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Matea Pesquieras Botschaft

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Basil ließ seine Blicke ziemlich gleichgültig über die Menge hinschweifen, die in die eleganten Lutetiahallen am Opernplatz flutete, während sein Herz der nahen Zukunft fast hörbar entgegenschlug. Der Wagen flog über den strahlend erleuchteten „Vanity fair“ und hielt vor dem eleganten Hause der Mrs. Delmar auf dem Boulevard Haußmann.

Beim Eintritt drängt sich die Vergangenheit ihm noch einmal mächtig auf. Er glaubt den schlanken „Ranger“, auf dem das Sternenbanner lustig und stolz weht, vor sich zu sehen. Er hört ein Kommando, ist es nicht seine eigene Stimme, die es erteilt? Ganz deutlich glaubt er den donnernden Gruß der Kanonen zu vernehmen, die auf den Forts so ruhig und anmutig hinter Gras und Moos versteckt liegen. Jedes einzelne Gesicht seiner strammen, gebräunten Mannschaft möchte er zeichnen; jetzt taucht ein Dampfer am fernen Horizont auf, sogar den köstlich erfrischenden Salzgeruch eines aus Japan herkommenden Windes glaubt er zu verspüren.

Rasch fährt er mit der Hand über die Augen, das Zauberbild ist verwischt. Die letzte Erinnerung geht in dem Gefühl der Befriedigung und Freude darüber unter, daß gerade sein Freund Harry sein Nachfolger ist. Die Vergangenheit ist versenkt; die Gegenwart umfaßt ihn, umfaßt ihn mit festen Banden und die – Zukunft? Wer hätte wohl je ihren Schleier gelüftet?

Der devote Concierge reißt die Türen weit auf, die goldgestickte blaue Uniform ist ihm wohl bekannt. Lassen sich doch auch andere ihrer jungen Träger gar häufig bei Mrs. Pauline Delmar sehen, um ihre Huldigungen sowohl der Gattin des einflußreichen Kapitäns Delmar, die häufig im Hause ihrer verwitweten Schwägerin weilt, als auch der schönen Miß Anita darzubringen. Die lebhafte französische Phantasie hat sich nicht umsonst mit Anita beschäftigt und deren Besitzungen ins riesenhafte, schier unmögliche vergrößert und in irgendein sagenumwobenes Land verlegt.

Als Goodloe in den großen Salon eintrat, fand er Mrs. Pauline Delmar bereits ungeduldig auf ihn wartend. Die Hand der Dame respektvoll an seine Lippe führend, glitten seine Augen auf die jetzt eintretende Gestalt, die im Augenblick das einzige ist, was für ihn auf der Welt existiert.

„Ich bat meine Schwägerin, sich ein Weilchen Señor Andrès Vargas, dem Boten Matea Pesquieras, zu widmen, bis ich Ihnen die höchst befremdlichen Nachrichten, die der Señor uns überbrachte, mitgeteilt habe.“ Die Witwe wies dabei einladend auf den Sessel an ihrer Seite und fuhr dann fort: „Ihr rasches Erscheinen ist äußerst liebenswürdig, und verpflichtet mich zu größtem Dank, noch dazu, wo mein Schwager, an den ich ebenfalls sofort depeschierte, seine Division im Flottenmanöver augenblicklich nicht verlassen darf.“

„Ich stehe den Damen vollkommen zu Diensten und ersehne die Gelegenheit, meine Bereitwilligkeit beweisen zu können.“

Ich danke Ihnen, und werde Ihnen sofort Matea Pesquieras Brief vorlesen. Es ist freilich nur ein Fragment, da der Schreiber ja nicht alles der Feder anvertrauen durfte. Er fürchtete auch, daß man uns sogar hier mit Spionen umgeben hätte, trotzdem nicht einmal eine mexikanische Gesandtschaft in Paris vertreten ist. Schließlich wäre es ja immerhin möglich, daß man uns überwachte, denn der Einsatz des Streitobjektes, der, wie ich erst heute erfuhr, nach Millionen zählt, wäre wohl der Mühe wert.“

Mrs. Delmar erhob sich und ging ins Nebenzimmer. Ihr nachblickend, konnte Goodloe sich wohl vorstellen, daß ihre unvergleichliche Schönheit einst alle anderen Sterne Louisvilles erbleichen ließ. Die Jahre hatten ihrer herrlichen Figur wohl die volle Reife gebracht, waren aber sonst spurlos an der Witwe des Ingenieurs vorübergegangen. Die Tochter ähnelte der Mutter, mit ihr unterhielt sich der entzückte Goodloe in der beredtsten Augensprache, als die Witwe wieder mit einem Brief in der Hand eintrat, und sich anschickte, ihn vorzulesen:

Guaymas, den 15. März 1881.

