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Kapitel 3 Der Knabe mit der fetten Kohle

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Sieh dir die Typen in Cobbs Creek genau an. Die ziehen dich aus bis aufs Hemd.

Donald J. Trump

Wenn Sie als Sohn von Fred Trump zur Welt gekommen wären, hätten Sie einen Spruch immer und immer und immer wieder zu hören bekommen: Gewinne, gewinne, und dann gewinne noch mehr. Was immer du auch tust: Sei ein Gewinner. Fred Trump drängte seine Jungs unablässig, »Killer« zu sein. Im Leben eines Trump ging es nicht darum, in den Arm genommen zu werden, ums Familienpicknick oder ums Vorlesen vorm Schlafengehen. Es ging ums Gewinnen und um sonst gar nichts.

»Nach den Geschichten, die man über Fred so hört«, sagt Jack O’Donnell, Vizepräsident des Trump Plaza Casino von 1987 bis 1990, »war er ziemlich grob zu seinen Jungs – gewinnen, gewinnen, gewinnen, Härte, Härte, Härte, immer der Erste sein. Das ist nicht so einfach.«

Der Sohnemann entschied sich für den Sport – kein Wunder. So hatte er jeden Tag die Chance, seinem Vater zu beweisen, dass er wirklich ein Gewinner war. Trump besaß eine natürliche sportliche Begabung – »Ich war immer der beste Athlet«, prahlte er einmal, »aber darüber redet ja nie jemand.« Er behauptet gerne, er hätte einmal auch Baseballprofi werden können. »Aber das waren schlechte Zeiten für Baseball, du konntest kaum Geld damit verdienen«, erzählte er dem Golf-Podcaster David Feherty. Also entschied er sich für eine Karriere im Immobiliengeschäft. Noch mal zum Mitschreiben: Major League Baseball hat Donald Trump auf Knien angefleht, Profi zu werden, aber sie haben ihm zu wenig Geld geboten, deshalb brach er das Herz der gesamten Baseballwelt und – nun ja, trat in die Fußstapfen des Herrn Papa.

Kein Wunder also, dass sich Trump ins Golfspiel verliebte. Jede Runde Golf bietet 18 Gewinnchancen, an jedem Loch eine, und dazu Nummer 19 – der Endstand auf deiner Scorekarte verglichen mit meiner. Ich besiege dich. Ich gewinne. Du bist ein Loser. Trumps Liebesaffäre mit dem Golf ist dauerhafter als jede Beziehung, die er jemals mit irgendeiner Frau oder Berufskarriere oder Partei hatte.

Fred Trump, Sohn eines deutschen Einwanderers, spielte auch, allerdings nur selten. In Trumps jungen Jahren nahm ihn sein Daddy einmal mit nach Forest Park unweit von Queens. Klein-Donald spielte damals nicht selbst, erzählte jedoch, sein Vater »war, zumindest potenziell, ein sehr guter Golfer. Er hat vielleicht nur zehnmal im Leben gespielt, aber er hatte einen schönen Schwung.«

Donalds Golfleidenschaft erwachte erst in seiner Zeit auf dem College in den späten sechziger Jahren, und Sie kommen nie im Leben darauf, wo das passierte: auf dem heruntergekommenen Golfkartoffelacker von Cobbs Creek in Philadelphia, auch bekannt als »The Crick«, wo sich eine abenteuerliche Mischung aus Zockern, Ganoven und arbeitslosen Stahlarbeitern traf. Cobbs Creek war ein öffentlicher Golfplatz, Wochenendfreizeitgolfer für zwei Dollar die Runde gab es ebenso wie Zocker, bei denen es um 100 Dollar pro Loch ging, und Studenten der Universität von Pennsylvania. Einer dieser Studenten war Trump, der die zehn Minuten von der Pennsylvania Wharton Business School herübergefahren kam, um mit seinen Kumpels zu spielen. »Ich erinnere mich an Trump«, sagt Bob Steele, 76, ein »Cobbs Cricker« seit 1962. »Er hat sich nicht reingeschlichen. Er hat bezahlt. Man konnte Papas fette Kohle bei dem Knaben förmlich riechen. Ich erinnere mich, dass er ständig gequasselt hat. Sah aber ganz gut aus, stach irgendwie aus der Masse heraus. Schicke Klamotten und so. Als ich ihn dann im Präsidentschaftswahlkampf im Fernsehen sah, dachte ich: ›Hey! Der Typ war doch mal Cricker!‹«

