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Achtsamkeit und Interpretation

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Wir sind also die Interpreten dessen, was wir sehen, fürchten, ersehnen, begehren oder worauf wir reagieren. Am Ende des Tages ist es unsere Deutung jedes Ereignisses oder jeder Begegnung, die überlebt. Wenn wir keinen quasi natürlichen Zugang zu einem größeren Rahmen haben, den uns eine gesunde Religion zur Verfügung stellen sollte, werden wir einen Großteil des Lebens in sehr engen Boxringen zubringen und weitgehend sinnlose Kämpfe ausfechten, die auf unsere unbewiesenen und egozentrischen Meinungen über das jeweilige Geschehen zurückgehen.

All dies hängt großenteils davon ab

- welch innerer Speicher uns zur Verfügung steht,

- welch innerer Speicher leer ist und nach Füllung lechzt,

- womit genau unser Speicher

gefüllt ist.

Dies erfordert tägliche und aufrichtige Wachsamkeit und ist das Herz jeder Spiritualität.

Authentische Spiritualität verlangt ständig nach „täglich Brot“, um die hungrigen Anteile unserer Seele zu nähren, und nach „frischem Wasser“, um unseren Tank zu füllen anstatt den trüben Gewässern zu erlauben, Toxine und giftige Algen zu entwickeln – was in der Regel langsam, aber sicher und unbewusst geschieht. Deswegen sagen Jesus und Buddha beide: „Bleib wach!“ Achtet auf die Linse, durch die wir den Augenblick lesen. Wir alle haben bevorzugte und eingeübte Aufmerksamkeitsstile. Wir müssen unseren eigenen entdecken – oder wir werden die Dinge nicht wahrnehmen, wie sie sind, sondern sie eher so sehen, wie wir sind! Es ist eine lebenslängliche Aufgabe des Spiegelputzens. „Ich“ bin immer mein erstes Problem, und erst wenn ich mich mit „mir“ auseinandergesetzt habe, dann kann ich mich wesentlich effektiver mit anderen Dingen befassen.

Das wahre Geschenk ist es, glücklich und zufrieden zu sein, selbst wenn wir bloß auf der Veranda sitzen und einen Stein betrachten; oder wenn wir einfach etwas „Unnützes“ tun, wie zum Beispiel beten oder voller Freude irgendetwas ganz Banales anschauen; oder wenn wir sehen und akzeptieren und sagen können, dass jeder einzelne Akt der Schöpfung ist, was er ist, ganz da – und dadurch zulassen, dass dieser Moment sein Wunder in uns wirkt. Dies ist der ultimative und echte Augenblick der Genesung. Echte Genesung von Abhängigkeiten hat nicht so sehr mit „Ausnüchterung“ zu tun als viel mehr mit einer einfachen und immer tieferen Verbundenheit mit allem, was ist. Tiefe Verbundenheit ist unser Ziel und befreit uns von jeder Einsamkeit, Isolation und Langeweile; sie geht weit darüber hinaus, nur das Suchtverhalten zu stoppen. Das ist erst einmal nur Aufräumen oder vielleicht sogar Reifen; aber letztlich geht es ums Aufwachen!

Also lerne, geh hin und genieße, und ruhe in innerer Zufriedenheit und in Seelenfrieden – ein voller Tank mit frischem Wasser, sowohl vor dem Erfolg als auch nach dem Scheitern – und dann besitzt du einen Schatz, den dir keiner wegnehmen oder geben kann. Du wirst bereit sein für viele Augenblicke des Staunens - und du wirst zu jener Hingabe fähig sein, die eine grundlegende Einheit und Freude mit sich bringt.

Denke dran: Der gesamte Prozess beginnt meist mit einem langen lustvollen Moment des Staunens, einem durch und durch ehrlichen Moment, in dem man sagt: „Ich bin ganz da!“ Und wie Jesaja es verheißen hat, wirst du erkennen, dass jeder Augenblick ruft: „Ich bin hier! Ich bin ganz da!“

Ganz da

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