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Kapitel 2

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Wenn jemand Kir vor drei Jahren gesagt hätte, dass er seinen sechsunddreißigsten Geburtstag in den Staaten mit einem hausgemachten Kuchen und einer eigenen Familie feiern würde, hätte er denjenigen entweder ausgelacht oder verprügelt. Aber hier war er nun, nicht nur umgeben von den Männern, denen er am meisten vertraute, sondern auch von der Frau seines pakhan, Evette, und ihrem Sohn, den Sergei als seinen eigenen ansah.

Alles Gute zum Geburtstag, Onkel Kir!

Den Glückwunsch, den Emerson mit hellblauem Zuckerguss auf das weiße Frosting geschrieben hatte, war kaum lesbar und stellenweise verschmiert, dennoch konnte sich Kir nicht daran erinnern, jemals zuvor ein solches Geschenk erhalten zu haben, das ihm so viel bedeutete. Zur Hölle, wenn er darüber nachdachte, war es der einzige Kuchen, den er jemals bekommen hatte. Eine traurige Tatsache für einen Mann in seinem Alter.

Überall auf der Terrasse des Bacchanal drängten sich die Gäste, redeten und lachten, während die lebhafte Musik der Zydeco-Band, die im Restaurant spielte, durch die angenehme Nachtluft ertönte. Sogar die kleinen weißen Lichter, die über ihm hingen, schienen etwas heller zu sein als bei seinen sonstigen Besuchen hier. Es wirkte wie eine Verschwörung zwischen Evette, Emerson, Sergei und Roman, um sie ebenfalls zu einem Teil der Feier zu machen.

Neben ihm trat Emerson unruhig von einem Fuß auf den anderen und starrte ihn an. Sein dunkelblondes Haar war inzwischen lang genug, dass es über die scharfsinnigen Augen fiel. „Müssen wir zuerst das Geburtstagslied singen? Oder dürfen wir endlich essen? Olga hat mir nicht erlaubt, ihn vor dem Verzieren zu probieren.“

„Junge, erzähl deinem Onkel Kir keine Schwindeleien an seinem Geburtstag.“ Evette saß neben ihrem Ehemann, mit dem sie inzwischen sechs Monate verheiratet war. Sie wirkte wie der Inbegriff von legerer Klasse mit ihrem kurzen dunklen Haar, das kunstvoll chaotisch geschnitten war, ihren scharfsinnigen haselnussbraunen Augen, die stets ein Lachen zeigten und ihrer unheimlichen Anmut, die zu ihrer zierlichen Statur passte. Sie zwinkerte Kir verschwörerisch zu und musterte ihren Sohn. „Du weißt so gut wie ich, dass ich ein zweites Mal Frosting auftragen musste, bevor wir heute Abend losgefahren sind, weil ich ein verdächtiges Loch auf der Rückseite des Kuchens verdecken musste.“

Die meisten Kinder hätten sich vielleicht zurückgehalten oder versucht, sich rauszureden, aber Emerson war nicht wie die meisten Kinder. Er war mehr wie ein Erwachsener mit messerscharfem Humor, gefangen in einem schnell wachsenden Körper. Er grinste seine Mutter gleich wieder an und hob sein Kinn. „Das kann man nicht als Bissen bezeichnen. Das war nur ein Vorgeschmack auf die Verzierung mit ein paar Krümeln für die Fahrt.“

Kir lachte ebenso wie die anderen laut auf, richtete seine Worte jedoch an Sergei. „Er ist klug, moy brat.“ Er sah wieder zu Emerson und zerzauste dem Jungen das Haar. „Ich sollte dich leiden lassen und dich zwingen, das Lied abzuwarten.“

„Aber das wirst du nicht tun“, erwiderte Emerson. „Du magst gutes Essen und gute Musik viel zu sehr, um hier zu sitzen und darauf zu warten, dass wir das Lied zu Ende singen. Und jeder weiß, dass Olgas Kuchen der Knaller sind.“

Gegenüber von Kir ertönte Romans leises Lachen. Zwar redete sein langjähriger Freund nicht viel, doch seine Stimme klang bedrohlich tief und sein Knurren war ebenso einschüchternd wie seine Größe. „Damit hat er dich.“

„In der Tat“, sagte Sergei. Der Stolz in seinem Blick, als er Emerson betrachtete, war unverkennbar – selbst für einen Mann, der nie das Vergnügen besessen hatte, einen solchen Blick zu erhalten.

