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Schulsysteme und Behinderung

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Kai Felkendorff und Reto Luder

Leserinnen und Leser mögen sich angesichts der Überschrift dieses Kapitels fragen: «Wieso Schulsysteme und Behinderung? Viele Schülerinnen und Schüler haben halt Lernschwierigkeiten oder Verhaltensprobleme, sind lernzielbefreit in bestimmten Fächern – ist es da angebracht, gleich von Behinderung zu reden?» Auch viele Schülerinnen und Schüler, denen besondere pädagogische oder gar sonderpädagogische Bedürfnisse oder Förderbedarfe attestiert wurden, denen ein Schulausschluss wegen Schulunfähigkeit droht, die schulinterne Logopädie oder Nachteilsausgleiche für eine Dyslexie bei der Aufnahmeprüfung ins Gymnasium in Anspruch nehmen, würden von sich sagen: «Ich bin doch nicht behindert!»

Behinderung

Ability und Disability

Doch ist es der Begriff der Behinderung (englisch: «disability»), der sich im Bildungswesen international etabliert hat als Oberbegriff für die hier zur Diskussion stehenden Phänomene. Er fungiert als ein Kernbegriff für die Analyse von Ungleichheiten im Hinblick auf Bildungs- und Lebenschancen, für die Analyse von Ex- und Inklusionsprozessen und -regeln und für die Entwicklung der Programmatik einer menschenrechtlich begründeten «Bildung für alle» (Allemann-Ghionda, 2013, insbes.S. 126 ff.). «Disability», seltener «dis/ability» oder, noch seltener und scheinbar neutral formuliert: «ability»1, bezeichnen in den gängigen Auflistungen eine der Dimensionen, auf denen Diskriminierung in und Ausschluss aus Bildungsorganisationen oder Bildungssystemen lokalisiert werden.

Auch in neueren deutschsprachigen Einführungs- und Übersichtswerken zum Themengebiet Schule und Heterogenität, welche die traditionelle Grenzziehung zwischen Sonderpädagogik und Nicht-Sonder-Pädagogiken überwinden wollen, zeigen sich Bedeutung, Erfolg und Funktion der Behinderungsterminologie. So stellt Sturm (2013, S. 64) «behinderungsbedingte Heterogenität» – nicht jedoch bedarfs- oder bedürfnisbedingte Heterogenität, und auch nicht fähigkeitsbedingte Heterogenität – als eine von vier ausgewählten Differenzdimensionen vor, die «im Kontext von Schule und Unterricht im Zusammenhang mit der eingeschränkten Verwirklichung von Chancengerechtigkeit bestehen».

Darf man überhaupt von Behinderung sprechen?

Dabei ist dieser so erfolgreiche Begriff überaus umstritten: Die Frage, was Behinderung sei, ist ebenso strittig wie die nach der Reichweite des Begriffs: Was zählt dazu, was nicht? Was gerade noch (nicht)? Gleiches gilt für die Legitimität der Verwendung dieses Begriffs: Kann es überhaupt gerechtfertigt sein, jemanden als «Mensch mit Behinderung» zu bezeichnen? Weshalb all dies zur Debatte steht, verdeutlicht Waldschmidt (2010), wenn sie die Position der Disability Studies zusammenfasst: Die «internationalen Disability Studies betonen, dass es sich bei Behinderung nicht um eine eindeutige Kategorie handelt, sondern um einen höchst komplexen, eher unscharfen Oberbegriff, der sich auf eine bunte Mischung von unterschiedlichen körperlichen, psychischen und kognitiven Merkmalen bezieht, die nichts anderes gemeinsam haben, als dass sie mit negativen Zuschreibungen wie Einschränkung, Schwäche oder Unfähigkeit verknüpft werden» (Waldschmidt, 2010, S. 14).

