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Kapitel Vier

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Eines Tages, auf mir lag der Schatten meiner Teenager-Vergehen, fuhr mich meine Mutter schweigend durch den Verkehr zu einem Einkaufszentrum. Ich saß auf dem großen Vordersitz des ‘55 Buick, der den Kaiser ersetzt hatte. Wortlos hielt sie plötzlich am Straßenrand an und schlug immer wieder heftig ihren Kopf gegen das Lenkrad. Von ihrer Stirn rann Blut. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.

Es war wahrscheinlich mein letztes Missgeschick in Lexington, das zu der verzweifelten Reaktion meiner Mutter führte. Rebecca, die Kellnerin bei Big Boy, mit der ich als Fünfzehnjähriger den ganzen Sommer verbrachte, war eines Abends früher von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte mich trinkend mit ein paar Mädchen in ihrem Apartment erwischt. Aus Rache rief sie meine Mutter an und behauptete, von mir schwanger zu sein. Sie rief auch den Leiter der Englischabteilung an der Universität an, wo meine Mutter studierte.

Zu dieser Zeit schloss meine Mutter ihre Doktorarbeit ab und bekam eine Stelle als Dozentin für Amerikanische Literatur am Old Dominion, einer staatlichen Universität in Norfolk (Virginia). Dorthin fuhren wir im Sommer 1965 in unserem ersten nagelneuen Wagen, einen roten kleinen Chevy Corvair, den Onkel Dick und Tante Phyllis ihr zur Promotion geschenkt hatten. Wir zogen in ein Apartment im zweiten Stock eines alten zweistöckigen Hauses an der Jamestown Crescent, der Hauptavenue von Larchmont, einem ruhigen, baumbeschatteten Wohnviertel aus den zwanziger Jahren. Das College lag ganz in der Nähe.

Norfolk war ein Nicht-Ort. Dagegen sah selbst Lexington elegant aus. Sein Herz war eine riesige Marinebasis, die größte der Welt, und der Rest der Stadt war eine genaue Entsprechung dieser Trostlosigkeit in Stahl und Beton. Alle Standorte waren durch kleine Tunnel und Brücken über einem Netzwerk verschmutzter Buchten und Wasserstraßen miteinander verbunden. Es gab nur noch wenige Backsteinzeugnisse eines alten Virginia, das mindestens so konservativ war wie das anonyme Militär. Selbst Virginia Beach, die zwanzig Meilen entfernte Atlantikküste, derentwegen meine Mutter den Job überhaupt attraktiv fand, war hässlich: eine schäbige Ansammlung protziger Mittelklassehotels oder schmuddeliger Billigpensionen, umgeben von Reklameschildern, T-Shirt- und Souvenirläden, Fast-Food-Ketten und anein­andergereihter öder Strandhäuser.

Ich wurde für die elfte Klasse in einer riesigen öffentlichen High School angemeldet. Ich war nie fähig gewesen zu lernen, und ich wusste, ich würde wieder sozial nicht dazugehören. Ich hätte lieber ein Zimmer allein in einer billigen Pension irgendwo in den USA gehabt als Schulbücher durch diese scheußlichen Korridore zu tragen.

Nach einigen Wochen der Drohungen und Versprechungen erklärte sich Mutter schließlich bereit, für mich eine Schule wie Sayre zu suchen. Meine Vorgeschichte war ein Problem – nicht nur die Ausschlüsse, auch meine Noten, die gerade mal befriedigend und ausreichend waren, obwohl ich ein Stipendium für Sayre bekommen hatte. Und wir hatten kein Geld. Meine Mutter besprach die Lage mit Grandma Linda. Sie suchten ein wenig und fanden schließlich ein gemischtes Internat in Delaware, das mich akzeptierte. Großmutter gab meiner Mutter einen Großteil des Schulgelds.