„Na dann. Anscheinend sind wir uns da alle einig.“ Kir stopfte die deprimierende Erinnerung an seine Jugend zurück in die Tiefen seines Gedächtnisses, griff nach seinem Glas mit dem Edelwodka Stoli Elit und hob ihn zum Gruß. „Lasst uns den Kuchen anschneiden und essen.“

Er hatte etwas Einfaches erwartet – entweder einen Vanille- oder Schokoladenkern. Er hätte es besser wissen und ahnen müssen, dass Sergeis Köchin – die direkt aus dem Mutterland Russland importiert worden war, nachdem sie in die Staaten gezogen waren – das Unerwartete tun und etwas Unbeschreibliches backen würde.

„Das ist so gut“, grunzte Roman, nachdem er den zweiten Bissen zu sich genommen hatte. „Was ist da drin? Schmeckt nach Mandeln.“

Evette leckte sich einen Tropfen Zuckerguss von den Lippen und nickte. „Mandel- und Gold- und Teufelskuchen, alles zusammengemixt, plus Himbeergelee und Rum.“

„Sie ist ein Genie“, grinste Emerson, der den Mund voll hatte und sich damit einen scharfen Blick von seiner Mutter einhandelte. Er schluckte pflichtbewusst, bevor er weitersprach. „Du solltest eine Bäckerei eröffnen, Dad. Wir könnten ein Vermögen mit Olgas Backkünsten machen.“

„Nyet“, sagte Sergei zwischen zwei Bissen. „Wenn sie für alle anderen kocht, kann sie das nicht mehr für uns tun.“

Die großen Augen, die mit Emersons Verständnis einhergingen, sahen komisch aus. „Oh, richtig.“ Er lud ein weiteres Stück Kuchen auf seine Gabel und schüttelte heftig den Kopf. „Ganz schlechte Idee.“

Mit nur fünf Personen schafften sie es, einen Großteil des Kuchens zu vertilgen, und die Völlerei des Abends und der Zuckerschub ihres Desserts machten die Gespräche erheblich träger. Sogar Emerson, der sonst unermüdlich war, wirkte müde, als er wie alle anderen seinen Teller von sich schob.

Evette bemerkte die Müdigkeit ihres Jungen und beugte sich zu Sergei, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern.

Sergei nickte, erhob sich und bedeutete Emerson, dasselbe zu tun. „Komm. Es ist Zeit, dich und deine Mutter nach Hause zu bringen.“

Kir und Roman standen ebenfalls auf.

„Aber Onkel Kir hat doch Geburtstag. Die Jungs haben gesagt, wir machen nach dem Abendessen noch mehr Geburtstagskram.“

„Nein, sie machen später Geburtstagskram.“ Evette schob ihren Stuhl unter den Tisch mit der Glasplatte und legte ihre Serviette neben ihren leeren Teller. „Dort, wo sie hingehen, lässt man Achtjährige nicht mitkommen. Du musst zu Hause bleiben und deiner Mutter Gesellschaft leisten.“

„Warte nur ab“, sagte Kir zu Emerson. „Wenn du einundzwanzig wirst, werden dich die Jungs ausführen und du musst nicht nach Hause gehen, wenn du nicht willst.“

Evette war etwa dreißig Zentimeter kleiner als Kir, aber ihre verspielte Frechheit war enorm groß und jeder liebte sie dafür. „Halt den Mund, Kir Vasilek. All die Ideen, die der Junge von dir und deinen Männern erhält, sind schon schlimm genug. Er braucht keinen dreizehnjährigen Vorsprung, um all die Schwierigkeiten zu planen, in die er geraten will, sobald er volljährig ist.“

Kir drückte seine Hand auf seinen übervollen Bauch und verneigte sich neckend vor ihr. „Natürlich, Madame“

Sie schnaubte und winkte ab. „Gott schütze mich vor so viel Testosteron.“

Sergei lachte und zog sie eng an sich. „Du musst es nur sagen und wir werden damit anfangen, die Waage mit einem kleinen Mädchen auszugleichen.“

Dazu rollte Evette mit den Augen, grinste jedoch gleichzeitig auf eine Weise, die deutlich zeigte, dass sie nichts dagegen hätte, für ein solches Ergebnis zumindest zu üben.