Behinderung ist ein mehrdeutiger Begriff

Wie konnte sich ein offenbar so belasteter, unscharfer, abwertender Begriff in Politik und Wissenschaft durchsetzen? Eine mögliche Erklärung liefert seine Mehrdeutigkeit. Diese Mehrdeutigkeit lässt Raum für programmatische, den eigenen Standpunkt reflektierende Aus- und Umdeutungen. Akteure in Politik und Wissenschaft können festhalten: «Behinderung ist für uns nicht A, sondern B» – zum Beispiel kein individuelles Defizit, kein Oberbegriff für irgendwelche negativ konnotierten Merkmale von Personen, sondern einer für Strukturen, Situationen oder Akte der Unterdrückung und des Ausschlusses, für Barrieren aller Art, für reduzierte Teilhabe. Ihren bekanntesten Ausdruck fanden Deutungen, die auf ein neues, anderes Verständnis von Behinderung abstellen, in öffentlichen Äußerungen wie «Ich lasse mich nicht behindern.»

Im Zuge solcher Rekonzeptualisierungen blieb Behinderung als analytische Kategorie nicht nur weiterhin verwendbar, sondern gewann an Legitimität hinzu. Wer Behinderung zum Beispiel mit Diskriminierung von Menschen mit Beeinträchtigungen oder mit reduzierten Teilhabechancen in eins setzt, der hält Behinderung für eine geeignete und gerechtfertigte Kategorie für die Beschreibung sozialer Wirklichkeit – und für etwas Unerwünschtes: Er oder sie kann dazu aufrufen, es möge mehr gegen Behinderungen unternommen werden, wie etwa gegen Armut oder Rassismus.

ICF

ICF und BRK

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Interessengruppen müssen und dürfen zuspitzen, Dissens herstellen und pflegen, gerade dann, wenn ein so strittiger, deutungsbedürftiger Begriff zur Diskussion steht. Wo hingegen auf der Ebene internationaler Politik in letzter Zeit Behinderungsbegriffe mit einem Staaten und Systeme übergreifenden Anspruch zu entwickeln waren, da musste Konsens hergestellt werden. Die beiden wichtigsten als aktuelle internationale Referenz dienenden Konzeptualisierungen von Behinderung finden sich in der «International Classification of Functioning, Disability and Health» (ICF) der Weltgesundheitsorganisation von 2001 (DIMDI, 2005), → Siehe auch Kapitel Hollenweger, und in der «International Convention on the Rights of Persons with Disabilities» der Vereinten Nationen von 2006 (dt. «UN-Behindertenrechtskonvention», kurz: BRK), der ersten Menschenrechtskonvention des 21. Jahrhunderts (UN, 2014).2

Beide Dokumente wurden unter breiter Beteiligung von Menschen mit Behinderungen entwickelt. Im Zentrum der Aushandlungsprozesse stand die Entwicklung eines geteilten Verständnisses von Behinderung, mithin eine inhaltliche Klärung. Während die ICF ein Klassifikationssystem, eine gemeinsame Sprache zur Verfügung stellt, ist die BRK ein verbindlicher Völkerrechtspakt: Vertragsstaaten gehen mit der Ratifizierung konkrete Verpflichtungen ein (ausführlich: Bielefeldt, 2011, Degener, 2009, Kälin et al., 2008).3

Zu diesen Verpflichtungen gehören die in Pädagogik und Bildungspolitik intensiv diskutierten Verpflichtungen in Artikel 24, ein «inclusive education system at all levels» sicherzustellen und auch sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung Zugang haben zu «inclusive, quality and free primary education and secondary education on an equal basis with others in the communities in which they live» – in der eigenen Wohngemeinde, gleichberechtigt mit anderen.

Die BRK wird daher nach Blanck, Edelstein und Powell (2013, S. 268) in manchen Schulsystemen als «exogener Schock» wahrgenommen. Sonderschulen, konstatiert die Juristin Degener, «werden durch die BRK zwar nicht kategorisch verboten, die systematische Aussonderung behinderter Personen aus dem allgemeinen Bildungssystem stellt allerdings eine Vertragsverletzung dar» (Degener, 2009, S. 216 f.).