Als echter Cricker hast du auf alles Mögliche gewettet, vor, während und nach der Runde, und dann kauftest du dir ein Bier aus dem Kofferraum von Cornbreads Auto, und man saß unter den Bäumen, erzählte und lachte über das Spiel und die Wetten, bis es dunkel wurde. Damals wurde um für die Zeit halsbrecherische Beträge gespielt – Nassaus mit 50 Dollar Einsatz. Jedes Loch einzeln gewertet, bei Gleichstand wandert die Kohle in den Jackpot. Oder Pig and Wolf oder Vegas, alle Spielarten von Zockerei, die es auf dem Golfplatz gibt. Wer sich eine Wette ausdenken konnte, hat auch einen gefunden, der darauf einstieg. Und es wurde nicht bloß um Golf gewettet. Einmal wettete ein Typ namens Lou, er könnte zwei Leute samt Golftaschen auf dem Rücken den 100 Meter langen Hügel am 17. Loch hochtragen – er hat es geschafft.

Auf diese Weise lernte das Millionärssöhnchen das Spiel inmitten von Schreinern und Busfahrern und Kleinbetrügern mit Spikes an den Schuhsohlen, auf einem Platz, der schon bessere Tage, aber schon lange keinen anständigen Rasenmäher mehr gesehen hatte. »Ich hatte Freunde, die Golfer waren«, erzählte Trump dem Golf Digest. »Ich hatte bis dahin noch nie Golf gespielt – immer nur Baseball und Football und so. Ich kam also nach Cobbs Creek … Ein öffentlicher Golfplatz, ein rauer Kurs, kein Grashalm mehr im Abschlagfeld, aber es war okay, und tolle Leute. Alles Ganoven da draußen. Jedenfalls mehr, als mir bis dahin jemals über den Weg gelaufen waren. Ich spielte Golf mit meinen Freunden, und irgendwann fing ich an, auch mit diesen Ganoven zu spielen. Ich habe eine Menge gelernt da draußen. Eine Menge über Golf, eine Menge übers Glücksspiel, über alles, was du im Leben brauchst.«

Und er hat Lehrgeld bezahlt – sagt Steele: »Die Zocker dort, wenn die gesehen haben, dass da so ein Schnösel mit Panamahut auftaucht und spielen will, dann konntest du sicher sein: Die nehmen den Kerl aus wie eine Weihnachtsgans.«

Da waren diese Zocker, Row Boat und Frankie und ein Dutzend andere Jungs, die nahmen es mit den Regeln nicht so genau, solange sie an deine Knete kamen. Sogar Charlie Sifford, der erste schwarze PGA-Profi und ein Zocker, wie er im Buche steht, ließ sich dort ab und zu blicken. Der ganze Platz war voller Leute mit Löchern in den Hosentaschen – so konnte man auch mal einen schön platzierten Ersatzball fallen lassen, wenn keiner zusah. Und wenn gerade keine Opfer da waren, die sie schröpfen konnten, dann schröpften sie sich eben gegenseitig.