„Gebt mir fünfundvierzig Minuten, um sie abzusetzen und dann zurückzukommen“, wandte sich Sergei nun an Kir und Roman.

Kir lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Die Passform seiner Anzughose war unangenehmer, als er zugeben wollte. „Lass dir Zeit. Ich brauche Wodka und eine Pause, bevor mehr gefeiert werden kann.“

„Könnte von einem alten Mann kommen“, sagte Roman und nahm einen Schluck von seinem Wodka zu sich. „Bist du sicher, dass du nicht lieber nach Hause willst, damit du gut schlafen kannst?“

Evette kicherte und kuschelte sich näher an Sergei, ihr Kopf lehnte wie selbstverständlich an seiner Brust. „Armer Kir. Du wirst dir heute Abend wohl noch einige Spitzen anhören müssen.“

Sergei schüttelte den Kopf, doch das liebevolle Lächeln auf seinem Gesicht, während er seine Frau Richtung Ausgang drehte, bewies, dass er ihre Neckereien liebte.

Evette reckte ihren Kopf zu Kir, lange genug, um zu winken. „Habt viel Spaß und seid vorsichtig, ihr beiden.“

„Alles Gute zum Geburtstag, Onkel Kir“, rief Emerson ebenso laut.

Und dann waren sie weg; wie am Ende eines Märchens verschwand das Dreiergespann in den schwülen Schatten des Hauptgebäudes der Bar.

„Sie tut ihm gut“, murmelte Roman. „Erdet ihn.“

Es war keine Überraschung, dass sein alter Freund das aussprach, was Kir im selben Moment gedacht hatte. Solange Kir sich erinnern konnte, hatten sich die beiden in den gefährlichsten Ecken von St. Petersburg herumgetrieben. Roman war einer der wenigen Menschen gewesen, die stets hinter ihm gestanden hatten, trotz des Verrats seines Vaters.

„Sergei war schon immer geerdet.“ Kir starrte einen Moment länger auf die nun verschlossene Tür und wandte sich dann erneut seinem leeren Teller zu. Er legte ein Handgelenk auf sein Knie und griff nach seinem Wodkaglas. „Ich muss jedoch zugeben, dass ihre Anwesenheit gut ist.“

„Hmmpf.“ Roman nahm sein Glas auch wieder in die Hand. „So, wie du klingst, scheint es hart für dich gewesen zu sein, das zuzugeben.“

Jetzt nicht mehr so, aber zu Beginn war er absolut dagegen gewesen, dass Sergei jemandem näherkam. Zumindest, bis er Evette besser kennengelernt hatte. Kir stellte seinen Tumbler auf den Tisch vor sich und fuhr mit den Fingerspitzen durch das Kondenswasser, das sich auf der Außenseite gebildet hatte. „Sie ist nicht wie die meisten.“

„Du tust gerade so, als ob man niemandem, der eine Pussy hat, trauen könnte.“

„Und du tust so, als ob du viele getroffen hättest, denen man trauen kann.“

Anstatt darauf zu antworten, schwieg Roman. Eine besonders merkwürdige Reaktion, wenn man bedachte, dass die beiden sich seit Jahren immer wieder über dieses Thema stritten.

Als Kir nicht länger grübelte und aufblickte, bemerkte er, dass Roman in der Menge hinter seinem Rücken jemanden mit einem Stirnrunzeln ansah. Bevor er sich umdrehen und Romans Blick folgen konnte, richtete Roman seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Nur weil deine Mutter ein fauler Apfel war, heißt das noch lange nicht, dass das gesamte Geschlecht fehlerhaft ist.“ Er trank seinen Wodka aus, schob das Glas zurück auf den Tisch und wechselte das Thema. „Also. Wie schnell willst du dich heute Nacht zwischen den Schenkeln einer Frau niederlassen? Oder sollen wir lieber einen der Männer anrufen, um dich früh ins Altersheim bringen zu lassen?“

