Читать книгу Segelfahrterinnerungen 1850-70 - Richard Wossidlo befragte ehemalige Seeleute - Richard Wossidlo - 1859-1939 - Страница 8
Der Schiffsjunge
ОглавлениеDas Anmustern, von dem wir eben gehört haben, stellte wohl den jeweiligen Tätigkeitsbeginn dar; die Vorbereitung auf den Beruf aber begann für den einzelnen bereits viel früher. Schon die Kinderspiele lassen erkennen, dass die Jungen an der Wasserkante von klein an unter dem einzigen Gedanken aufwuchsen, Seemann zu werden. Bekanntlich ist es überall eine besondere Freude der Jugend, Schiffe schwimmen zu lassen. Die zukünftigen Seefahrer verlangten aber, dass diese Schiffe nicht Phantasiegebilde, sondern naturgetreue Abbilder der großen Schiffe seien. Und immer fanden sich alte Fahrensleute, die den Jungen wahre Kunstwerke schufen und ihnen an Hand der Modelle die Seemannssprache beibrachten. „Alle Mann an Buurd, dat Schipp geiht fuurt!“, so klang es aus dem Mund der spielenden Kinder. Vor allem die Speicherböden mit ihren vielfachen Balkenlagen konnten in der Phantasie leicht zu Schiffen werden, und in halbsbrecherischer Kletterei turnten die Bengels, wenn sie kaum die ersten Hosen anhatten, bis zum Dachfirst hinauf. Herrlich aber wurde es, wenn die wirklichen Schiffe in Winterlage gingen. Dann kamen die Jungen überhaupt nicht vom Wasser weg.
Wi Jungens hier in Warnmünd hadden jo uns ganz Gedriew an ’n Strom. De Schäpen, de in ’n Winter nich henkamen künnen na Rostock wägen dat Ies, bleben hier in Warnmünd in Winterlaag. Dor spälten wi Jungens denn up. Ein alter Wismaraner Seemann erinnerte sich schmunzelnd: Wi Jungens sünd hier in Wismar rinklattert in de Masten un in de Wanten tohöchten, wi stegen hoch as so ’n Apen. Halsbrecherische Leistungen wurden vollbracht: Ik heff baben up ’n Knoop, wo de Flagglien dörchkümmt, up ’n Buuk lägen un heff dahn, as wenn ik swemmen ded. Wi Jungens hier in Warnmünd wieren ümmer gliek in de Masten –- so lihrten wi dat Nababenstigen ganz von sülwst. Wi künnen alles: Wi sünd von de Grootmast an ’t Stagg na de Fockmast roewerklattert un sünd an de Pardunen daalrutscht, wenn wi fix na unnen wullen, un hebben uns de Bücks intweiräten; de Been würden oewerslagen, denn würd daalrutscht an ’t Stagg. Auch die Mädchen wurden oft von diesem Eifer angesteckt und standen den Jungen nicht nach. Peter Dohse sien Fru is as jung Diern höger stägen in de Masten as de Jungens. Es handelte sich aber bei den Klettereien nicht nur um die turnerische Leistung, es war ein regelrechtes Spiel, das für den Beruf vorbereitete: Wi spälten ornlich Schipper: Een wier Kaptain, een Stüermann un so. Denn müssten wi ornlich so doon, as wenn wi räwen wullen. –- Wenn wi de Schoolarbeiten farig hadden, güng ’t fuurts rup na de Brammrah, buten uppe Nock, as wenn wi Sägel unnerslagen wullen.
Auch die Abenteuerlust kam zu ihrem Recht. Räuber hebben wi hier in Warnmünd uppe Schäpen spält. Een hadd ’n Flitzbagen, een ’n Ballerbüss un so. Een hadd de Utkiek, dee meld ’te denn: De Piraten kamen! Denn wi all achterut un stellten uns kloor.
Vielfach verstanden die Jungen ihre Sache so gut, dass sie schon zu seemännischen Arbeiten herangezogen wurden. De Brigg „BALANCE“ hebben wi Jungens aftakelt.
Der Enkel des Warnemünder Kapitäns und Modellbauers Heinrich Stuhr, Hans Kölzow, übergab das Familienerbstück, ein Modell der Brigg „Balance“, an das Heimatmuseum. Museumsleiterin Dr. Kathrin Möller und Hans Pochmann, Vorstandsmitglied des Museumsvereins, freuten sich über das geschichtsträchtige Exponat.
– Bericht der Lokalpresse –
Wi hadden uns dat all afluert, woans wi dat maken müssten. De Schipper Möller säd to uns, as wi farig wieren: So, nu soelen ji juug eens dick fräten in Arften!
Die Jungen wuchsen also ganz von selbst in den Seemannsberuf hinein. Und so ist es kein Wunder, dass für sie nichts anderes in Frage kam, als Schiffsjunge zu werden. Es wandte sich in Warnemünde – und ähnlich war es auf Poel und auf dem Fischland – früher fast die ganze männliche Jugend dem Seemannsberuf zu. Früher güng hier up Päul all, wat so ’n bäten wier, to See. – Dee nich kroepelig wier, güng to See. Vielen Vätern galt der Entschluss des Jungen als selbstverständlich, und alles Warnen und Abraten von anderer Seite war vergeblich. In ’n Bett sünd all mihr Lüd dootbläben as up See, antwortete wohl ein vorlauter künftiger Janmaat auf das Abraten besorgter Tanten.
maritime Holzschnitz-Kunst aus Wustrow – Foto von Jürgen Ruszkowski
Unbändigen Stolz auf ihren künftigen Beruf verrieten diese Jungen. Wenn hier in Warnmünd ’n Jung nich Seemann warden wull, de würd nich ankäken. Wi wieren dörtig Konfirmanden: Een würd Schooster, de annern all Seelüd. – Wenn de Lihrer vör de Konfirmatschon fragt hadd, wat wi warden wullen, un een seggt hadd, he wull ’n Handwark lihren, denn würd achteran ropen: „Dor löppt de Schooster (Snider) hen!“ – De Seefohrt wir jo hier in Wismar früher dat Hauptgeschäft, de annern hadden de Jungens nich uppe Räknung.
Solcher Hochschätzung des Seemannsberufs setzten die Landratten ihre Meinung entgegen. Früher wier dat jo so: Dee anners nich to bruken wieren, dee güngen to See. Dor dachten jo de Minschen: Alles, was nichts ist auf Erden, kann zuletzt noch Seemann werden. So warnten Väter ihre Söhne vor dem Seemannsberuf. Ik heff to minen Soehn seggt: Leewer kannst bi ’n Buern deenen as Kädenhund. Wenn de Buer von sinen Hund wat höllt, hett dee ’ne Hütt, wo he unnerkrupen kann bi slicht Wäder. Dat hett de Seemann nich. Auch mit List suchten die Eltern die Söhne von der Seefahrt abzubringen. So stellten Väter die Bedingung, ihr Junge solle erst ein anderes Handwerk beginnen; später könne er dann noch Seemann werden. Oft blieben die Jungen aus Bequemlichkeit dann in ihrem Handwerk hängen. Ik wull ok to See – dat treckt jo an. Oewer Vadder säd, ierst süll ik een Johr in de Warkstäd bi em arbeiten, naher künn ik Seemann warden. So bün ik Discher worden. Von einem wirkungsvollen Kniff berichtete ein Alter: Mien Soehn wull abslut to See – ik wull nich. Dor heff ik em up ’n lütten Huker anmustert; dor müsst he för annerthalw Mann kaken, das heißt, für den Schiffer und sich selbst. Die kümmerlichen Verhältnisse verleideten ihm dann die Seefahrt.
Aber auch alte Fahrensleute rieten gelegentlich von der Seefahrt ab. Eigene bittere Erfahrungen mögen hinter dieser Mitteilung aus Poel stehen: Vadder wier sülben to See fohren as Kock. He wull nich, dat mien Broder Seemann würd. „Denn will ik mi ’n Strick köpen un mi uphängen“, säd he. „Naher kannst doon, wat du wisst.“ Und wieder taucht der Vergleich mit der Landarbeit auf: De oll Seemann Niemann säd to mi: Leewer kannst bi ’n Buern de Swien höden, as Seemann warden. Oewer ik dacht jo: Alleen wisst di ok nich trüggtrecken. In ganz seltenen Fällen hört man auch einmal von der Abneigung eines Jungen gegen den Seemannsberuf: Ik hadd keen Lust to dat Water, ik müggt leewer in ’t Holt arbeiten.