»Einmal spielte Frankie gegen einen anderen Zocker um 50 Dollar«, erinnert sich Steele. »Beim 18. Loch war Gleichstand. Frankies Gegner verzog den nächsten Abschlag nach links in die Botanik und hat seinen Ball nicht mehr gefunden. Plötzlich rief der Gauner: ›Hey! Ich hab’ ihn!‹ Frankie kam zu ihm rüber und war ziemlich angepisst. ›Du Arsch! Wie willst du deinen Ball finden, wenn ich ihn in der Tasche habe?!?‹«

Als Cricker lernte Trump: (a) Es ist kein Betrug, solange du nicht erwischt wirst; (b) Wenn du deinen Gegner immer ordentlich zutextest, blickt er irgendwann einfach nicht mehr durch, und (c) Der beste Schlag beim Golf ist der Handschlag, nachdem der Gegner deinen Scheck unterschrieben hat.

Auf dem Crick perfektionierte Trump seinen Schwung, mit dem er voll durch den Ball hindurchging. Er setzt den Schwung extrem nah am Körper an, und die Schlagbewegung verläuft sehr flach, fast parallel zum Boden. Aber beim Downswing steigt er plötzlich wieder, zieht voll durch den Ball, noch beschleunigt durch eine furiose Hüftdrehung, wie man sie nur ganz selten bei Amateuren bewundern kann, fast wie Sam Snead, mit ausgedehntem Nachschwung. Wahrlich eine Bombe von Abschlag – als ob er als Präsident nicht schon genug Bomben platzen lassen würde. »Gegen seinen Drive hatte ich nie eine Chance«, klagte einst Bill Clinton.

»Für mich ist die Hüfte das A und O«, erzählte Trump einmal Jaime Diaz von Golf Digest. »Du musst die Hüfte schnell genug wegdrehen, dann können die Arme voll durchschwingen. Das mit den Hüften habe ich vor Ewigkeiten in dem Buch von Ben Hogan gelesen. Für mich wurde es zu einer simplen Grundregel, und ich bin immer dabei geblieben. Es sieht vielleicht ein bisschen schräg aus, aber je besser ich die Hüfte wegdrehe, desto gerader treffe ich den Schlag.«

»Am meisten hat mich beeindruckt«, schrieb Tiger Woods in seinem Blog nach einer Partie mit ihm, »wie weit er den Ball mit seinen 70 Jahren schlagen kann. Er hat wirklich einen ordentlichen Schwung drauf.«

Leider ist der Rest seines Spiels nicht annähernd so gut. Brad Faxon, ehemaliger Star auf der Tour und heute Golfexperte bei Fox, spielte mit Trump in West Palm Beach. »Er ist stark beim Abschlag, trifft den Draw jedes Mal wirklich sauber«, sagt Faxon. »Sein Spiel mit dem Eisen ist okay. Seine Chips sind aber schwach. Er vermeidet den Chip fast um jeden Preis, deshalb puttet er, so viel er kann, selbst aus dem Bunker und in der Nähe des Wassers, wenn es irgendwie geht. Sein Putt ist nicht so übel. Vom Abschlag bis zum Grün hat er vielleicht Handicap 4, aber sein Chip bestenfalls Handicap 20.«

»Ich bin eigentlich ein ganz natürlicher Golfer«, sagt Trump, bescheiden wie immer.

Golf und Trump, das ist ein ungleiches Paar, denn beim Golf zählt eigentlich nicht das Gewinnen, sondern die Ehre. Jack Nicklaus ist vielleicht der größte Sieger, den das Spiel je hervorbrachte, aber der King wird für immer Arnold Palmer bleiben, und zwar wegen der noblen Art und Weise, wie er sich gegenüber seinen Gegnern verhalten hat, egal, ob Prinzen oder Patzer. Bobby Jones war so durchdrungen vom Prinzip des Spiels um die Ehre, dass er sich weigerte, Profi zu werden, obwohl er sieben Major-Turniere gewonnen hat. Profi zu sein war für ihn einfach nicht gentlemanlike. Erst mit Tiger Woods kam die Idee des Gewinnens um fast jeden Preis beim Golf auf. Woods’ Vater Earl erzählte mir einmal, sie hätten früher ein Mantra gehabt, an das sie sich nach jedem Sieg hielten: »Wir kamen. Wir sahen. Wir siegten. Und dann machten wir uns so schnell wie möglich vom Acker.«

