Читать книгу Slow Dancing In A Burning Room - Rika Mayer - Страница 16

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Haydn saß in dem Armstuhl in einer Ecke des Zimmers und skizzierte Lafayettes Gesicht, der immer noch friedlich und völlig unberührt in ihrem gemeinsamen Bett schlief. Seine Finger waren ganz schwarz von der Kohle und er hatte ein paar Spuren auf Nase und Stirn wo er sich gekratzt hatte. Auf seinem Mp3-Player liefen Franz Liszts Pianokonzerte und seine Hand folgte der Melodie während sein Blick zwischen dem Papier und seinem Modell hin und her wanderte. Es war einer dieser Momente, in denen er gerne seine Farbkästen zur Hand gehabt hätte, aber es wäre zu aufwendig, diese auf Tour mitzunehmen – und wer weiß, was die Jungs im Tourbus damit anstellen würden.

„Nicht bewegen!“ Lafayette blinzelte und hob den Kopf. „Wo bist du?“ „Hier drüben. – Ah, nicht bewegen, hab ich gesagt!“ „Was machst du da?“ „Nach was sieht es denn aus?“, deutete Haydn ihm an, den Kopf wieder hinzulegen. „Als hättest du eben einen Rauchfang gekehrt?“ „Ha-ha“, gab er nun doch auf und legte den Block zur Seite. „Petit déjeuner, mon cheri?“ „Merci“, setzte Lafayette sich auf und streckte sich. Da Haydn aufstehen musste, um das Telefon zu erreichen, nützte er seine Chance und griff nach dem Zeichenblock, der Haydns einzige feste Beziehung war, wenn sie unterwegs waren. Wenn er sich dabei nicht selbst dumm vorkommen würde, würde er ihn wahrscheinlich mit ins Bett nehmen. Während sein Freund Kaffee bestellte, folgte Lafayettes Blick den Linien auf dem Papier, die sein Gesicht bildeten. Er lächelte und schüttelte dann fast etwas verlegen den Kopf und seufzte lauter als gedacht und Haydn sah zu ihm herüber. „As-tu bien dormi?“ „Hä?“, ließ Lafayette die Zeichnung sinken. „Ah, oui oui, très bien, merci. – Es toi?“ „Ganze viereinhalb Stunden“, kam Haydn zurück zum Bett und nahm ihm den Block ab, um ihn zurück auf den Nachttisch zu legen. „Ich nehme an, die ganze Herumtingelei hat mich doch mal eingeholt.“ Er streifte den Morgenmantel ab, um ihn gegen ein Paar grellgelbe Jeans und ein dunkelblaues Hemd zu tauschen. Dass er darunter völlig nackt war, war niemandem ein Augenzwinkern wert. „Du wirst einfach alt, so sieht’s aus, Teddybär“, suchte Lafayette nach frischer Unterwäsche und Haydn legte den Kopf ein wenig schief und blinzelte. „Das auch.“

Es war ein Vormittag des Sundance Film Festivals und Lafayette und Haydn warteten darauf, einen weiteren roten Teppich zu betreten. Von Salt Lake City ging es nach Santa Barbara, Victoria in Kanada und von dort würde Haydn direkt nach London zur Fashion Week fliegen, wo er zwei Auftritte hatte. Mehr Termine hatte er zwischen all die Konzerte nicht mehr unterbringen können und er und Lafayette freuten sich, bis zum Abend ein bisschen durch die Stadt flanieren zu können.

Noch wusste offiziell niemand von ihrem Part und während sie sich die Outfits für den Abend zusammensuchten, überlegte Haydn laut, wie sie ihren Auftritt gestalten sollten. „Es ist zwar nicht Hollywood“, konnte Lafayette beim besten Willen nur einen Schuh finden, „aber wie wär’s mit einem Hollywoodkuss?“ Sie reisten gänzlich ohne Entourage, aber er hätte jetzt zu gerne jemanden herumkommandiert, den Schuh zu suchen. „Hollywoodkuss?“, entdeckte Haydn seine Handschuhe zwischen seiner Unterwäsche. So etwas passierte nur, wenn Jacqueline nicht zur Stelle war, um ihm beim Packen zu helfen. „Ja“, nickte Lafayette und sah seinen besten Freund an, der sein Hemd noch immer nicht zugeknöpft hatte und dessen Bauchmuskeln von der Morgensonne betont wurden. „Wo wenn nicht auf einer Filmpremiere?“ „Aber wer legt wen um?“, zupfte Haydn sich eine Fluse seines Pelzmantels von der Zunge. „Na ich dich natürlich“, wunderte sich Lafayette. „Du willst doch sterben.“ „Ha-ha“, zielte Haydn und warf ein paar Socken-Strikes nach ihm. Lafayette ging davor eilig hinter der Couch in Deckung, allerdings verlor er dort das Gleichgewicht und quiekte auf.

