Читать книгу Türkisches Fieber - Reni Aksay - Страница 5
3 Wieder zu Hause
ОглавлениеZu Hause, dieses wunderschöne Zuhause. Es empfing mich eine große Leere. Ein Lichtblick – mein geliebter Kater Simba, der mittlerweile größer war als der Dackel meiner Tochter. Leer, alles leer, leise, nie hatten wir ein leises Haus. Der Rasen war gemäht. Es war Juni, und mein neuer Mieter Michael, dem es gefiel, mit dem Aufsitzrasenmäher drei Stunden herumzufahren, nahm mir Gott sei Dank diese Aufgabe oftmals ab. Außerdem freute er sich, wenn er aus seinem Fenster in einen gepflegten Garten blickte. In mir aber war auch alles leer. Eigentlich liebte ich es, nach Hause zu kommen, endlich sagen zu können: „Ich bin zu Hause“, denn es war mein erstes selbst geschaffenes Heim. Durch Hände Arbeit, wie man so sagt. Nie habe ich mich irgendwo so wohl gefühlt wie in diesem Haus, das ich unbedingt erhalten wollte. Nur schöne Erinnerungen verbanden mich. Hier waren wir endlich eine glückliche Familie. Der Weg bis hierher war weit.
Nun kam der Alltag. Büro, Büro. Das Geschäft lief gut. Es gab noch Eigenheimzulage, und Geld wird immer gebraucht, außerdem machte mir die Arbeit Spaß. Das war überraschend meine Materie, und ich war auch sehr erfolgreich. Meine liebe Karla saß in ihrem Büro mir gegenüber. Wir schauten uns an und sagten: „Was machen wir hier?“ Nun ja, Arbeit macht das Leben süß. Aber was kam danach? Endlich 22 Uhr 30. Mein Ismail lieh sich das Telefon seines Kollegen und wartete auf meinen Anruf. Das ging dann ungefähr so: „Hello Schatz, wie geht es dir?“ - „Gut, und Dir?“ - „Gut, danke.“ Dann hörte ich viel Straßenlärm, er, neu gelernt: „Wann kommst du?“ - „Ich weiß nicht ........“ Straßenlärm. „Hallo Ismail, bist du noch da?“ - „Ja. (Ag`lamak – weinen)“ - „Weinst du?“ - „Was?“ - „Weinst du?“ - Straße - „Hallo, gute Nacht, bis morgen.“ - „Bis morgen. Kuss, Kuss; Kuss....... Tschüss.“ - „Ja, Kuss, Kuss. Gute Nacht.“ - „Gute Nacht.“ Wunderbares Gespräch. Dann fingen wir an, fleißig SMS zu schreiben, und seine Kollegen hatten reichlich zu tun, um das Geschriebene zu übersetzen. Karla ging es mit Yasin ähnlich, auch sie schrieben sich reichlich hin und her. Leider konnten wir aus unserem Büro keine Ferngespräche in die Türkei führen, und mit dem Handy war es viel zu teuer. In unserer kleinen Stadt hatte ein Telefonladen eröffnet. Also sind wir gemeinsam in jeder freien Minute dorthin gelaufen und versuchten unser Glück. Letztendlich änderte sich nicht viel mehr am Text. Und trotzdem war es schön und aufregend. Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, immer kehrten meine Gedanken an unsere schöne, aufregende Zeit zurück. Abends saß ich todtraurig in meinem Sessel und schrieb einen Brief an einen Toten, an meinen Bruder Walter. Ich steckte den Brief hinter sein aufgestelltes Foto, und da steckt er heute noch. Ich habe nicht den Mut, ihn zu lesen, weil er die traurigen Gedanken zurückholt. Ich trank meine Weinschorle, küsste meinen Kater und hatte jeden Lebensmut verloren. Freute mich auf 22 Uhr 30, da ich mich mehr mit der Straße unterhielt als mit Ismail. Abend für Abend weinen, küssen, stöhnen, Straße. Schlafen. Büro, Büro. So, wieder Karla. Nach drei Wochen Gejammer sagte sie zu mir: „Du bist ja ganz schön blöd, wenn das so schön war, warum fährst du nicht wieder hin. Du bist gut im Rennen. Deine Umsatzzahlen für diesen Monat sind drin. Geld ist kein Problem, nimm dir dein Stück vom Kuchen, du hast genug gelitten in den letzten Jahren. Fang an, dein Leben zu genießen und genieße noch einmal dieses Gottesgeschenk.“ Recht hatte sie. Unser Direktor Herr H. verdrehte kurz die Augen, und ich versprach, nächsten Monat doppelt fleißig zu sein. „Hurra, ich komme! Ich komme, Ismail, ich komme wirklich! Holst du mich ab?“ Dann los, und dann in Antalya! Erst einmal sammelte ich alle gebrauchten Handys ein, die ich bekommen konnte. Die Firma meines Ex-Mannes hatte Konkurs angemeldet (was ja für ihn der Oberhammer war, Oberbauleiter, Job, Auto, Telefon, sämtliche Vergünstigungen – alles weg und das mit der Superfrau, die sicherlich etwas anderes erwartet hatte) und keine Sache konnte so schlecht sein, das sie nicht auch was Gutes hatte. Ich bekam einige Handys für kleines Geld, die zu der Zeit noch sehr gefragt waren – und in der Türkei für die jungen Leute das wichtigste Gut.