Und trotzdem: Woods wäre lieber Letzter geworden, als zu betrügen. An jedem Tag, in jedem Turnier, in jedem Bundesstaat zeigen Spieler ihre eigenen Regelverstöße an, die niemand gesehen hat außer ihnen selbst. Hale Irwin verpasste 1983 das Playoff beim British Open um einen Schlag, weil er, wie er sagte, am letzten Tag bei einem Putt über zwei Zentimeter den Ball verfehlt hatte. Außer Irwin selbst hat das keiner mitbekommen. Aber beim Golf reicht das. Es ist nicht so lange her, da stand eine Highschool-Schülerin aus South Dakota namens Kate Wynja dicht vor einem haushohen Sieg in der Meisterschaft des Bundesstaates, als sie feststellte, dass auf der unterschriebenen Scorekarte eine 4 an einem Loch notiert war, auf dem sie in Wirklichkeit eine 5 gespielt hatte. Niemand sonst wusste davon etwas, und ob 4 oder 5 hätte am Turnierausgang nicht das Geringste geändert. Sie aber meldete es sofort den Offiziellen, denen nichts anderes übrig blieb, als sie zu disqualifizieren. Das kostete sie nicht nur den Einzelsieg, auch der Mannschaftstitel für ihr Team war damit futsch. Selbst Jack Nicklaus höchstpersönlich zeigte sich beeindruckt und twitterte:

Gratulation an diese junge Dame, weil sie Golf dazu nutzt, uns allen eine Lektion fürs Leben in Sachen Ehrlichkeit und Fairness zu erteilen.

Beim Golf beschummelt man den Gegner nicht. Man beschummelt seine Freunde nicht. Man schummelt überhaupt nicht, Punkt. Aber irgendwie – entweder wegen der harten Schule seines Vaters oder wegen der Cricker, die ihm an die Brieftasche wollten – scheint Trump das nicht mitbekommen zu haben. Das Prinzip »Gewinne, und gnade dir Gott, wenn nicht« schickte das »ehrenhafte Spiel« gleich in Runde eins auf die Bretter. Trump musste gewinnen, ganz egal wie, und Mittel und Wege lassen sich finden …

»Er hat ein Spiel gefunden, das perfekt zu ihm passt«, sagt O’Donnell. »Er hat eine extrem kurze Aufmerksamkeitsspanne, da ist Golf ideal für ihn. Du stehst eine Minute am Abschlag und unterhältst dich ein bisschen, dann spielst du deinen Abschlag und gehst deiner Wege. Es braucht keine langen Konzentrationsphasen. Aber das Tollste dabei ist, dass man alles eigenständig regelt. Da kann er nach Herzenslust bescheißen.«

Nach dem College nahm er diese Lehre in die Country Clubs mit, und da stellte Trump fest, dass er nicht nur seine Gegner, die so ganz anders waren als die schlitzohrigen Cricker, einfach mit dem Bleistift übers Ohr hauen konnte: Mit seinem Charme und seinem soliden Spiel ließ sich auch der Karriereweg bis ganz nach oben bahnen.