„Hast du dich auf eine Maus gesetzt?“, kam Haydn zu ihm herum und zog ihn ganz mühelos wieder auf. Diesen Moment nutzte Lafayette und beugte ihn über seinen Arm. Sein Mund stoppte nur wenige Millimeter vor Haydns Lippen. „Mon amour…“ Natürlich ließ er ihn los und Haydn plumpste auf den Hintern. „Au!“ „Das war jetzt aber auch nicht viel maskuliner.“ „Ich bin ja auch die Frau in diesem duo infernale.“ Er klopfte sich die Hosen ab und holte dann seine Abendgarderobe aus dem Kleidersack. „Welches sagt mehr ‚Opening Night’?“, schwenkte er die beiden Kleidungsstücke, die er aus der Filmgarderobe übernommen hatte – oder geklaut, je nachdem auf wessen Seite man war. „Schwarz oder weiß?“ Lafayette ärgerte sich gerade über eine Falte in seinem Smoking und sah erst mit Verzögerung zu seinem besten Freund hinüber. „Du ziehst das wirklich durch, nicht wahr? Die volle Montur?“ „Versuch mich davon abzuhalten“, legte Haydn beide Outfits grinsend aufs Bett und rieb sich das Kinn. „Ich denke weiß passt besser zu dir und dem Mantel.“ „Dann nimm aber die schwarzen Schuhe und den schwarzen Hut“, war Lafayette bestimmt nicht versucht, Haydn von irgendetwas abzuhalten und zog an dem verknitterten Ärmel. „Funktioniert das wirklich mit dem Dampf im Bad?“ „Woher soll ich das wissen?“, steckte Haydn das schwarze Outfit wieder in den Sack und hängte es zurück an die Schranktür. „Du bist die Frau…“ „Ja, aber keine Hausfrau.“ „Ich werds einfach versuchen“, ging Lafayette ins Badezimmer und Haydn krempelte sein Hosenbein hoch. „Merde! – Lay, ich brauch deinen Rasierschaum.“ Er hinkte ins Bad. „Ehrlich, dass Frauen sich das ständig antun…“


Als das makellose Paar über den roten Teppich schritt war Lafayette ganz der Gentleman in Smoking und Zylinder und führte seine Filmpartnerin an seinem Arm galant an den Kameras vorbei. Die Überraschung über die Rolle des Rockmusikers war groß, doch war sie kurzweilig, sobald der erste Blitz sich in dem glitzernden Kleid seiner Begleitung verfangen hatte. Da Candy Hart ganz und gar mit einem authentischen 20er Jahre Outfit aus dem Film ausstaffiert war, riss man sich um die Aufnahmen und sie winkte fröhlich und die tiefroten Lippen lächelten verführerisch, während sie geschickt posierte. Sie war die Stilikone des Abends.

Nachdem die obligatorischen Fotos mit versammelter Crew im Kasten waren, begab man sich zum ersten Screening, das mit begeistertem Applaus beendet wurde. Schließlich trat Jessie Bryant, Regie und Drehbuch, auf die Bühne, um sich zu bedanken und sein Team noch einmal der versammelten Presse vorzustellen. „In den Hauptrollen: Die fabelhafte Paige Miller als die intrigante Lottie Brewer.“ Der Applaus wurde fortgesetzt. „Der kriminell gutaussehende Frankie Stockton als zweigleisiger Fred Rayburn.“ Stürmischer Beifall. „In den Nebenrollen: Grandioser Barpianist Deion Lewis alias weltberühmter Rockgitarist Lafayette Roche.“ Lafayette zog galant seinen Hut und hielt dann seiner Partnerin die Hand hin, um ihr auf die Bühne zu helfen. „Und als seine tragische Partnerin: Die bittersüße Candy Hart – alias...“ Es war vielleicht nicht ganz fair, den Auftritt einer Nebenrolle so medienwirksam hinauszuzögern, aber Jessie selbst genoss diesen Moment viel zu sehr – den Moment um den er sein ganzes Skript aufgebaut hatte. „Alias Rockstar und Chamäleon Haydn Cavendish.“ Jedes Filmfestival brauchte seine Story – diese war genug für viele weitere.


