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2.3 Möglichkeiten und Grenzen der Marktforschung

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Die Marktforschung bietet nicht nur viele Möglichkeiten, sie hat auch ihre Grenzen. Beides muss der Marketingpraktiker kennen. Dies bewahrt ihn im konkreten Fall vor unrealistischen Erwartungen an eine Untersuchung und erlaubt ihm, den effektiven Nutzen der Angebote von Marktforschungsinstituten besser beurteilen zu können.

Die Mehrzahl der im Abschnitt 2.2 vorgestellten Studientypen benutzt Befragungsmethoden, um die gesuchten Daten zu beschaffen. Die Möglichkeiten und Grenzen der Marktforschung werden in diesen Fällen wesentlich durch die Auskünfte bestimmt, welche die befragten Personen geben können und geben wollen.

Befragte können relativ präzis und verlässlich Fragen beantworten, die sich auf Angebote und sonstige Marketingmassnahmen beziehen, zu denen sie aktuelle oder nicht zu lange zurückliegende Erfahrungen besitzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Fragen sich auf objektiv feststellbare Dinge beziehen wie etwa die Häufigkeit oder Intensität des Konsums bestimmter Produkte, die Art der Produktverwendung oder demographische Merkmale der Person (Alter, Familiengrösse, Ausbildung etc.). Bereits etwas unsicherer, aber doch noch recht verlässlich sind im allgemeinen Aussagen über zum Zeitpunkt der Befragung vorhandene Präferenzen, Vorstellungen, Einstellungen (z.B. Qualitätsurteile, Preisvorstellungen, Urteile über Werbeaussagen).

Bedeutend wird die Unsicherheit der Befragten und damit auch ihrer Antworten, wenn sie über Dinge Auskunft geben sollen, zu deren Beurteilung ihnen die Erfahrung fehlt. Dieser Fall liegt etwa vor, wenn Untersuchungspersonen präzisieren sollen, ob, in welcher Menge oder zu welchem Preis sie ein ihnen vorgestelltes, völlig neuartiges Produkt im nächsten Jahr kaufen werden. Wie die Marktforschungspraxis zeigt, werden die Aussagen umso unzuverlässiger, je weniger das neue Angebot den bisherigen Erfahrungen der Befragten entspricht bzw. je neuartiger es ist. Zur Illustration dieser Problematik werden z.B. Untersuchungen zitiert, die im Zusammenhang mit der Einführung des heute selbstverständlichen schlauchlosen Autoreifens durchgeführt wurden.5

Diese Untersuchungen brachten regelmässig nur unsichere, eher negative Ergebnisse, weil sich die Befragten nicht vorstellen konnten, dass der schlauchlose Reifen die “Luft hält” und die behaupteten Produktvorteile (selteneres “Platzen”, grössere Unfallsicherheit) wirklich aufweist.

Aus diesen Schwierigkeiten sollte nicht geschlossen werden, dass Marktforschung Fragen, die sich auf künftige Tatbestände bzw. auf die Zukunft beziehen, gar nicht stellen sollte. Die Marktforschung hat durchaus Techniken entwickelt, die es erlauben, auch zu derartigen kritischen Themenbereichen für das Marketing interessante Daten zu beschaffen. Die aufgezeigten Grenzen führen jedoch dazu,

• dass Marktforschung zur Kontrolle und Problementdeckung sowie zur Beschreibung (Situationsanalyse) vergleichsweise verlässliche und sichere Daten liefert, da sie an konkreten Erfahrungen der Befragten anknüpfen kann,

• während Marktforschung zur Wirkungs- und Verhaltensprognose, zur Ideengenerierung und -auswahl (dem so genannten Screening) eher nur wenig sichere und häufig stark interpretationsbedürftige Aussagen bereitstellen kann.

Weniger verlässliche Aussagen sind auch dann zu erwarten, wenn die Befragten über Dinge Auskunft geben sollen, die ihnen wenig oder kaum bewusst sind. Dies trifft z.B. zu, wenn durch Befragung die effektiven psychischen Kaufmotive oder auch nur die echten Kaufkriterien und ihre Bedeutung für die Befragten zu ermitteln sind. Konsumenten kennen insbesondere bei weniger rationalen Kaufentscheiden kaum ihre wirklichen Motive oder wollen sie nicht nennen, weil sie als rationale, vernünftig entscheidende Menschen erscheinen möchten. Es besteht dann die Gefahr, dass die Befragten nicht die wirklichen, sondern aus ihrer Sicht “rational” erscheinende Kaufgründe anführen. Speziell bei persönlich oder gesellschaftlich heiklen Themen wie Sexualität, Ausländer, Krankheiten oder Alter sagen die Befragten eher das, “was man sagen sollte” (was “sozial akzeptabel” ist), als das, was sie wirklich meinen. Aus dem gleichen Grund muss man auch damit rechnen, dass Urteile über die als Auftraggeber einer Befragung erkannte Firma und ihre Leistungen tendenziell zu positiv ausfallen.