»Da war dieser [New Yorker] Banker, der dabei war, mich mächtig ins Minus zu treiben«, erzählte Trump David Feherty in einem Podcast des Golf Channel – dabei ging es um den Bankrott seines Casinos in Atlantic City. »Eines Tages war ich auf dem Platz und wollte spielen, und uns fehlte noch ein Mann. Und da sah ich diesen [Banker] auf dem Golfplatz. Wir fragten: ›Wollen Sie nicht bei uns mitspielen?‹ … Er war ein erbärmlicher Golfer, schrecklich … Okay, ich steckte also in echten Schwierigkeiten. Ich schuldete dem Mann zig Millionen Dollar. Also, er haute über den ersten Ball, er haute über den zweiten. Das ging zwei oder drei Bahnen immer so weiter. Am Ende sagte ich zu ihm: ›Tun Sie mir einen Gefallen. Halten Sie die Hände in V-Form, das V zeigt zu den Schultern. Und achten Sie auf einen festen Griff.‹ Er hatte einen elend schwachen Griff. Und da spielte der Typ den besten Ball seines Lebens. Der ging nach rechts raus und zog dann wieder nach innen, mitten auf das Fairway. Er sagte: ›So gut habe ich noch nie getroffen! Das war der beste Schlag, den ich je gespielt habe!‹ Und am Ende spielte er tatsächlich die beste Runde seines Lebens … Am nächsten Tag sah er mich und meinte: ›Hey, können wir das beim Lunch mal besprechen?‹ Und innerhalb von zehn Minuten hatte ich alles mit ihm geregelt. Also, wer weiß, vielleicht würde ich ohne Golf überhaupt nicht hier sitzen!«

Kein anderer Sport zog Trump so sehr in den Bann wie Golf. Er wurde süchtig nach dem ständigen Wettstreit, Loch für Loch, Tag für Tag. Und es ging nicht nur um die Wetten. Er betrachtete auch sein eigenes Handicap als eine Art Kampf gegen sich selbst, den er Tag für Tag gewinnen musste.

»Ich würde sagen, er spielt eine ordentliche 7«, sagt A.J., Trumps fester Caddy auf seinem Platz in Washington. (Er möchte nicht, dass sein Nachname genannt wird.) »Er zieht den Schwung wirklich gut durch. Sein Drive geht richtig weit. Für einen 72-Jährigen spielt er schon erstaunlich. Er hat ein bisschen Probleme vor dem Grün, aber er kann praktisch von überall einen Flop spielen [einen sehr hohen, weichen Chip]. Beim Flop ist er wirklich stark. Und manchmal hat er auch beim Putten einen guten Tag. Mal mehr, mal weniger.«

»Ich gebe ihm eine gute 10«, sagt Faxon. »Wahrscheinlich wünscht er mich zum Teufel dafür, aber ich denke, das kommt etwa hin.« Der viermalige Major-Titelträger Ernie Els spielte eine Runde mit ihm und taxierte ihn auf »etwa eine 8 oder 9«. Die LPGA-Legende Annika Sörenstam hat mindestens zweimal mit ihm gespielt und sieht ihn »bei ungefähr 9 oder 10«.

Nach Einschätzung des Caddys und mehrerer Profis, die immerhin ihren Lebensunterhalt mit Golf verdienen, liegt sein Handicap also irgendwo zwischen 7 und 10. Schön und gut, es gibt da nur ein Problem: Trump selbst beharrt darauf, er hätte ein Handicap von 2,8. In der Welt der Golfhandicaps ist das ein himmelweiter Unterschied. Wenn Trump Handicap 2,8 hat, dann ist Queen Elizabeth Stabhochspringerin. Nie im Leben. Jemand mit Handicap 9 bräuchte fünf Jahre hartes Training, um auf 2,8 zu kommen – und Donald Trump trainiert nicht.

Der ehemalige Sprecher der Republikaner im Abgeordnetenhaus von Florida, Will Weatherford, spielte mit Trump im Jahr 2015 im Southern Highlands Golf Club in Las Vegas, am Tag des Boxkampfs zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao. »Er war sehr amüsant«, erinnert sich Weatherford. »Wenn du mit Donald spielst, kriegst du eine ganze Menge zu hören. Er erzählt alle möglichen Geschichten, langweilig wird die Runde bestimmt nicht.«

War er eher pedantisch, was die Regeln angeht?