Das waren aber Ausnahmen. Die große Mehrheit ging freudig in den gefährlichen Beruf. Und die Jungen brachten wertvolle Vorkenntnisse mit (natürlich auch im Rauchen, Priemen und Fluchen). Die seemännische Berufssprache beherrschten sie von vornherein und waren damit den Binnenländern weit voraus. Das ersieht man aus folgendem Erlebnis: Ik heff dat mal hüürt, dat ’n poor Jungens von ’n Dörpen hierher na Warnmünd kemen, un de een säd: Dausend, wat hebben de Deirer för Dwassknüppels – ik mööt ok rein to See führen! Gemeint hatte der Dorfjunge nichts anderes als die Schiffe mit den Rahen. Wie weit waren ihm gegenüber die Waterkantler voraus! Kein Wunder, dass die meisten Kapitäne Jungen von der Küste bevorzugten. So sagte ein Schiffer: Ik nehm bloot Weck von de Seekant. So ’n Jung ut de Stadt wüsst jo oft gor nich mal, wat vör un achter up ’n Schipp is. Auch das Rudern waren die Jungen von der Küste schon gewohnt. De Schippers nehmen jo am leewsten Jungens, dee gewohnt wieren to wraken un marachen, wenn se rauhnen deden in de Jöllen. Deshalb hatten es Jungen, die weither aus dem Binnenland kamen, besonders schwer, ein Schiff zu bekommen. Een Tietlang wull jeder Rheinländer (so säden wi: von hoch rut ut ’n Süden von Düütschland) fohren. Dee geben den Schipper Geld to, dat he se bloot an Buurd nehm.
An Buurd – damit ist das Wort gefallen, mit dem das eigentliche Seemannsleben begann.
Wenn dann das Jahr herankam, in dem der künftige Fahrensmann konfirmiert werden sollte, wurden alle Vorbereitungen für die erste große Reise getroffen. Zuerst galt es, ein Schiff zu finden. Das war – nicht anders als bei den schon zünftigen Matrosen – je nach der Konjunktur mehr oder weniger schwer.
Wi Jungens hier in Warnmünd hadden all ’n Schipp, ihrer wi konfirmiert wieren. Aber: Eenen Dag na Niejohr bün ik all hengahn na den Schipper hier in Wismar, ob he mi as Jung hebben wull. In den Dörfern des Fischlandes war die Stellungsuche ziemlich einfach: De Schippers kennten jo de Vadders, dee musterten uns Jungens hier in Olthagen an. – Wenn wi Ribnitzer Jungens ’n Schipper söken deden, güngen wi in Dändorp un Dierhagen von Dör to Dör: Dat wieren jo all Schippers in jedes Huus. Ebenso berichtet ein anderer: De Jungens güngen in Dändorf Huus bi Huus un frögen de Schippers, ob se noch ’n Jung bruken künnen. Sonst musste der Heuerbaas in Anspruch genommen werden. Am liebsten bewiesen die Jungen ihre Selbständigkeit, indem sie sich selbst ein Schiff besorgten.
Meistens ging es erst nach der Konfirmation hinaus. Doch kam es auch vor, dass dieser Tag nicht abgewartet wurde. In Ribnitz sünd mihrere Jungens all vör de Konfirmation to See gahn, se würden denn all Okuli konfirmiert. Oder die Einsegnung wurde nachgeholt: Ik bün in ’n engelschen Haben bi den düütschen Paster konfirmiert. Ik wier alleen, de Ribnitzer Paster wull mi nich vör Ostern konfirmieren. Dor säd de Schipper: Ik tööf nich, kumm du man mit!
Da alles Sinnen und Trachten schon nach dem Schiff stand, fielen die Prüfungen vor der Konfirmation oft recht mäßig aus. Aber meistens wurde Rücksicht genommen: En Wilhelm Maaß in Blankenhagen is ok mit vierteihn Johr to See gahn.
De Paster hett seggt: Von Gottes Wort weißt du nicht viel, aber wenn man dich fragt, was Brammsägel hieven ist, das weißt du.
Nicht selten gingen die Jungen schon mit zwölf Jahren zur See. Mien Vadder hett all fohren mit twölf Johr. – Ik heff mit dürrteihn Johr all ’n Schipp verloren. – Mien Unkel hadd mi mitnahmen, as ik bi ’n Buern Köh höden süll. Oewer mustern dörf he mi nich. – De Jungens bi uns in Blankenhagen güngen all vör de Konfirmation mit twölf, dürrteihn Johr to See; Sommers fohrten se, un Winters sünd se na School gahn. Körperlich scheint ihnen das teilweise nicht schlecht bekommen zu sein, denn: Wenn dee in ’n Harwst trüggkemen, hadden se sik dull rutleggt, in ’n Katen wieren se jo schraag noog hollen. Mit dick Backen kemen se na Huus, se künnen nich ut de Ogen kiken. Un so swart sehgen se ut!
Der letzte Winter vor der ersten Ausreise stand im Haus des künftigen Seemanns schon völlig im Zeichen des großen Ereignisses. Mutter und Großmutter strickten die großen Seestrümpfe. Stiefel wurden angemessen und angefertigt, wollenes Unterzeug, Kleidung, Betten angeschafft und in Seekiste und Kojensack (Bültsack) verstaut.
Jungens, dee to See wullen, kregen to de Konfirmation ’ne swartsiden Mütz mit ’n Sturmband un ’n leddern Schirm – keenen Hoot –, ’n Jackett – keenen Rock – un ’ne engelschleddern Bücks, wenn se an Buurd güngen. Ok ’n Wullhemd würd köfft, wur man sik toierst dat Fell mit intweiracken ded. Dit Hemd würd all vör de Tiet dragen, dormit man sik dor all an gewöhnen ded. Mudder geew denn en Unnerbedd mit un ’n Koppküssen un ’n Deckbedd. De Schooster meet uns ’n Poor Läägstäwel un ’n Poor Kneestäwel an. Denn geew ’t noch ’ne Seekist – denn wier de Utrüstung farig.
Bisher hatte Mutter das Zeug in Ordnung gehalten, auf See war aber keiner, der sich über zerrissene Kleider erbarmen konnte. Da musste der Junge sich selber helfen. Er bekam also zunächst einmal Privatstunden. Mudder säd: Du wisst nu to See – kannst du ok all Strümp stoppen, ’n Knoop anneihgen un ’n Flicken insetten? Na, männigmal wier ’t denn ok dorna – halleluja!
Vorsorgliche Mutterhand hatte neben dem Gesangbuch und dem Katechismus heimlich ein Stück Vom glückbringenden Kreuzdorn und – um den Jungen vor Heimweh zu schützen – einen Knust Schwarzbrot mit einer Tüte voll Salz in der Kiste versteckt. En Krüüzduurn ward unnen in de Seekist leggt von de Öllern; he mööt oewer funnen sien, denn sall de Jung Glück hebben. – Enen Himmelsbreef heff ik mit hatt, Mudder hadd em mi instäken – dat heff ik naher ierst markt. – Enen Knuust Brot hebben de Öllern den Jungen inneihgt, ahn dat he dat weeten ded, dat he keen Heimweh kreeg. – Wenn de Jung de letzt Mahltiet äten ded vör de Utreis, würd em so väl Brot up ’n Töller leggt, dat he ’t nich all upäten künn. Denn säd Mudder, wenn he inbäten hadd: Laat man liggen, du maggst nich mihr. Dit Stück Brot hääg se up, bet he wedderkeem. Dat wier de olle Gloow: Denn keem de Jung wedder. – Wenn de Seekist för den Jungen packt würd, würd in eenen von de Strümp ’n bätn Krüüdbrot (so säden wi hier in Wismar) instäken. Dat süll ’ne Freud sien för den Jungen, wenn he dat up See finnen ded.
Endlich kam die Stunde des Abschieds. So schwer den Eltern die Trennung sein mochte – viele Worte wurden nicht gemacht. Der übliche Abschiedsgruß war in Warnemünde: Gah mit Gott, mien Jung, dien Wegg is de wied’st.
Die ersten Aufgaben, die den jungen Fahrensmann an Bord erwarteten, waren sehr wenig seemännisch. Mancher Junge wird bitter enttäuscht gewesen sein, zunächst das Aschenputtel als Kocksjung oder Kocksmaat spielen zu müssen. Wenn in Jung uppe Fohrt güng, maakte he sien ierste Reis bi ’n Kätel oder bi ’n Pott, so würd seggt. To den Schippsjung säden wi „Kätelkummandant“, wiel he jo ümmer kaken müsst.