Kir konzentrierte sich auf den Themenwechsel und ließ den Seitenhieb mit seiner Mutter in der Vergangenheit, wo er hingehörte. „Du bist nur neidisch, weil du zu brachial bist, um den Ladys zu gefallen.“ Er hob sein Glas zum Scheingruß. „Außerdem muss einer von uns, jetzt, da Sergei unter der Haube ist, die Lücke schließen und das Gleichgewicht bewahren.“

„Ist es das, was du tust? Das Gleichgewicht halten?“

Kir hob die Schultern und hätte sonst etwas darum gegeben, die Anzugjacke endlich loszuwerden. „Und mich amüsieren.“

„Interessant.“ Roman beobachtete erneut die Menge, sein Blick geschärfter als üblich. „Sieht für mich eher so aus, als wärst du ein Mann, der der Wahrheit aus dem Weg geht.“

Etwas stimmte nicht.

Obwohl er nicht behaupten würde, dass Roman unruhig wirkte, hatte er das entspannte Auftreten vom Moment zuvor verloren. „Welcher Wahrheit?“

Romans Fokus lag eine Sekunde länger auf dem Raum und sein Stirnrunzeln verschwand. Er konzentrierte sich auf Kir. „Dass Sergei möglicherweise recht hatte, sich niederzulassen.“

Ein spöttisches Geräusch drang aus Kirs Kehle. „Für mich? Keine Chance. Evette ist ein seltener Fund. Unser pakhan hatte vielleicht Glück, aber ich würde auf keinen Fall das, was ich heute habe, für eine Frau riskieren.“

Roman neigte den Kopf zur Seite und seine Stimme fiel auf das Level eines Mannes, der sich einer tickenden Zeitbombe näherte. „Ich will dich nur daran erinnern, dass du eine deiner kostbaren Regeln letztes Jahr für diese Reporterin gebrochen hast.“

Kir studierte die Menge um sich herum. Es waren viele schöne Menschen hier, die das Wochenende bei gutem Essen, guten Getränken und in guter Gesellschaft feierten.

Cassie McClintock war einer dieser schönen Menschen. Groß, kurzes platinblondes Haar und ein geschmeidiger Körper. Ein Megawattlächeln, das jeden entwaffnen konnte. Außerdem lustig und verführerisch intelligent. Diese berauschende Mischung hatte ihm ganz schön den Kopf verdreht.

„Ich habe keine Regeln“, sagte Kir.

„Du hast einer Frau nie öfter als einmal deine Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt, aber bei ihr hast du es getan. Jetzt, wo ich näher darüber nachdenke, hat deine Besessenheit, jede Frau in New Orleans ins Bett zu kriegen, zugenommen, nachdem du dich ein zweites Mal mit ihr getroffen hattest. Hat sie dich vielleicht erschreckt?“

Okay, möglicherweise hatte er doch Regeln. Sorgfältig ausgearbeitete Protokolle, um sicherzustellen, dass er niemals Opfer von Fallen oder Betrügereien wurde, wie er es bei so vielen Männern gesehen hatte, mit denen er zusammengearbeitet hatte. „Ich interessiere mich nicht für Beziehungen. Ich habe sie nur ein zweites Mal kontaktiert, um unsere Pläne mit Alfonsi weiterzutreiben. Nicht, weil ich mehr von ihr wollte.“ Und der unendliche Sommer würde nach Russland kommen, bevor er jemals zugeben würde, dass er mehrfach versucht hatte, sie zu erreichen, und herrschaftlich abgeblitzt war.

Für einen kurzen Augenblick fiel Romans Blick auf eine Stelle knapp über Kirs Schulter, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf Kir richtete. Er grinste und griff nach seinem Glas. „Ist das so?“ Er stand auf, genau in dem Moment, als Kir jemanden hinter sich bemerkte.

Roman sagte auf Russisch: „Denk dran, Bruder, die schlimmsten Lügen sind die, die wir uns selbst erzählen.“

Bevor er verarbeiten oder fragen konnte, was Roman damit meinte, ertönte hinter ihm eine unverkennbare weibliche Stimme. „Kir?“

Er hätte sich erheben sollen.

