Читать книгу Westlake Soul - Rio Youers - Страница 8
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Wie man einen Superhelden erschafft
Ich habe eine klare Vorstellung von Vollkommenheit. Das vogelartige Gewicht ihrer Hand in meiner. Ihr Atem so süß, beinahe Karamell. Die Art, wie ihre Lippen über meine Haut tanzten, und die Wünsche in ihren Augen – meine Wünsche, die mir noch gewährt werden sollten.
Nadia Charles. Ein Name wie der eines Bond-Girls. Sie sah aus wie ein Bond-Girl, mit einem Wirbel aus schwarzen Haaren und einem Körper, der so ebenmäßig war, dass man denken könnte, sie wäre in den Händen eines Bildhauers entstanden. Verdächtige Schönheit. Ich besitze all meine Erinnerungen an sie, lebhaft genug, um sie jederzeit heraufbeschwören zu können (einer der Vorteile, wenn man sich in das zurückgezogen hat, was Jung das persönliche Unbewusste nannte und was ich als Secondhand-Realität bezeichne). Meine liebste Erinnerung ist gleichzeitig die, die am meisten schmerzt. Unser letzter gemeinsamer Morgen. Das letzte Mal, dass wir miteinander geschlafen haben. Das letzte Mal, dass ich ihre Lippen spürte.
Ich lasse das oft wieder aufleben; der Schmerz hilft mir dabei, mich normal zu fühlen.
»Baby«, hatte sie mich gebeten, »öffne doch die Jalousien ein Stück. Ich liebe es, wenn die Sonnenstrahlen alles rosa färben.«
Wir hatten Urlaub in Tofino gemacht, in British Columbia. Drei Wochen Strandleben. Ich, mein bester Freund Darryl und unsere Mädchen. Den ganzen Tag auf dem Board, abends richtig geile Partys. Das Donnern und Rauschen des Pazifik. Das Ploppen von Bierflaschen. Die Art Musik, bei der man nicht still sitzen kann, sondern tanzen muss. Es sollte der beste Sommer aller Zeiten werden, an den wir uns so lange zurückerinnern würden, bis uns unser Erinnerungsvermögen im Stich ließ.
Früher Morgen, Dämmerung. Nadia war gerade aufgewacht. Ihre dunklen Augen hatten diesen zerknitterten, verschlafenen Ausdruck. Bezaubernd. Ich öffnete die Jalousien nur einen Spalt weit und schräge Streifen rosafarbenen Lichts flossen in unser Zimmer, berührten ihren Körper wie die Linien auf einem Notenblatt. Ich küsste sie. Willkürlich aufeinanderfolgende Töne, einer Katze ähnlich, die über die Tasten eines Klaviers läuft.
»Hier«, sagte sie und öffnete sich mir.
Unzählige Klischees. Bei ihr fühlte ich mich lebendig. Sie war der Ozean. Die Zeit stand still. Alles, was ich mir je gewünscht hatte. Die Wahrheit ist, dass all diese Klischees zutrafen. Aber es gab noch viel mehr, all die kleinen Dinge, die man nicht in Worte fassen kann. Die Art, wie unsere Zähne manchmal gegeneinanderstießen, wenn wir uns küssten. Unser ähnlich klingendes Lachen. Dass wir immer die Ersten auf der Tanzfläche waren. Wie sie darauf bestand, mir den Reißverschluss meines Neoprenanzugs runterzuziehen, weil sie es gern sah, wenn das eng anliegende Material aufklaffte und meine trainierten Nacken- und Schultermuskeln enthüllt wurden. Und so weiter und so weiter … All die Dinge, die uns definierten.
»Ich will deine Seele sein«, sagte sie, nachdem wir uns zum letzten Mal geliebt hatten.
»Nadia Soul?«, fragte ich.
»Mir gefällt, wie das klingt«, erwiderte sie.
Ich lächelte und ließ meinen Finger nach unten gleiten; von der Kuhle an ihrer Kehle bis hinunter zu der Stelle, an der das Schamhaar zu wachsen begann. Ich hinterließ einen Pfad in unserem Schweiß, der das rosige Licht einfing wie ein Streifen aus Chrom.
»Mir gefällt auch, wie das klingt«, stimmte ich zu.
Sie war neunzehn, ich einundzwanzig. Wir hatten uns im Sommer zuvor beim Skate-Krazy-Turnier in Toronto kennengelernt. Ich würde es zwar nicht Liebe auf den ersten Blick nennen, aber Nadia war definitiv cool auf den ersten Blick. Eines der Mädchen, die dein Ego zum Schnurren bringen. Sie war die DJane für den Vorentscheid der Männer. Den Kopfhörer von Allen & Heath hatte sie lässig auf einem Ohr geparkt, während sie mit irren Effekten und Backspins auf den Jubel der Menge reagierte. Sie trug ein weißes Bikini-Oberteil und einen Jeansrock, Sonnenbrille von Donna Karan. Das Rip Curl-Logo als Arschgeweih. Ein Mädchen ganz nach meinem Geschmack.
Ich sprach sie auf der Party an. Sie war mit einem Schlägertypen namens Farley zusammen. Stell dir einen Kerl in deinem Fitnessstudio vor, der gerade einmal dreißig Sekunden mit Schwergewichten und ein paar Wiederholungen verbringt und danach zehn Minuten lang vor jedem verfügbaren Spiegel posiert, stolziert, die Muskeln spielen lässt. Genau so einer ist Farley. Ich musste mich nicht vorstellen; Nadia wusste, wer ich war. Anscheinend waren wir Freunde auf Facebook. Farley schüttelte meine Hand und drückte viel zu fest zu. Ich lächelte ihn an, um ihm klarzumachen, dass alles easy war, obwohl ich natürlich die feste Absicht hatte, seine Freundin mit der SuperPoke!-App auf Facebook anzustupsen.