Der Kocksjung war Gehilfe des Schiffskochs und musste auch die Mannschaft zum Essen – seemännisch „Schaffen“ – rufen:
Schaffe, schaffe ünner un baben,
schaffe, schaffe in Gottes Naam!
Das war in alten Zeiten der übliche Ruf. Wenn de Kock Wach hadd, müsste de Jung kaken. Wenn dat Äten nich so wier, güng ’t oewer ’n Kocksmaat los, dee kreeg denn Schacht. De Kocksmaat kreeg weck von ’n Kock un von de Madrosen ok. Der Posten war also nicht beneidenswert. Umso spaßiger wirkt folgender kleiner Vers. En Fru in Danzig hett seggt:
Mien Mann hett solang för slecht un recht jefohre, nu is he endlich Kocksmaat jewore.
Sie hatte geglaubt, ihr Mann sei befördert worden, während er doch nur den niedrigsten Posten bekleidete.
Im ersten Jahr fuhr der Junge entweder als Kocksjung oder als Kajütswächter; letzteres galt als der leichtere Dienst. De Kajütswächter müsst den Schipper uppassen. He müsst upbacken in de Kajüt. „Is beleiwt to äten?“ müsst he seggen. Ok de Fleegen von ’n Zucker jagen, dat wier sien Baantje – so säden wi ut Spaß.
Waren mehrere Schiffsjungen an Bord und einer von ihnen Kapitänssohn, so war es die Regel, dass dieser den Posten als Kajütswächter erhielt. Wenn dat ’n Schipperjung wier, dee würd Kajütsjung. Dat wier denn de Späälvagel. Dee bruukte ok naher as Madroos nich bi ’t Löschen un Laden to helpen. Deshalb waren die Schipperjungs im Allgemeinen nicht beliebt. Wo ’n Schipperjung an Buurd wier, güng ik nich rup: Mit so ’n Karnalljenvagel wull ik nicks to doon hebben. Demgegenüber lässt sich die „Gegenseite“ Vernehmen: Ik bün bi minen Vadder an Buurd wäst as Jung, oewer ik bün goot ansett’t worden. Dor kann ’n jo süss keen Kierl bi warden, sagte ein alter Kapitän in Wustrow. Gewisse Vergünstigungen gestand man jedoch zu: En Schipperjung eet mit in de Kajüt.
Die Aufgaben eines Kajütswächters waren durchaus nicht immer angenehm. Wenn de Oll an Land wäst wier un toväl Slaggsiet hadd, müsst de Jung em uttrecken, dat he to Koi keem. Dafür tat sich der Kajütswächter auf seine Stellung als „Vertreter“ des Schiffers viel zugute. Wer mi wat will, dee mööt ierst den Schipper fragen, säd de Jung – ik wahn in de Kajüt!
Nach einem Jahr winkte dem Jungen die erste „Beförderung“, nämlich zum Decksjungen. Wenn de Schipper denn sehg, dat he to bruken wier, keem he an Deck. De Decksjung müsst all helpen, wenn rundbrasst würd bi sweer Wäder. – De Decksjung müsst de Madrosen uppassen in ’t Logis, dat se Äten un Drinken kregen, un Deck fägen un reinigen. He müsst ok Reffnützels tosamknöpen, wenn de Sägel verkört’t warden süllen, un bi anner Arbeit helpen.
Abgesehen von den speziellen Pflichten als Kocksmaat, Kajütswächter und Decksjunge waren die Arbeiten des Jungen sehr mannigfaltig. Vor allem musste er Reinigungsarbeiten erledigen. Deckswabbler würd de Jung ok nennt. Klock vier morgens müsst de Jung all ’t Logis reinmaken. Auch Hundedreck und Schweinemist waren zu beseitigen: De ierst Arbeit för den Jung an Buurd wier mit ’n Bessen. Koetelfäger würd he ok nennt. Twee Stück Holt warden tosammenbunnen, dor mööt de Jung Hunn’koetel mit oewer Buurd smiten. Dat is dien Oktant, so ward to em seggt, dor mööst du för uppassen!
Ferner hatte der Junge nach allen Arbeitsgängen aufzuräumen. De Jung mööt Enns upreppen un de Marlspiker von de Madrosen in de Fuulbrass weggbargen, dat is ’n Jung sein Uplag. Den Timmermann sien Hubelspöön müsst he ok weggschaffen. – Dat Afsnitzels, wat bi dat Arbeiten in de Takelage afföllt, mööt de Jung jo weggbargen. Dat verköffte he naher in England, dor kreeg he ’ne Kaffeekann för oder ’n poor Töllers oder ok ’n engelsch Metz. Der Junge konnte sich freilich auch anders helfen. Von enen Jung, dee wat weggbargen sall un dat in de See smitt, seggt de Stüermann: Dee verstaut alles in de groot Seekist.
Beim Löschen und Laden hatten die Jungen auch mitzuhelfen. Bi ’t Holtladen wieren de Jungens mit in ’t Ruum, dor müssten se ok mit ran. Wenn Balken lad ’t würden in Russland, wier dat den Jung sien Arbeit, dat he den Jiker wedder na vörn bringen müsst. (De Jiker wier ’n lütten Block mit ’n Stropp un ’ne Käd mit twee Hakens, dee na ’n Balken ringripen deden.) – De Jungens würden na ’t Holtlager schickt un müssten Stauholt söken. – Wenn Kuurn löscht würd un de Ruum toletzt utfäägt würd: Dat Fägels kreeg oft de Jung, dat verköffte he denn.
Von einer weiteren Aufgabe hören wir nur selten: Jungens güngen ok uppe Wach. Sie hatten dann mancherlei kleine Sonderaufgaben. Uppe Nachtwach müsst de Jung Fleesch frischen (utdrücken un frisch Water upgeten).
Das Auf- und Abdecken bei Tisch war auch Aufgabe der Schiffsjungen. Wi Jungens müssten afbacken, heißt es in vielen erinnernden Berichten. Dat wier jo ’n lääg Logis in de Roof. Dor wier ’n Disch maakt, dee wier unnern Balken anhängt, dee swenkte in twee Enns hen un her. De Lüd seten bi ’t Äten up ehr Seekist. Dat Metz un de Gabel würd ok unner ’n Balken stäken, dor, wo jeder sien Koie hadd. Reinmaakt würd dat Geschirr nich. Denn keem die Jung mit de Fuulschüpp un ’n Handfäger un reep: Barg Beentjes (wahrt eure Füße)! Für dies Reinemachen nach Tisch gab es verschiedene herkömmliche Zeremonien, von denen einige angeführt seien.
Middags, wenn wi äten hadden, würd jo afbackt. Denn mööt de Jung sik utkleeden, den Südwester verkihrt upsetten, dat Gesicht würd swart maakt. Denn röppt he: Ihr hochgeehrten Matrosen, bewahret eure Füße, dass kein Schmutz und Dreck drankommt! Ein anderer Spruch lautet: Ihr christlichen Seeleute, bewahrt eure Füße, das ihr dran bekommt keine Stöße! Zummerassa, schöne Mädchen gibt es noch! Oder: Wenn middags utschafft un afbackt wier, keem de Jung mit de Fuulschüpp un den Handfäger un maakte der Roof rein, dat de Brotkrümels nich all up Deck perrt würden. Denn stödd’te he dreemal mit de „Uul“ up un reep: Ihr hochlöblichen Herren Seeleute, bargt eure Füße, der Storch will schrubben, dass euch kein Schmutz berührt! Denn würd sik uppe Seekist rupsmäten.
Und noch zwei Abwandlungen, die für viele stehen: Ihr hochgeehrten Herren Matrosen möget die Ehre haben und Ihre Füße bewahren, damit Sie keinen Schaden haben! Hummel di rummel die kummel! Oder: Wenn wat äten wier, keem de Jung mit de Uul un de Fuulschüpp. Denn stödd’te he dreemal mit de Uul (de Böst) up de Denn un säd: Barg Bintjes, de Adeboor will schrubben! Wer denn nich weggnimmt, den’n haugt he rup.
Der Ausdruck Adeboor für den Jungen wird auf zweierlei Art erklärt: De Adeboor is he – de Jung –, dee frett jo ok allens wegg, wat em vör de Been kümmt. – De Jung hadd de Bücksen bet oewer den Knee hoochkrempt, so sehg he mit de naakten Beenen as’n Adeboor ut.
