Читать книгу Türkisches Fieber - Reni Aksay - Страница 3

1 Schicksalsschläge

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Vom ersten Tag an wussten wir, dass es eine Liebe auf Zeit war. Wir sprachen von sechs bis acht Jahren, immer darauf bedacht, dass seine Zeit für eine Ehe im Dorf kam. Nie hatte ich einen Menschen kennen gelernt, der so eng mit seiner Familie verbunden war, so eng, dass er auch auf große Entfernungen auf geheimnisvolle, esoterische Weise immer spürte, wenn etwas mit seinen Lieben nicht in Ordnung war. Oft sprachen wir über Familie, und er neckte mich, ich solle sie mit aussuchen, seine Frau fürs Dorf, und er wünsche sich, dass ich später gemeinsam mit ihr seine Kinder hüte. Nur wer dort geboren war, konnte dort leben, denn sie waren so sehr in ihrer Welt gefangen. Tagaus, tagein, Haus, Land, Tiere, Arbeiten, Schlafen und wenig Privatleben. Anfangs konnte ich nicht hinter die Kulissen schauen, weil ich der Sprache nicht mächtig war, sie diente gerade mal zum Überleben und zur allgemeinen Erheiterung. Trotz dieser Eintönigkeit und den vielen Alltagssorgen wirkten die Menschen glücklich und zufrieden und in sich ruhend. In den letzten Jahrzehnten hatte sich hier sicherlich nicht viel verändert. Manchmal hatte ich Momente, in denen ich dachte, hier könnte ich leben. Mir gefiel diese Ruhe und Gelassenheit. Es fühlte sich an, als plätschere das Leben einfach so dahin, ich ergab mich ihm, weg von Neid, Stress und Hast, alles was das westliche Leben ausmachte. Mein Haus, mein Auto, mein so überaus toller Typ. Genau das war es, das mich in die Arme des ärmsten Mannes am letzten Zipfel der Welt in der Ost-Türkei trieb. Ich wollte keinen Schaumschläger mehr und nicht entsprechend bewertet werden. Die menschliche Wärme, die mir entgegenschlug, tat mir gut. Weg von der Oberflächlichkeit, einfach nur Mensch sein, das hatte mich verführt, diesen Weg zu gehen, egal wie weit. Er war nicht nur weit, er war auch sehr steinig, dieser Weg. Und er endete damit, dass ich am zweiten Tag von Hamides Hochzeit morgens beim Frühstück zu meiner Schwiegermutter sagte: „Anne, ich sehe die viele Arbeit, die du nicht mehr alleine bewältigen kannst. Ismail soll sich eine junge Frau seines Standes nehmen, ich sehe keinen anderen Weg, ich bin damit einverstanden.“ So kam der Stein ins rollen.

Alles fing damit an, dass meine Kollegin Karla, die auch meine Freundin war, einen Urlaub in der Türkei machte. Sie war nebst Gatte und ihrem Tanzclub zum Trainieren in ein 5-Sterne-Hotel nach Side geflogen. Es war Mitte April 2001. Eine Freundin nötigte sie förmlich, doch eine Massage de Luxe zu nehmen, und sie tat es. Sie tat es danach jeden Tag. Oh Gott, der Masseur gefiel ihr gut, und sie beobachtete ihn immer im Spiegel. Als er das merkte, legte er ihr ein Handtuch aufs Gesicht und lachte. Am siebten Tag küsste er sie ganz zart, sie hatte die Augen geschlossen, und in diesem Augenblick passierte das Unglaubliche. Eine Lawine stürzte herab. Blitze durchfuhren den Leib. Erotik pur durchströmte ihren durch trainierten 51-jährigen, wohlgeformten Körper. Ein Kuss – und Dornröschen war erwacht. Sie