Er hätte sich zumindest zu ihr umdrehen und sie ansehen sollen, doch die Manieren, die seit seiner Geburt tief in ihm verwurzelt waren, konnten sich nicht von dem Schock und der fremdartigen Panik befreien, die seine Muskeln erfasst hatten.

Roman nickte kaum wahrnehmbar, die stille Herausforderung in seinen grauen Augen war laut und deutlich. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf Cassie und sein strenger Blick veränderte sich, dass er auf einmal fast umgänglich wirkte. „Miss McClintock. Schön, Sie zu sehen.“ Mit seinem leeren Glas in der Hand deutete er auf Kir. „Bitte nehmen Sie Platz und unterhalten Sie meinen Bruder. Ich muss mir einen Drink besorgen.“

Er ging ohne ein weiteres Wort.

Cassie hingegen rührte sich nicht.

Aber sie war immer noch da. Kir konnte sie fühlen. Das Gewicht ihres Blickes auf seinem Rücken und das gleiche prickelnde Bewusstsein, das er in der Nacht gespürt hatte, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Er zwang seine Muskeln dazu, sich zu entspannen, und deutete auf Romans frei gewordenen Stuhl. „Setz dich doch. Ich glaube nicht, dass eine Unterhaltung mit meinem Hinterkopf erfreulich wäre.“

Es dauerte noch ein paar zögerliche Momente, bevor sie sich bewegte. Die Energie pulsierte von ihr wie bei einem Reh, das sich einem Gewehrlauf gegenüber fand.

In der Sekunde, als sie in Sicht kam, bereute er seine Einladung. Er erkannte, dass er sich nicht angemessen auf das bevorstehende Gefecht vorbereitet hatte, weil die verstrichene Zeit seine Erinnerung deutlich gedämpft hatte. Vielleicht war das eine Überlebenstaktik des Verstandes. Ein Weg, um vergangene Verletzungen zu lindern und seine Lunge, sein Herz weiterarbeiten zu lassen, nachdem sie ihn fallen gelassen hatte.

Weil sie schön war.

Nicht schön wie diese x-beliebig austauschbaren nichtssagenden Models, sondern einzigartig und lebendig. Blaue Augen, eine kleine Stupsnase, die zu ihrer kühnen Persönlichkeit passte, und volle Lippen, die sich himmlisch an seinen angefühlt hatten.

Er konnte sie nach wie vor auf seiner Zunge schmecken.

Er konnte dieses kehlige Geräusch hören, das sie von sich gegeben hatte, wann immer er eine sensible Stelle an ihrem Körper gefunden hatte.

Sie war vor Romans Stuhl stehen geblieben und umklammerte ihre winzige Handtasche mit beiden Händen. Das korallenfarbene Leder passte zu ihren Nägeln und den fantasievollen Blumen auf ihrem weißen Sommerkleid. Sie hatte sich absichtlich so angezogen, um die Blicke der Männer auf sich zu ziehen. „Bist du dir sicher, dass es dir nichts ausmacht?“

Er räusperte sich und nippte an seinem Wodka, um seine Bitterkeit zu vertreiben. „Gibt es einen Grund, warum du denkst, dass es mir etwas ausmacht?“

„Vielleicht, weil ich mich kacke verhalten und dich nie zurückgerufen habe?“

Er lachte leise. „Deine Direktheit war immer etwas, was ich geschätzt habe.“ Er nickte mit dem Kopf in Richtung Stuhl und stellte sein Glas auf dem Tisch ab. „Bitte nimm Platz.“

Sie legte ihre Handtasche ab und überflog die leeren Teller und Reste seiner Geburtstagstorte, während sie sich setzte. „Es waren mehr Leute hier, als ich reingekommen bin. Habt ihr etwas gefeiert?“

„Meinen Geburtstag.“

„Oh, das wusste ich nicht.“ Sie lächelte, doch dem Lächeln mangelte es an der üblichen Kraft. „Alles Gute zum Geburtstag.“

Er nickte anstelle eines Dankes.