Hochverehrte Frau!

Dies Schreiben wird Ihnen durch Señor Andrès Vargas, meinen Milchbruder, überbracht werden. Sein Vater, Colonel Vargas, erster Befehlshaber der Truppen, fiel in einem Gefecht gegen die feindlichen Yaquis. Durch ihn erhielt einst mein Vater die erste Kunde von jenem Schatz, den Ihr Gatte mit seiner Hilfe vor unbefugten, habgierigen Blicken verbarg. Andrès würde ein willkommenes Opfer für Marquez sein, wenn er diesem in die Hände fiele, denn der Tyrann würde kein Mittel scheuen, um ihm das Geheimnis, das doch nur ich kenne, zu entreißen. Er wird Ihnen die wertvollen Depots, von denen ich letzthin schrieb, ausliefern, anbei folgt eine versiegelte Liste. Die eine Hälfte gehört Ihnen, während ich Sie ersuche, die andere Hälfte auf Dolores, meiner Tochter Namen, in der Bank von Frankreich zu hinterlegen. Señor Vargas kennt keine weiteren Details, weder über die Lage der Minen, noch über die Höhe der ihm anvertrauten Summe. Ich habe für alle Fälle einen alles aufklärenden Brief unter Ihrem Namen bei dem Erzbischof von San Franzisko versiegelt niedergelegt; im Falle meines Todes, wird er Ihnen unverzüglich zugestellt werden. Außerdem sandte ich seiner bischöflichen Gnaden, der immer ein treuer, aufrichtiger Freund und Berater meines armen Vaters gewesen ist, Ihr und Ihrer Fräulein Tochter letzte Bilder. Ich rate Ihnen, falls es irgend angängig, sofort herauszukommen. Bei Ihrer Ankunft in Mexiko instruieren Sie sich vorsichtig über alle Begebenheiten in Sonora, hüten Sie sich aber dabei vor dem intriganten mexikanischen Konsul. Meine Stellung ist durch Intrigen in der Hauptstadt selbst sehr gefährdet, und ich kann mich selbst nur durch Vorsicht und Klugheit halten. Ich würde fliehen, wenn ich nicht hierdurch unser ganzes Vermögen verlieren würde, eventuell muß ich mich entschließen, mich in Unterhandlungen mit meinem Todfeind Marquez einzulassen. Sollte ich trotzdem in Gefangenschaft geraten, so versuchen Sie schleunigst mit allen erdenkbaren Mitteln eine Verbindung mit mir herzustellen, und schlimmstenfalls mit Hilfe meines eigenen Kerkermeisters mein Entweichen zu ermöglichen.

In diesem Fall disponieren Sie getrost über mein ganzes Vermögen bei der Bank von Frankreich. Hören sie alles genau an, was Andrès Ihnen erzählen wird und dann überlegen Sie. Andrès darf keinesfalls jetzt zurückkehren, nicht einmal nach San Franzisko, denn er ist dort eine zu bekannte Persönlichkeit, da er im Santa Clara College erzogen wurde. Seine Anstrengungen würden durch Marquez Agenten und Spione vereitelt werden. Sie und Ihr Fräulein Tochter sind jedoch allen hier unbekannt, der größeren Sicherheit wegen würde ich auch noch einen Namenswechsel vorschlagen. Sie gehen, wenn Sie nach Guaymas kommen, einer großen Gefahr entgegen und ich mache mir ernstliche Vorwürfe über diesen Rat, andrerseits entschuldigt aber der Verlust Ihres ganzen Vermögens, der Sie durch meinen Tod treffen würde, meinen Vorschlag. Suchen Sie den Rat und die Hilfe eines klugen, treuen und zuverlässigen Freundes, der in Guaymas ganz fremd sein muß, zu gewinnen. Andrès wird Ihnen die hiesigen Zustände schildern.

