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Die Fahrensleute - Anmustern und Heuer

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Um als Matrose oder Steuermann auf ein Schiff zu kommen, eine Schanz zu erhalten, bedurfte es vor hundert Jahren keines besonderen Arbeitsvertrages: Up goot Wuurt würden se anmustert früher. Auch die Arbeitsvermittlung selbst will uns heute merkwürdig erscheinen: De Madrosen hadden in Rostock ehren Gang von de Blootstrateneck an ’n Rathuus roewer, dor würden se denn anspraken. De Madrosen güngen dor, wo de Botterwagens hölen, up un daal – de Stüerlüd uppe anner Siet, wo de Laden von Schomann is. Denn kemen de Schippers un hüerten sik dor de Lüd. Wenn se man ierst eenen hadden, dee besorgte denn de annern. – Wenn Seelüd in Rostock in ’n Winter to Huus wieren, güngen se morgens von Klock nägen bet teihn up ’n Markt spazieren un vertellten sik wat. Se güngen in de Midd von ’n Markt von ’n Schoren na de Blootstraat hen. Denn keem de Hüerbaas. Denn frögen em de Madrosen: Hest du ’ne Schanz? Ja, up dat un dat Schipp. Dee em goot spicken deden, würden vörtreckt. Kröpelin, Feihstel un Stahl wieren de dree Hüerbaase in Rostock. Einen solchen Stellenvermittler für Seeleute hat es offenbar nicht immer gegeben. Hier in Wismar würd früher uppe „Schippergesellschaft“ in de Hog’straat mustert un afmustert. Naher ded sik hier ok ’n Hüerbaas up.

Man begann schon sehr früh im Jahr mit dem Anmustern der Mannschaft. Wenn ’t Fastelabendsmarkt wier hier in Wismar, würden de Seelüd mustert. In Warnmünd söchte sik de Schipper enen ölleren Madrosen, dee den Besatz tosamen sammeln ded.

Auf dem Fischland, wo sich Schiffer und Matrosen in den Dörfern im Winter täglich trafen, ging das Anheuern natürlich besonders zwanglos vor sich, und ein Vermittler war lange unnötig. Ik heff nie ’n Hüerbaas bruukt, von jung an nich. Ik heff mi ümmer sülben meld’t. – As de Wustrower Schäpen verköfft würden, müssten wi na ’n Hüerbaas in Rostock. Vörher verhüerten wi Olthäger uns sülben in Wustrow.– De Oewerwaterschen (de Fischlänner) kemen mit ’t Fährboot oder mit ’n Buern sinen Gootwagen hierher na Ribnitz.


Im benachbarten pommerschen Wustrow gibt es viele alte Kapitäns-Häuser mit wunderschön behalten Haustüren – Foto von Jürgen Ruszkowski

Im Gegensatz zum Fischland gab es auf dem Darß wenig Schiffer; deshalb kamen Darßer jedes Jahr in großer Zahl nach Wustrow, was damals besonders auffiel, weil sie aus dem „Ausland“ über die Grenze kamen. Wi hadden ümmer preußsche Lüd an Buurd von’n Darß. Dee kemen Winters oewer Ies un verhüerten sik hier in Wustrow bi de Schippers. De Darßer sünd schowenwies na Wustrow gahn un hebben sik dor verhüert. Een hett mal to minen Vadder seggt: In ganz Mäkelborg is keen Schanz to krigen as bi Daniel Dade mit de groten Toppsägel (dee sünd nich fasttokrigen wäst, dorüm hebben se up dat Schipp nich up fohren wullt). – De Darßer kemen oft all bi Harwstdag un möken sik hier fast. Es wird aber auch berichtet: De Darßer kemen in ’n Frühjohr, as de Seelüd üppig wieren, in blaugaschen Ünnerjacken un verhüerten sik hier in Wustrow as Madrosen. Denn säden wi: De Darßer hungert.

Die Erinnerung an Zeiten der Arbeitslosigkeit kehrt in den Erzählungen der Alten immer wieder. Een Tiet lang wier slecht weggtokamen na buten, väl künnen keen Schanz krigen. Dor wieren tietwies mihr Katten as Graden (mihr Adeboors as Poggen), das heißt, mehr Matrosen als Stellen auf den Schiffen. Stüerlüd geew dat ’ne Tietlang so väl – dee hebben twee un dree Mond umsüss führt. So hebben se den Hüerbaas smeren müsst. Ik hadd mien Stüermanns-Examen maakt, oewer ik künn keen Schanz krigen as Stüermann; dor heff ik as Madroos fohren.