„Waren das Verwandte?“

„Keine Blutsverwandte, aber trotzdem Familie.“

Ihr Lächeln verblasste und sie senkte den Blick. „Nun, es hat so ausgesehen, als hättest du eine gute Zeit gehabt.“

Seltsam. Er hatte zwar nur zwei außergewöhnliche Nächte mit ihr verbracht, jedoch hatte er nie gesehen, dass sie sich so steif verhielt. So, als wäre sie bereit, jederzeit wegrennen zu können. Von jemandem in seinem Fadenkreuz würde er so etwas erwarten, aber dass sie sich so gab, war ungewöhnlich.

Sie hat Angst vor dir.

In der Sekunde, als dieser Gedanke durch seinen Kopf flüsterte, wusste er, dass es die Wahrheit war. Die Frage war nur, warum.

„Ich habe euren Werdegang verfolgt, nachdem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Es scheint, als hättet ihr viel Boden gutgemacht seit Alfonsis Sturz.“ Sie sah ihn unter ihren langen Wimpern an und hob dann ihr Kinn. „Ich habe selbst einiges dazugewonnen, weil du den Ball ins Rollen gebracht hast. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den gleichen Erfolg gehabt hätte, wenn du nicht gewesen wärst.“ Sie zögerte einen Herzschlag lang und ihre Lippen verzogen sich zu einem sanften und aufrichtigen Lächeln. „Ich habe dir nie wirklich dafür gedankt, aber ich wusste es sehr zu schätzen.“

Interessant. Ein Dankeschön und Angst in einem Treffen gemischt. „Bist du deshalb heute Abend hier? Um mir zu danken?“

Sie schüttelte den Kopf und rümpfte die Nase. Eine entzückende Geste, bei der er sich fragte, wie sie wohl ausgesehen hatte, als sie klein gewesen war.

„Nicht nur. Ich meine, ich bin dankbar und wollte es dir sagen, aber …“ Sie verschränkte die Hände fester auf ihrem Schoß und holte tief und langsam Luft. „Ich wollte mich auch entschuldigen.“

„Für?“

Das schüchterne Zögern verschwand blitzschnell und sie zog eine Augenbraue hoch, um dem trockenen Humor ihrer Stimme zu entsprechen. „Echt jetzt? Ich habe mindestens fünf Sprachnachrichten von dir ignoriert. Und du fragst mich, wofür ich mich entschuldige?“

Da war es. Der Mumm und der Witz, die er für so kurze Zeit so genossen hatte und die alles andere verblassen ließen. „Ich hätte etwas weniger Ausweichendes bevorzugt, aber eine Zurückweisung erfordert kaum eine Entschuldigung.“

„Tut sie sehr wohl, wenn die Person, die mich angerufen hat, alles getan hat, um mir auf der Karriereleiter hochzuhelfen.“

Die Gespräche, die Musik und die Energie des beginnenden Wochenendes um ihn herum veränderten sich nicht, aber alles in Kir wurde unheimlich still. „Ich habe nur angenommen, dass du alles von unserer … Bekanntschaft … bekommen hast, was du brauchtest.“

Ihr Hals rötete sich, und sie verzog den Mund, als hätte sie auf eine saure Traube gebissen. „Ich nehme an, dass es so aussehen musste. Aber glaube mir, du hast mir wirklich sehr geholfen. Nicht nur mit meinem Job, sondern auch mit meiner Familie. Und nein, das war nicht der Grund, warum ich dich nicht zurückgerufen habe.“

Er zwang sich dazu, seinen Gesichtsausdruck weiter teilnahmslos wirken zu lassen, sich völlig still zu verhalten, obwohl sein Instinkt ihm riet, sich nach vorn zu beugen und zu fordern, dass sie mit ihrer Erklärung weitermachte.

Sie schluckte so schwer, dass es fast aussah, als würde es schmerzen, aber sie hielt seinem Blick stand. „Ich wusste nicht, wer du bist.“

„Wer ich bin?“

„Für wen du arbeitest.“ Sie kreiste mit der Hand vor sich, als würde diese Geste die Worte aus ihrem Kopf drängen „Was du arbeitest. Ich meine, um deinen Lebensunterhalt zu verdienen.“

Sie hat tatsächlich Angst vor dir.

Warum der Gedanke beim zweiten Mal so viel mehr wehtat, konnte er nicht sagen, allerdings konnte er ihr auch nichts vorwerfen.