Sanford Preparatory School lag etwa achtzig Meilen nordwestlich von Wilmington inmitten von 50 Hektar Feldern und bewaldeten Hügeln. Die meisten der auf sechs Klassen verteilten 165 Schüler wohnten dort. Es gab sechs kleine, nach Geschlechtern getrennte Wohnheime. Einige davon waren umgebaute Farmgebäude, die anderen eine neu errichtete Art von Barracken. Die Klassenzimmer befanden sich in früheren Farmhäusern, und es gab eine moderne Bücherei mit großen Fensterscheiben, die das Innere besonders an Schneetagen behaglich machten. Die Schule hatte ein nagelneues »Fieldhouse« (Sporthalle) sowie Tennisplätze und Felder für Hockey, Base­ball, Football und Lacrosse und sogar einen kleinen Stall. Die Jungen trugen Sportsakkos – wahlweise Schul­blazer – und Krawatten, und die Mädchen Kniestrümpfe und Schottenröcke und über ihre weißen Baumwollblusen Blazer oder Strickjacken.

Die Umgebung ähnelte der in Sayre. Meine Arbeitseinstellung änderte sich nicht. Schon im Februar bekam ich mit einer Fünf in Mathematik, einer Vier in Spanisch und einer Drei in Englisch eine Bewährungsfrist. Ich hielt die schlechten Noten für ein Problem, aber nicht für ein großes – so war es bereits seit der siebten Klasse. Allerdings ging die Leichtigkeit des Lebens ein wenig verloren. Mei­ne Rolle an der Schule war die des Skeptikers, Unruhestifters und Spaßvogels, der Typ, der nichts ernst nahm und verbotene Abenteuer suchte. Das kam dem ziemlich nahe, wie ich mich sah, aber ich wollte aus dem Rahmen ausbrechen, was das Ausbrechen aus dem Rahmen des Rahmens einschloss.

Eines Nachts im Frühling schlichen ein Freund und ich aus dem Wohnheim, brachen in die Schulklinik ein und stahlen aus einem großen Gefäß etwa zwei Liter kodeinhaltigen Hustensaft mit Kirschgeschmack. Davon trank ich am folgenden Morgen einen Plastikbecher, blödelte in der Klasse herum und nickte irgendwann, den Kopf auf den Armen, ein.


Wir stahlen aus einem großen Gefäß etwa zwei Liter kodeinhaltigen Hustensaft mit Kirschgeschmack.

© mit freundlicher Genehmigung von Richard Meyers

Aftermath von den Rolling Stones, die wir im Zimmer eines Mitschülers hörten, verbinde ich mit Regenwetter. »Stupid Girl«, »Under My Thumb«, »I Am Waiting«. Die Platte war so wild und grell und voller Persönlichkeit. Die Rolling Stones ließen sich auch gute Titel einfallen. Aftermath. Wer hätte gedacht, dass dieses Wort an eine Bluttat erinnert und das Gefühl einer Lawine auslöst? Es scheint ein unschuldiges Wort zu sein, aber nein – isoliert ist es unheilvoll, und es geht nicht um Erwartung, sondern um die Vollendung von etwas Schrecklichem wie einem schweren Verbrechen oder einem anderen Desaster. Es geht um Massentötungen und furchtbare Täuschungen, die Folgen haben.

An die Mythologie von Rock’n’Roll-Bands glaubte ich jedoch nicht. Die Musik war nur ein ganz gewöhnlicher Bestandteil meiner Umgebung. Ich war kein »Fan«. Der Stil einiger Gruppen war aufregend, aber die Musiker waren Leute, die es nur zufällig in die Musik verschlagen hatte. (Ich sehe es noch immer so, wenn eine Band am Anfang steht.) Die halbe Schönheit von Rock’n’Roll besteht darin, dass »jeder es tun kann«, das heißt, man muss kein Virtuose, sondern einfach angesteckt sein und einen unschuldigen Instinkt und viel Glück haben. Deshalb ist es die Kunst von Teenagern. Für mich hatten Bands nichts Ehrfurcht Einflößendes oder auch nur besonders Interessantes. (Erst seitdem ich eine Menge direkter Kontakte mit Popmusikern hatte, kam ich zu der Ansicht, dass sie tatsächlich ein bestimmter Menschenschlag sind, oder genauer gesagt, geworden sind. Ich bin noch heute nicht empfänglich für ihre Anziehungskraft. »Heiliges Monster« ist genau die richtige Beschreibung, zumindest für den Frontmann, den Sänger in einer Band. Um ein Popstar, ein Leadsänger zu sein, braucht man die unzerstörbare Gewissheit seiner eigenen Unwiderstehlichkeit. Das ist der Monsterpart. Wenn dieses Ichvertrauen nicht natürlich rüberkommt, wenn sich deine Existenz nicht ausschließlich darum dreht, dieses Ego in Szene zu setzen, hast du nicht das, was nötig ist, um deinem Publikum die Show, die Erregung zu geben, die es braucht. Das verlangt das Publikum von dem Performer, um sich mit ihm zu identifizieren, um sich selbst das Gefühl für seine eigene Macht zu geben, um die volle Wirkung und den Zweck von Rock’n’Roll zu spüren. Die Neulinge beginnen naiv und geradezu süß, werden aber auf dem Weg zum Ruhm gemästet und getestet, bis es in jeder Dimension grotesk wird außer der der Performance, die mitreißend und erhebend ist. Und das ist der heilige Part. Meistens ist es auch ein monströser Stress für die Adepten. Das ist nicht wirklich ein wünschenswertes Schicksal. Und ein weiterer Grund dafür, dass die Stars so launenhaft sind. Sie hassen alle dafür, sie zu dem gemacht zu haben, was sie sind, und reiben es jedem unter die Nase.)