Es ist jedoch zu betonen, dass die aufgezeigten Schwierigkeiten nicht als absolute Grenzen der Marktforschung zu interpretieren sind. So ist es z.B. durch Einsatz von Messgeräten der “apparativen Marktforschung” durchaus möglich, die psychische Anspannung, die emotionale Erregung oder die besondere Aufmerksamkeit direkt (z.B. durch Ermittlung der Veränderungen des Hautwiderstandes oder der Veränderungen der Pupillengrösse) festzustellen und damit in weniger bewusste Bereiche der Psyche vorzudringen. Zudem wurden verschiedene interessante Fragetechniken entwickelt, die es erlauben, die Filterwirkung der erwähnten Tendenzen zur Rationalisierung oder zur sozial akzeptablen Selbstdarstellung zu umgehen bzw. zu verringern.

Die angedeuteten Probleme führen jedoch dazu, dass Marktforschungsergebnisse in diesen Bereichen unsicherer bzw. interpretationsbedürftiger sind und dass mehr professionelles Marktforschungswissen nötig ist, um durch problemgerechte Studiendesigns und Fragestellungen zu verlässlichen Informationen zu kommen.

Mit der letzten Bemerkung wird auch angedeutet, dass die Möglichkeiten und Grenzen der Marktforschung stark von der Qualität der Planung und Durchführung entsprechender Studienprojekte abhängen. Im einzelnen geht es hierbei u.a. um Fragen der Bestimmung der Studien- bzw. Testmethode, der systematischen, repräsentativen Auswahl der befragten Personen/Unternehmen, der Sicherung der Qualität des Fragebogens, der Interviewer und Studienleiter sowie der Zweckmässigkeit und Professionalität der Auswertung. Marktforschung, welche die vom Marketing gestellten Aufgaben erfüllen soll, verlangt deshalb ein entsprechend fundiertes Wissen und Können, das im Allgemeinen nur von Marktforschungsspezialisten geboten werden kann. Ihr Können kommt jedoch erst dann zum Tragen, wenn sie präzise, für sie verständlich und nachvollziehbar über die Problemstellung informiert werden. Deshalb setzt ein erfolgversprechender Einsatz des Instrumentes Marktforschung gegenseitiges Verständnis zwischen den Marketingverantwortlichen und den Marktforschungsspezialisten voraus. Dazu ist es nicht nötig, dass die Marketingverantwortlichen alle technischen Details eines Studienplanes oder Testaufbaus verstehen. Sie müssen jedoch genügend Methodenverständnis mitbringen und die Fachsprache der Marktforschung so weit beherrschen, dass sie in der Lage sind, klare Marktforschungsaufträge zu formulieren, Methodenvorschläge der Marktforscher zu kritisieren und Marktforschungsergebnisse zu beurteilen bzw. zu interpretieren. Die nachfolgenden Ausführungen sollen hierzu einen Beitrag leisten.


1 Die im Rahmen der Marktforschung für Absatzmärkte entwickelten Methoden werden heute auch zur Erforschung anderer Märkte, z.B. zur Erforschung von Beschaffungsmärkten, Personalmärkten usw. eingesetzt. Im vorliegenden Zusammenhang wird auf eine Behandlung dieser Ausweitungen der Marktforschungsthematik verzichtet.

2 Vgl. auch Kuss, A. (2004), S.42

3 Externe Beeinflusser sind Personen oder Organisationen, die weder dem Zwischenhandel noch den Haushalten oder professionellen Abnehmern zuzurechnen sind. Sie beeinflussen jedoch als Berater oder Mitgestalter öffentlicher Meinungsströme von aussen die Käuferentscheide oder das Verbrauchsverhalten und stellen deshalb häufig eine zusätzliche Zielgruppe für Marketingmassnahmen dar. Vgl. auch Kühn, R./Vifian, P. (2004), S. 30.

4 Vgl. dazu auch Wyss, W. (1991), S. 77 f. und zu den im Text in Klammern verwendeten Begriffen Kepper, G. (1994), S. 133 ff.

5 vgl. Perdriau, P.W. (1965), S. 149 ff

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