In Artikel 1 Abs. 2 der BRK wird angegeben, wer zu den «persons with disabilities» zählt: «Persons with disabilities include those who have long-term physical, mental, intellectual or sensory impairments which in interaction with various barriers may hinder their full and effective participation in society on an equal basis with others.»

BRK: Beeinträchtigung als Voraussetzung für Behinderung

Zugrunde liegt dieser Definition etwas, das man als Rest oder Vermächtnis eines medizinisch-personzentrierten Modells charakterisieren könnte: «impairment», auf Deutsch «Beeinträchtigung». Es gibt, so der Wortlaut, Personen, die Beeinträchtigungen haben. Dass Personen eine Beeinträchtigung haben, wird in dieser Behinderungsdefinition vorausgesetzt. Der Begriff der Beeinträchtigung wird durch die Adjektive «physical», «mental», «intellectual», «sensory» und «long-term» qualifiziert. Es wird keine «Mindestgrenze hinsichtlich des Schweregrades einer Beeinträchtigung» gesetzt (Kälin et al., 2008, S. 14). In Schulsystemen häufig diagnostizierte, dauerhafte Schwierigkeiten im Lesen, Sprechen, Schreiben, Rechnen oder Verhalten sind zweifellos Beeinträchtigungen im Sinne der BRK.

Interaktion von Beeinträchtigung und Barrieren

Entscheidend ist jedoch, dass «disability» weder als Oberbegriff zu noch als Folge von Beeinträchtigungen konzipiert wird, sondern als mögliches Ergebnis einer Interaktion von Beeinträchtigungen mit Barrieren («impairments which in interaction with various barriers ...»). Die Bezugsnorm wird, anders als beim Konzept des «impairment», recht genau beschrieben. Es ist eine soziale Bezugsnorm für individuelle Teilhabe, an der Behinderung zu bemessen ist: «full and effective participation in society on an equal basis with others.» Diese Bezugsnorm ist hoch angesetzt und damit leicht zu unterschreiten: Ist die Teilhabe («participation») einer Person an der Gesellschaft nicht vollständig («full») oder nicht wirksam («effective»), dann liegt eine Behinderung vor, sofern dies auf eine Interaktion von (persönlichen) Beeinträchtigungen mit (externen) Barrieren zurückzuführen ist.

Behinderung als strukturelles Unrecht

Es wird deutlich: Behinderung im Sinne der BRK ist nicht nur variabel, da von je vorhandenen Barrieren bestimmt, sondern auch etwas Problematisches, Unerwünschtes, zu Minimierendes. Behinderung so zu konzipieren bildet nach Ansicht des Menschenrechtsexperten und UN-Sonderberichterstatters Bielefeldt «die Voraussetzung dafür, dass man sie als strukturelles Unrecht adressieren kann» (Bielefeldt, 2011, S. 161; Hervorhebung durch die Autoren).

Das zweite Beispiel für eine auf der Ebene internationaler Politik ausgehandelten und legitimierten Konzeptualisierung von «Behinderung» bietet die «Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit» (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (DIMDI, 2005). Folgt man der Behinderungsdefinition der ICF, dann ist Behinderung «ein Oberbegriff für Schädigungen (Funktionsstörungen, Strukturschäden), Beeinträchtigungen der Aktivität und Beeinträchtigungen der Partizipation [Teilhabe]. Er bezeichnet die negativen Aspekte der Interaktion zwischen einer Person (mit einem Gesundheitsproblem) und ihren Kontextfaktoren (Umwelt- und personenbezogenen Faktoren)» (DIMDI, 2005, S. 271).

