Читать книгу Beloved Sin - Deine Seele gehört mir - Rhiana Corbin - Страница 6
Prolog
ОглавлениеStockholm, heute
Ich sitze schon seit Stunden über den Büchern. Immer wieder fallen mir Ungereimtheiten auf und ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Mir ist bewusst, dass ich einen Fehler damit begangen habe, Lucas auf die fehlerhaften Abrechnungen des Casinos anzusprechen. Dass ich auch noch ein Telefonat mitbekommen habe, in dem er den Mord an Leo Blomberg in Auftrag gegeben hat, scheint mein Schicksal zu besiegeln. Ich warte nur auf einen günstigen Moment, um von hier zu verschwinden, und dann wird Lucas mich nie wiedersehen. Vielleicht sollte ich zur Toilette gehen und einfach durch das Fenster fliehen. Immer mehr scheint mir dies eine gute Idee zu sein. In dem Moment, als ich zu meiner Tasche greife, erscheint Lucas im Türrahmen.
»Wo willst du hin, Ester?«, fragt er unfreundlich. Das muss aber nichts heißen, denn ich habe ihn selten freundlich erlebt.
»Zur Toilette«, gebe ich ruhig zurück und stehe auf. »Ich habe meine Tage.«
Lucas stellt sich mir in den Weg, lässt mich nicht vorbei, und in diesem Augenblick wird mir klar, dass es wohl doch nicht die beste Idee meines Lebens war, mich als Buchhalterin bei ihm einzuschleichen, um aufzudecken, was der Pate von Stockholm für krumme Geschäfte führt. Vielmehr war es vermutlich eine tödliche Idee, denke ich, doch weiter komme ich nicht, denn Lucas greift nach meinen Händen und legt mir blitzschnell Handschellen an.
»Was soll das?« Ich blicke wie ein frommes Lamm auf die Fesseln.
»Was wohl, du dumme Kuh?«, knurrt Lucas.
Hej, ich bin vieles, aber die dumme Kuh werde ich ihm heimzahlen, irgendwann, denn jetzt schlägt er mir gegen den Kopf, dass vor meinen Augen alles schwarz wird. Das Einzige, was ich noch spüre, sind meine Beine, die unter mir nachgeben.
Laute Schritte sind auf dem Asphalt zu hören. Die Straßen rund um den Gustav-Adolfs-Torg sind menschenleer, die Gäste der Königlichen Oper schon längst wieder zu Hause.
Selbst die Touristen liegen in ihren Betten und erholen sich von den anstrengenden Touren, die sie am Tag hinter sich gebracht haben. Um drei Uhr nachts bei strömendem Regen liegt Stille über der Stadt.
Viggo Magnusson bewegt sich lautlos und schließt schnell zu dem Mann auf, der vor ihm über die Straße eilt. Selbst als er seine geladene Sig Sauer P 226 X-Five zieht und entsichert, ist kaum etwas zu hören. Mit zwei großen Schritten hat er den Mann eingeholt, hält ihm die Waffe von hinten in den Nacken und drückt ab. Zwei Mal. Ein Schuss in den Kopf, der zweite ins Herz, um ganz sicherzugehen. Der Mann kippt zur Seite und ist augenblicklich tot. Vermutlich hat er den zweiten Schuss nicht einmal gespürt. Viggo lässt ihn an der Hauswand langsam zu Boden gleiten und geht mit eiligen Schritten davon. Er blickt ihm nicht ins Gesicht, schaut sich nicht um. In seiner schwarzen Kleidung verschmilzt er mit der Dunkelheit und läuft Richtung Sutregatan. Er kann es nicht abwarten, dass er endlich aus den nassen Sachen herauskommt. Im Mai regnet es im Durchschnitt sechs Tage. Warum muss er genau heute einen dieser Tage erwischen? Mit achtzehn Grad ist es überdurchschnittlich warm, aber jetzt mitten in der Nacht, sind die Temperaturen doch empfindlich abgekühlt.
Noch bevor er seine Haustür erreicht, klingelt sein Handy und er weiß, wer ihn zu dieser Zeit anruft, doch er wird das Gespräch nicht annehmen. Nicht ehe er eine warme Dusche genommen hat und trockene Kleidung trägt.