Glücklichere Zeiten, wo „de Seelüd nich üppig“ waren, gestatteten es den Matrosen, vorsichtig in der Wahl ihres Schiffes zu sein. De Schipper säd woll, wenn he hüern wull: Mien Schipp hett ’ne nie Kombüüs krägen, Äten und Drinken is goot. De Hüerbaas Lübke in Ribnitz säd oft to de Madrosen: Witten Kohl un Hamelfleesch, is dat nich 'n goot Äten? Ja, hebben de Madrosen denn seggt, wie krigen ’t man nich!

Eine zweite Hauptbedingung – typisch für den Fahrensmann, dass es erst die zweite nach gutem Essen war– bestand darin, ein tüchtiges, seefestes Schiff zu finden, keinen „Seelenverkäufer“. De Hüerbaas säden oft ut Spaß, wenn se ’n Schipp laben wullen: Dee is kopperfast bet an de Brammsaling oder bet an ’n Flaggenknoop. – De Hüerbaas Lübke in Ribnitz säd to de Madrosen, dee he anhüern wull: Kopper bet an de Brammsaling, Schipp stüert mit ’n Rad.

Der Heuerbaas hatte allerdings Interesse daran, das Schiff zu loben, denn: De Hüerbaas kreeg von ’t Schipp betahlt. So hatten die Heuerbaase, um zu Geld zu kommen, in der Anwendung der Mittel oft ein sehr weites Gewissen, und die Seeleute bedachten sie mit entsprechenden Beinamen: „Rundbrot“ würd de Hüerbaas Feihstel nennt – dat wier so ’n lütten Dicken. „Haifisch“ wier Kröpelin, dee läwt noch – dat wier so ’n Groten. Een Hüerbaas würd ok „Seelenverköper“ schullen.

Häufig geschah es, dass ein Schiff, das mit vollständiger Besatzung ausgelaufen war, unterwegs Leute verlor. Es war dann schwierig, Ersatz zu bekommen, und was sich meldete, wurde angenommen. Wenn n Schipp ut de Dock keem un hadd nich noog Lüd – wenn von den Besatz weck utbimmst wieren –, denn stünnen dor uppe Dockpier Seelüd mit ’n Bünzel unnern Arm un frögen, ob se an Buurd künnen. Dat nennten wi up engelsch „Pierhettjumpers“ (pier head jumpers). Dee würden denn in ’n nächsten Haben mustert, wenn se an Buurd bliben wullen. Dabei dürfte es sich häufig um „Abgelaufene“ gehandelt haben.

Durch das Neuanmustern in fremden Häfen kam es natürlich zu einer internationalen Mischung, was auch im Sprachlichen seinen Niederschlag fand: Wenn väl aflopen wieren un anner Lüd in de Habens anmustert wieren, denn wier ja alles een mank “n anner - denn würd engelsch spraken.

Es kam in jener Zeit Wohl ziemlich selten vor, dass mecklenburgische Seeleute desertierten: Aflopen, an Land stiegen, utstiegen, oewer de Reeling gahn - das waren die seemännischen Ausdrücke hierfür. Es fanden sich jedoch immer einzelne, die heimlich vom Schiff gingen: Dat gifft jo ümmer

weck, dee na de Welt rin willen, dee lopen af.

Wenn een leddig un los wier, wier dat Aflopen jo nich gefährlich, oewer wenn een Fru un Kinner hadd, wier dat bäter, wenn he nich aflopen ded (von wegen „Treckschien“). – Dee ’n bäten perrt wieren an Buurd, wiel se nich väl verstünnen, dee sägelten gliek oewer Buurd, wenn wi in ’n Haben ankemen. Bi ’t Schippfastmaken lepen öfter all weck wegg. Solche Flüchtlinge wurden von den anderen Matrosen gering geachtet. Man vermisste bei ihnen den rechten „Murr“: Een Johr kann ’k uthollen, un wenn ’k bi ’n Deuwel sülben fohren sall! –- Wenn een wegglopen wier von ’t Schipp in ’n frömden Haben, dee würd veracht ’t. Dee is oft in fief, söss Johr nich wedderkamen. Oft is he ganz in de Frömd bläben. Noch schärfer kommt die Verachtung im folgenden Ausspruch zum Ausdruck: Dee utstägen wier, wier veracht ’t, as wenn he ’n Verbräker wier.