Wir haben eine Geheimschrift für Telegramme vereinbart. Wenn man mich einkerkert, so geschieht dies hauptsächlich aus Furcht, daß ich eine organisierte, wohlbewaffnete Revolution in Szene setzen könnte, ich kenne trotzdem kein persönliches Angstgefühl, aber unser beiderseitiges Vermögen wäre unrettbar verloren. Seien Sie klug und vorsichtig und prüfen Sie vor allem den Mann ganz genau, dem Sie sich anvertrauen und verlangen Sie unbedingte Ergebenheit und absolutes Stillschweigen!

Ihr ganz ergebener treuer Partner

Matea Pesquiera.

Das ist der Inhalt des Briefes, dessen mündliche Ergänzung noch sonderbarer klingt, doch lassen Sie mich, ehe ich Sie mit Einzelheiten ermüde, das Hauptsächlichste zuerst erwähnen. Señor Vargas erhielt nämlich, kurz bevor er mich aufsuchte, von dem einzigen treuen Freunde, den er in Guaymas zurückließ, folgendes natürlich chiffriertes Telegramm:

„Matea im Kastel von Ures streng bewacht, doch augenblicklich noch keine Gefahr für sein Leben. Marquez in voller Macht, da er zum Gouverneur ernannt ist. Hilfe dringend notwendig!“

Nach einer kurzen Pause fuhr die Witwe fort:

„Jetzt, mein Freund, suche ich vor allen Dingen jenen treuen, klugen, mutigen Berater; ich erzähle Ihnen dies alles, weil ich weiß, daß ich mich auf Sie verlassen kann, trotzdem Sie mir ja, durch Ihren Beruf gebunden, wenig helfen können. An wen soll ich mich wenden? Ich weiß niemand, ich habe weder Bruder noch Sohn, den treuen Gatten nahm mir der Tod, während der schreckliche Bürgerkrieg alle seine Freunde und Gefährten in den blutgetränkten Ebenen von Kentucky niederwarf. Ich stehe verlassen – einsam in der Welt.“

Die schönen Augen verdunkelten sich durch Tränen, als Mrs. Delmar seufzend fortfuhr: „Jetzt erst fühle ich, was ich durch den Tod meines Mannes verlor.“

Wie rasch vergaß Goodloe alle schlauen Ratschläge Wainrights! Seine Blicke kreuzten sich mit den sehnsüchtig flehenden Augen Anitas, der die Aufregung Purpurrosen auf die Wangen zauberte und rasch entschlossen rief er aus:

„Mrs. Delmar, ich bin weder klüger noch mutiger als andere Männer, aber treu und zuverlässig bin ich, und da ich“, fuhr er leiser fort, „gerade ein Jahr Urlaub genommen habe, darf ich Sie vielleicht nach San Franzisko begleiten. Dort habe ich auch zwei treue erprobte Kameraden, und wir werden Ihnen vereint helfen, Señor Pesquiera zu befreien, damit er Ihre und Ihrer Fräulein Tochter Rechte wahren und seine eigenen Interessen gleichzeitig schützen kann. Erzählen Sie mir, bitte, deshalb alle übrigen Einzelheiten des Berichtes.“

Mrs. Delmar erhob sich und reichte Goodloe hocherfreut ihre Hand: „Mein Freund, wie erleichtern mich Ihre Worte und doch schwanke ich, ob ich Ihre Freundschaft, Ihre liebenswürdige, aufopfernde Freundschaft annehmen darf! Sie haben Freunde, eine Heimat, die sie erst vor kurzem nach jahrelanger Abwesenheit wiedersahen. Wie könnte ich Ihnen Ihr Opfer je vergelten?“