Im Sommer 1966, nach meinem ersten Jahr in Sanford, wurde ich für meine schlechten Leistungen damit bestraft, dass ich zu Mama Doll, der Mutter meiner Mutter, nach Sherman (Texas) geschickt wurde, wo sie als Angestellte auf einer Luftwaffenbasis arbeitete. Ich musste die Wüstentage vor einer Tankstelle auf einem Ölkanister sitzend verbringen und auf Kunden warten. Mehrmals in der Woche hatte ich Nachhilfestunden in Spanisch. Ich war so verknallt in meine junge Spanischlehrerin, dass es schmerzte. Darüber hinaus litt ich an Hämorrhoiden; allerdings wusste ich nicht, was es war. Schon der Klang des Wortes deutete darauf hin, dass es etwas Hässliches sein musste, aber da es mir zu peinlich war, jemanden zu fragen, versuchte ich schließlich, das Ding in dem schmutzigen Badezimmer des vollgemüllten, dunklen, alten Hauses, wo Mama Doll mit ihrem geliebten Sittich lebte, mit einer Rasierklinge wegzuschneiden.

Als ich im Herbst nach Sanford zurückkehrte, hatte das Magazin Life auch ins Hinterland Geschichten über langhaarige Kids mit ihren Blumen, Perlenketten und psychedelischen Drogen gebracht. Eine einfache Beatles-Frisur war im ländlichen Delaware noch etwas Extremistisches. Ein- oder zweimal wurde gemunkelt, Studenten hätten auf dem Campus einen Joint geraucht, aber das waren dubiose Gerüchte. Das meiste, was wir über Drogen wussten, kam immer noch von den Beatschriftstellern. Ihr Drogenkonsum erschien uns exotisch und sexy, und doch war ihre Jazz, Lyrik und Zen liebende Partywelt schon so weit vorgedrungen, dass eine ganze Klasse von Leuten, die ich kannte, mehr oder weniger in ihr lebte. Diese Verwässerung unterminierte die Ernsthaftigkeit des Ganzen. Ich konnte mich nicht rückhaltlos für die Beatschriftsteller begeistern, weil es an der Schule diese allgegenwärtige Jugendgruppe gab, die Kopien von Alan Ginsbergs Langgedicht Howl schon für ein geheimes Zeichen hielt, und damit wollte ich nichts zu tun haben. Ich misstraute auch dem dogmatischen Beharren auf Spontaneität. Ich werde spontan sein, wenn mir danach ist.

Drogen allerdings gefielen mir. Sie boten einen sofortigen Fluchtweg, und ich mochte die physischen Freuden, die die Rauschgifte, dann die psychedelischen Drogen und später die Stimulantien bereiteten. Ich konsumierte nie große Mengen, begann aber relativ früh. Ich war der erste, der das überhaupt tat. Viele Drogen nahm ich in Sanford im ersten Monat der zwölften Klasse.

In einem Magazin hatte ich gelesen, dass Samen der Trichterwinde Halluzinationen auslösten. Man musste sie nur waschen und dann zermahlen. Man brauchte nur ein paar Päckchen, und da sie nicht gut schmeckten, musste man das Pulver mit Erdnussbutter anreichern. Aber das war schon alles. So bearbeitete ich eines Nachmittags einige Päckchen Heavenly Blues (Himmelblaue Prunkwinde). Das war bis dahin der glücklichste Tag meiner Teenagerjahre.