Eine solch schroffe Einstellung entstand namentlich dann, wenn man merkte, dass manche Leute aus dem Ablaufen geradezu ein Geschäft machten. Packerotten sünd so ’n Seelüd, dee von een Schipp aflopen un sik Vörschuss gäben laten för ’n anner Schipp un denn ok wedder aflopen. Se kregen ’n Schien – den verköfften se an ’n Slaapbaas un lepen af. Schließlich verkamen solche Matrosen oft völlig: Beachcombers sünd so ’n, dee aflopen sünd un keen Geld hebben un in ’n Haben spazieren gahn. Ik heff se nie an Buurd laten, se wieren oft verlaust. – Bitschkammer seggt de Engelsmann, wi seggen Rümdriwer.

Aber auch Mitleid mit dem Schicksal solcher „Deserteure“ konnte aufkommen. En Jung is mit sössteihn Johr uppe ierst Reis aflopen von ’t Schipp un nich wedder na Huus kamen. Se hebben ümrner luert, oewer he hett nich schräben. Grad in dat Johr, as sien Mudder storben is, is he wedderkamen – dor is he föfftig Johr olt wäst. En Breef hett jo ’n Daler kost’t dunnmals. – Ik wier mal in Ostafrika. Dor drööp ik enen Warnmünner, dee wegglopen wier. Naamkünnig geew he sik nich. Adschüüs, Heinrich, säd he, as wie utgüngen, ik hüür dor to Huus, wo de Jöllen to Huus hüren. – Hüter ut Warnmünd is ok wegglopen in ’n frömden Haben (in Holland) un hett sik schämt, wedder na Huus to kamen. Na ungefihr soeben bet teihn Johr is he trüggkamen. Dor hett sien Mudder em fragt, ob he sik ok wat erspoort hett. Ja, Mudder, hett he seggt, dat liggt all in Madrid uppe Bank (dat hett he bloot so seggt).

Für den Schiffer war es selbstverständlich ein Stolz, wenn bei ihm keine „aflepen“: Ik hadd so ’n Lüd, dee lepen nich. Tatsächlich blieben die meisten Matrosen möglichst lange auf einem Schiff. Ihre Verpflichtung ging von Heimathafen zu Heimathafen. De Anmusterung güng „von Huus to Huus“; de Kosten för de Reisen rnüsst de Schipper dragen.

So geschah es nicht selten, dass ein Matrose bis zur Invalidität auf demselben Schiff fuhr, und man sagte wohl von ihm: Dat is ’n oll Inventoorstück. – Weck hadden sik ganz verewigt up een Schipp, wat uppe Oost- und Nuurdsee fohren ded. Wenn een sik so inläwt hett up een Schipp, seggen wi: Dat is so ’n oll Huuskrüüz, dee geiht nich ihrer af, as bet de groot Mast geiht. – Ik fohrte mal mit enen Boosmann, dee wier sössteihn Johr an Buurd. Dee hadd mihr to seggen as de Schipper – vergäws is jo een nicht so lang up een Schipp. – Dat moegen de Madrosen nich, wenn ’n Huuskrüüz an Buurd is; dat is jo oft den Schipper sien rechte Hand, noch to, wenn ’t ’n bäten Verwandtschaft wier mit den Schipper. Se hadden Angst, wenn wat passiert wier, dat dee dat achterrut dröög na ’n Ollen.

Besonders beliebt waren die „Langreisen“. Hier hatten die Matrosen ein ruhigeres Leben. Die Möglichkeit, Ersparnisse zu machen, war weit größer. Wi fohrten giern bi ’n eigen Schipper (dem das Schiff allein gehörte), dee hadd keenen Korrespondenten. Dee nehm denn Twischenladung bi Langreisen up eigen Gefohr. – Wi sehgen to, dat wi up Hamborger Langreisschäpen ankemen. Ik heff mal soebenundörtig Monat in eenen Törn fohren (mit Twischenreisen). – Wi legen in Altona un St. Pauli in de Slaapstäd. Wenn een ’ne grote Reis mustern ded na Australien oder de Südsee, denn müsste he den Baas mihr gäben.

Es gab auch ein Anmustern nicht für die ganze Fahrt, sondern für bestimmte Routen. Dee „uppe Rund“ (uppe Rönn), so würd seggt, an ’n annern Plaats fohren deden, dee musterten bloß von eenen Haben to ’n annern. Dee kregen keen Maandshüer. – För de Rönn-Mustern säden wi, wenn man sik bloot för een Reis anmustern leet, to ’n Bispill ’n Schipp, wat hier in Rostock anköfft wier, na Hamborg to bringen. – Rönners nennten wi so ’n Madrosen, dee sik bloß up een Reis anmustern leten.