verliebte sich unsterblich in Yasin. Karla und ich hatten bis dahin ein gutes freundschaftliches Verhältnis; das sollte sich auch nicht ändern, aber es veränderte mein Leben. Denn ich war gerade in ein Loch gefallen. Mir waren zu der Zeit Dinge widerfahren, da ich dachte, das kann nur anderen passieren. Nein, es traf mich Schlag auf Schlag. Mein ach so geliebter Ehemann hatte mich im April 2000 verlassen. Nach der Maueröffnung hatten wir einer ostdeutschen Familie aus Eberswalde sehr geholfen. Dem Mann hatten wir einen super Job in der Firma, in der mein Mann eine Führungsposition hatte, vermittelt, und seine Frau bedankte sich nach ein paar Jahren derart dafür, dass sie sich meinen Mann angelte. Dass da ein Altersunterschied von dreißig Jahren war, störte die beiden nicht. Er hatte übertrieben, sie zugeschlagen, aber das ist eine andere Geschichte. Ich hatte in der Fußgängerzone eine traditionelle Gaststätte mit Bier begleitenden Speisen, das ich erfolgreich zwölf Jahre selbst führte, es noch ein paar Jahre verpachtete und schließlich verkaufte. Dort hatte ich wunderbare, erlebnisreiche Jahre. Zu der Zeit boomte die Gastronomie, und wir hatten jeden Abend irgendwie Party. Es war schon eine schwere anstrengende Zeit für mich, manchmal tat ich mir selber leid, meine Familie vermisste mich oft, denn der Job forderte mich Tag und Nacht. Meine lieben Stammgäste hatten einen Spruch für mich: alle Frauen gehen stricken, nur nicht Reni, die geht arbeiten. Aber im Nachhinein möchte ich diese Zeit nicht missen. Sehr verbunden war ich mit meinen Gästen, und wir hatten irre viel Spaß. Mein Mann legte eine erfolgreiche Karriere bei Umweltschutz Nord hin. Zu der Zeit waren wir achtzehn Jahre zusammen, und es ging uns gut. Irgendwann gab ich die Gastronomie auf, um unserer Ehe eine neue Chance zu geben, aber es war wohl zu spät. Ich schulte noch einmal um, war zu dieser Zeit bei einer namhaften Bausparkasse tätig und verkaufte fleißig Baufinanzierungen, was mir sehr viel Spaß machte. Wir kauften uns eine alte Hofstelle und bauten ein großes Friesen Haus in Ganderkesee. Wir pflanzten 100 und mehr Bäume und hatten 7000 qm Land, einen Fischteich mit Karpfen Besatz, und nach und nach hielten wir uns Gänse, Hühner, Schafe, Puten, Ziertauben und Hängebauchschweine. Mit unseren Magellan-Gänsen, frei brütenden Vögeln, die keinen Stall brauchen, hatten wir uns scharfe Wachhunde angeschafft. Wenn sie Junge bekamen oder hatten, konnte kein Mensch den Hof betreten, ohne angegriffen zu werden. Und irgendwann bekam mein Bruder Walter als Junggeselle seine Ziege Waltraud geschenkt, weil jeder Mann eine Ziege braucht, und Kurt, unser Ziegenbock, wurde uns einfach auf den Hof gebracht mit der Begründung: „Kurt, der Bock, er war so einsam“, geschenkt von unserem lieben Freund und Chef meines Mannes. Da wir die Arbeit mit den Tieren bald nicht mehr alleine bewältigen konnten, bauten wir eine Wohnung für meinen Bruder und ein Appartement für meine Mutter aus. Endlich konnte ich mich bei den beiden revanchieren. Mein Bruder war Junggeselle geblieben. Ich heiratete mit siebzehn und hatte mit neunzehn zwei Kinder. Das