodscha beschränken und meine Ziele in entspanntem Tempo genießen. Ich beschloss, Angkor Wat in Eigenregie zu organisieren und Nordthailand als Gruppenreise zuzubuchen. Geschafft, damit war die komplette Reise festgelegt.