Später – es war längst früh am nächsten Morgen – fiel das ungleiche Paar vor ihrem Hotel aus dem Taxi und begrüßte den Portier per Handschlag, bevor sie in ihr Zimmer hinaufwankten. Während Lafayette unter der Dusche stand, ließ Haydn sich auf die Couch fallen, ein Bein auf der Lehne, und versuchte die Spange an seinen Schuhen aufzubekommen.

„Ich muss sagen“, glitt Lafayette schließlich in den Stuhl ihm gegenüber und rieb sich das Haar trocken. „Alles in allem war es ein äußerst vergnüglicher Abend.“ „Ja“, ließ Haydn erfolglos die Hände sinken und streckte das andere Bein von sich. „Das Ganze jetzt noch zehn Mal, dann habe ich wieder genug von roten Teppichen.“ „Ah, du hast doch jede Sekunde Aufmerksamkeit genossen“, feixte Lafayette und warf das Handtuch einfach achtlos auf den Boden. „Immerhin haben dir mal wieder echte Hollywoodstars beim Tanzen an den Po gefasst.“ „Hehe“, grinste sein Gegenüber. „Ja, das kann mir niemand mehr nehmen. – Trotzdem“, nahm er den Hut ab und schleuderte ihn Richtung Bett. „Ich bin froh, wenn ich wieder Adieu sagen kann zu Miss Candy Hart.“ „Ihr beide habt sehr gut zusammengearbeitet.“ „Und sie war ausgesprochen gut im Bett.“ Lafayette schmunzelte und legte den Kopf an die Lehne. „Ich bin immer noch geschockt, dass du nach all den anrüchigen Tänzen mit einer Frau nach oben verschwunden bist. - War sie lesbisch?“ „Nicht während ich sie gevögelt habe“, zwinkerte Haydn und Lafayette kicherte. „Wer war denn oben? Du oder sie?“ „Niemand, ich hab sie an die Wand gelehnt.“ „Dass dich der Fummel anturnt…“, erhob er sich aus seinem Stuhl und setzte sich zu Haydn, um ihm dabei zu helfen, die Knöpfe auf dem Rücken aufzubekommen. „Nun“, drehte Haydn sich halb herum. „Ich erinnere mich, dass er dich auch nicht unbedingt abgeschreckt hat.“ „Ja“, nickte Lafayette und drehte Haydn wieder um. „Und es wird nie wieder passieren.“ Dabei ließ er seinen Finger zärtlich über Haydns Wirbelsäule gleiten und dieser gluckste. „Ne va pas sentimental, Lay. – Auch wenn du manchmal versuchst, es dir auszureden: Du stehst nicht auf Männer.“ „Du ja auch nicht.“ Das Schnauben kam so überraschend, dass Haydn sich die Hand vor die Nase halten musste.

„Versuch nicht, mich zum Narren zu halten“, öffnete Lafayette die Verschlüsse des BHs. „Ich hab dich schon viel zu lange durchschaut.“ „Ah ja?“, lehnte Haydn sich zurück und bettete seinen Kopf an Lafayettes Schulter. „Und was siehst du?“ „Dass du nur deshalb mit Männern schläfst, weil du es kannst. Weil du sie haben kannst.“ „Und warum auch nicht?“, zuckte Haydn unberührt die Schultern. „Es ist ein sehr nettes Gefühl von Macht.“ „Aber du stehst nicht auf Männer, Teddybär.“ „Nein, du stehst nicht auf Männer. – Und das ist auch gut so“, rollte er seine Strümpfe übers Knie. „Denn du sollst Layla heiraten und zehn Kinder mit ihr haben und deinen zwanzig Enkelkindern dann im Schaukelstuhl von der Zeit erzählen, als du mal berühmt warst.“ „Im Gegensatz zu dir, der du mit 70 noch hinter jedem Rockzipfel her sein wirst.“ „Ach wo“, schüttelte er den Kopf und zerriss mit einem verzweifelten Ruck das Lederband, das den Schuh an seinen Knöchel fesselte. „Ich werde doch überhaupt keine 70. Nicht nach all dem Zeug, das ich genommen habe.“ „Dass du auch nur genommen hast, weil es dir angeboten wurde.“ „Ich versuche alles einmal auszuprobieren.“ „Nicht gerade ein lobenswerter Grundsatz“, schüttelte Lafayette den Kopf.