schockte ihn, und er entschloss sich, sein Leben zu genießen, was er bis zu seinem Tode tat. Ein Leben lang hat er dafür gesorgt, dass es mir gut ging. Wir sind in den Kriegswirren ohne Vater aufgewachsen, und er war sechs Jahre älter und hat die Vaterstelle eingenommen. Ich war die jüngste, und mein Vater war ein Franzose, der als Zivildienst-Arbeiter in Halberstadt stationiert war. Bei einem Verwandtenbesuch verliebte sich meine Mutter in meinen Vater, und als ich zwei Jahre alt war, musste er zurück, und ich litt mein Leben lang unter diesem Verlust. Dafür bekam ich aber in der Schule in Bremen meine Schulspeisung umsonst. Als Halbwaise sogar Kakao, das fand ich toll. Der Vater meiner Geschwister war nie wiedergekommen, er hatte sich in den Osten abgesetzt, aber dass er noch lebte, erfuhren wir erst zwanzig Jahr später. Doch das ist wieder eine andere Geschichte. Dies Haus in Ganderkesee war das Beste, das mir je passiert ist. Wenn meine Kinder und die Enkelkinder kamen, waren wir vier Generationen unter einem Dach. Das liebte ich über alle Maßen. Lebendiges Leben, einfach eine zufriedene Familie. Unsere Familienfeiern waren nicht zu toppen. Diese Ehe war meine Dritte. Nach der Kinder-Ehe heiratete ich noch einen Gastwirt, der mittlerweile verstorben ist. Mit ihm war ich zehn Jahre verheiratet, und vorher war er Koch auf dem griechischen Passagierschiff „Lakonia“, das einen Tag vor Heiligabend kurz vor Madeira in Flammen aufging, und er gehörte zu den Überlebenden. Mit ihm machte ich wunderbare Reisen. Mein damaliger Mann hatte Familiensinn, das gefiel mir, und dafür liebte ich ihn. Schade, aber er konnte leider nicht treu sein. Seine Überheblichkeit und übersteigerte Selbstliebe veranlassten ihn immer wieder zu neuen Ausschweifungen. Die Enkelkinder liebten es, uns Theaterstücke vorzuführen und besaßen dafür einen Fundus gebrauchter schöner Kleider und Schals. Oft übernachteten sie im Gartenhaus, kochten für sich allein auf einem Lagerfeuer und lagen ständig bei den Fischen im Teich. Gebaut für die Ewigkeit. „Hier gehe ich nur mit den Füßen zuerst raus“, war einer der Sprüche meines Gatten; darum waren wir auch alle so erstaunt, dass er dies für die Ewigkeit gebaute Haus so ohne weiteres aufgeben konnte. Jedes Wochenende wurde mit und ohne fremde Hilfe an dem Haus und Grundstück gebaut, gewerkelt und verschönert. Das letzte Werk war eine 70 qm große, umbaute Terrasse, die aus einem 300 Jahre alten, zerlegten Eichenfachwerkhaus gefertigt wurde, das ein Geschenk eines sehr engen Jagdfreundes war. Sogar unsere Tische wurden aus dem Eichenholz in liebevoller Handarbeit hergestellt. Als mein Mann mich verließ, waren die Schraubzwingen noch auf seinem aus Edelstahl gebautem Platz, der dazu diente, das Wild zu verarbeiten. Das Kühlhaus, das er sich jahrelang gewünscht hatte, war noch nicht verfließt. All das hatte er aufgegeben. Dass er mich verließ, war okay - aber das Haus! „Es ist so schön, ein Schwein zu sein“, war sein Spruch, und später begriff ich, dass er seine Sprüche auch lebte. „Das Leben ist schön, muss nur gelebt werden.“ Das hatte er sicherlich auch getan. Ohne mich.