All diese Formen mussten streng gewahrt werden. Wenn de Jung nich seggt: „Adeboor will schrubben“, haugen em de annern in ’t Gnick. Auf anderen Schiffen durfte er diese Worte aber gerade nicht sagen. Wenn de Jung „Barg Been“ röppt, ward em anschünnt, he sall seggen: Adeboor will schrubben! Wenn he dat denn deit, kriggt he eenen an ’t Muul.
Sehr wichtig war das Erlernen der Kunst, die verschiedenartigen Knoten fachmännisch herzustellen. Auch das Spleißen musste schnell erlernt werden.
Sah man die Matrosen mit dem Tauwerk hantieren, so schien alles leicht, wenn man es aber nachmachen sollte, kamen die merkwürdigsten Dinge zustande.
Wenn ein Junge einen Knoten verkehrt machte, hieß es: Wat maakst du dor – dat is jo ’n Rövershäger Preesterknoop!
Wieweit die Schiffsjungen in der Takelage beschäftigt wurden, hing vom Belieben des Kapitäns und des Steuermanns ab. Weck Jungens stiegen jo gliek na baben rup. As ik de ierst Reis maken ded, müsst ik fuurts na baben un räwen. – Vadder vertellte, se hebben ’n lütten Hannoveraner an Buurd hatt as Jung, dee hett seggt: Ik sall na baben un mööt na baben, un sall ik acht Dag dorna klattern – ik will na baben!
In der Regel wurden die Jungen erst allmählich an das Klettern in der Takelage gewöhnt. De Jungs möten ierst koppfast warden, dee dörben toierst nicks anfaten, wenn se na baben gahn. Naher keem ’n Gesetz, dat de Jungens ierst na dree Monat na baben dörften. Aber allzu weit ging man nicht mit der Schonung. Wenn de Schipper den Jung oewerhaupt nich na baben gahn leet, würden de Madrosen, dee denn de Arbeit maken müssten, leicht gnarrigt. Wenn de Jung ümmer rümsteiht, kann he keen Seemann warden, säden se denn.
Es hatte sich als Sitte herausgebildet, dass der Junge als erste Arbeit in der Takelage den Flügel, eine Art Wimpel, auf den Besanmast zu bringen hatte. De Jung müsst den Floegel na ’n Besaansmast rupbringen, dat wier sien ierst Klatterpartie. – De Jung müsst den Floegel anneihgen, so säden wi: mit Schiemannsgoorn an den Topp von de Mast fastbinnen. Hatte sich der Flügel vertüdert, so hieß es: Kloor den Klaas mal ’n bäten! As ik Jung wier, heff ik mal bi Konstantinopel na baben müsst, de Floegel hadd sik üm den Knoop wickelt. Dor säd de Schipper: Kannst du dat woll farig krigen un den Floegel fri maken? Slenkern ded ’t dull. Ik kreeg em aftüdert, oewer dat wier ’n hart Stück för so ’n Jungen.
Besonders gefährlich war das Arbeiten in der Takelage bei kaltem Wetter. Wenn dat kolt un klamm wier, wier dat ’ne böse Arbeit. Naher keem ’n Gesetz: En Jung unner sössteihn Johr dörft nich oewer de Saling. Zum Segelsetzen wurde der Decksjunge schon herangezogen. Lütt Sägel müsst de Jung all fastmaken. Dabei hatte er einen bestimmten Platz, der ihm offenbar die leichteste Arbeit zusichern sollte. Bi ’t Bargen keem de Jung uppe Nock, bi ’t Räwen in de Midd.
Auch geistig musste sich der werdende Seemann betätigen. Als erstes stand das Auswendiglernen der Windrose auf dem Programm.
Dabei gab es allerlei Kunstgriffe, um die genaue Kenntnis der Himmelsrichtungen zu vermitteln. So wurde zum Beispiel aufgegeben, statt der Richtungen Farbennamen
einzusetzen: Gääl to gröön, gäälgäälgröön, gäälgröön to gääl, gäälgröön usw. Daneben wurden aber auch viele Neckereien ersonnen, etwa um den Kompass.
Den Kompass mit de Strichen bröchte en oll Madroos mi bi. He spröök dat vör, un ik müsst naspräken: Nuurden bi Gröön mit swarte Kamaschen, mit rod Ümsläg, Nuurdaust. Nuurden sien Maar, sien Maatsmaat, sien Kamerad, Nuurdnuurdoost, de Dickkopp. Dorbi müsst ik mi vör den Kopp haugen.
As een Jung up ’n Rostocker Schipp den Kompass nich behollen künn, säden wi to em, he müsst sik de Naams von de tweeundörtig Strichen up ’n Stück Papier schriben un dat upäten, denn würd de dat behollen. De Jung ded dat ok.
Annern Dag fragt ik em: Na, hest du ’t nu behollen? – Nee. – Je, büst du all up ’t Klosett wäst? – Ja. – Je, denn kannst du ’t jo ok nich behollen hebben! Manche Jungen halfen sich schnell von solchen Späßen ab. De Stüermann fröög mi: Kennst du ok den Kompass? Ja, säd ik, dee is achter mittschipps – dat hadd Vadder mi bibröcht. Die weniger Schlagfertigen aber mussten sich wohl anhören, sie seien dumm as ’n Slottholt. Oder: Dur büst nich mal as Handspaak to bruken!
Eine Kunst, die noch unverständlich bleiben musste, war das Arbeiten mit dem Oktanten. Auch hierüber wurde mancher Scherz gemacht. Dee kiken to, wat Mudder to Huus kaken deit, sagten die Matrosen scherzend zum Jungen, wenn Kapitän und Steuermann Navigation trieben. De Stüermann säd to den Jungen: Kick ok eens dörch, kannst ’n Schosteen roken sehn – denn hööl he em den Oktanten verkihrt hen.
Dass die Behandlung der Schiffsjungen an Bord meistens sehr streng, ja hart war, hatte sich gewöhnlich auch an Land herumgesprochen. Übermütigen „kattwäligen“ Jungen, die noch nicht zur See fuhren, wurde vorher gedroht: Wenn se di man ierst twischen twee Stäben hebben, denn warst du woll Moritzen lihren! Kumm du man ierst an Buurd, denn kriggst weck mit 'n Kardeilstropp!
Und die Wirklichkeit übertraf die schlimmen Erwartungen oft noch weit. Zahlreiche Erinnerungen böser Art tauchen da auf. Dat Läben von de Jungens wier hart, ’n Hund hett ’t bäter. Up Weck Schäpen würd mit den Jung ümherschandelt. Jeder haugte früher up ’n Jung daal. – De Jungensjohren wieren früher sweer. Dor würd so ’n Jung behannelt as ’n Hööwt Veeh.
Durch Übermaß wurde gerade die entgegengesetzte Wirkung erzielt. So ’n Jung würd jo väl zwiebelt. Wenn he dat von Vadder un Mudder her goot gewohnt wier, würd he licht missmodig. Un denn kemen de Rönners in de frömden Habens un maalten em so väl bunten Kraam vör – wat he för Geld verdeenen künn up utländsche Schäpen –, dat he von afleep.
Noch schlimmer hatten es die Jungen selbstverständlich bei den „anderen“. Vörut up de Danziger Schäpen sünd de Jungens slicht behannelt. – De Darßer slögen de Jungens väl. Und auf mecklenburgischen Schiffen? Manch Schipper leed dat jo nich. Oewer wenn dee sik nich dorüm brüd’t, denn sehg dat oft leeg ut för so ’n Jung. Een Kaptain säd mal to enen Madrosen, dee den Jung slagen hadd: Du süsst Hunnschiet oewer Buurd smiten – wider döggst du nich to.
Dies ist die Meinung zweier Steuerleute: So ganz zimpel dörf jo nich ümgahn warden mit de Jungens. Dat soelen jo ok ornliche Kierls warden. Madrosen sünd jo ok Jungens wäst. – Man deit dat Strafen doch nich ut Lust, he sall doch wat lihren. Haugt heff ik keen Jungens, as ik Stüermann wier. Ik leet se entern up ’n Topp, dat is grötter Straf.
In der „Erziehung“ spielte im Übrigen das Tauende die wichtigste Rolle, daher die bekannte Scherzfrage: Welches ist das schlimmste Ende, das ein Kapitän nehmen kann? Das Tauende. – Den Gegenstand kannten die Waterkantler schon aus dem Elternhaus. En Tagel, dat wier ’n End, dor wier ’n Og insplißt, dee hüng ümmer an ’n Eckstänner. Dor kregen wi Jungens wat mit, wenn wi wat utfräten hadden, ’n Ruhrstock geew dat nich in de Warnmünner Seemannshüser. Die ersten Prügel setzte es schon, bevor die Seefahrt losgegangen war. Ik führte as Jung toierst mit ’n Gootwagen von Ribnitz na Rostock. As ik in Ribnitz ut ’n Rostocker Duur wier, hadd ik all weck in ’t Gnick.