»Nicht wirklich. Ich erinnere mich an ein Par 3, da haute er den Abschlag deutlich in die Botanik. Er setzte sich einen zweiten Ball aufs Tee und haute auch den daneben. Der dritte Versuch landete dann vielleicht drei oder vier Meter von der Fahne. Er schaffte den Putt, und ich bin ziemlich sicher, er hat sich für die Bahn eine 2 notiert. Ich genehmige mir auch mal einen Mulligan, ich bin nicht der Oberschiedsrichter … Aber später erzählte er offenbar jedem, er hätte Handicap 2 oder 3, sie bräuchten bloß Will Weatherford zu fragen, der könne bestätigen, was für ein toller Golfer er wäre. Ganz im Ernst, wenn der Handicap 2 hat, dann ist das zumindest für mich neu. Ich habe schon mit Leuten mit Handicap 2 gespielt, und das war eine ganz andere Welt.«

Wie schätzten Sie ihn denn dann ein?

»Ich habe etwa ein Handicap von 12 oder 13, und ich würde sagen, er war zumindest nicht besser als ich.«

Wenn man Trump auf GHIN.com nachschlägt – das Online-Handicap-Register der USGA –, steht er dort mit 2,8. Aber zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buchs im Frühjahr 2019 hatte er nur 20 Ergebnisse in den letzten sieben Jahren gemeldet. In sieben Jahren? Für einen geradezu besessenen Golfer wie Trump ist das ein Witz. Beim Golf ist es Ehrensache für jeden Spieler, jede Runde zu melden, sei sie nun gut oder schlecht gelaufen, damit der berechnete Wert auch die wirkliche Spielstärke abbildet. Du beendest deine Runde, reichst dem Gegner die Hand und setzt dich direkt an den Computer, trägst dein Ergebnis ein. Dann bezahlst du deine Wettschulden und gehst an die Bar und trinkst ein Bier, in dieser Reihenfolge. Wenn die Leute sehen, dass du deine Scores nicht meldest, fragt dich irgendwann keiner mehr, ob du eine Runde spielen willst. Sogar die Leute, mit denen Trump spielt, melden ihre Scores. Allein 2016 hat Rudy Giuliani 16 Ergebnisse eingetragen. Tony Russo, ein bekannter Lobbyist in Washington, meldete 20 Runden allein im Sommer 2018. Jeder, der bloß dreimal im Jahr spielt, läge eher bei 22,8 als bei 2,8. Wir wissen, dass diese 2,8 gelogen sind, denn als Präsident spielt er laut TrumpGolfCount.com, einer akribischen Statistik über Trumps Golfaktivitäten, im Schnitt vielleicht 80 Runden im Jahr. Wenn er im Schnitt 80 Runden pro Jahr spielt, aber nur drei davon meldet, dann heißt das, dass er über 96 Prozent davon unter den Tisch fallen lässt.

Wie nennt man das wohl? Im besten Fall nennt man es Rosinenpickerei. Er protzt ausschließlich mit seinen besten Runden. Und selbst bei den Scores, die er tatsächlich einträgt, zieht er entweder diverse Schläge vom Endergebnis ab oder übertreibt beim Schwierigkeitsgrad des gespielten Kurses. Das GHIN-System nimmt jeweils die 20 aktuellsten Ergebnisse eines Spielers, streicht die zehn schwächsten und berechnet dann den Durchschnitt der besten zehn, wobei der Schwierigkeitsgrad der gespielten Kurse in die Endabrechnung einfließt. Aber sehen wir uns diese 20 Scores einmal genauer an:

 Im ganzen Jahr 2016 hat er nur eine einzige Runde gemeldet, 2015 auch nur zwei. Wem wollen Sie nun glauben? Dem Trump, der sagt, er sei ein supertoller Golfer, der will, dass Sie ihm Ihre Stimme geben, weil er ein Golfchampion ist, der in seinen Tweets die Hälfte der Zeit von nichts anderem spricht als Golf? Oder dem anderen Trump, der offenbar nur so oft Golf spielt, wie Schalke 04 Deutscher Meister wird?