Jetzt zu dem besagten Loch, in das ich fiel. Der plötzliche Herztod meines Bruders traf mich wie ein Blitz. Die Nachricht ereilte uns im Schwimmbad, wo ich zu der Zeit mit meiner älteren Tochter und allen drei Enkelkindern war. Tina, meine Jüngere, war mit ihrem Mann in Berlin zu einer Hochzeit. Mein Mann in unserer Jagdhütte bei Berlin, die volle vier Autostunden entfernt war. Es war furchtbar. Gerade hatten wir Walters 60-jährigen Geburtstag mit 100 Freunden, Nachbarn und Verwandten gefeiert. Erstaunlicherweise ertrug meine Mutter diese Nachricht mit Fassung, aber doch ist sie daran zerbrochen. Sieben Monate später war sie tot. Sie hatte sich sehr spektakulär verabschiedet, denn an dem Tag, als sie starb, brannte unser direktes Nachbarhaus ab, und an dem Tag ihrer Beerdigung, die sehr schön war, brannte es bei dem anderen Nachbarn. In der Nacht hatten die Feuerwehrleute bis zum anderen Morgen bei uns gefeiert. Danach gab es in unserem Haushalt nicht einen Tropfen Alkohol mehr. Am Tag ihrer Beerdigung kam mein Mann von einer Baustelle in Italien zurück und hatte von dort alle Spezialitäten sowie Schinken, Käse und Wein mitgebracht. Wir hatten an dem Tag 30 Grad im Schatten, und die Familie war komplett angereist. Also machten wir das Beste daraus und verabschiedeten sie so, wie sie gelebt hat. Mit 80 hat sie noch eine ganze Gesellschaft unterhalten und mit 86 verstarb sie vor Kummer. Sie war ein immer fröhlicher Mensch, und selten traf man sie ohne ein Glas Wein oder eine Zigarette. Sie hatte ihr Leben gelebt. Ein paar Tage nach ihrem Tod starb meine liebe Freundin Helga an Krebs. Mein Bruder Walter, Oma, meine Freundin Helga, aber nicht genug – meine Schwester erlitt kurz darauf einen Gehirnschlag. Es war unglaublich, aber sie lag immer noch im Wachkoma. Unfassbar: innerhalb kürzester Zeit waren meine Lieben tot. Aber ich wurde nicht geschont. Unser Jagdhund, der meinen Bruder jeden Tag vermisste, kam bei der Suche nach ihm im Dorf unter ein Auto und erlag seinen Verletzungen. Genug! Genug? Nein, auch meine Katze Mieze kam nicht mehr nach Hause. Viel, viel später schleppte unser Jagdhund den Kadaver mehrmals an. Hölle, Hölle. Sie hatte sich zum Sterben zurückgezogen: Meine geliebte Katze, die mich nicht vom Hof fahren ließ, wenn sie Babys erwartete. Sie legte sich auf die Pedalen. Wir verstanden uns ohne Worte. Ein Haus voller Lebendigkeit. Leer! Was nun? Tiefe, tiefe Traurigkeit. Nicht zu ertragender körperlicher Schmerz. Ich fühlte mich wie in einem Vakuum, und wie konnte es anders sein, mein Körper flüchtete sich in eine Krankheit. Über drei Monate lag ich im Bett und hatte eine Kieferoperation nach der anderen. Es heilte nicht, und ich hätte mich beinah in meine Krankheit ergeben und mich dem Tod hingegeben. Sie denken jetzt reicht es, das Loch ist tief, nein, jemand buddelt noch. Ich erfuhr es im Auto auf der Autobahn. Wir waren auf dem Weg in unsere Jagdhütte, mit unserem nigel nagel neuen Auto und super neuer Sprechanlage. Es sollte eine schöne Urlaubswoche werden. Hinter uns saßen zwei quietsch vergnügte Kinder, unser neuer Hund Don und Simba, der neue Kater. Für unsere Enkelkinder war es immer riesig. Sie gingen alleine, bewaffnet mit Ferngläsern, in grüner Montur am Körper und Hut auf dem Kopf auf den Hochsitz. Sie hatten oft Waldmanns Heil, denn sie sahen Rehe, Fuchs, den großen Brachvogel, Hasen und das in freier Wildbahn. Wir beobachteten Biberbauten und das Größte war, mit unserem Trabbi, der als Jagdwagen diente und einen Anhänger hatte, Mais zu stoppeln. Sie waren damit aufgewachsen, und es gehörte zu ihrer Welt, wenn morgens ein Wildschwein oder Reh im Baum hing und aus der Decke geschlagen wurde.

