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Stadt der Zukunft Grüne digitale Welt
ОглавлениеText: Bastian Hosan @BastiHosan
Speaker: Anna Galder, Constantin Alexander, Julia Jaroschewski, Sonja Peteranderl
E in Hochhauskomplex in Hannover, das Ihmezentrum, ist für Constantin Alexander Sinnbild für den Wandel in den Städten. „Das ist das größte Betonfundament Europas”, sagt der Stadtplaner, der selbst in dem Gebäude wohnt. Der Klotz, der inzwischen ganz schön runtergekommen ist, wurde in den sechziger Jahren gebaut, heute gehört er einer Firma. Große Teile stehen leer. „Die offiziellen Stellen der Stadt sprechen nicht mehr über das Ihmezentrum”, sagt er. Der Grund: Der Betonklotz habe einen schlechten Ruf bei den Bürgern, die Einwohner gelten als kriminell – viele Hannoveraner hoffen, dass das Beton-Monster bald dem Erdboden gleich gemacht wird.
Gentrifizierung im Block
Alexander aber liebt den Ort, an dem er wohnt. „Ich weiß nicht, wer hier schon alles gelebt hat. Aber ich will da nicht mehr raus.” Die Nachbarn seien entgegen aller Gerüchte nett, hilfsbereit und freundlich. Akademiker leben neben Arbeitern. Die Wohnungen: modern, zweckmäßig und komfortabel. Kurz: Das Leben dort sei gut.
Nur, viele der Geschäftsräume stehen leer. Also, was tun? Alexanders Antwort darauf ist „Privatwirtschaft”. So könne sich jeder um das Gebäude kümmern, die Verantwortung läge nicht, wie jetzt, bei einer Firma, sie läge bei allen – um aus dem alten Klotz eine neue Wohn-Welt zu machen, sei die Initiative aller gefragt.
2012 neue Gärten für London
Aus Grau mach Grün - das gilt nicht nur in Hannover. Die Stadtplanerin Anna Galder hat ein Ziel. Sie will die Ernährungssysteme von Städten verändern. Galder nennt die Stadt London als Beispiel. „Im Jahr 2006 hat Bürgermeister Boris Johnson ein Programm ausgerufen, nach dem zukünftig jeder Bürger Zugang zu gesunden, lokalen und ökologischen Lebensmitteln haben soll”, sagt sie. Die Stadt der Zukunft: In London ist wenigstens ein Teil von ihr schon im Jahr 2012 Wirklichkeit geworden. „Das Ziel war, 2012 neue urbane Gärten bis zu den olympischen Spielen im Jahr 2012 zu schaffen.” Gesagt, getan. Doch sei Urban Gardening nur ein Anfang, das Ernährungssystem von Städten vom Kopf auf die Füße zu stellen. „Die Londoner haben das an administrativ hoher Stelle aufgehängt”, sagt sie. Neben den neuen Gärten in den Städten habe die Stadt auch das Kantinenessen umgestellt. Von Massenfraß zu regionalem Bio-Essen. Utopia is already there: Zwei Konzepte aus Europa, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch ein Ziel haben. Die moderne Stadt.
Ab in die Favela
In Brasiliens Großstädten geht es weniger ums Essen, als um die Sicherheit. „In Städten wie Rio leben bis zu einem Viertel der Menschen in Favelas”, sagt Julia Jaroschwski. Sie ist gemeinsam mit Sonja Peterandel in eine Favela gezogen, um zu erforschen, was das Leben der Menschen dort ausmacht. Ihre Beobachtung: Soziale Netzwerke machen das Leben sicherer. Ging die Gewalt von rivalisierenden Banden oder der Polizei vorher unter, weil sich niemand für die Favelas interessierte, haben die Menschen mit Facebook, Twitter und Co. eine eigene Öffentlichkeit geschaffen.
Bei Schießereien reagiere die digitale Gemeinde sofort, stelle Ort und Zeit der Gewalteskalation online – „die Menschen meiden diese Orte dann”. Das Leben wird sicherer. Doch es geht auch in den Favelas um mehr: „Die größten Favelas Rios wurden früher bei Google-Maps nicht angezeigt”, sagt Sonja Peterandel. Totschweigen, das Problem unter den Teppich kehren. Die alte Devise klappt nun nicht mehr.
Digitaler Aufschrei
Der Schrei aus der digitalen Welt der Favelas habe dafür gesorgt, dass die Behörden reagieren mussten. „Die Menschen haben inzwischen legalen Strom. Auch dort wo sie ihn sich vorher illegal beschafft haben”, erklärt Peterander. Infrastruktur entstehe, die Bewohner der Favelas schafften sich ihre eigene Perspektive. Drei Konzepte, wie gesagt, ein Ziel: Die Stadt von morgen. In London, Rio und Hannover entsteht sie. Schon heute.