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2 Erster Türkei-Urlaub

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Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was Dornröschen leidet. Karla wollte unbedingt ihren türkischen Prinzen wieder sehen. Als junge Frau hatte sie eine Amnesie, bedingt durch einen Verkehrsunfall. Sie musste ihre Familie neu kennen lernen. Seit dem empfindet sie für ihren Mann wie für einen Bruder. Er hat sie nicht neu erobert, sondern zu der Zeit, als er ein fremder für sie war, verlangte er seine ehelichen Pflichten. Er war sonst ein wunderbarer Ehemann und Partner, aber die Erotik ist nie wieder aufgeflammt. Yasin oh Yasin, Herzschmerz endlich, auch wenn es erst mit 53 Jahren ist, besser als nie. Also: kommt Karla eines Tages in mein Büro und sagt: „Wir fliegen in die Türkei, ich habe gebucht.“ Erst war ich entsetzt, aber die Argumente „du kannst nicht immer nur Arbeiten, du hast genug durchgemacht“ überzeugten mich. Ihr lieber Mann wünschte uns einen guten Flug. Das 5-Sterne-Hotel, in dem Yasin arbeitete, war leider ausgebucht, und wir nahmen ein Nachbarhotel, nutzten aber die Annehmlichkeiten gegen Bares in dem Hotel, wo Yasin immer noch als Masseur arbeitete und Karla durch das Tanzen keine Unbekannte war. Wir konnten dort die Strand und den Service nutzen und hatten Yasin voll im Blick. Beide wirkten sehr glücklich. Karla blühte über die Maßen auf und hatte eine tolle Ausstrahlung. So hübsch hatte ich sie lange nicht gesehen. Ich gönnte es ihr von Herzen. So pendelten wir zwischen den Hotels hin und her. Um mit Yasin zu schlafen, musste sie auch noch eine kleine Pension anmieten, weil die Einheimischen nicht mit ins Hotel durften, und ich nächtigte allein in unserer Suite. Am Abend gingen wir zu dritt noch ein bisschen tanzen, und danach ging ich solo in unser Hotel. Nach einer Woche hatte ich am Abend noch keine Lust ins Bett zu gehen, so suchte ich die Pool-Bar auf und bestellte mir ein Bier. Ich ging zur Toilette, und als ich zurückkam, war allgemeine Aufbruchstimmung, und ich knallte buchstäblich mit einem Kellner zusammen, der ein volles Tablett fallen ließ. Wir räumten den Schaden zusammen und lachten. Er sagte: „Ich heiße Ismail, wollen wir noch in eine Bar gehen? Denn hier ist Feierabend.“ Ich sagte Ja, und wir trafen uns vor dem Hotel. Ein Freund gesellte sich in der Bar zu uns und übersetzte, denn Ismail sprach vielleicht zehn deutsche Sätze. Wir tranken Alkohol und tanzten. Ismail war mir auf Anhieb ungeheuer sympathisch. Irgendwann landeten wir in meiner Hotel-Suite, die für ihn eigentlich strengstens verboten war. Sex, wunderbarer Sex – endlich. Ismail – ein Bild von einem Mann. Und ich spürte, dass ich bereit war, das zu leben, was ich vom ersten Moment an spürte. Ein Jahr später erörterten wir die Frage: Warum? Allah, sein Gott, nur sein Gott allein hatte es so entschieden. Es sei alles vorbestimmt. Ismail, meine Gefühle stehen Kopf. Vom ersten Moment an berührte dieser Mann meine Seele. Es brach ein Gefühl in mir aus, das schwer zu beschreiben ist. Frühmorgens stand Ismail auf und verließ hoch flüchtig das Appartement, denn wenn sie ihn erwischt hätten, wäre sicher sein Arbeitsplatz in Gefahr gewesen. Ich schlief erst ein Mal aus. Als er mich verließ, fragte er, ob wir uns wieder sehen würden. Ich bejahte und dachte mir nichts dabei. Zunächst musste ich meine Gedanken ordnen. Okay, Reni, du hattest eine wunderbare Nacht, aber was ist dir hier und jetzt passiert? Von dem Moment, als wir uns an dem Abend trafen, war es um mich geschehen. Sicherlich können viele Leserinnen es mir nachempfinden, die ähnliches in der Türkei erlebt haben, aber ich war da total unbedacht reingeschlittert, und dann nahmen die Dinge Ihren Lauf. Viel, viel später lebte ich in Antalya, und dort erkannte ich erst, welch enge Verbindungen es