Hatte ein Schiff Ausfall an Mannschaft – was oft nicht zuletzt Schuld des Kapitäns war –, so wurde ein Vermittler beauftragt, Leute zu werben. Er bekam unter dem Zwang der Not gute Provision. Um Matrosen an Bord verrufener Schiffe zu bringen, genügte oft seine Überredungskunst nicht. Es wurden die gemeinsten Mittel angewandt: De Slaapbaas wier oft togliek Hüerbaas. Oft maakte he de Lüd besapen, dat se ierst up ’t nie Schipp upwaken deden; wi säden denn: De Slaapbaas hett dien Geld inne Tasch, un du hest ’n Schät up ’n Moors.

Allgemein spielte der Alkohol dabei die Hauptrolle. In Amerika wieren oft Agenten, dee maakten de Lüd snirrtenduun, dat se ierst up ’t nie Schipp upwaken deden; Schanghaien ward dat nennt. Ik heff dat mal beläwt, dat wi en anner Schipp de Anker uphiewt hebben, bloot dat de Slääpdamper mit dat Schipp losgahn künn: De ganze Besatz wier duun. – In Philadelphia heff ik dat eens sehn: Nüchtern wier keen een, de Rönners stöddten se wedder trügg, wenn se wedder run wullen von Buurd.

Auch das Geschäft der Abwerbung blühte. De Hüerbaase in de frömden Habens schickten ’n Rönner ut, dee de Lüd von Buurd weggsnacken süll. De Rönners wieren meist frühere Seelüd, dee schanzten de Lüd den Slaapbaas to. Landhai würden de Rönners ok nennt. – De Rönners snackten ehr alles Goods in – dat leewt jo (gefällt den Leuten). Ierst lockten se de Lüd von ’t Schipp – dat Tüüg würd heimlich von Buurd smuggelt –, un denn verhüerten se se. Denn würd seggt: De Rönner hett dien Maandsgeld inne Tasch stäken, un du geihst nu mit ’n naakten Moors. Desülwig Rönner verköffte mitunner de Lüd wedder an den Schipper trügg: „Dor sünd s’!“ Das heißt also: Der Rönner beschwatzte die Leute, ihr Schiff zu verlassen, nur um nachher von ihrem eigenen Kapitän die Fangprämie zu bekommen.

Natürlich wurden die Matrosen allmählich misstrauisch. Um sie in Sicherheit zu wiegen, gingen die Rönner selbst mit an Bord. De Rönners güngen oft mit an Buurd. Wenn dat Schipp denn utgahn wull – bautz, wieren se wegg. Wenn ’t nich anners güng, swemmten se an Land. Auch vor schweren Passfälschungen schreckten sie nicht zurück. De Rönners hadden ümmer Pässe in de Westentasch. Wenn en Madroos keen Papieren hadd, säd he: Hier, söök di een ut, dee am meisten passen deit.

Ein merkwürdiger Ausdruck für das Anheuern wider Willen war „Schanghaien“. He hett mi verschanghait, säden wi. Die Bezeichnung führte man auf einen Personennamen zurück. Shanghai-Brown in New York hett de Madrosen besinnungslos maakt (he hett ehr woll wat ingäben), dat se up ’n anner Schipp kamen sünd. Wahrscheinlich war aber der Ausdruck schon älter, und dieser Brown hatte den Namen wegen der betreffenden Tätigkeit bekommen.

Über die Höhe der Heuer liegen keine genauen Angaben vor. Ein Kapitän teilte dazu mit: Als ich Matrose war, betrug die Heuer 36 Mark, nachher wurde sie auf 45 Mark erhöht.

Im Allgemeinen setzte die richtige Lohnzahlung erst ein, wenn das Schiff reisefertig war. Wenn dat Schipp reisfarig wier, würden de Madrosen anmustert (in Wismar), vörher hadden se in Daglohn arbeit’t. Denn kregen se jo halw Maandsgeld in vörut. Denn würd dull sapen! Als einträglich galten die Langreisen. Bi Langreisen müssten wi uns up twee Johr verhüern. Wenn de Reis länger duern ded, müsst de Schipper mihr gäben. – Up twee Johr müssten wi uns up Rostocker Schäpen verpflichten, wenn wi nich vörher in ’n düütschen Haben kemen. Denn dörften wi afmustern.

Im Übrigen standen dem Kapitän gewisse Sonderregelungen zu. Wenn in frömd Habens Madrosen annahmen wieren un dat stellte sik rut, dat se de Arbeit nich verstünnen, denn kregen se man halw Hüer. – Wenn ’n Mann nich fähig wier, de Arbeit to maken, dee he oewernahmen hadd, künn he daalsett’t warden in de Hüer, dat wier Gesetz. Andererseits wurde auch besondere Leistung extra bezahlt. De Madroos kreeg ’n Daler mihr in de Maand, wenn he de Verpflichtung oewernehm, de Sägel heiltomaken.