Ich befand mich auf dem Weg zu meinem Wohnheim, als die Droge anfing zu wirken – Wellen sexueller Lust und erhöhter Wahrnehmung überschwemmten mich. Es war, als ob die Droge alle Filter auflöste, so dass alles wahrnehmbar und alles Wahrgenommene bedeutsam wurde. Das Klischee von einer Person unter dem Einfluss psychedelischer Drogen ist der Junkie, der auf seine Hand starrt, mit der er sich vor seinem Gesicht herumfuchtelt. Dabei sieht er Kometenschweife in fließendem Zeitraffer, die seine Finger in der Luft gezeichnet haben. Nicht die Droge haben sie hervorgebracht. Wenn man die Hände vor dem Gesicht schnell hin und her bewegt, dann stellt sich der gleiche Effekt ein. Man bemerkt das normalerweise nicht. Unter psychedelischen Drogen fällt es einem auf. Für mich war es, als wechselte ich von einer anspruchsvolleren Dimension, für die ich so wie Superman auf dem Planeten Krypton durch entsprechende Fähigkeiten geeignet war, in das irdische Leben, wo ich Superkräfte entwickelte.

Ein paar Jungs wussten, was ich getan hatte, und die Nachricht verbreitete sich im Wohnheim. Es fiel mir schwer zu sprechen, weil alle Worte falsch und allzu endgültig klangen. Und dann war da noch das trunkene Gefühl, frei zu sein, nicht nur weil ich tun musste, was ich tat, sondern weil mir bewusst war, dass ich in dieser Verfassung nicht verantwortlich sein konnte, was auch immer ich anstellte.

Mitbewohner umringten mich in meinem Zimmer und versuchten, mich vor Problemen zu bewahren. Ich saß am Rand des unteren Betts, stand wieder auf und ging Richtung Tür. Sie hielten mich fest. Ich versuchte, mich durchzudrängen. Sie stießen mich zurück. Ich setzte mich ruhig in eine Ecke und wartete, während sie sich unterhielten. Irgendwann wurden sie unachtsam, und ich stürzte wieder zur Tür. Es war komisch, wie eine Szene in einem Cartoon. Mit der Zeit machten wir zu viel Lärm, und sie ließen mich raus.

In einem großen Raum im zweiten Stock eines der älteren Gebäude veranstalteten Schüler und ein paar Betreuer einen Tanzabend. Das Licht war gedämpft, Luftschlangen aus Krepppapier hingen von der Decke, eine Schallplatte lief.

Die Oberstufe hatten einen Deppen als Maskottchen, ein Zehntklässler, den die Aufmerksamkeit schmeichelte, die er von den größeren Schülern bekam. Er ließ sich von ihnen demütigen, indem er an sich rumfummelte, während sie zuschauten. Ich stand abseits an einer Seite des Raums und sah ihn auf der Tanzfläche in der Menge. Er war in die Cheerleaderin Marilyn Talbert verliebt, eine dunkelhaarige, dünne, prüde Fünfzehnjährige mit traurigen, glänzenden Augen und geschwungenen Lippen, die schief lächelten. Ich sah den Jungen über das Parkett schlurfen. Marilyn Talbert und ich waren wahrscheinlich die einzigen im Raum, die ihn wahrnahmen. Er näherte sich ihr und bat sie, mit ihm zu tanzen. Sie sagte nein. Ich fing an zu weinen.

Beim Frühstück in der Kantine am nächsten Morgen war ich müde und desorientiert, hatte aber keine Halluzinationen mehr. Als ich an der Schlange vor der Essens­ausgabe vorbeiging, spürte ich alle Augen auf mich gerichtet. Aber trotz meiner trancehaften Müdigkeit und Selbstbewusstheit fühlte ich mich frei, losgelöst. Etwas war noch nicht zu Ende, und es würde weitergehende Konsequenzen haben, aber darüber machte ich mir keine Sorgen; ich war einfach neugierig, sogar erwartungsvoll auf eine distanzierte Art. Ich fühlte mich gut.