„Ich habe angefangen, mich mit den Details zu befassen, die du mir damals gegeben hast“, sagte sie. „Dann fragten mich die Kollegen, wer meine Quelle sei. Ich habe ihnen deinen Namen genannt, und sie haben mir erzählt, dass du für Sergei Petrovyh arbeitest.“ Sie verzog das Gesicht, als wäre sie sich nicht sicher, was sie als Nächstes sagen sollte. „Es ist einschüchternd, weißt du? Erschreckend. Als du angerufen hast, wusste ich nicht, was ich machen sollte. Dann trudelten die Folgestorys ein, und mein Redakteur begann, meine Arbeit zur Kenntnis zu nehmen, also habe ich es so weiterlaufen lassen. Zum ersten Mal in meiner Karriere hat mein Vater das Wort Beeindruckend verwendet.“ Sie pausierte, um tief Luft zu holen und ihn zu mustern. „Rückblickend denke ich, dass ich all den Schwung und die Aktivität genutzt habe, um die Tatsache zu ignorieren, dass ich mich ziemlich arschig verhalten habe und … nun, es tut mir leid.“

Sie log nicht. Bei keinem einzigen Wort. Er hatte sein ganzes Leben lang Menschen lesen können, und oft war sein Überleben davon abhängig gewesen, sie richtig zu lesen. Sie war absolut aufrichtig. Ebenso hatte sie ihm einen kleinen Einblick in ihr Leben gewährt. „Ich dachte, du redest nicht gern über deine Familie.“

Ihr Kopf ruckte zurück, als wäre sein Kommentar aus der Luft gegriffen. „Bitte?“

„Bei unserem zweiten Date habe ich dich nach deiner Familie gefragt und woher du kommst, und du hast das Thema geschickt gewechselt. Und heute Abend hast du gleich zweimal davon gesprochen. Warst du zuvor zurückhaltend oder schüchtern?“

Sie stieß einen müden Seufzer aus und ihre Schultern sanken herab. „Ehrlich gesagt, ich spreche normalerweise nicht über sie. Der Umgang mit ihnen ist anstrengend und deprimierend genug. Mit jemand anderem über die Einzelheiten zu reden, ist wie Salz in eine offene Wunde zu streuen.“

„Inwiefern anstrengend?“

Sie betrachtete ihn einige Sekunden lang und Widerwille spiegelte sich in ihren stürmisch blauen Augen wider. Ob es an ihrem schlechten Gewissen lag, das an ihr nagte, oder weil sie beschlossen hatte, sich ihren Ängsten zu stellen, konnte er nicht genau sagen, aber irgendetwas brachte sie dazu, sich ihm zu öffnen. „Ich bin so was wie das schwarze Schaf in meiner Familie.“ Sie rümpfte erneut die Nase, obwohl die Aktion ohne das Lächeln, das sie zuvor damit kombiniert hatte, etwas traurig wirkte. „Eher das absolut schwarze Schaf, sozusagen.“

„Wieso das?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Meine Mutter ist Neurowissenschaftlerin und mein Vater ein Nuklearingenieur und dann gibt es noch den Experimentalphysiker in Form meines Bruders. Ich habe jahrelang versucht, etwas ähnlich Anspruchsvolles anzustreben, doch am Ende hat sich herausgestellt, dass mein Talent eher bei der Reportage liegt. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass ich meinen Bachelor mit Auszeichnung absolviert habe. Dad sagt dazu nur, dass es ein Bachelor für Insolvenz wäre.“

„Klingt nicht besonders unterstützend.“

Sie schnaubte. Ein entzückendes Geräusch, das er zum ersten Mal auf derselben Terrasse gehört hatte; damals war sie umgeben von ihren Freundinnen. „Das ist eine enorm höfliche Umschreibung dafür, dass er ein Idiot ist. Die Wahrheit ist, dass er sehr engstirnig ist und nicht in der Lage zu sein scheint, Dinge außerhalb seiner Welt zu akzeptieren. Das Leben ist für ihn wie ein Lehrbuch, und was nicht schwarz auf weiß darin festgehalten ist, davon hält er Abstand.“

„Lehrbücher sind oft mit hübschen Illustrationen gefüllt. Konzentriert man sich allein auf die Worte, verpasst man einige schöne Botschaften.“

Das Lächeln, das er für seinen Kommentar erntete, fühlte sich wie die ersten Sonnenstrahlen nach einem kalten und düsteren Winter an.