zwischen Touristen und türkischen Männern gibt. Ja, und so nahmen wir uns auch ein nettes kleines Hotel, und wenn Ismail Feierabend hatte um 22 Uhr 30 bis zum anderen Morgen, blieben wir dort. Es war unbeschreiblich schön. Es gab nur noch uns beide. Wir wussten nichts voneinander, auch nicht wie alt wir jeweils waren, da wir uns nicht verständigen konnten. Ich schätzte ihn auf 35 und er mich auf 45. Wie wir später erfuhren, war er tatsächlich 26 und ich 56 Jahre, aber keiner in unserem Umfeld hatte ein Problem damit. Wir waren einfach nur glücklich. Lange schon vermisste ich Zärtlichkeiten und Sex, und ich genoss diese symbiotische Nähe, die ich noch nie vorher in meinem Leben erlebt hatte. Kein Mann ist mir je so nah gekommen. Es war einfach anders, es ging unter die Haut. Wir konnten zusammen lachen, aber auch weinen. Wenn ich traurig war, weinte mein lieber Ismail mit mir und umgekehrt. Nicht: was hast du, wer bist du? Nur zwei Körper, die sich über alle Maßen liebten. Ich spürte, dieser junge Mann gehörte in mein Leben, das nie wie ein ruhiger Fluss war. Er erfüllte Sehnsüchte, die sich über Jahre verborgen hatten. Ich mochte ihn riechen, schmecken und hatte ihn zum Fressen gern. Wir verstanden uns ohne Worte und wollten auch immer das gleiche, ob essen, schlafen, spazieren, schwimmen oder faulenzen. Erst als wir die Heiratspapiere ausfüllten, begriff er, dass ich älter war als seine Mutter, aber es war ihm egal. Bei einem Besuch sagte ich über einen sehr gut aussehenden Cousin von ihm, was für eine alte hässliche Frau er hätte. Ismail reagierte höchst empört und sagte: „Hast du nicht gesehen, wie nett sie ist, was für ein gutes Herz sie hat und welche Wärme sie ausstrahlt?“ Ich musste wohl umdenken, denn ich wollte es verstehen. Erst viel später, als er Deutsch gelernt hatte, erfuhr ich, dass er sich in seinem Dorf in ein Mädchen verliebt hatte, das er bei gemeinsamen Festlichkeiten traf. Er konnte sie auch einmal im Verborgenen küssen. Sie beschlossen zu heiraten. Der normale Weg ging so: er sagte es der großen Schwester, die sagte es der Mutter, und sie ging zum Vater. Dann verhandelte die Familie. Ungeduldig ging er zum Militär zurück, wo er zu der Zeit seinen Dienst ableistete, als ein Telefongespräch seiner Mutter ihn bis ins Mark erschütterte. Das Mädchen hatte sich verlobt. Sie wählte einen Jungen aus einem Nachbardorf, der ein Auto und ein Haus besaß. Seine kleine Welt brach zusammen, und als er einmal zufällig das Mädchen traf, schenkte sie ihm einen spöttischen Blick. Dieser Blick war wohl das Schlimmste für ihn. Sein Leben lang würde er keinen Spott mehr ertragen können. Darunter litt er sehr. Für mich waren diese Aussagen Mosaiksteine, die sich zusammenfügten, um zu verstehen, warum es mit uns trotz des Altersunterschieds funktionierte. Wenn wir in unserem kleinen Familienhotel waren, blieb die Welt draußen. Ich entdeckte fürchterlich dicke Blasen an Ismails Füßen, wie konnte man so arbeiten, den ganzen Tag in festen Schuhen am Pool, die Drinks servieren bei extrem heißen Sommertemperaturen. Mein Mutterinstinkt war geweckt, und ich kaufte Pflaster und Sachen für die Freizeit sowie Sandalen, und innerhalb einer Woche hatte ich ihn gesund gepflegt und in unseren gemeinsamen darauf folgenden Jahren war ich ihm Mutter, Schwester, Freundin, Geliebte, Lehrerin und Ehefrau. Ich war einfach alles für ihn. Aber bis dahin war es noch ein weiter Weg. Am Tag gingen Karla und ich auf Shoppingtour, wir machten Strandausflüge und pendelten zwischen unseren Hotels hin und her. Auch ich war hin und her. Alle Sorgen und Nöte schienen vergessen. Ich wollte nur noch fühlen, fühlen, fühlen. Nicht mehr denken. Denken ist Morgen. Doch der Morgen kam viel zu schnell, weil ja alles Schöne viel zu schnell vorbei ist.

Türkisches Fieber

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