Er schließt die Wohnungstür im vierten Stockwerk auf und wirft sie hinter sich mit einem Fußtritt ins Schloss. Erneut klingelt sein Handy, doch er ignoriert es und lässt das Gerät im Flur auf dem Highboard liegen. Darum wird er sich später kümmern.
Eine halbe Stunde später kommt er zurück in den Flur, mit neuer Kleidung und frisch geduscht. Ein Blick auf das Display des Handys zeigt ihm sechs Anrufe in Abwesenheit. Während er die Rückruftaste drückt, geht er ins Wohnzimmer, um sich einen Absinth einzuschütten. Normalerweise trinkt er keinen Alkohol, doch wenn er einen Job erledigt hat, macht er manchmal eine Ausnahme. Mit einem Schluck kippt er den Shot, der brennend seine Kehle hinunterfließt, und stellt das Glas ab.
»Was gibt es?«, fragt er, ohne sich zu melden, als die Verbindung hergestellt ist.
»Ich brauche dich hier. Sofort.«
»Der Job ist erledigt. Das Geld kannst du mir morgen geben«, murmelt Viggo leise.
»Darum geht es nicht. Komm her. Sofort. Ich habe einen weiteren Auftrag für dich, der heute noch erledigt werden muss.«
»Ich bin auf dem Weg«, brummt Viggo und beendet das Gespräch, steckt sein Smartphone in die Jackentasche und wendet sich der Tür zu. Diesmal greift er zum Regenschirm, der neben der Wohnungstür lehnt. Er will kein weiteres Mal nass werden, auch wenn es nur der Weg bis zu seinem Wagen ist.
Er fährt mit dem Volvo S90 über die Strömbron Richtung Södermalm. Sein Ziel ist das Sweet Lemon, ein Stripclub der gehobenen Klasse. Der Zugang wird nur Gästen mit Einladung oder einer Clubkarte gewährt. Viggo parkt seine Limousine auf den für Gäste reservierten Parkplatz. Um diese Uhrzeit ist im Club nicht mehr viel los, daher betritt er die Räumlichkeiten durch den Haupteingang.
»Hej Viggo, guten Morgen.« Filip, der Türsteher, reicht ihm die Hand und öffnet gleichzeitig die Tür.
»Hej Filip. War heute viel los?«
»Im üblichen Rahmen. Der Chef will dich sehen.«
»Ja, ich weiß, deshalb bin ich hier. Ist er im Büro?«
Filip nickt, und Viggo macht sich auf den Weg. Er läuft durch den Club, in dem noch eine Menge Tische besetzt sind und auch an den unterschiedlichen Bars stehen noch Gäste und amüsieren sich.
Viggo kann dem allen nichts abgewinnen, läuft mit schnellen Schritten in den hinteren Bereich und kommt an eine Tür, die nur mit einem Zahlencode zu öffnen ist. Er gibt die Zahlenfolge ein, die wöchentlich geändert wird, und erlangt somit Zutritt zu den Büros, die zum Club gehören.
Am Ende des Gangs, Licht scheint durch die geöffnete Tür auf den Flur hinaus, wartet er auf ihn.
»Hej Lucas«, grüßt er den Mann, der hinter dem Schreibtisch sitzt und sich erhebt, sobald er Viggo erblickt.
»Hej Viggo. Wie lief die Sache mit Blomberg?«
»Gut. Schnell und lautlos. Du kannst es morgen in der Zeitung lesen. Was ist los, dass du mich hierherbestellst?«
Lucas zeigt mit seinem Kinn zur Tür. »Zwei Türen weiter gibt es ein Paket, das du schnellstens loswerden musst. Da hat sich eine Wanze bei uns eingenistet.«
»Eine Wanze?« Viggo ist überrascht. »Was soll das bedeuten?«
Lucas geht hinüber zum Wandsafe und öffnet ihn. Er nimmt einige Packen Bargeld heraus und übergibt sie Viggo. »Dein Geld für Blomberg. Das Gleiche gibt es noch mal, wenn du die Kleine erledigt hast. Sie muss so verschwinden, dass sie niemals wiederauftaucht. Hast du verstanden?« Er blickt Viggo nervös an.
»Sie? Wer ist sie, dass sie so gefährlich ist?« Viggo verstaut das Geld in der Jackeninnentasche, ohne es zu zählen, denn das ist nicht notwendig. Er arbeitet bereits seit einem Jahr mit Lucas zusammen und bisher ist immer alles reibungslos gelaufen. Ihre Zusammenarbeit beruht auf gegenseitigem Vertrauen, was in der Branche nicht immer möglich ist.