 Sehen Sie sich die »Slopes«, also die Platzbewertung, seiner Scores an. Dieser Wert beschreibt die relative Schwierigkeit eines Platzes. Der Computer ist wesentlich stärker beeindruckt von einer 100 auf einem Platz mit Slope 130 als von einer 100, die Sie auf einem Platz mit Slope 115 spielen. Der Durchschnittswert dieser Platzbewertungen liegt bei ungefähr 120. 15 der 20 von Trump gemeldeten Scores wurden auf Plätzen mit einem Slope über 140 gespielt. Alles, was über 140 liegt, ist von schier groteskem Schwierigkeitsgrad. Das ist wie ein Skiläufer, der ausschließlich schwarze Pisten fährt und auch von diesen nur die allerschwierigsten. In Amerika haben nur wirklich hundsgemeine Kurse einen Wert von 140 und darüber. Nur um das Ganze in Relation zu setzen: Augusta National hat 137. Bethpage Black in New York ist schwieriger als die Relativitätstheorie, hat aber trotzdem nur 144. Ich spiele einmal wöchentlich auf einigen ganz guten Plätzen, und der höchste Slope meiner letzten 20 Runden war 135. Trump könnte also den GHIN-Computer dadurch überlisten, dass er den Slope mit den viel weiter hinten liegenden Abschlägen der Profis nimmt – obwohl alle sagen, dass er die normalen Amateurabschläge spielt – und damit dafür sorgt, dass sein Score für den Computer eindrucksvoller wirkt, was wiederum sein Handicap drückt. Auch das ist letztlich nichts als ein fauler Trick und skrupelloser Betrug, aber man muss zugeben, auch irgendwie genial.

 Im Oktober 2017 meldete er eine 68 und löschte den Eintrag danach wieder. Können Sie sich irgendeinen Golfer vorstellen, der eine 68 in die Tonne tritt? Die meisten würden sich die Scorekarte auf Posterformat vergrößern lassen und das Wohnzimmer damit tapezieren.

Datum Score Kursbewertung/Slope Differenzial
6/16 77 72,4/134 3,9
5/15 85 73,0/144 9,4
5/15 81 71,6/140 7,6
10/14 86 74,7/149 8,6
10/14 84 74,7/149 7,1
7/14 75 69,5/137 4,5
7/14 83 71,8/135 9,4
6/14 78 72,2/137 4,8
6/14 77 73,1/143 3,1
6/14 76 71,9/139 3,3
8/13 70 72,3/147 -1,8
7/13 76 70,2/132 5,0
6/13 79 73,0/144 4,7
6/13 79 71,6/140 6,0
7/12 76 73,9/144 1,6
6/11 74 73,0/144 0,8
5/11 83 74,7/149 6,3
5/11 83 74,7/149 6,3
4/11 84 74,7/149 7,1
9/09 85 74,7/149 7,8

Warum die ganze Mühe, um das Märchen von einem verlogenen Handicap 2,8 in die Welt zu setzen? Was ist so schlimm an Handicap 9? Laut National Golf Foundation haben nur drei Prozent der Männer über 70 ein einstelliges Handicap. Die meisten Golfer mit 70 oder älter würden glatt ihr Gebiss dafür hergeben. Wieso muss er behaupten, er hätte Handicap 3, ein Phantasiewert, den er vom Profiabschlag aus nie im Leben erreichen würde? Sagen wir mal so: Jack Nicklaus hat laut GHIN.com ein Handicap von 3,4. Wenn Sie einen Gegner für ein Match auf Leben und Tod suchen würden, der Verlierer müsste für den Rest seines Lebens die Toiletten im Burger King von Falludscha mit der Zahnbürste sauberschrubben – würden Sie lieber gegen Trump spielen oder gegen Jack Nicklaus?

Wieso um alles in der Welt ist Handicap 9 für Trump nicht gut genug?

Weil, und das werden Sie in Kürze herausfinden, »gut genug« für einen Donald Trump niemals gut genug ist.

Der Mann, der nicht verlieren kann

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