Ein Teil der Heuer wurde wie gesagt vorweg bezahlt, damit die 'Matrosen notwendige Anschaffungen für die Reise machen konnten: Wi kregen Advance (Vörschuss). Bi dat Anmustern geew dat een Maandsgeld, dorvon kreeg de Hüerbaas gliek ’n Daler. Ik heff von Amerika ut fohren. Twee Mond kreeg ik uppe Hand. Die restliche Heuer wurde am Ende der Reise ausbezahlt. Bei längeren Reisen hatte man aber schon vorher Anspruch auf einen Teil der Heuer: Wenn een söss Monat fohrt hadd, künn he ’n halben Verdeenst verlangen.

Und wie stand es mit der Familie des Seemanns? Wie ernährte die Frau sich und die Ihren, bis der Mann zurückkam von der Langreise? Hier gab es folgende Regelung: Dat halw Maandsgeld künn de Fru „trecken“, wenn de Schipper ehr ’n Treckschien (Treckzettel – Ziehschein) utstellt hadd; dat Geld kreeg se denn von den Korrespondenten utbetahlt. Man ging aber auch hierin sicher: För de Bruut würd keen Treckschien utstellt, oewer för de Mudder, wenn se Witwe wier. In eine trostlose Lage gerieten die Angehörigen, wenn ein Schiff überfällig wurde. Wenn dat Schipp oewerfällig wier, betahlten weck Reeders nich mihr ut up ’n Treckschien. – Wenn lang keen Order kamen wier von ’t Schipp, würd meisttiet de Treckschien stoppt. Auch in anderen Fällen konnten Zwangsrnaßnahmen des Reeders die Familie hart treffen: Wenn en Madroos verdächtig wier, dat he aflopen wull, leet de Schipper den Treckschien stoppen. Besonders gehässig wirkt das folgende Verhalten: Wi hadden ’n bäten Radau mit den Stüermann hatt – bautz, keem de Schipper bi un leet den Treckschien upspräken.

Die Meinung, dass die Matrosen an Land ihr ganzes Geld sofort „verjuxten“, war wohl allgemein verbreitet, aber nur sehr bedingt richtig. Ob ein Matrose von seiner Heuer etwas ersparte, hing ganz von ihm ab. Den Seemann ärgerte deshalb das leichtfertige Urteil der Landratten. De Landmann glööwt immer, wenn de Madroos an Land geiht, dat Diert versüppt alles. Dat is nich wohr; dat gifft ok spoorsame Madrosen. – So ’n Swalger, dee sik dat Läben to ’n Genuss maakt, künn natürlich nicks veroewern. Dat geew jo so ’n Madrosen, dee lepen von ’n düütsch Schipp na ’n Engelsmann rup, verlepen den ’n Kraam ok wedder un verbröchten alles un fohrten toletzt ahn Jack un Bücks. Dat geew oewer ok Seelüd, dee dull spoorsam wieren, dee, wenn se an Land kemen, bloß ’n poor Stäwelsahlen un gröön Seep, höchstens ’n bäten Tobak köpen deden. Väl Madrosen hadden donn so väl erobert, dat se sik ’n bäten von Huus köpen künnen.

Darüber hinaus suchten sich viele Seeleute durch An- und Verkauf von Waren einen Nebenverdienst zu verschaffen. Dabei spielten die englischen und russischen Häfen die Hauptrolle. Wi köfften in Newcastle Pöttergeschirr, dat würd up ’n Rigaschen Luusmarkt wedder verköfft, dor würd goot bi verdeent. – Blank Hängelpött würden in England köfft, ok Tüügwoor: Döök un so wat un Uhrbummeln, dat würd in Riga wedder verköfft, würd oft duwwelt betahlt. Mien Schipper tuuschte mal all de engelschen Pött, dee he in England köfft hadd, in Riga gegen Melk un Eier. – In Grangemouth – dat wier de Mäkelbörger ehr Hauptuurt – hebben wi bunte Hosendräger un Taschendöker köfft, de würden in Russland wedder verköfft. – Ganz bunte Taschendöök würden von Wismar ut mitnahmen för de Russen: wo bunter, wo bäter – den Russen kann dat nich bunt noog warden.

Die Hüter des Gesetzes scheinen diesen „Ost-West-Handel“ nicht wesentlich beeinträchtigt zu haben.


Segelfahrterinnerungen 1850-70 - Richard Wossidlo befragte ehemalige Seeleute

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