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Vögel wissen, wie

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Am Himmel über Newquay in Cornwall (England), über Olevoortseweg in Nijkerk (Niederlande) oder über Sacramento in Kalifornien (USA) sieht man Zehntausende von Staren in die Luft aufsteigen, ein Schauspiel, das sich jedem logischen Verständnis entzieht. Die Vögel bewegen sich in einem riesigen Schwarm in einer Art Ebbe und Flut über den Himmel.11 Es gibt dabei keinen Dirigenten, keinen »Führer« und keinen Organisator; nur eine ganz bestimmte Kombination von Voraussetzungen und Faktoren, die diesen außergewöhnlichen, sich ständig verändernden Anblick erzeugen. Es ist unmöglich, etwas anderes über Form und Fluss des Starenschwarms in jedem konkreten Augenblick vorauszusagen, als dass es immer eine Form und einen Fluss geben wird.

Die Vogelschar ist ein sich selbst organisierendes Phänomen. Ebbe und Flut der Vögel ergeben sich aus bestimmten Parametern, die untrennbar mit der Existenz der Stare verbunden sind. Die Formation entsteht fast »von selbst« – was uns als abwegig erscheinen mag, weil Menschen in der Regel meinen, dass komplexe Prozesse nur stattfinden können, wenn sie gesteuert, organisiert und geleitet werden. In unserer modernen Welt mag es ein wenig verrückt erscheinen zu denken, dass ein Prozess sich selbst organisieren kann, dass Kinder in einem nicht gesteuerten Erziehungssystem lernen können, dass eine Gemeinschaft ohne Regeln funktionieren kann und ohne dass eine Polizei für Recht und Ordnung sorgt. Ein ebenso »logischer« Denkschritt ist die Annahme, dass Psychotherapie nur auf der Grundlage strukturierter Techniken möglich ist, die zu vorhersehbaren Resultaten führen. Solche strukturierten Ansätze entsprechen dem Prinzip der linearen Verursachung, womit eine Beziehung zwischen einer Ursache und einer Wirkung gemeint ist, die schrittweise in einem Prozess mit vorhersagbaren Resultaten zutage tritt (Hardesty 2010). Noch wichtiger ist, dass dies darauf verweist, dass wir – und das bedeutet hier Menschen im Allgemeinen – eine direkte Ursache-Wirkungs-Kontrolle auf die uns umgebende Welt ausüben können. Die lineare Kausalität ist zum zentralen Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen und analytischer Prozesse geworden. Sie war im vorigen Jahrhundert das dominierende Paradigma auf den Gebieten der Erziehung (Koopmans 2014, S. 20–39), der wissenschaftlichen Forschung (Galea, Riddle a. Kaplan 2010, S. 97–106) und der Wirtschaft (de Langhe, Puntoni, a. Larrick 2017). Das Prinzip der linearen Kausalität lässt sich bis ins alte Griechenland zurückverfolgen, es wurde von Isaac Newton im Jahre 1687 in seinen Principia formalisiert (Cohen, Whitman a. Budenz 1999).

Doch eine Starenwolke, ein Fischschwarm, die fließende Formation der Menschen, die einander auf einem belebten Fußgängerübergang passieren, die DNS, die Planeten, Sonnensysteme und Galaxien und die Funktionsweise des menschlichen Gehirns resultieren alle aus einer Gruppierung von im Einklang mit Prinzipien und Intentionen sich selbst organisierenden Teilen, die bestrebt sind, Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern und etwas zu schaffen, das mehr ist als die Teile selbst, und denen dies ohne jede Anleitung, Anweisung oder Instruktion von wem auch immer gelingt. Wie ist das möglich? Die Antwortet lautet, dass Selbstorganisation und nichtlineare Dynamiken der natürliche Stoff sind, aus dem das Leben besteht. Wir haben unsere Aufmerksamkeit auf die lineare Verursachung gerichtet und dabei das Gesamtbild aus dem Blick verloren. Damit soll keineswegs der Eindruck erweckt werden, dass lineare Kausalität nicht existiert oder nicht wichtig ist. Lineare Prozesse finden zwischen Elementen innerhalb nichtlinearer Systeme statt. Beide heben einander nicht auf. Es handelt sich vielmehr um komplementäre Aspekte der Natur und natürlichen Erlebens. Entscheidend ist, wie wir über beide denken. Es ist sehr schwierig, aus linearer Perspektive über nichtlineare Systeme nachzudenken, aber es ist ganz und gar nicht schwierig, lineare Prozesse innerhalb von nichtlinearen Systemen stattfinden zu sehen. Vielleicht dominieren lineare Systeme deshalb in unserem Denken, weil viele der Dinge, mit denen wir uns Tag für Tag beschäftigen, auf der newtonschen linearen Physik basieren. Wenn Sie die komplexe nichtlineare Welt würdigen wollen, wird es Sie wahrscheinlich erfreuen zu hören, dass das nicht so kompliziert ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.

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