Behinderung als Fähigkeitskonflikt

Im folgenden Kapitel stellt Judith Hollenweger die ICF ausführlich vor und arbeitet auf der Grundlage der ICF heraus, wie wichtig es für Lehrpersonen ist, «Behinderung» und «Funktionsfähigkeit» in Situationen zu denken, und zwar als ein Kontinuum. Ähnlich argumentiert Weißer (2010, S. 6), wenn er festhält, es handle sich im Falle von Situationen der Behinderung «um Fähigkeitskonflikte als Konflikte zwischen dem, was (für jemanden) gerade möglich und dem, was gerade gefordert wird.» Mit anderen Worten: Fähigkeitskonflikte sind nicht durch Behinderungen (mit-)determiniert, sondern sie sind Behinderung.

Die Frage, wo denn nun genau eine Situation der Behinderung beginne oder aufhöre, lässt sich demnach nicht losgelöst von je gegebenen Umwelten beantworten. «Deren implizite und explizite Anforderungsstrukturen», so der Soziologe Kastl (2010, S. 126), «müssen und können [...] auf ihre soziale Bedeutung und Änderbarkeit hin befragt werden», sind jedoch «so real wie Kaffeemaschinen» (ebd.). Wer sich vergewissern möchte, wie real allein die expliziten Anforderungsstrukturen des Bildungswesens sind, wird in der baulichen Struktur und der Infrastruktur von Schulgebäuden ebenso fündig wie in Lehrplänen, Lehrmitteln, Testverfahren, in Beschreibungen von Performanz- oder Kompetenz-Standards für fachliche und überfachliche Fähigkeiten, in Beobachtungsinstrumenten zuhanden von Lehrpersonen oder in Schul- und Klassenregeln.

Fluidität von Behinderung

Auch und gerade für Schulsysteme gilt ferner, was Barnartt (2010) mit ihrem Hinweis auf die «Fluidität von Behinderung» auf den Punkt bringt. Selbst wenn man annimmt, Behinderung sei ein zwar relationaler, aber letztlich an Personen gebundener Status – die Rede von Menschen mit Behinderung legt dies ebenso nahe wie sämtliche schulisch-administrativen Behinderungskategorien –, so wäre es dennoch irreführend, einen solchen Status als grundsätzlich permanent zu verstehen, erst recht innerhalb der Umwelt, die Schulsysteme darstellen. Es gehört schließlich zum Kernprogramm der Schule, menschliche Fähigkeiten («abilities») als fluide und veränderbar zu betrachten und so weit und so umfassend wie möglich zu fördern, wenn nötig durch kompensatorische Maßnahmen, Hilfsmittel oder die Variation von Anforderungen. Dies ist Teil des pädagogischen Auftrags der Schule → Siehe auch Kapitel Luder und Kunz.

Verbessert sich die Performanz (im Sinne der ICF) von Schülerinnen und Schülern, weil barrieren- oder individuell-funktionsbezogene Interventionen genau das bewirken, was sie ihrem Anspruch gemäß oft bewirken sollen, dann kann auch die Grundlage für die Zuschreibung schulischer Behinderungsstatus entfallen. Wo keine Fähigkeitskonflikte mehr wahrgenommen werden, weil es einer Schülerin beispielsweise so zu schreiben, zu lesen, zu rechnen oder sich zu verhalten möglich geworden ist, wie es den Anforderungen eines allgemeinen Curriculums oder der anwesenden Personen, welche Fähigkeitskonflikte zu diagnostizieren hätten, entspricht, da sollte auch kein Grund mehr bestehen, diese Schülerin als «dyslektisch» oder dergleichen zu klassifizieren.