Später am Tag wurde ich in das Büro des Schulleiters bestellt, und er drohte mit der Verweisung von der Schule. Ich versuchte, den Drogenkonsum als eine wissenschaftliche Untersuchung darzustellen. Ich bin mir nicht sicher, wie überzeugend das war, jedenfalls warfen sie mich nicht raus, sondern suspendierten mich für eine Woche.

Als ich zurückkehrte, wurde ich siebzehn. Die Schule blieb enttäuschend. Ich war kribbelig und ließ den Unterricht an mir vorüberziehen.

In jenem Herbst befreundete ich mich mit einem Typ, den ich bis dahin kaum wahrgenommen hatte: Tom Miller. Das, was uns in der Schule zusammenbrachte und für die nächsten sieben oder acht Jahre zusammenhielt, war sowohl etwas Negatives als auch etwas Positives. Wir waren beide nach innen gekehrte Menschen, die Konventionen kaum respektierten und die sich als Außenseiter fühlten. Wir teilten auch den Geschmack für eine bestimmte Literatur und eine bestimmte Musik und hatten beide einen antirealen Humor.

Tom war eine Ausnahme in Sanford. Zum einen war er ein Tagesschüler, wohnte also nicht in der Schule, so dass er weniger bekannt war. Er war ruhig und immer angespannt, und er machte gerne gespenstische Witze. Das meiste auf der Welt erschien ihm unverständlich seltsam, und er war deshalb empfänglich für alle möglichen irrationalen Erklärungen – von Dingen wie fliegenden Untertassen über extreme Verschwörungstheorien bis zu obs­kurem religiösem Mystizismus. Er wusste, dass diese Vorstellungen und Verdächtigungen vielen Leute verrückt vorkamen, und das war ein Grund dafür, dass er so verschlossen war.

Er war ein Neurotiker, der mit anderen nur in den beschränkten Begriffen seiner Privatsprache kommunizieren konnte. Damals war er allerdings noch lockerer und geselliger und weniger launenhaft, als er es schließlich wurde.

Er hatte eine große Sensibilität. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie weit sie sich in der zwölften Klasse entwickelt hatte, aber als wir zwei Jahre später in New York wieder zusammenkamen, mochte er Free Jazzer wie Albert Ayler und Eric Dolphy und Dichtung, die der Musik ähnelte, wie Kerouacs Gedichtband Mexico City Blues mit seiner Missachtung der Grenzen und mit seiner Spontaneität und Verzweiflung und spirituellen Sehnsucht und seinem Humor. Tom gefielen obsessive Außenseiter – Künstler, deren Werke Mustern folgten, die intuitiv und materiell mit der wahren verrückten oder verborgenen Realität verbunden waren, denn diese Werke waren aus der Gehirn von Leuten hervorgegangen, die zwanghaft kreativ waren, selbst wenn man sie nach orthodoxen Standards für ungeschult halten konnte. Und er mochte die Kehrseite der Medaille, nämlich die hochbegabten, hart arbeitenden, selbstbewussten und gebildeten, weltgewandten Künstler, die sich nicht darum scherten, irgendjemandem zu gefallen oder irgendetwas allzu ernst zu nehmen, und sie waren natürlich subversiv und in der ihnen eigenen Reinheit unfähig, schlechte Kunst zu machen. So bewunderte er die ursprünglichen Sun Records Musiker oder den Gitarristen Link Wray oder wilde Popkünstler wie die Rolling Stones mit einigen ihrer frühen selbstgeschriebenen Singles oder Bob Dylan. Und immer ging es ihm um den Spaß in allem oder von allem, was interessant war.

Als ich an die Schule zurückkehrte, kam mir dort alles falsch vor. Das war der Moment, da die Wahl, eine bestimmte Richtung einzuschlagen, fast zu einer ästhetischen Entscheidung wurde. Weiter in die Schule gehen? Es würde die zukünftige Erinnerung ruinieren. Ich verstand das allerdings erst nach ein paar Tagen. Es kam wie eine Inspiration, die sich langsam unter der Oberfläche gebildet hatte, so wie es einem abgerichteten Tier dämmern mag, dass es den Hof einfach verlassen konnte.

»Lass uns abhauen«, sagte ich. Tom war einverstanden.

Wir planten, Richtung Süden zu fahren. Wir hatten genug Taschengeld für eine Fahrkarte nach Washington, und dann fingen wir an zu trampen.

Blank Generation

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