Und so blieb es, wenn man an Bord kam. Weck Jungens, un ik ok, führten dat ierst Johr mit ’n Jachtenschipper; dor is he jo denn alleen mit ’n Schipper up, denn mööt de Jung all stüern. Wi wullen oewer Stagg gahn, dorbi kemen wi mit de Näs fast. Donn kreeg ik gliek den iersten Dag Släg. Und hier noch einige Stimmen: Ik kreeg Weck achter up, dat se vör to hüren wieren. – Ik süll Flibussen ut Holt sniden mit ’n Taschenmetz, to ’n Anböten, dor kreeg ik ok weck bi. –
Früher hadden de Jungens nicks to lachen. Ik heff mal Släg krägen von ’n Stüermann, bloot wiel ik den Plummenbüdel up ’n verkihrten Nagel hängt hadd, so wier he mi to Liew. – De Stüermann haugte mi gliek de ierst Woch an ’n Kopp – ik wier in lütten Knecht –, dat ik ’n Bruusch kreeg as ’n Hohnerei.
Schläge gab es auch dann, wenn der Schiffer selbst schuld hatte. Wenn ’n Schipper sik fastsägelt hadd in ’n Binnenwater, kreeg de Jung Schacht. Im Hafen freilich war Vorsicht geboten: Binnenlands mööt de Kaptain sik vörsehn, denn darf he den Jung nich slagen. – De Jungens würden dull hernahrnen früher. Wenn ’n Engelsmann in ’n Haben dat sehg, keem he öfter an Buurd un treed in för den Jungen.
Die Ausdrücke für Prügel und Tauende sind mannigfach, ein Zeichen für ihre „Beliebtheit“ an Bord. Wenn een von de Jungens unorig wier, kreeg he Schäpswusst, so würd seggt: Denn würd he vör ’t Knee krägen un kreeg weck mit ’n Tamp. – Wenn ’n jung unorig wier, säden de Madrosen: Wi möten di woll mit Hempöl inriben! Andere Drohungen waren: Dat gifft Knakenöl – dat de Knaken smidig warden. – Dat gifft week mit de Brass uppe Naht. – Laat di nich vör de Klüüs halen! – Du hest jo noch keen gröön Water sehn. – Räd man nich so oltbacksch, denn gifft ’t week an ’t Piepenkopp!
Mit Galgenhumor halfen sich wohl die Jungen über vieles hinweg, und so mag das traurige Kapitel Prügel mit versöhnlichem Spaß enden. De Jung hett seggt: Een Deel kann ’k man, entweder roren oder ’t End fasthollen! Und: Wi künnen läben as Bröder, hett de Jung seggt, wenn de Schipper un Stüermann bloß wullen!
Es gab' auch Strafen und Strafandrohungen; die jedes Lachen erstickten. lk leet eens as Jung ’n Schrubber oewer Buurd fallen. Dor säd de Stüermann – dee künn mi nich sehn –: Wenn du mi den Schrubber nich wedder bringst, geiht di dat soeben Stunnen slecht! Ik sprüng fuurts rin un haalt em rut, un de Madrosen haalten mi wedder oewer. Dor säd de Kaptain to den Stüermann, he süll nich so up mi sitten. Noch schlimmer ist der folgende Fall. Een Kaptain hett mal den Jung mit ’n Passer in ’t Uhr up ’n Disch faststäken.
Die grausamen Strafen, wie das Durchholen am Tau unter dem Schiff, das wir aus den älteren Seegeschichten kennen, wurden um diese Zeit nicht mehr gebraucht. Die Erinnerung daran lebte aber noch. Seggt würd dat to den Jung: Du verdeenst jo, dat wi di dreemal unner ’t Schipp dörchhalen!
In jeder Hinsicht lebte der Junge an Bord unter strengem Regiment. Zu fürchten hatte er nicht allein die Offiziere, sondern auch die Matrosen. Gewisse Dinge hielten diese für ihr Vorrecht, und sie wachten eifersüchtig darüber, dass sich die Jungen nicht das anmaßten, was ihnen als ein „Privileg“ galt. So war es dem Schiffsjungen verboten, zu rauchen und zu priemen.
Wat unner ’n Madrosen wier, dörfte nich roken. Ik wier Lichtmadroos, un en Madroos hadd mi mit de Kalkpiep drapen. Dor hüng he de Piep inne Roof an ’n Spiker, dor künn ik s’ ankiken. Ierst as ik afmustern ded, kreeg ik se wedder. – Wenn ’n Jung in ’n Haben roken ded uppe Straat, kreeg he eenen an de Brill, dat he verdwass in ’n Rönnsteen flöög. – Wenn wi in ’n Haben an Land güngen, müsst ik de Mütz afnähmen vor jeden Madrosen, un ’ne Kalkpiep dörft ik nich in ’n Mund hebben, süss slöög de Madroos mi de Mütz von ’n Kopp un de Piep ut ’t Muul. Ok de Jungmaat dörfte früher nich roken an Buurd, un de Leichtmadroos müsst ok noch bi de ollen Madrosen anfragen, ob se ’t erlauben wullen.
Das war für viele ein großer Schmerz, denn sie hatten doch als Riffpiraten von de Ballaststäd, wie Brinckman sagt, schon eine große Fertigkeit im Rauchen gewonnen. Oft fanden sie eine mitleidige Seele. In ’t Logis dörften de Jungens nich roken. Oewer wenn dat ’n goden Kock wier, säd he woll: Steckt juug hier inne Kombüs man ’ne Piep an; denn hülpen se em jo ok bäter. Sonst half man sich anderweitig. De Jungens dörften nich roken un nich priemen. Se deden dat woll, oewer heimlich. Se güngen na ’t Vörschipp – achter ’t Ankerspill un rokten heimlich. Wi wieren oltbacksche Jungens: Wi güngen na vörn un blaasten den Tobak ut de Ankerklüüs.
Übrigens waren die Bestimmungen nicht überall so streng, einige Male heißt es: Roken dörft de Jung bloß an Deck, nicht in de Roof. Und endlich winkte eine Verheißung: Kannst du splissen un knoten, kannst ok priemen un roken, würd to de Jungens denn seggt.
Einschneidender als dieses letztlich nicht unvernünftige Verbot wirkte sich ein anderes aus, das wiederum ein Vorrecht der Matrosen sicherte. Auf vielen Schiffen nämlich durften sich die Jungen nicht in der Roof, dem Mannschaftslogis, aufhalten. Es stand ihnen nur zum Schlafen zur Verfügung. Ringahn na de Roof dörften wi nich. De Jungens müssten ganz früher up väl Schäpen up ’n Süll von de Roof sitten un ehr Arften vertehren. An ’n Disch dörften se nich sitten. – Wenn de Jung afbackt hadd, müsst he an Deck. De Jungens dörften gor nich rin na de Roof bet Beddgahnstiet, denn würden se rutslagen. Se süllen dat nich hüren, wat de Madrosen sik vertellen deden.
Ik heff mien ierste Reis von Lübeck na Riga maakt. In Riga kemen oll Lüd von anner Schäpen, dee wullen uns besöken. Ik säd to den Kock, ik hadd hüürt, wat dee sik in de Roof mit uns Madrosen vertellt hadden. Dor haugte de Kock mi an ’t Muul: Doemliche Jung, büst du all fragt? – Bet Klock acht dörften de Jungens nich inne Roof kamen. Se seten inne Kombüs, wenn Rägen un Schiet wier. De Decksjung un Kajütsjung hülpen Tüffel schellen, dat deden se all vör Angst. Wenn dat denn ’n goden Kock wier, dee leet se denn in ’t Kaakhuus abends in ’n Winter rinkamen, dat se Schutz hadden. Wenn Rägen wier, schuulten wi Jungens uns woll mal rin na de Roof vör Klock acht. Ik hadd dat ok mal daan; oewer dor bölkt mi een von de Madrosen fuurts an: Hest woll lang keenen Stäwelknecht in ’t Gnick krägen!
Klock acht müsst jo de Stüermann de Wach upstäken; bet solang müsst de Jung up ’Deck sien. Dieser Aufenthalt an Deck wurde Babbeljahn gahn genannt. Darüber wird vielfach berichtet.
