Читать книгу Ganz allein – in Deinem Alter? - Rena Reisch - Страница 5
ОглавлениеVorwort der Autorin
„When I’m sixty-four.“
Irgendwann auf der Reise schoss mir dieser Beatles-Song in den Sinn und ich begann, ihn lauthals zu singen – sehr zur Belustigung meiner jungen Mitreisenden oder, besser gesagt, Mitleidenden auf der sechsstündigen Fahrt im Kleinbus von Alice Springs zum Uluru, dem roten Felsen im australischen Outback, bei 36 Grad Hitze. Die Beine eingekeilt und angeschwollen, Kreuzschmerzen vom schlecht gefederten Sitz, Staub im Bus wegen der offenen Fenster, keine Klimaanlage, kein Platz für das Gepäck und stundenlanges Fahren durch die australische Wüste – das war keine „Rentnerinnenreise“, sondern eine echte Herausforderung. Den Altersdurchschnitt im Bus hatte ich massiv angehoben, fast niemand war älter als 30 – außer ich in meinem 64. Lebensjahr.
Die Idee, dieses Buch zu schreiben, kam mir während meiner Reise, als ich bemerkte, wie sehr ich als selbstorganisierte, allein reisende, ältere Dame auffiel. Manchmal wurde ich ungläubig auf diesen Umstand offen angesprochen, viel häufiger aber waren es Fragen nach einem Ehemann oder sonstigen Begleitern, die mir signalisierten, dass meine Art des Reisens in diesem Lebensalter offenbar nicht die Norm war. Ich passte nicht ins Bild, sind doch die meisten Reisenden als Paare unterwegs oder mit Freundinnen und Freunden. Nur wenige junge Menschen traf ich, die ebenfalls allein unterwegs waren.
Bereits vor meiner Abreise gab es zu Hause sorgenvolle Kommentare und Fragen von Freunden und Verwandten wie: Du traust dich was, ganz allein? Ohne Reisebüro? Hast du keine Angst? Wird dir nicht langweilig? Und wenn dir was passiert, du bist ja nicht mehr die Jüngste? Und immer wieder dieses „Ganz allein?“ Und oft ganz unverblümt: „In deinem Alter?“
Und so begann ich, mich zu fragen, was denn daran so ungewöhnlich war, und stellte fest, dass die meisten Menschen, die ich kenne, NIEMALS allein verreisen. Immer ist jemand mit – sei es der Partner/die Partnerin, der Freund/die Freundin, die Freundesgruppe, die Reisegruppe oder jemand, den man gerade im Internet kennengelernt hat. Ich kenne Menschen, die sagen: „Wenn ich allein verreisen muss, dann verreise ich gar nicht, egal wie verlockend das Angebot auch sein mag.“ Und die erste Frage meines Frisörs nach meiner Rückkehr lautete: „Jetzt mal ganz im Vertrauen, Frau Reisch, wie war das so, ganz allein mit sich selbst?“ So, als ginge von einer Reise nur mit sich selbst eine gruselige Faszination aus.
Nun, faszinierend ist es schon, dieses „ganz allein“, spannend, immer wieder auch anstrengend und in jedem Fall teurer als zu zweit, denn viele Kosten können nicht halbiert werden. Allerdings können viele Hürden durch eine gute Vorbereitung vermieden werden, und durch sparsames Verhalten lassen sich auch die Kosten in Grenzen halten.
Allein und ganz selbstorganisiert um die Welt zu reisen, war jedenfalls mein Abenteuer, das ich mir in meinem doch etwas höheren Alter gegönnt habe. Denn ganz egal, in welchem Lebensabschnitt man sich befindet, mit einer guten Vorbereitung, der nötigen Umsicht und ein bisschen Mut lassen sich kleine und auch große Träume umsetzen.
Meine kleine Weltreise dauerte zwei Monate mit 15 Flügen, davon vier Langstreckenflügen zu je rund 13 Stunden Flugdauer, 1.728 Kilometer mit dem Auto und 22 verschiedenen Unterkünften, zwei davon auf der Erde im australischen Outback. Es war eine Reise einmal um die ganze Welt, ein langgehegter Traum, den ich mir erfüllte, denn ich wollte nicht jemand sein, der am Ende seines Lebens immer noch von der Weltreise träumte, zu der er nie den Mut hatte.