Eine leichte Röte stieg in Goodloes seegebräunten Wangen auf, als er einfach und herzlich sagte: „Mein schönes altes Graystone steht verlassen, auf seinem einsamen Kirchhof schlafen meine Eltern seit langer Zeit. Als mein Vater starb, stand ich in China, meiner lieben Mutter drückte ich zwei Jahre darauf die Augen zu. Ich bin ihr einziges Kind. – Kalt und einsam liegt das Schloß, keine Rauchwolke wirbelt zum Himmel empor, nur die Nachtwinde singen und seufzen erinnerungsvolle Melodien, die mich nicht dauernd fesseln können. Ich bin frei, ganz frei, deshalb verfügen Sie über mich.“

Über Pauline Delmars Züge, die seinen Worten aufmerksam gelauscht hatte, huschte ein Freudenschimmer als er schloß. Sie entgegnete:

„Dann will ich Ihnen alles erzählen; aber Sie müssen sich die ganze Sache doch noch einmal bis morgen ernstlich überlegen. Sollten Sie sich trotz allem entschließen, mein Bevollmächtigter zu werden, so sagen Sie mir bitte, womit ich Ihnen alles, was Sie tun werden, vergelten kann?“

Das überlassen Sie getrost der Zukunft. Ich muß doch überhaupt erst etwas leisten, ehe ich den kleinsten Anspruch an Ihre Güte erheben kann“, sagte Goodloe ernst. „Man muß dem Schicksal nicht vorgreifen. Vorläufig wird meine einzige Sorge darin bestehen, Ihnen zu dienen, und Pesquiera von seinen mächtigen politischen Feinden zu befreien.“

Pauline Delmar entging in ihrer Aufregung der liebevolle Blick, den Anita ihrem Lebensretter zuwarf, und der von diesem gleich einem Treueschwur erwidert wurde.

„Ich werde Señor Vargas gleich morgen nach Toulon senden; auf dem „Insurgente“ unter Kapitän Delmar, meinem Schwager, ist er in Sicherheit. Mein Schwager und meine Schwägerin mögen ihm später ein anderes Heim anbieten, er kann ja überall, wo er will, leben, außer in Mexiko und San Franzisko, wo er als Freund Pesquieras gefährdet wäre. Außerdem wird alles, was von mir abhängt, zur Befreiung Pesquieras geschehen.“

Die energische Tochter Kentuckys sagte dies lebhaft und mit blitzenden Augen. Schönheit und Mut waren die Zwillingseigenschaften ihrer Rasse.

Die drei Verbündeten sahen nun aufmerksam die Karten und Beschreibungen, die Vargas ihnen übergeben hatte, durch.

„Es scheint beinahe“, begann die Witwe, „als ob mein Gatte auf seinen Reisen vor unserer Heirat großen Einfluß über die Wilden von Yaquis erworben hat. Jener mystische Stamm, der zu den letzten Nachkommen der Azteken gehört, hat sich niemals den Mexikanern gebeugt. Das ganze weite Gebiet von Sonora ist noch unkultiviert, es erstreckt sich über das ganze Tal des Yaquis bis an den Golf von Kalifornien, lang ausgedehnte Bergketten bergen in ihrem Innern unermeßliche Schätze. Die tapferen wilden Söhne dieses Volkes kämpfen noch immer erbittert gegen Mexiko, in ihrer Erinnerung leben noch die Streifzüge des grausamen, blutgierigen Cortez und seiner Nachfolger, die mit Feuer und Schwert in ihr Land einfielen. Das Land ist noch gänzlich unerforscht, seine Einwohner wissen nichts von moderner Kultur, von Schießpulver und Druckerschwärze, und wehren sich mutig gegen das Eindringen jener nur zu oft blutgetränkten Hände der Fremdlinge. Ihre ganze Macht besteht in ihrer wilden Unerschrokkenheit und listigen Verschlagenheit. Mein Mann war der einzige Weiße, der unbekümmert um seine Sicherheit zeitweise unter ihnen gelebt hat. Die Häuptlinge dieser kupferfarbigen Rasse erkannten und schätzten seinen durchaus zuverlässigen Charakter, und setzten großes Vertrauen in sein medizinisches Wissen und seine chirurgische Gewandtheit, die er oft genug anwenden konnte. Aus Dankbarkeit weihte man ihn eines Tages in das vor der Habgier der Spanier wohl behütete Geheimnis einer reichen, unerschöpflichen Goldader am Port Guaymas ein. Man verriet ihm nicht nur die Existenz der Ader, sondern zeigte ihm den ganz genauen Platz und gestattete ihm ihre Ausbeute, deren Wert keiner der Eingebornen auch nur annähernd kannte. Mein Gatte hütete dies Geheimnis wohl, der einzige Mensch, dem er es aus Freundschaft und Klugheit zugleich anvertraute, war der Gouverneur Pesquiera, mit dem er einen Vertrag schloß, der die Yaquis vor militärischen Überfällen schützte, solange sie selbst den Frieden im Norden sowohl wie im Süden aufrecht erhielten. Dieser Waffenstillstand wurde jahrelang erhalten und nur Pesquieras Sohn und wir als meines Mannes Erben erfuhren die Existenz jener Goldmine, deren Spuren die Eingeborenen jedem fremden Auge verbargen.“