Also auf der Autobahn – das Telefon klingelte. Sie hauchte und stöhnte mit Berliner Dialekt. Ich verstand sofort. Er schaute mich an und fragte, soll ich umkehren oder schaffen wir die Woche noch. Wo ist das Loch, ich will da rein. Irgendjemand hat mich tief in den Sitz gedrückt, und ich war unfähig zu sprechen. Irgendwann sagte ich: „Die Kinder können nichts dafür, ich halte das aus.“ Irgendwie habe ich vier Tage durchgehalten, wohl auch in der Hoffnung, dass wir ein klärendes Gespräch führen würden oder er mir eine Verfehlung beichtete. Es geschah nichts. Wir gingen Einkaufen, weil wir vier Jagdgäste erwarteten, und plötzlich sah ich mich außerstande, noch heile Welt zu spielen. Meine Tochter Susanne machte zu der Zeit Urlaub an der Nordsee, und weil ich den Kindern den Urlaub nicht verderben wollte, machte ich ihnen den Vorschlag, die restlichen Tage an der See mit ihrer Tante zu verbringen. Also beluden wir das Auto wieder mit Hund, Katze und Kindern, und er fuhr uns nach Hause. Als er wieder vom Hof fuhr, sagte eine innere Stimme: `Verfolge ihn´. Und das war gut so: er fuhr nicht auf die Autobahn, sondern nach Delmenhorst. Die Auserwählte hatte sich dort eine Wohnung angemietet. Nun hatte ich Gewissheit. Sie hatte ihn in ihren Klauen und setzte auf alles oder nichts und war dabei umzusiedeln, aus dem Osten in den Westen. Sie war dabei, sich eine Wohnung einzurichten. Nun erfuhr ich auch, wer sie war. Tja, Pech gehabt. Ich wollte nicht kämpfen. Gott sei Dank habe ich da einen Überlebensmechanismus, was soll ich mit einem Mann, der seine Liebe zu mir verloren hat. Jetzt hatte ich so viel überstanden, das schaffte ich auch noch. Ich baute mir einen Kontakt zum Universum auf und lebte seitdem mit dem Gefühl: mein verstorbener Bruder Walter wird die Dinge jetzt für mich richten. Ich setzte mich mit den Kindern ins Auto, und wir fuhren nach Tossens. Als ich am nächsten Morgen vom Bett aus in den Himmel sah, war der genauso traurig wie ich. Es hingen dicke schwarze Wolken über mir. Weinen konnte ich nicht. Ich habe in den vergangenen Wochen zu viel geweint. Nur eine innere Leere, die fast schmerzte, fühlte ich. So ist das Leben, Reni, nun kommt ein neues auf dich zu, nimm es an, es gehört zu dir. Erst ein Mal raus aus dem Loch. Du bist 55 Jahre alt, gesund, Kinder und Enkel auch, du hast einen guten Arbeitsplatz, einen gesunden Menschenverstand – und nun durch. Wir führten ein vernünftiges Gespräch, nahmen uns einen gemeinsamen Rechtsanwalt und einigten uns gütlich. Meine Sorge, Mann und Haus zu verlieren, war unbegründet, denn er ließ sich darauf ein, dass ich ihn auszahlte. Außerdem sollte das Haus meine Altersvorsorge sein. Nun hatte ich ein Haus, besser gesagt, ein Zuhause, denn irgendwie hatte ich das nie sagen können. Als Nachkriegskind und ohne Vater im Frauenhaushalt hatte ich schon schwere, entbehrungsreiche Jahre. Meine Mutter, Oma und Tante versuchten uns zu erziehen. Das bessere Wort ist aber verziehen. In einer intakten Familie wäre ich vielleicht nicht mit Siebzehn schwanger geworden. Ich erinnere mich gut, dass jemand fragte: „Hast du deine Tochter aufgeklärt?“ Darauf sagte meine Mutter: „Ach, die Kinder heutzutage wissen doch mehr als wir.“ Da irrte sie sich gewaltig. Da mein Bruder Walter in unser Haus so viel Liebe und Arbeitskraft investiert hatte, auch wenn er es nicht mehr erlebte, wollte ich das Haus nicht verlieren. „Gemeinsam sind wir stark.“ Aber sie war stärker. Was war es? Der Sexappeal, die Midlifecrisis, egal, jetzt musste ich alleine stark sein. Ich vermietete die leer gewordenen Wohnungen und stürzte mich in meine Arbeit. Trostlos, wenn ich am Abend in ein dunkles, ruhiges Haus kam. Kein Kamin brannte, kein Hund empfing mich, aber Simba mein Kater, Gott sei Dank, war mir geblieben. Kämpfen für ein Zuhause.

Türkisches Fieber

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