„Wann, wenn nicht jetzt, worauf soll ich warten?“, war stets meine Antwort auf die Fragen meiner Umwelt gewesen, ob ich denn nicht Angst hätte, mich so auf den Weg zu machen, ganz ohne eine schützende Organisation im Hintergrund und vor allem ohne einen Reisepartner.
Jetzt, wo uns das Corona-Virus fest im Griff hat und Reisen unmöglich macht, bin ich unendlich froh, mich energisch für diese Reise entschieden zu haben – gegen alle Vorbehalte und Unsicherheiten.
Ich musste mich vielen Ängsten und Sorgen stellen wie etwa, was ich in einem Verletzungsfall/Krankheitsfall tun würde. Würde mich ein Taxifahrer ausrauben? Was, wenn ich einen Autounfall wegen des ungewohnten Linksverkehrs hätte? Würde ich die anstrengenden Wanderungen im australischen Outback aushalten?
Meine beiden größte Sorgen während der ganzen Reise jedoch galten, so schräg das klingen mag, meinem Gepäck und meinem Smartphone – nach jeder Landung zitterte ich, ob mein Koffer wohl angekommen sei, denn ohne diesen wäre ich aufgeschmissen gewesen. Die Angst um den Verlust meines Smartphones ließ mich dieses streng bewachen, denn ohne das Handy hätte ich meine Reise nicht auf diese Art und Weise durchführen können. Der Verlust meines Reisepasses hätte mich nicht so getroffen wie der Verlust meines Smartphones.
Meine Weltreise war auch eine Reise zu mir, denn ich musste feststellen, dass ich mir viel zu viele Sorgen gemacht hatte. Das meiste ging glatt, ein paar Hoppalas waren wohl dabei und den größten Stress hatte ich mir selbst gemacht. Aber im Nachhinein denke ich, dass es besser war, sich auf alle Eventualitäten geistig einzustellen, als unvorbereitet in eine brenzlige Situation hineinzuschlittern.
Um es kurz zu machen: Es ist nichts passiert. Bei der nächsten Reise gehe ich es lockerer an – vielleicht. Die peniblen Vorbereitungen jedoch werde ich beibehalten, denn diese waren die Voraussetzung für das Gelingen der Reise. Wie lautet der schlaue Spruch? „90 Prozent des Erfolges liegen in einer guten Vorbereitung.“ Genau.
Die Reise war wie ein wunderbarer Traum, erfüllt von großartigen Begegnungen und unglaublichen landschaftlichen Schönheiten sowie von interessanten Einblicken in die Kulturen meiner ausgewählten Länder, und sie war auch geprägt durch meine ganz persönlichen Beobachtungen und Eindrücke.
Mein Anliegen ist es, mit diesem Buch jeder Frau, jedem Mann Mut zu machen, sich auf den Weg zu machen, um sich langgehegten Wünsche zu erfüllen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man diese immer wieder aufschiebt – oder aufschieben muss –, weil es äußere Umstände verlangen oder man einfach nicht die Courage hat, sie in die Tat umzusetzen, weil es zu viel an innerer und äußerer Veränderung erfordern würde.
Und je älter man wird, desto schwieriger wird es, den nötigen Schwung aufzubringen. Viel zu viele Ausreden bieten sich an – man ist nicht mehr so belastbar, der Körper ist nicht mehr so fit, man ist nicht vertraut mit den neuen Kommunikationssystemen, auf den Flughäfen ist alles automatisiert, es gibt keine persönliche Betreuung mehr, man könnte krank werden, eine so große Reise ist viel zu teuer und so weiter und so fort. Und daher spricht man zwar immer wieder mit Bedauern von seinen Reiseträumen, die sich leider nicht verwirklichen ließen. Wie schade! Denn mit der nötigen umsichtigen Vorbereitung ist alles möglich und machbar – vielleicht nicht auf meine Art und Weise – und das Leben erfährt eine ungeheure Bereicherung, von der man unendlich lange zehren kann.
Mit diesem Buch möchte ich Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dazu inspirieren, sich Reisen zuzutrauen, die nicht schablonenhaft über einen Reiseanbieter ablaufen, sondern die Möglichkeit bieten, selbstbestimmt Wunschziele auszuwählen und diese in einem ebenfalls selbstbestimmten Zeitraum zu bereisen.
Natürlich spricht nichts gegen vorgefertigte Reisen, die meist als Gruppenreisen angeboten werden. Auch hier sieht man viel von der Welt, allerdings nur das, was der Reiseanbieter vorgibt, und nur in der Zeit, die für gewisse Ziele vorgesehen ist. Man reist nicht, man wird gereist.