„Das ist ein seltsames Freundschaftsbündnis“, warf Goodloe ein, als Mrs. Delmar einen Augenblick pausierte.

„Ebenso eigenartig wie der Volksstamm selbst, mit dem es geschlossen wurde. Kurz und gut, Oberst Vargas war der einzige Zeuge der Unterhandlungen zwischen meinem Gatten und jenen märchenhaften Hütern unseres Vermögens. Pesquiera verstand es, solange er lebte, den Behörden die Quelle seines großen Einkommens zu verheimlichen, und mein Mann wollte mich mehr als einmal in die genauen Einzelheiten der Sache einweihen. Leider erfuhr ich nur sehr wenig, nämlich, daß der größte Teil der an Ort und Stelle roh zusammengeschweißten Goldbarren allmählich ganz vorsichtig in Guaymas gegen gemünztes Silber, das sowohl in China als in Ostindien sehr hoch im Kurs stand, umgetauscht wurde, während der Rest durch Vermittlung einiger großen Firmen in Europa sicher deponiert wurde. Nach Pesquieras Tod weihte mein Gatte dessen Sohn Matea in das Geheimnis ein. Durch Anitas Erziehung an Paris gefesselt, erhielt ich nur kurze Berichte. Ich hörte, daß die gegenseitigen Klauseln streng aufrecht erhalten wurden, daß mein Gatte seine regelmäßigen einsamen Wanderungen in die Moräste von Yaqui fortsetzte, und daß das in aller Stille weggeschaffte Gold nach Europa übergeführt wurde. In den letzten Jahren trat Matea Pesquiera an meines toten Gatten Stelle. Das Allerwichtigste kommt aber erst noch. Matea verbarg nämlich eine große Anzahl Silberdollars, die er zur regelrechten Ausfuhr angehäuft hatte, auf irgendeiner einsamen Insel, dort sind sie fürs erste sicher, später müssen wir sie, an der Hand des bei dem Bischof liegenden Briefes, aufzufinden trachten. Aber das ist alles noch nebensächlich, Josè Marquez kämpft um einen noch wertvolleren Preis. Der alte schlaue Gouverneur Pesquiera verbarg nämlich mit Hilfe meines Mannes ein beträchtliches Vermögen in rohem Gold in irgendeinem Schlupfwinkel, dessen Namen und Lage durch beider Tod ungenannt blieb. Sie wollten beide diesen Schatz einst im ruhigen Alter genießen, sagte doch mein armer Achille oft genug: „Anita wird einst eine fürstliche Mitgift erhalten.“ Obgleich alles so vorsichtig als irgend möglich gehandhabt wurde, schöpfte man doch aus ihren enormen kaufmännischen Unternehmungen Verdacht. Man beschuldigte sie einfach der Unterschlagung und Hinterziehung der Steuern, und deshalb mußten sie einen möglichst unauffälligen Artikel suchen, der ihren Schätzen ebenbürtig war. Land, Pferde, Herden haben in Sonora gar keinen Wert und so fand Matea Pesquiera, der würdige Nachfolger seines Vaters und meines Gatten, geraten, dem ungeheuren Schatz von Golfperlen, den jene gesammelt, so viel als möglich hinzuzufügen, und ihn jetzt, wo der Aufstand durch Marquez bevorstand, durch Vargas herzusenden. Sehen Sie, dieser Schatz ist es, der dem armen Andrès Vargas manche schlaflose Nacht bereitet hat.“

Mrs. Delmars öffnete vor Goodloes erstaunten Augen ein kunstvoll verschlossenes Kästchen, in welchem sorgsam auf Watte gebettet, eine Menge der köstlichsten Perlen lag. Manche von ihnen war würdig, im Diadem einer Fürstin zu glänzen, jede hätte dem schönsten Nacken zur unvergleichlichsten Zierde gereicht.

