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Stadt der Zukunft Die urbanen Rückeroberer

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Text: Christine Dankbar @C_Dankbar

Die Zukunft der Menschen wird in den Städten entschieden. Das ist weniger eine philosophische Frage als vielmehr eine Abstimmung mit den Füßen: In Deutschland lebt nur noch ein Drittel der Einwohner auf dem Land, Tendenz abnehmend. International ist der Trend ähnlich. Immer mehr Menschen zieht es in die Metropolen. Die Stadt der Zukunft war daher eines der großen Themen auf der re:publica. Wer im Zuschauerraum von Stage 2 einfach sitzen blieb, konnte sich eine Reihe interessanter Vorträge dazu anhören. Die Bandbreite reichte von technischen Vorschlägen zur Verbesserung der innerstädtischen Demokratie über die Vorstellung kultureller Projekte zur (Rück)eroberung des Lebensraumes in der Stadt bis hin zum anarchisch-komischen Projekt Gold Ground aus München, das bei seiner Präsentation Lach- und Beifallsstürme erntete.

Spree als Badegewässer?

Aber zuerst zum Ernsthaften. "Hack your City" (Speaker: Yannick Haan, Thomas Bartoschek, Thorsten Witt) heißt die Initiative, die Bürgern mittels Technik den Zugang zur Demokratie erleichtern will. Wir reden jetzt aber nicht von Hacker-Attacken aufs Bürgeramt. Im Gegenteil: Hier baut der Bürger selbst an seiner Stadt mit. Unter dem Motto "Citizen Participation 3000" (Speaker: Julia Kloiber, Fiona Krakenbürger) werden an Interessierte sogenannte Sense Boxes ausgeteilt, mit denen sie sich zum Beispiel ihre eigene kleine Klima-Messstation bauen können. Die so ermittelten Messwerte werden auf einer eigenen Webseite gesammelt und ergänzen die wenigen offiziellen Messungen der Wetterstationen um sinnvolle Werte wie UV-Strahlung oder Feinstaubbelastung. Wer sich in Berlin dafür interessiert, ob man die Spree wieder zum Badegewässer machen kann oder Apps entwickeln will, die helfen, den Fahrradverkehr zu optimieren, kann am kommenden Sonntag am Berliner Hackthon teilnehmen (www.hackyourcity.de/berlin).

Weniger Spielplätze, weniger Parks

Aber es geht auch viel unmittelbarer. Und grundsätzlicher. Wem gehört die Stadt? Die Folgen der Landflucht sind ja wohl klar: Wo jeder hinwill, wird der Platz knapp. Und teuer. Es gibt weniger bezahlbare Wohnungen, weniger Spielplätze und weniger Parks, die für alle gleichermaßen, also kostenlos, zugänglich sind. Dafür ufern die Shopping Malls aus. Wer sich im öffentlichen Raum bewegt, soll Geld ausgeben. Und anschließend brav nach Hause gehen. Herumlungern auf der Straße ist nicht vorgesehen. Das kann man sogar im Berliner Straßengesetz nachlesen. Dort steht, dass Straßen nur zum "Gemeingebrauch" vorgesehen sind: „Kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr genutzt wird.” Wer sich also nicht brav von A nach B bewegt, handelt ungesetzlich!

Das ist die Lage der Dinge, wie sie der Berliner Künstler Sebastian Quack aus Berlin und die Kulturaktivistin Gilly Karjevsky aus Tel Aviv in ihrem Referat "Negotiating Playful Commons in Public Spaces" schildern und danach sofort Tipps geben, wie man sich den öffentlichen Raum (zurück)erobert. Initiativen treffen sich zum gemeinsamen Spielen auf der Straße - wir reden hier von Erwachsenen. Verbotsschilder in Parks werden überklebt mit freundlichen Hinweisen, was man alles darf.

Noch einen Schritt weiter ist der Münchner Aktivist Alex Rühle gegangen. Er gründete vor drei Jahren "aus psychischer Notwehr" zusammen mit zwei Freunden ein - natürlich fiktives - Immobilienunternehmen. Sie nannten es Gold Ground und entwickelten eine Webseite, auf der die "Gentle Fication" eines Spielplatzes an der Münchner Freiheit angekündigt wurde - ein riesiger Wohnkomplex mit Luxuswohnungen statt spielender Kinder. Rühle wollte mit der Aktion die öffentliche Debatte über die Missstände in der Wohnungspolitik auf sich ziehen und diese Energie nutzen.

Statt Luxuswohnungen: Flüchtlingsheim

Im Internet wurden Apartments für acht Millionen Euro angeboten. „Auf das Angebot meldeten sich auf Anhieb acht Makler, die das Konzept toll fanden und die Wohnungen für uns verkaufen wollten”, erzählte Rühle grinsend. Es meldeten sich aber vor allem die aufgeschreckten Anwohner und sorgten mit ihrem Protesten für reichlich Öffentlichkeit. Was die nächsten Projekte der entlarvten Satire-Firma erschwerte. Die verlagerte ihre Geschäftsaktivitäten und prangerte nun den Leerstand der städtischen Wohnungen an. Mit Erfolg. In der Müllerstraße soll nun aus drei ursprünglich zum Abriss freigegebenen Häusern ein Muster-Flüchtlingsheim entstehen. Was mal wieder zeigt: Es geht doch.

re:publica Reader 2015 – Tag 3

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