Fähigkeitsdefizite als Grund für Ausschluss

Ebenfalls auf die überragende Bedeutung wahrgenommener Fähigkeiten zurückzuführen ist eine Tatsache, die schwerer wiegt als die der Fluidität von Fähigkeitskonflikten und Behinderungsstatus: Nicht nur die Anforderungsstrukturen, Ziele und die Förderstrategien von Pflichtschulsystemen sind im Kern fähigkeitsbasiert, sondern auch die formalen Inklusionsregeln ihrer Organisationen. Der Differenzdimension «ability» kommt in entwickelten, demokratischen Staaten wie der Schweiz, Deutschland, Liechtenstein und Österreich eine einzigartige Stellung zu: Sie ist die letzte Differenzdimension, entlang derer schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen der Zugang zwar nicht zum Schulsystem selbst, wohl aber der Zugang zu öffentlichen Regelschulen und Regelklassen am eigenen Wohnort zwangsweise verwehrt werden kann. Das sogar dann, wenn damit eine möglicherweise ungünstigere Entwicklung der Fähigkeiten und Lebenschancen von Schülerinnen und Schülern in Kauf genommen wird. Selbst aus Primarschulklassen und aus Sekundarschulen mit curricularen Grundanforderungen können Schülerinnen und Schüler dann – und nur dann – ausgeschlossen werden, wenn ihnen ganz bestimmte Fähigkeitsdefizite attestiert worden sind. Entlang anderer Differenzdimensionen wie etwa Geschlecht oder soziale Herkunft ist ein solcher Ausschluss auf legalem Wege nicht mehr möglich.4

Behinderungen, die es nur im Kontext Schule gibt

Berücksichtigt man ferner, dass Schulsysteme spezifische Anforderungsstrukturen und Person-Umwelt-Verhältnisse aufweisen, dann wird nachvollziehbar, weshalb Schulsysteme auch spezifische Behinderungsstatus hervorgebracht haben. Sonderpädagogischer Förderbedarf oder individuelle Lernziele zum Beispiel können Menschen nur in ihrer Rolle als Schülerinnen und Schüler attestiert werden – nicht aber Verkehrsteilnehmenden, Frührentnerinnen und Frührentnern oder Personen, die ein barrierefreies Hotelzimmer buchen möchten. Umgekehrt können junge Menschen als Menschen mit Behinderung im Sinne des Sozial- oder Antidiskriminierungsrechts gelten, ohne jemals in Schulsystemen als sonderpädagogisch förderbedürftig klassifiziert zu werden.

Sonderpädagogik als Institution schulischer Behinderung

Die verbreitete Annahme, es existiere eine Gruppe von Menschen mit Behinderung, diese bewegten sich in verschiedenen gesellschaftlichen Teilsystemen, und in Schulsystemen würden diese Menschen eben sonderpädagogisch gefördert, ist unzutreffend. Um die Besonderheiten des Verhältnisses von Schulsystemen und Behinderung verstehen zu können, ist es vielmehr notwendig, mit Powell (2013) von einer eigenständigen – was nicht bedeutet: von anderen Systemen völlig losgelösten – Institution schulischer Behinderung auszugehen. Die Institution der schulischen Behinderung ist gekennzeichnet und getragen durch spezifische politische Diskurse und Rechtssetzungen, durch spezifische Professionen und deren Interessen, spezifische Begrifflichkeiten, Überzeugungen, Organisationsformen, Maßnahmentypen, implizite und explizite Normalitätsvorstellungen, Klassifizierungssysteme und Kategorisierungsprozesse (ebd.).

Akteure, die die Entwicklung dieser Institution mitbestimmen, verfügen über unterschiedliche Grade an Durchsetzungsfähigkeit, und ihre Interessen und Ideologien stehen oft im Widerspruch zueinander. Während sich beispielsweise ein (fiktiver) Elternverband für ein garantiertes Zugangsrecht aller Schülerinnen und Schüler aus einem Wohngebiet in die jeweilige örtliche Primarschule einsetzen und verbindliche Normen sowie Ressourcen zur Umsetzung dieses Anliegens fordern mag, mag ein anderer Elternverband sich dem entgegenstellen und sich auf Stellungnahmen einer professionspolitischen Interessengruppe berufen, welche verlauten ließ, eine bestimmte Gruppe von Schülerinnen und Schülern könne in Regelschulen wegen ihrer Behinderung nicht angemessen gefördert werden. Ins Spiel kommen womöglich auch politische Parteien, weitere Verbände, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler– und hoffentlich auch Verbände von Menschen, welche selbst von schulischer Behinderung betroffen sind oder waren.