„Alles ist gezählt, beschrieben und gezeichnet und das Ganze war versichert, und nun bitte ich Sie, mein Freund, morgen das Weitere zu übernehmen. Übergeben Sie bitte alles meinem Banquier und beauftragen Sie ihn, sofort in London, Paris und Amsterdam zu verkaufen. Heute Nacht habe ich mir aus Vorsicht zwei alte handfeste Matrosen als Wache von Kapitän Delmar kommen lassen, denn Paris ist in jeder Beziehung ein gefährliches Pflaster.“

„Und was gedenken Sie weiter zu tun?“ fragte Goodloe, der ganz dicht neben Anita getreten war, deren Augen entzückt über die bläulichweißen und schwärzlichen Perlen hinglitten und die im Augenblick, mit dem Vorrecht der Jugend alles Ernste zu vergessen, nur daran dachte, wie ihr dieser herrliche Schmuck stehen würde, wenn man ihn als dreireihige Kette um ihren Hals legte.

„Natürlich werde ich zuerst versuchen, Matea Pesquiera in Freiheit zu setzen und ihm seine Stellung zurückzuerobern. Ich hoffe, daß wir einige mutige entschlossene Freunde finden werden, die durch Klugheit und List, und selbstverständlich viel Geld bis zu seinem Kerker dringen werden. Außerdem hoffe ich, daß die Yaquis, die noch heute wie vor tausend Jahren ihrem scheußlichen Götzen die blutigen Herzen ihres Kriegsgefangenen opfern, den eindringenden Mexikanern noch jahrelang den Weg zu der Mine versperren werden. Sollte der Gewalthaber Josè Marquez bald sterben, so wäre alles vorüber und Pesquiera gerettet. So aber dürfen wir nur mit größter Vorsicht gegen Marquez vorgehen, denn er würde Matea unter irgendeinem gesetzmäßigen, erfundenen Vorwand ganz kaltblütig niederschießen lassen und sich zu seinem Universalerben einsetzen, sobald er nur das Geringste ausspioniert hätte. Dolores, Mateas einziges Kind, ist vorläufig der Obhut der Klosterschwestern zu Guaymas anvertraut. Sie steht unter persönlichem Schutz des Bischofs Dominguez, und es wird nächst der Fortschaffung des geheimen Schatzes unsere Sorge sein müssen, das liebe Mädchen in absolute Sicherheit zu bringen. Erst nachdem dies alles geglückt ist, dürfen wir uns dem armen Pesquiera zuwenden. Wir müssen mit Hilfe des allmächtigen Goldes Marquez Sturz zu bewerkstelligen suchen, und dann von irgendeinem sicheren neutralen Hafenplatz aus über Pesquieras Freilassung verhandeln; denn eine einfache, durch Geld bewirkte Flucht, würde, selbst wenn sie gelingt, den Verdacht, irgendein politisches Verbrechen begangen zu haben, nur bestätigen und das National-Gouvernement würde eine dauernde Verbannung über Pesquiera verhängen. Dies könnte unserer Sache nur schaden. Ich allein kann freilich wenig oder gar nichts tun und deshalb frage ich sie noch einmal: Bleiben Sie bei ihrem so überaus großmütigen Anerbieten?“

Wann wünschen Sie aufzubrechen?“ erwiderte Basil Goodloe einfach.