De Jung müsst Babbeljahn gahn, wenn de ollen Madrosen sik wat vertellten. – De Jung mööt Babbeljahn gahn. Wenn frömd Madrosen an Buurd kamen, de liden dat nich, dat de Jungens dat hüren, wat se spräken. – Wenn de Schipper an Land is, mööt de Jung, wenn de annern äten, up Deck Babbeljahn gahn, so würd seggt: Wenn de Schipper röppt, dat denn een dor is. Wenn dat Schipp in ’n Haben leeg, müsst jo een uppassen, dat keen oewerkamen künnen. – Up grote Schäpen wieren jo dree bet vier Jungens, dee leten sik dat umgahn, dat Babbeljahn gahn: Dee hett sinen Babbeljahnstörn. Babbeljahn würd ok middags gahn, wenn de annern eten. Und dabei war denn auch Gelegenheit, dem verbotenen Tabaksgenuss zu frönen: Ik will mi ierst ’n Babbeljahn ansticken, hieß es.
War das abendliche Babbeljahngahn beendet, musste beim „zu Koje gehn“ noch eine besondere Regel eingehalten werden: De Jung dörfte sik ok nich hensetten, wenn he to Bedd gahn wull. He müsste fuurts rinscheeten.
Eine andere Tradition forderte, dass der Schiffsjunge während der Wache stets auf der Leeseite bleiben musste. De Jung darf nachts uppe Wach nich to Luwart gahn, he mööt up Lei bliben. – Wenn en Jung sik na Klock acht an de Luwsiet seihn leet, säd de Madroos: Du hüürst inne Lei. – Wenn ’n Jung to Luwsiet pissen wull, würd to em seggt: Hest up ’n Mannewoor fohren? Dor weiten se jo oft gor nich, wat Luw un Lee is. Scheer di anne anner Siet! Auch hier erbrachte längere Fahrenszeit schließlich eine „Vergünstigung“. As en Jung eenmal ut de Vördöör pisst, wo Oewerwind wier, seggt en oll Madroos to em: Jung, hest teihn Maand fohren, kannst nu inne Luwsiet oewer Buurd hollen (Jungens möten süss anne Leesiet pissen).
Während der Junge immer geduzt wurde, musste er die Matrosen mit Sie anreden. De Jung müsst den Madrosen ok titelieren.
Lag das Schiff in einem Hafen, so kam der ersehnte Landgang für den Jungen zuallerletzt in Frage. Er musste dann wohl hören: Du kannst an Land gahn, wenn de groot Mast geiht, dat heit, wenn de See em oewernimmt. – Du kannst gahn, wenn de Mast oewer Buurd geiht. Dat würd ok bi de Marine to so ’n Lüd seggt, dee sik slecht führt hadden. As de groot Mast nu eens rutnahmen is – he ist verott’ wäst, dat Schipp hett ’n nigen Mast hebben müsst –, hett de Jung seggt: Nu is de groot Mast to Land gahn, nu gah ik ok! Im Übrigen dürfte die folgende Feststellung nur ein schwacher Trost für den Jungen gewesen sein: Dat is mihrmal passiert, dat de annern versapen sünd, un de Jung is redd’t mit ’n groten Mast.
Wenn der Junge einmal auf Deck von der Müdigkeit überwältigt wurde, verübte man allerlei derbe Späße mit ihm.
Gewöhnlich seet de Jung up ’n Spillkopp bi de Utkiekwach, wenn en Madroos em dee för korte Tiet oewergäben hadd. Denn würd em de Hand vör ’t Gesicht hen un her hollen, ob he slapen ded. Wenn he sik dorbi nich mucksen ded, würd Rook ut den Schosteen von de Kombüs nahmen oder Kätelsmeer mit Fett un em dee in ’t Gesicht sträken, dat he ganz swart utsehg. So würd he na ’n Schipper oder Stüermann henschickt. Oft würd em ok Teer in ’t Gesicht smeert. Mitunter stülpten se em ok ’ne Mütz oewer, dee hadden se in ’n Schosteen ümkihrt, dat markt he gor nich. – Wenn de Jung inslapen is uppe Wach, hebben se em bunt anmaalt un ’n Snurrboort maakt un mit Farw insmeert. Dat würd all maakt, so ’n Kramerie. Wenn he slapen hadd, würd he mit ’n Proppen swart maakt.
Wenn se inslapen deden bi de Wach, kregen se weck lang de Rippen. Wenn Jungens uppe Hunnenwach inslapen wieren, kregen se ’n Marlspiker, de anner ’ne Kleedküül oder ’ne Mußküül üm ’n Hals, denn müssten se up Deck stahn gahn un utsingen: Marlspiker, Kleedküül, Mußküül, denn würd dat ganze Schipp munter, denn sleep nich een. – Weck güngen denn in de Wanten hoch un göten em natt. Dor kann oewer so ’n Jung jo Slagg un Unglück bi krigen: He weet jo nich, wo dat herkümmt.
Die verhältnismäßig eintönige Kost auf größeren Reisen behagte manchem Jungen nicht. Wenn er dann mäkelte, hieß es: Leckertähn, maggst ok gröön Seep? Und er bekam eine Ohrfeige. Wenn de Jung swarten Kaffee nich müggt un na Melk janken ded, denn würd em seggt: Je, mien Jung, de Fockmast is noch nich melkt! Oder Vör de Groot Mast (wo die Matrosen sich aufhalten) gifft ’t keen Melk.
– Foto von Jürgen Ruszkowski
Von allen Speisen aßen sich die Jungen die Erbsen zuerst über. Läuschen über dieses Thema werden wir später hören.
Natürlich besaß der Junge einen Spitznamen, auf den er zu hören hatte. Er hieß Moses. Moses wier de jüngst von de Jungens. Mit .den’n würd denn spält: Moses, kumm hier, un Moses, kumm her! Auf die Frage, woher der Ausdruck komme, „erklärte“ ein Alter: Der Schiffsjunge heißt Moses, weil er der jüngste ist. Wahrscheinlich hat er Moses mit Benjamin verwechselt. Fast gelehrt wirkt folgende Erklärung: De Franzos seggt Muus (mousse) to den Jung, dorvon kümmt Moses woll her!
Manche Neckereien, denen der Moses ausgesetzt war, erinnern an die Späße mit der Windrose. Wieder wurden seemännische Fachausdrücke absichtlich verdreht; was sollte man etwa von dieser Aufforderung halten: Kumm her, sasst de Prinzessin teeren un de Jungfern schrapen, den Stamm David farben un den Weggwiser anneihgen! Schmunzelnde Schadenfreude der Matrosen: Dat versteiht he jo denn nich. (De Prinzessin is de Persenning, de Jungfern sünd de Klootjes an de Wanten, den Stamm David is de Klüverboom, den he daalhalen sall, un de Weggwiser ’n End an de Sägel.)
Die beliebteste Neckerei aber war der Auftrag, die Plattingschier zu holen. Was ist denn überhaupt Platting? Fünf bis sieben Strähnen Kabelgarn (altes, aufgelöstes Tauwerk) werden zu einem breiten Bands (Platting) geflochten, das an Stellen starker Reibung, etwa um die Ruderstange, her umgelegt wurde. Der Seemann erklärte das so: Platting leggen wier Schipparbeit. Platting ward von Kawelgoorn maakt to Schammfiling, wo sik wat schüert. Dor warden Zeisings (fief-, soeben-, nägenbandsch, unegal Tall mööt ’t sien) von maakt – dat is, as wenn de Frugens sik ehr Hoor flechten. Dat is den Jung sien Arbeit, wenn he nicks to doon hett: Gah hen un legg Platting! Dor bliben jo denn ruug Stellen un Enns, de rutkiken, dee warden mit ’n Metz afsnäden. Den Jung ward nu inbild’t, dat geew ’ne Schier dorto. Diese Plattingschere zu holen, wurde der Junge dann ausgesandt. De Jung würd na ’t Kawelgatt schickt, üm de Plattingschier to halen. Denn söcht he un söcht un künn keen finnen. Dor geew ’t noch ’ne Uhrfieg to – dat wier de Dank.
