Читать книгу Was kommt nach der Pfarrgemeinde? - Richard Hartmann - Страница 7
ОглавлениеDie alten Karten führen in die Irre
Haben wir die richtigen Karten für die Wege in die Zukunft? Ich erinnere mich an frühere Wanderfahrten und die Fähigkeit, Straßenkarten, Wanderkarten und Messtisch-Blätter zu lesen. Nicht jeder konnte auch mit den richtigen Karten das Ziel schnell erreichen. Mancher Umweg wurde beschritten. Ob das heute anders ist?
Als ich vor kurzem mit Freundinnen unterwegs war und wir den Weg nicht gleich fanden, habe ich selbstverständlich mit meinem Smartphone und GPS Orientierung gesucht – und gefunden. Und wer »Karten lesen« »googelt«, dem werden keine Wanderkarten, aber viele EDV-Speichermedien aufgelistet.
Mit Blick auf die Arbeit unserer Kirchengemeinden habe ich den Eindruck, dass immer noch etliche die gleichen Karten verwenden wie vor 50 Jahren. Eine davon zeigt die »lebendige Gemeinde«: Ein vielfältiges Freizeitprogramm steht neben der Gottesdienst- und Sakramenten-Vorbereitung. Für alle Generationen gibt es entsprechende Wege und Routen, die Verbände sorgen für weitere Maßnahmen. Zugleich wächst die Enttäuschung nach innen hin: »Es sind immer dieselben« und »es sind immer weniger«; »die Kinder und Jugendlichen sind nicht mehr bereit, sich in Gruppen auf Dauer zu engagieren und zu binden«, und die Gottesdienste sind immer leerer. Dazu kommt schon seit längerer Zeit, dass es die »engagierten Kapläne von früher nicht mehr gibt« und dass die Kirche nicht erst durch den Missbrauchsskandal viel Anerkennung verloren hat. Und nun noch: Es gibt weniger Priester und andere Hauptamtliche und darum droht die Pfarrei vor Ort an Profil zu verlieren. Es braucht zentrale Zusammenschlüsse, Finanzkrisen zwingen zum »Downsizing«, also zum Streichen: Nichts bleibt mehr bestehen – und plötzlich stimmen die Karten nicht mehr.
Dabei gab es immer wieder Karten und Planskizzen, die zeigten, wie die Kirche aussehen soll, wohin das Volk Gottes unterwegs ist, welches die Orte sind, wo die Verkündigung des Evangeliums ankommt. An ein paar dieser Karten – sicher ist die Liste nicht vollzählig –, die in unterschiedlicher Praxis sogar noch nebeneinander benutzt werden, will ich erinnern:
Am wichtigsten sind die Osterkommunion und die Osterbeichte und die Feier der Sakramente: Wenn das gewährleistet ist, brauchen wir keine Angst zu haben um das Heil der Menschen. Wer daran teilhat, der ist gerettet, wer davon wegbleibt, ist verloren.
Wir prägen das Milieu und die Gesellschaft: Alles soll »katholisch« sein. Kirche muss sich durchsetzen durch eine totale Durchdringung der ganzen Gesellschaft: Die perfekte Gesellschaft ist die Idee, die alle Minderheiten aufsaugt oder verdrängt. Vereine und Verbände stabilisieren diese gesellschaftliche Bedeutung.
Wir halten alles aufrecht und zusammen: Im Rahmen des Wiederaufbaus der Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg kam es der Kirche mit Volksmissionen und Wohnviertelapostolat darauf an, mit hoher Autorität alle zusammenzuführen und zusammenzuhalten. Tatsächlich war es, was die Feier der Sakramente betrifft, eine der Hoch-Zeiten der Beteiligung.
Wir gehören zusammen, wir sind ein Herz und eine Seele: Die Idee der Pfarrfamilie, in der sich möglichst alle kennen und füreinander da sind, mit dem Pfarrer als Vaterfigur und seinen vielen Helferinnen und Helfern, steht im Zentrum: Ihre Attraktivität soll ausstrahlen auf viele andere.
Als Avantgarde, als kleine Basisgemeinde, versuchen wir uns und die Gesellschaft zu verwandeln. Mit hoher Autonomie in Gottesdienst, Glaubensvertiefung und politischem Engagement sind wir eine Gegengesellschaft gegen den Mainstream von Volkskirche und Gesellschaft. Wir sind die Entschiedenen.
Unser Atlas: Welche dieser Karten kenne ich und kennen wir? Woran lässt sich erkennen, wie wir als Engagierte in der Gemeinde oder Pfarrei oder als hauptberuflich Tätige in der Kirche unsere Dienste ordnen und die Wege bestimmen? |
Wer sich an Gott bindet, der hat gewonnen. In neuen Frömmigkeitsbewegungen wird eine innere Sicherheit und Glaubensbindung kultiviert, die den Mitgliedern hilft, die kritische und negativ bewertete Gesellschaft in Abgeschlossenheit und Schutz zu überleben.
Wir sind Kirche auf dem Markt, was angefragt wird, wird entsprechend angeboten, ausprobiert und vermarktet. Wenn wir die richtigen Angebote machen, haben wir bei Events ebenso wie in der individuellen Gestaltung von Sakramentsfeiern und Segensfeiern die richtige Anknüpfung an die Servicegesellschaft.
Wir beginnen neu als Missionskirche: Offensiv gehen wir in die Öffentlichkeit und versuchen den Mehrwert des Glaubens zu dokumentieren und Menschen für unseren Weg zu gewinnen.