Er lehnte sich zurück und sah für einen Moment aus dem Fenster. Seine Hände lagen auf Haydns Bauch und dieser drehte an den Ring, den Layla Lafayette geschenkt hatte. Obwohl es bereits sieben Uhr morgens war, kroch die Sonne gerade erst hinter den Dächern hervor und vertrieb den letzten Rest der Müdigkeit die er noch gespürt hatte, als sie zurückgekommen waren. „Warum hast du mir nie davon erzählt.“ „Wovon?“, war Haydn ebenso munter wie er, auch wenn er an seine Brust gelehnt war und die Augen geschlossen hatte. „Davon, dass du weißt, wie man sich Morphium spritzt. Oder Heroin, in deinem Fall – nehme ich an.“ „Also so schwer ist das dann aber auch wieder nicht.“ „Wann, Haydn?“ „Wann was?“, nahm dieser die Perücke ab und fuhr sich durch die Haare. „Christian!“ „Aber nur einmal. Ich habe mich so heftig übergeben, dass ich es nie wieder anfassen könnte.“ Wenn das mit anderen Dingen auch so funktionieren würde… „Wunderbar, Christian. Ehrlich. Das hast du doch vorher nicht wissen können.“ „Das war kurz vor meinem letzten Zusammenbruch, Lay. Ich wollte süchtig werden“, zuckte Haydn die Schultern. Tatsächlich war die Sucht die Facette seiner Rolle die ihm am leichtesten gefallen war. Auch wenn er schon mehrmals in Frauenkleidern abgelichtet worden war und unzählige Männer geküsst hatte: Drogen und er hatten immer noch das engste Verhältnis von den drei Wahlmöglichkeiten. „Ich habe gehofft, dass es mich umbringt. Bislang bin ich dabei ja noch nicht besonders erfolgreich gewesen.“ Sein Filmtod war ebenfalls reizvoll gewesen, wenn auch vielleicht ein bisschen zu Rock’n’Roll. „Trotzdem versuchst du es immer wieder.“ Dabei klang seine Stimme eher ironisch als besorgt und Haydn biss sich auf die Lippen. „Die Schlaftabletten an meinem Geburtstag? Das hat doch schon fast Tradition. Außerdem habe ich es bis jetzt noch jedes Jahr vergeigt.“ „Und was, wenn du doch einmal erfolgreich bist?“, wechselte der Tonfall. „Dann bin ich tot.“ Das klang so, als hätte er eben gesagt, dass er einen Spaziergang machen würde. „Aber bislang bin ich immer zu betrunken gewesen, um die Dinger lange genug in mir zu behalten. – Ich bin scheinbar zu dumm für Selbstmord.“ Lafayette suchte in seinem halbzugewandten Gesicht nach dem frechen Blitzen und schüttelte dann den Kopf. „Hast du schon mal überlegt, dass du deshalb jedes Mal versagst, weil du eigentlich gar nicht sterben willst?“ „Oh nein, ich will sterben“, widersprach Haydn in einem fast fröhlichen Ton. „Ich habe nur viel zu viel Angst davor. Das ist mein Dilemma: Auf der einen Seite“, hob er die rechte Hand, „ist Christian, der mich auf seine Seite zieht – und auf der anderen Seite“, hob er die linke Hand, „ist mein kleines dummes Selbst, das eine Sterbensangst vorm Sterben hat. Sonst hätte ich es doch längst mit wirksameren Methoden versucht.“ Er ließ die Arme sinken. „Aber allein der Gedanke daran, abdrücken zu müssen…“










Slow Dancing In A Burning Room

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