Wenn dat Schipp in ’n frömd Land is un denn ’n anner düütsches Schipp in den Haben liggt, denn ward de Jung na den Stüermann henschickt, ob dee ’ne Plattingschier ’n bäten leihnen wull. Dee packt em denn den Sack vull Steen oder Ankerschäkel un Hutt un Permutt. Dor kümmt he denn mit antopruusten. – Oft ward ok de Jung to den Schipper schickt up dat eigen Schipp. En Schipper hett mal to den Jung seggt: De Plattingschier hett hüüt morgen dat Swien ut Versehn upfräten – pass man up, wenn dat schitt, dat du se denn mank rutklarrst!
Viele Schiffsjungen wussten freilich schon vorher Bescheid: Mit dat Plattingschier-Halen hat ik mi nich afgäben. Ik hadd dor all von vertellen hüürt. Wi wieren jo all von de Waterkant; wi kennten dat all, uns künnen se dor nich mit anführen. Die ganz „Plietschen“ aber taten so, als ob sie die Sache ernst nähmen und nasführten so ihre Necker. Een Jung, dee ’n bäten plietsch wäst is, hett den Sack, as he oewerstigen will, ’n bäten scheef hollen, so dat de Steen oewer Buurd gahn sünd. Dor seggt he: De schöne Plattingschier – dee heff ik nu bet hier hersläpt, nu geiht se doch to ’n Deuwel!
Eine weitere Erfindung, um den Jungen hereinzulegen, war der Butterquast. De Botter is jo bi ’n Äquator dünn as Öl.
Denn ward den Jung seggt, he sall ’n Botterquast halen, dor süll de Botter mit ut’nanner sträken warden. Denn ward de Jung na ’n Schipper henschickt, dee schickt em na ’n Timmermann, un dee packt em denn ’n sweren Gegenstand in’n Sack, dor kümmt he denn mit vörut to wackeln. Ein anderes Mal wird vom Holen einer Puddingform gesprochen, was vielleicht auf die Puddings, das untere Ende der Wanten, gemünzt ist. Ik fohrte as Jung up de Bark „KAP HOORN“. Dor schickte mi ok mal in ’n Haben de Stüermann ut, ik süll ’ne Puddingform halen. Oewer ik wier to klook: Ik smeet den Sack mit Steen in ’t Water un vertellte den Stüermann: Ik heff Unglück hatt, dicht an de Dock is mi de Sack in ’t Water follen! Weitere Phantasiegegenstände entsprechend Plattingschier und Botterquast waren Klüverledder, Rosthubel, Kompasssloetel und Balastthermometer. De Heizers up de Dampers schicken de Kahlentrimrners na ’n annern Damper hen, se soelen de Noten haleni to ’n Kätelafblasen.
De jung würd ok utschickt, ’ne Buddel vull Brammwien to halen, wenn Schäpen in ’n Haben legen, wo wi bekannt mit wieren. Dee göten Water in de Buddel. Denn kreeg he von uns noch ’n Moors vull to: Wat, du bringst uns Water?!
Wasser, aber in größeren Mengen, spielte auch bei anderen Neckereien eine Rolle. To den Jung würd seggt: Wi willn di mal verstäken. Denn würd he in ’n Sack stäken, un wenn dat Deckspölen denn losgüng, würd he nattgaten. – Een von uns Madrosen säd mal to den Jung, he wull ihrer dreemal oewer de Mers klattern, as de Jung eenmal ünner dat Spill dörchkrupen künn. De Jung leet sik ok anführen: Dor stünn ’n anner Madroos mit ’n Emmer Water praat un gööt em natt.
Bedenklicher war die Fopperei mit der Persenning, einem geteerten Segeltuchlaken, das über die Schiffsluken gedeckt wird, um Schutz gegen eindringendes Wasser zu bieten. Wenn Luken dicht maakt warden, ward jo ’ne Persenning upleggt, dee mööt ’n bäten utreckt waren. Denn ward to den Jung seggt: Jung, kumm her, perr de Persenning mal ut! He mööt sik dor in ’t Mittel upstellen. Denn faten vier Mann de Ecken an, denn ward he springen laten – up un daal fiert. Dat is nich schön; se laten de Persenning dorbi fallen, so dat de Jung mit ’n Moors up Deck daalstuukt ward. Dat wier keen Spaß, dat wier ’ne Roheit, dat hebben se mit mi ok maakt.
Beim Passieren des Äquators, seemännisch: der Lien oder Sünnenlien, wurde mit dem neugierigen Jungen allerlei Spaß getrieben. De Jung ward bi ’n Äquator na baben schickt, he sall de Lien oewer de Toppen smiten – damit das Schiff darunter hindurchfahren könne. Dat hebben se ok maakt, wenn de Lien passiert würd. Denn würd ’n Hoor in den Kiker schaben un denn to den Jung seggt: Hest de Lien all sehn? – Nee. – Na, denn kiek hier rin, hier kannst de Lien sehn! – Twee grote Wienbuddel würden tosaambunnen as Kiker, unnen vör den Bodden ward ’ne fine Snuur dörchtreckt. Denn ward to den Jung seggt: Hier, kannst de Sünnenlien bekiken!
Lagen zwei Segelschiffe auf gleichem Kurs, sah jeder Schiffer seinen Ehrgeiz darin, das Schiff des anderen zu überholen. Und es gab dann Neckereien, bei denen auch der Schiffsjunge beteiligt war. Wenn ’n anner Schipp den Wind rumer hett un mihr Fohrt sägelt, ward to den Jung seggt: Smiet em ’n stuwen Bessen vör de Boog, dat he nich so väl Fohrt sägelt! – Wenn wi en anner Sägelschipp vörbisägeln deden, säd uns Schipper to den Jung: Jung, wies em mal de Tamp von de Schoot! Denn müsst de Jung dat anner Schipp ’n End henhollen.
Ich nenne noch einige Foppereien. Wenn es regnete, wurde zum Jungen gesagt: Jung, stieg na baben, stopp de Löcker to! De Kaptain säd mal to mi, as wi Bornholm passieren deden un dat Schipp up- un daaljumpt: Gah hen mit de Handspaak, sasst Bornholm fasthollen! – Jung, haal de Brook up, kümmt ’ne düster Wulk up! – Kasper, röög di, is ’n Billerballer in de Luft!
Dem Jungen wurde auch vorgeredet, man würde bald eine Postboje passieren, in die er Briefe für seine Eltern stecken könne. Auf einer Reise auf dem Indischen Ozean nahmen sich die älteren Mannschaften Papier vor und schrieben scheinbar eifrig. Die Frage des Schiffsjungen, was sie machten, blieb nicht aus; sie erklärten ihm, sie schrieben Briefe nach Hause, und diese sollten in die bald in Sicht kommende Postboje gesteckt werden, die von dem nächsten nach Deutschland fahrenden Dampfer geleert würde. Sofort schrieb auch der Junge seinen Brief und hielt von abends zehn bis morgens sechs Uhr Ausschau nach der Postboje.
Wenn de Jung toierst rutkeem in den Ozean, würd to em seggt: Pass up, nu kümmt de Klabatersmann! – Se hebben den Jung rutschickt; een Madroos hett tuten müsst, denn is em seggt worden, dat wier de fleegen Hollanner – so hebben se em grugen maakt.
Hören wir nun noch von den alten Hänselbräuchen, die mit dem Jungen geübt wurden. An bestimmten Stellen musste der Neuling, der zum ersten Mal die Reise machte, sich in die Gemeinschaft der Schiffsbesatzung einkaufen. Manche Eltern gaben dem Jungen zu diesem Zweck eine oder mehrere Flaschen Rum mit auf die Fahrt. Sonst musste der Junge ein Papier unterschreiben, dass er sich verpflichte, im nächsten Hafen für die Mannschaft eine Flasche auszugeben.
Bi Dragör in de Droogden stünnen früher twee Witt Leitbaken as Seemarken bi ’t Insägeln, de een wier ’n bäten lütter as de anner (hüüt liggen dor Füertunnen). Dee würden nennt de Drago’sch Schult un sien Soehn. Wenn en Jung dor to ’n iersten Mal passieren ded, säd een von de Madrosen so biwäglang: Jung, kiek eens, wat hest du uppe Mütz! Denn nehm jo de Jung de Mütz af. So, säd de Madroos, nu hest du den Dragoischen Schulten goden Dag seggt. – Ik heff bäden müsst:
Dit is des Drago’sch Schult,
un dit is sien Fru.
Lin wer sien Fru will kennen lihren,
Dee mööt den Drago’schen Schulten ihren.
Goden Dag ok!
Weck nennten de beiden Baken ok den Groten Christopher un den Lütten Christopher. Ik heff bi Dragö seggen müsst:
Ich grüße dir, Ron di buffei, mit deine neunundneunzigjährige Jungfrau und rufe dreimal Hurra!