»Die Kleine arbeitet als Buchhalterin. Ich habe sie vor drei Wochen eingestellt für Hilfsarbeiten. Sie sah süß aus und ist obendrein auch noch intelligent. Leider zu intelligent, denn sie arbeitet für irgend so ein Online-Magazin. Sie ist Journalistin und spioniert hier herum.«
»Und das ist ein Grund, sie gleich zu töten?« Viggo blickt Lucas fragend an und lehnt sich mit der Schulter gegen die Wand, verschränkt die Arme vor der Brust. Normalerweise übernimmt er jeden Job, den Lucas ihm anbietet, aber bisher haben sich die Aufträge immer nur um Kerle gedreht, die Lucas verraten haben, oder Gangmitglieder, die ihm ans Bein pinkeln wollten. Lucas ist der Kopf einer Organisation mit mafiaähnlichen Strukturen. Er sitzt ganz oben an der Spitze und muss sich schützen, denn es gibt immer wieder aufstrebende Typen, die Lucas’ Posten übernehmen wollen.
»Sie weiß von den Konten in der Schweiz und den Caymans. Sie weiß von den manipulierten Spieltischen und hat mitbekommen, dass ich den Mord an Blomberg in Auftrag gegeben habe. Diese verfluchte Schlampe weiß alles, und deshalb muss sie weg.« Lucas streicht sich durch das blonde Haar, das ihn wie einen Schweden wirken lässt, dabei ist er Engländer, durch und durch. Seine steifen Umgangsformen lassen sofort erkennen, dass er nichts Skandinavisches an sich hat. Viggo mag ihn nicht sonderlich, aber er zahlt gut, und so kann er den Kontakt zur Unterwelt halten. Informationen sind eben nicht nur in der Politik wichtig.
»Hast du einen besonderen Wunsch, was das Wie und Wo betrifft?«, fragt Viggo und prüft den Sitz seiner Sig Sauer unter dem Sakko.
»Schnell und sauber, wie immer. Lass dich nicht von ihr einfangen, sie ist reizend und geschickt, unterschätze nicht ihren scharfen Verstand, sie ist sehr intelligent.«
Viggo lächelt. Das hört sich ganz nach einem Mauerblümchen an, das seine Nase zu tief in die Bücher gesteckt hat und dem falschen Mann begegnet ist. Schade, dass dies nun tödlich für sie enden wird.
»Hast du sie gefickt?«, fragt Viggo amüsiert.
»Nein, verdammt. Die Hure ist wie eine Nonne, sie lässt keinen an sich ran, dabei hat sie einen Körper, der mir eine Menge Geld einbringen könnte. Verdammt, es ist eine Verschwendung, aber sie weiß zu viel.«
»Wie ist ihr Name?« Viggo stößt sich von der Wand ab, an die er sich gelehnt hat, und geht auf Lucas zu. »Es kostet doppelt so viel wie üblich«, erklärt er und baut sich vor Lucas auf, der einen halben Kopf kleiner als Viggo ist.
»Das Doppelte? Du wirst langsam gierig.« Lucas dreht sich weg und geht zu seinem Schreibtisch, stellt eine gewisse Distanz her.
»Ich besitze genug Geld, das hat nichts mit Gier zu tun. Aber ich werde zusätzliche Ausgaben haben, ein höheres Risiko eingehen müssen, das kostet. Du kennst die Regeln. Also beschwer dich nicht. Sag ja, oder lass die Kleine von einem deiner Bodyguards entsorgen, das kostet dich nichts, sie wird aber vermutlich in den Medien als Leiche auftauchen. Dann kommt die Polizei und stellt unangenehme Fragen. Deine Entscheidung.« Viggos Stimme ist ganz ruhig, fast schon zu belanglos, als wäre ihm der Auftrag lästig.
»Schon gut. Schon gut, du musst mir nicht durch die Blume zu verstehen geben, dass du der Beste bist, das weiß ich auch so. Sie liegt gefesselt im blauen Salon. Hier ist der Schlüssel. Sobald ihr weg seid, lasse ich den Raum säubern, damit es keine Spuren gibt. Ich fahre jetzt nach Hause.«
Mayers nimmt seine Autoschlüssel vom Tisch und läuft zur Tür. »Melde dich, wenn du fertig bist.«