Auch auf meiner Weltreise hatte ich eine solche einwöchige Bus-Gruppenreise in Thailand zugebucht; sie war überladen mit Eindrücken und eine ziemliche Hetzerei. Aber sie war auch sehr bequem – ich musste mich um nichts kümmern, um keine Verpflegung, keine Übernachtungsmöglichkeit, keine Transportmittel, ja nicht einmal um eine Toilette, denn auch diese Stopps waren vorgegeben und man ging eben auf die Toilette, ob man nun musste oder nicht. Aber richtig eintauchen konnte ich nicht, ich besichtigte nur – im Vorbeifahren sozusagen. Dies zwar ausgiebig, aber immer in Eile und mit so viel Informationsüberflutung, dass ich am Ende nicht mehr wusste, welche Tempel ich wo gesehen hatte und wie all die Orte geheißen hatten, durch die wir gefahren waren. Aber ich hatte sehr viel gesehen; so viel, dass ich wahrscheinlich bis zum Ende meines Lebens keine Märkte und keine goldenen Tempel mehr zu besichtigen brauche. Wie praktisch! Und immer wieder war da das Antreiben durch die Reiseleitung – das Restaurant musste rechtzeitig erreicht werden, das Hotel wartete schon, die Märkte schlossen bald, schnell, schnell … Man ist zwar vor Ort, aber nicht wirklich dort und es ist nicht möglich, sich auf Land und Leute einzulassen. Und man hat immer die Gruppe um sich – wenn man Glück hat, ist es eine angenehme.
Viele Menschen reisen gerne so, weil es bequem ist, sich um nichts kümmern zu müssen. Das kann ich verstehen, mir jedoch liegt diese Art nicht unbedingt.
Ich brauche die Möglichkeit, Dinge in meinem eigenen Tempo und mit Muße zu tun, Orte und Gebäude mehrfach und zu unterschiedlichen Tageszeiten anzuschauen, Museen mehrmals zu besuchen, zum Fotografieren anzuhalten, wann immer sich ein großartiges Fotomotiv zeigt, sich unvorhergesehenen Situationen zu stellen und flexibel reagieren zu müssen. Sich auf eine zufällige Begegnung mit einem anderen einlassen und so lange plaudern zu können, wie man Lust hat, ohne dass ein nächster Besichtigungstermin oder eine Abfahrtszeit wie ein Damoklesschwert über einem schwebt. Und es ist diese gewisse Spannung, die eine solche Reise in sich birgt, das Meistern der vielfältigen täglichen Herausforderungen und Überraschungen, die sie zu einem großartigen persönlichen Erlebnis macht und jeden Reisetag mit einem Gefühl tiefer Befriedigung enden lässt.
Dieses Buch richtet sich nicht an ganz junge Traveller, die die Welt unbekümmert und viele Monate lang bereisen und über meine kleine, bescheidene Reise vielleicht milde lächeln werden. Es richtet sich an diejenigen, die ein bisschen ängstlicher und vorsichtiger sind, weil sie in ihrem Leben bereits viele – oft zu viele – unangenehme Erfahrungen machen mussten. Mit zunehmendem Alter werden wir vielleicht weiser, in jedem Fall jedoch vorsichtiger und weniger unbekümmert.
Dieses Buch soll Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, Lust und Mut machen, sich auf Reiseabenteuer zu begeben, von denen Sie vielleicht schon sehr lange träumen, jedoch nie den Mut hatten, sie zu verwirklichen.
Von mir bekommen Sie in diesem Buch einen ungeschönten Reisebericht, meine Reisevorbereitung, meine Packliste, meine verwendeten Buchungsplattformen, meine Tipps für umsichtiges Verhalten und meine ganz persönlichen Eindrücke und Beobachtungen, die großartigen sowie die frustrierenden.
Mit allen Produkten, die ich namentlich nenne, war ich außerordentlich zufrieden; ich bekomme keinen Cent dafür, dass ich sie hier anführe.
Indem ich dieses Buch für Sie schreibe, komme ich in den Hochgenuss, meine Reise sozusagen noch einmal zu machen – und diesmal nehme ich Sie mit, verehrte Leserin, verehrter Leser, und wünsche uns allen viel Spaß auf der Reise.
Möge die Übung gelingen!