„Sobald die Perlen sicher deponiert oder verwertet sind. In vierundzwanzig Stunden werden Sie uns bereit finden, ich werde mit allen Kräften um Anitas Erbteil kämpfen!“

„Nun, dann wären die Präliminarien wohl beendet“, entgegnete Goodloe. „Von Señor Vargas können wir uns noch heute verabschieden. Ich werde auf demselben Wege wie Sie nach New York gehen. Dort kann ich mich leicht als Marineoffizier auf Urlaub einführen. In San Franzisko können wir dann das weitere beraten.“

„Tausend Dank, mein Freund“, sagte Anitas Mutter froh, „ich lege unser Schicksal getrost in Ihre Hände. Jetzt möchte ich Señor Vargas rufen, damit er Ihnen noch Einzelheiten über die Situation in Guaymas mitteilt. Da er kein Mitverschworener ist“, setzte sie liebenswürdig lächelnd hinzu, „brauchen Sie ihn ja in nichts einzuweihen. Späterhin können wir ihm brieflich unsere falschen Namen mitteilen. Jetzt kann er nach Toulon zu Kapitän Delmar gehen, der ihn auf das Liebenswürdigste aufnehmen wird.“

„Ich bitte noch um einen kurzen Augenblick Gehör“, bat Goodloe, dem plötzlich Wainrights kluge Worte einfielen. Er schilderte in kurzen Strichen die eventuelle Verwendbarkeit seines früheren Stubengenossen und jetzigen Vorgesetzten. „Ich sehe jetzt meinen Weg so klar vor mir liegen, wie die ersten Züge des Schachspiels. Wir werden in Harry Wainright den gewandtesten Helfer zur unauffälligen Hebung des Schatzes finden, und außerdem ist sein Schiff, unter dem Sternenbanner, der sicherste Zufluchtsort für die schöne Miß Dolores. Das übrige wird sich dann auch machen lassen. Pesquiera wird sich noch eine zeitlang gedulden müssen, aber wir dürfen nicht ermüden, bis wir eine geheime Verbindung mit ihm durchgesetzt haben. Ich werde Señor Vargas bitten, mich noch heute abend genauer zu instruieren. Außerdem möchte ich Sie ersuchen, die Angelegenheit mit den Perlen lieber selbst zu erledigen und gleichzeitig Dispositionen für einen längeren Aufenthalt in New York zu treffen. In jenem großen Babel wird Sie niemand beargwöhnen, dort hat jeder mit sich selbst genug zu tun. Und jetzt gestatten Sie mir, daß ich mich entferne, denn ich möchte die letzte knappe Zeit der Damen nicht noch beeinträchtigen.“

Zehn Minuten später saßen Goodloe und Vargas bei einer trefflichen Havanna im Hotel Athenée, und beratschlagten bis tief in die Nacht. Als Goodloe endlich sein Lager aufsuchte, murmelte er: „Dieser Vargas ist wirklich ein gefühlvoller anständiger Bursche. Er ist ein Typ des besseren mexikanischen Adels.“

Basils Herz schlug heftig, als er noch einmal die kommende Zeit überdachte, die ihn an Anitas Seite in bewegte, abenteuerliche Zustände bringen würde, und er glaubte, der Geliebten strahlende Augen zärtlich auf sich gerichtet zu sehen und sie flüstern zu hören: „Nun werden Sie mein einzig schönes Sonora, sein blaues Meer, seine großen, in den Himmel ragenden Sierras in purpurner Beleuchtung sehen. Sie werden an meiner Seite sein, wenn ich in mein fernes Heimatland zurückkehre.“

Froh und glücklich erhob sich Goodloe am nächsten Morgen. Sein Diener hatte, ohne die geringste Neugier zu verraten, die nötigen Reisevorbereitungen begonnen, und er brauchte, als er von einigen Ausgängen zurückkehrte, ihm nur noch die letzten Anweisungen zu geben und dann gemeinsam mit den beiden Damen den Nachtzug zu besteigen, der sie dem französischen Dampfer zuführte.

Madame Delmar und ihre Tochter hatten offiziell Paris verlassen, vierzehn Tage später konnte man sie als Mrs. und Miß Woodford in dem großen alten Brevaorthouse in New York begrüßen.

Ob die beiden schönen Frauen Schwestern, oder wirklich Mutter und Tochter waren, wußte außer ihnen selbst nur der elegante Seeoffizier, der sie begleitete.

Der fliegende Eisvogel

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