Ein anderer Hänselplatz war Kullen. Vör den Kollschen Zägenbuck – so würd de Felsen nennt – heff ik dreemal de Mütz afnähmen un Hurra ropen müsst. – Koll is ’n Hänselplatz. Ik heff seggen müsst:
Koll is holl, Koll is rund, Koll nimmt den Buddel vör de Mund.
Donn müsst ik de Buddel Rum hergäben, dee ’k in de Hand hadd. – Bi Hog-Kullen sitt ’ne Fru mit ’n Spinnrad uppe Klipp un spinnt. De Madrosen säden mi, dee müsst erlöst warden; dorüm müsste jeder, dee dor toierst passieren ded, Geld to ’n Verdrinken utgäben.
Beim Einhänseln ging es manchmal sogar feierlich zu. Ik heff up ’t Anker swören müsst, as ik hänselt hadd. Ik müsst dree Fingern hochhollen – grad as de Rekruten bi ’n Fahneneid – un swören, dat ik mien Tiet uthollen wull up dat Schipp un de Seefohrt tru bliben.
Im Allgemeinen aber überwog doch die Spielform des Brauches. Wenn ’n Jung to ’n iersten Mal Kaap Huurn passieren ded, würd he in ’n Sack stäken un de Sack tobunnen. Denn würd he vör dat Spill leggt un mit in End dörchtreckt unner dat Spill. De Madrosen stürmen denn all dor un göten em ümrner de Emmer vull Water so roewer. So würd he döfft. De Jung glööwt jo denn, de Düwel oder Neptun hadd dat daan. Wer sich sträubte, dem Hänselbrauch zu willfahren, musste mit empfindlichen Abreibungen rechnen. Up de hollandschen Schäpen, dee na de Oostinns fohren deden, wier dat so Mod: Wenn een sik strüwen ded un nich inhänseln wull, würd em ’n End unner dat Lief stäken; denn würd he vierkantig oewer Buurd smäten un nich ihrer wedder ruphaalt, bet he ja seggen ded. So hören wir auch nur einmal von einer offenbar erfolgreichen Weigerung des Jungen: Ik heff nich hänselt, dor wier ik to steensch to.
Unter den Dingen, die dem Jungen das Leben schwer machten, spielte oft die Seekrankheit die größte Rolle. Allerdings hatte und hat nicht jeder unter ihr zu leiden. Manche alten Seebären haben mir mit Stolz erzählt, dass sie niemals in ihrem Leben seekrank gewesen seien: Dag un Nacht künn ik fräten, oewer seekrank bün ’k nich worden. – Ik bün nie seeduun wäst. Je duller de See güng, je lustiger wier mi ’t to Moot. Wenn de Bräkers oewerballern deden, stünn ik vörn un reep hurra! – As ik toierst utfohren ded, säd en oll Madroos to mi, Bornholm kreeg ik doch nich to sehn; he meente, denn wier ik seekrank, wenn wi dat passieren deden. Dor säd de Schipper: Räd em man nich to Hohn – un ik bün nich krank worden. – En Madroos wull mi bangmaken. He säd to mi: Nu kümmt bald Rassmus langssiet mit de leddern Boot, dee will sinen Kunterbüüt von di halen un namäten, wat du äten hest. Oewer he würd ihrer krank as ik un müsst all de Plummen un Klüüt wedder hergäben un de fetten Speckklöppers dorto.
Andere dagegen wurden immer wieder seekrank. Dazu sagt der Matrose: Das Aufundnieder geht wohl, aber der Deuwel hol das Hinundwieder! Wenn se eenen oder twee Mond in ’n Haben fastlägen hebben, un dor föllt denn fuurts, wenn se rutkamen, spöttsches Wäder in, dat se baben in de Takelage arbeiten möten, denn sünd se farig. Oll Madrosen kotzen oft, wenn se baben arbeiten. Wenn ’n so enen an de Luwkant hett un enen dat in ’t Gesicht spritzt – dat is nich schön. – Madrosen, dee ’t nich uthollen künnen, scheid’ten oft ganz ut. Schon beim ersten Sturm zeigte sich, ob der Junge seeweik oder aber fuustfast war, das heißt, ob er der gefürchteten Seesüük verfiel oder nicht. Min Schipper hett mi so oft to Koi jagt; dat is slicht, wenn man ümmer slimm un oewel is un sall denn wat doon. – As ik seekrank wier, heff ik dacht: Leegst du unner ’n Swienskaben, denn wierst wenigstens an Land! – Ik hadd mal ’n Jung an Buurd, dee wier de ganze Reis’ oewer seekrank – dee tehrte af as de Dag.
An gutem Rat, wie man dem Übel vorbeugen könne, fehlte es nicht. Wenn man de Jungens to Narren bruken wull, denn würd ehr vörsnackt, se müssten ’n Babbelsteen in de Mund nähmen, dat se nich seekrank würden. Dat wier ’n gälen Steen, dor wieren Striche krüüz un dwass up. Mien Vadder hadd so ’n Steen mitbröcht. – Wenn de Jung de ierst Reis’ maken ded, würd he fragt: Na, hett dien Mudder di ok ’n Babbelsteen mitgäben? – De Jung hett ’n Kieselsteen in de Mund nähmen müsst, den dörft he nich rutnähmen, oewer antwuurten müsst he, wenn de Madrosen em fragen deden. Öh, öh…, säd he denn, mihr künn he jo nich rutkrigen. Der ursprüngliche Sinn steckt wohl in dieser Fassung: Du mööst ’n Steen in ’ne Mund nähmen. Solang du em inne Mund hest, büst du nich seekrank (sonst fliegt er nämlich mit hinaus). Es wurden aber noch weitere Mittel angepriesen: Gah hen na ’n Kock un laat di ’n solten Hiring gäben, den mööst unner in den Stäwel leggen, denn warst du nich krank. – Mööst ’n Hiring an ’n Sägelband anbinnen un up un daal trecken – denn ward di sachter. Oder: Du mööst ’n Stück Speck an ’n Bändsel binnen, daalslucken un wedder ruthalen. – Ik wier Kocksmaat. Ik dacht: Wisst eens daaljumpen in de Proviantskamer. Dor heff ik ’n Hiring so roh upäten. Dat hülp, donn kreeg ik wedder Appetit. – Man mööt ’n solten Hiring ’n Ogenblick uppe Kombüs leggen, dat he drögen deit, un denn so mit Huut un Hoor upäten. Bi mi hett ’t sien Deensten daan – ik bün nich seekrank worden. – Ik führte mit enen Jung tosamen, dee würd dull seekrank. Dor rädten de Madrosen em vör, he müsst achter up ’t Heck sitten gahn, de Briggschoot in de Hand nähmen un dat Schipp vör ’n Noors haugen, dat dat ’n bäten sachter gahn würd, un nich so wraken ded. Dat ded de Jung ok, bet de Schipper em ropen ded: Wat maakst du dor? Ja, ik sall… Wider keem he nich, dor hadd he weck rankregen. – Wi hadden eens ’n Jung an Buurd, dee jammerte ümmer los: „Ich muss krepierenl“ Ik säd: „Ik weit wat dorgegen.“ – „Sagen Sie doch, sagen Sie dochl“ – „Se möten ’ne Rull Priemtobak un ’n Mund vull Steenkahlen un ’n solten Hiring tohoop ornlich dörchkaugen.“ He meent oewer: „Hab ich gekotzt, kotz ich dann erst!“
Wenn sich nun aber trotz aller Mittel das „Nachmessen“ einstellte, wurde gescherzt: He fodert de Fisch (de Maischullen, de Kabeljaus). – He gifft den groten Hund wat – dat sall de See sien. – He betahlt Rassmussen. Rassmus will futtert warden. – Nu kümmt Rassmus mit de Klock, dee klingt: He will wat to fräten hebben. Rassmus fröggt: Wat hest du äten? Loepelspies! – Dor schitt sik all wedder een oewer de Tung. – He snackt mit den heiligen Bullerich.
Während der beiden Jungenjahre wurde die Spreu vom Weizen gesondert. Wer sich nicht eignete, schied aus. Aber der Junge, der mit Lust und Verständnis in den Beruf gegangen war, hielt durch. Nach zwei Jahren fuhr er als Jungmann, nach einem weiteren Jahr als Leichtmatrose und gehörte dann schon zu den richtigen Seeleuten. Von ihnen wollen wir uns jetzt berichten lassen.