Literatur

Allemann-Ghionda, C. (2013). Bildung für alle, Diversität und Inklusion: Internationale Perspektiven. Paderborn: Schöningh.

Barnartt, S. (2010). Disability as a fluid state: Introduction. In Barnartt, S. (Hrsg.): Disability as a fluid state. Research in Social Science and Disability, Volume 5. Bingley: Emerald, S. 1–22.

Bielefeldt, H. (2011). Inklusion als Menschenrechtsprinzip: Perspektiven der UN-Behindertenrechtskonvention. In Moser, V. und Horster, D. (Hrsg.). Ethik der Behindertenpädagogik. Menschenrechte, Menschenwürde, Behinderung – eine Grundlegung. Stuttgart: Kohlhammer, S. 149–166.

Blanck, J. M., Edelstein, B. und Powell, J.J.W. (2013): Persistente schulische Segregation oder Wandel zur inklusiven Bildung? Die Bedeutung der UN-Behindertenrechtskonvention für Reformprozesse in den deutschen Bundesländern. Schweizerische Zeitschrift für Soziologie, (2), 267–292.

Degener, T. (2009). Die UN-Behindertenrechtskonvention als Inklusionsmotor. Recht der Jugend und des Bildungswesens, (2), 200–219.

DIMDI Deutsches Institut für Medizinische Information und Dokumentation (2005). Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). Köln: DIMDI.

Kälin, W., Künzli, J., Wyttenbach, J., Schneider, A. und Akagündüz, S. (2008). Mögliche Konsequenzen einer Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die Schweiz. Gutachten zuhanden des Generalsekretariats GS-EDI / Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB. Bern: Institut für öffentliches Recht der Universität Bern.

Kastl, J.M. (2010). Einführung in die Soziologie der Behinderung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Pfahl, L. (2010). Sonderschulen, Arbeitsmärkte, behindernde Subjektivierung. In Soeffner, H.-G. (Hrsg.). Unsichere Zeiten. Verhandlungen des 43. Kongresses der DGS. Bd. 2 (CD-ROM). Frankfurt a.M.: Campus.

Powell, J.J.W. (2013). Kulturen der sonderpädagogischen Förderung und «schulische Behinderung»: Ein deutsch-amerikanischer Vergleich. In Hummrich, M. und Rademacher, S. (Hrsg.). Kulturvergleich in der qualitativen Forschung. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven und Analysen, (S. 139–154). Halle-Wittenberg: Springer.

Sturm, T. (2013). Lehrbuch Heterogenität in der Schule. München, Basel: UTB Reinhardt.

UN (2014). Convention on the Rights of Persons with Disabilities. Abgerufen von http://www.un.org/disabilities/convention/conventionfull.shtml

UNESCO (2014). Inclusive Education: Addressing exclusion. Abgerufen von http://www.unesco.org/new/en/education/themes/strengthening-education-systems/inclusive-education/

Waldschmidt, A. (2010). Warum und wozu brauchen die Disability Studies die Disability History? In Bösl, E., Klein, A. und Waldschmidt, A. (Hrsg.). Disability History: Konstruktionen von Behinderung in der Geschichte. Eine Einführung. Bielefeld: Transcript, S. 13–27.

Weißer, J. (2010). Sozialraumorientierung und Situationen der Behinderung. Über die sozialräumliche Strukturierung von Abhängigkeitsbeziehungen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und Ihre Nachbargebiete, (1), 4–10. doi:10.2378/vhn2010.art01d

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