„Ich mag den Vergleich, aber ich befürchte, dass er bei meinem Vater auf taube Ohren stoßen würde.“ Ihr Blick wanderte zu einem bestimmten Punkt über Kirs Schulter und ihr Lächeln verschwand.

Einen Moment später blieb Roman neben ihm stehen und sprach in ruhigem und leisem Ton zu ihm. Seine Worte waren in ihrer Muttersprache. „Wir haben ein Problem.“

Sein Waffenbruder war nicht für Dramen bekannt. Wenn er also davon redete, dass es Schwierigkeiten gab, dann musste es sich um ein recht beträchtliches Problem handeln.

Entweder vermutete Cassie die Dringlichkeit anhand von Romans Tonfall, oder seine einschüchternde Größe und Präsenz machten sie nervös. Jedenfalls griff sie plötzlich nach ihrer Handtasche und sprang auf die Füße. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht aufhalten. Aber ich bin dir dankbar, dass du dir die Zeit genommen hast, mit mir zu reden.“

Kir erhob sich ebenfalls und knöpfte seine Anzugjacke zu.

Bevor er etwas sagen konnte, trat Cassie vor ihrem Stuhl hervor, lächelte Roman zögernd zu und erwiderte dann wieder Kirs Blick. „Danke noch mal.“

Für einen Moment dachte er, sie wollte etwas hinzufügen. Stattdessen nickte sie und winkte nervös. „Ich hoffe, du hast noch einen schönen Geburtstag.“

Ihre stylishen Absatzschuhe waren nicht so hoch wie die, die Frauen sonst in solchen Clubs trugen, aber er sah ihr hinterher, während sie sich mit großen Schritten von ihm entfernte bis zum Inneren der Bar und zum Ausgang hinaus.

„Sie zieht viel Aufmerksamkeit auf sich, wenn sie sich bewegt“, merkte Roman in einer Mischung aus Wertschätzung und Humor an. „Super Hüftschwung und Körperhaltung.“

Es dauerte einen Moment, bis das, was sein Bruder gerade gesagt hatte, in seinen Verstand einsank. Kirs Aufmerksamkeit war noch immer auf die Tür gerichtet, durch die sie verschwunden war. Als ihn die Erkenntnis traf, sah er seinen Freund an. „Warum beobachtest du ihren Hüftschwung? Ich dachte, du hebst dich für Mrs. Right auf?“

„Du hast gesagt, du bist nicht interessiert, und eine Frau mit Anmut und Mumm ist sehr attraktiv.“

„Du weißt doch gar nicht, ob sie mutig ist.“

„Sie hat mir dir geredet, oder nicht?“ Roman wartete und war bereit für eine Retourkutsche.

Bei Gott, Kir hätte ihm gern eine geboten. Die täglichen scherzhaften Wortgefechte mit Roman machten ihm besonders viel Spaß, doch es war verdammt schwer, eine Erwiderung zu formulieren, wenn er der Analyse seines Freundes eigentlich nur zustimmen konnte.

Roman schmunzelte, klopfte Kir auf die Schulter und drehte ihn dann daran in Richtung Tür. „Na komm. Mikey wartet.“ Die Ernsthaftigkeit kehrte in seinen Tonfall zurück. „Es ist gut, dass du heute Abend schon einige schöne Überraschungen bekommen hast, denn die nächste wird dir nicht gefallen.“

„Dann wäre es vielleicht klug von dir, mich im Voraus zu warnen.“

Während er die Tür zum Innenraum der Bar öffnete, schüttelte Roman den Kopf. „Nyet. Ich erzähle es dir im Wagen.“ Mit einem heftigen Knall, der in Kirs Magen nachhallte, schloss sich die Tür hinter ihnen und Romans Stimme senkte sich noch mehr. „Ich mag diese Bar, und sie lassen uns mit Sicherheit nicht wieder hier rein, wenn sie deine hässliche Seite kennenlernen würden.“

NOLA Knights: Hers to Tame

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