Ich tat es und warf ein Schaf nach ihr. Sie warf ein Huhn zurück. Ich legte einen Chest Bump nach, den sie mit einem High Five beantwortete. Dann kitzelte ich sie und sie warf mir einen Luftkuss zu.
Farley sah, was wir taten. Natürlich. Er reagierte mit seinem eigenen SuperPoke, verpasste mir einen Roundhouse-Kick, woraufhin ich seinen BH-Träger schnappen ließ. Er antwortete mit einem Dropkick, ich warf ein ShamWow auf ihn.
Daraufhin bekam ich eine Privatnachricht von Farley. Ohne Betreff, nur eine Warnung voller Rechtschreibfehler: Pass beser auf was du als nächtes tust du aroganter Witzbolt.
Ich entfreundete und blockierte ihn, warf aber vorher noch einen Ninja-Wurfstern nach ihm. Dann schrieb ich Nadia eine Privatnachricht: Dein Freund scheint wütend auf mich zu sein. Schätze, er mag es nicht, wenn ich dich anstupse. Sie schrieb zurück: Er ist nicht wirklich mein Freund. Nur ein Kerl, der gern mein Freund wäre. Und ich mag es, wenn du mich anstupst. Nicht aufhören.
Der Rest geschah schnell und mühelos. Dreizehn Monate Liebe, die mit einem virtuell geworfenen Schaf begann und mit rosafarbener Morgensonne endete. Natürlich hatte ich keinen Schimmer, dass es das Ende war. Ich glaubte, wir wären immer noch ganz am Anfang.
Während unserer letzten gemeinsamen Momente zeichnete ich mit meinem Finger Sterne um Nadias Brustwarzen und dachte darüber nach, wie unglaublich gut ihre Haut roch, wie perfekt die Sonne sie gebräunt hatte. Sie stellte sich währenddessen (damals ahnte ich es nicht einmal, aber jetzt weiß ich es) unsere Hochzeit vor. Irgendwo, wo es heiß war. Am Strand. Sie trug einen weißen Sarong, eine Orchidee im Haar. Ich hatte eine gehäkelte Rastafari-Mütze auf, Bermudashorts und Espadrilles an. Unser Page hatte kaffeebraune Haut und Dreadlocks. Die Zeremonie leitete Reverend Al Green.
»Willst du los?«, fragte sie.
Ich hörte, wie der Ozean nach mir rief.
»Ja.«
»Es ist noch früh«, sagte sie.
»Das ist die beste Zeit. Keine Anfänger im Weg. Da lassen sich sicher ein paar gute Roller erwischen.«
Sie berührte meine Brust. »Du kannst auch hierbleiben und dich mit mir herumrollen.«
Das war der Moment. Wenn ich alles, was passiert ist, in der Erinnerung noch einmal erlebe, dann lastet dieser Moment am schwersten auf meiner Seele. Er hat die Form eines Ypsilons, einer Weggabelung, ist in Ketten gelegt, die mit beinahe menschlicher Stimme zu rasseln scheinen: Hätte ich doch nur … Wäre ich doch nur …
Wie anders wäre mein Leben verlaufen, wenn ich bei Nadia geblieben wäre und die Wellen allein hätte rollen lassen? Ich will hier keine Quantenmechanik diskutieren, aber betrachte doch mal eine Sekunde lang die Formulierung relativer Zustände – eine allgemeingültige Wellenfunktion, die nicht an jedem Verzweigungspunkt zusammenbricht und die Existenz paralleler Welten impliziert. Nach dieser Theorie gibt es da draußen unendlich viele Westlake Souls, die in unendlich vielen Dimensionen leben. Und jede spaltet sich in die nächste auf. In einer dieser Welten blieb ich bei Nadia im rosa Sonnenlicht. Wir liebten uns wieder und wieder. Ich bin nicht surfen gegangen und im Anschluss auch nicht im Meer ertrunken. Da draußen gibt es tatsächlich einen Westlake Soul, der Nadia an einem Strand in der Karibik geheiratet hat … In der Realität jedoch bricht die Wellenfunktion zusammen.
Ich küsste Nadia zum letzten Mal und ging surfen.
Wäre ich doch nur …
Übrigens habe ich immer wieder nach diesen Parallelwelten gesucht, bis zu dem Punkt, an dem mein brillanter Verstand vor Anstrengung schmerzte. Wenn ich Zugang zu diesem alles verändernden Verzweigungspunkt hätte, könnte ich ein alternatives Leben führen und wüsste nichts von demjenigen, das ich gegenwärtig habe. Ich hätte meinen Körper wieder. Mein Mädchen. Die Tatsache, dass es mir nicht gelungen ist, mich dieser Stelle zu nähern, stellt das von Hugh Everett III. postulierte Konzept relativer Zustände infrage. Entweder ist die Theorie schlichter Blödsinn oder man kann auf psychischer Ebene nicht zur universellen Wellenfunktion gelangen, was den Beweis unmöglich macht.
Mit anderen Worten … Ich stecke in diesem Leben fest.
Mit dem letzten Kuss auf den Lippen schlenderte ich zum Strand hinunter, mein Board unter dem einen Arm, meine Tasche über der anderen Schulter. Die Wellen waren erstklassig, sie türmten sich hoch auf und brachen mit voller Kraft. Am Wasser war nur ein Typ, der eine Frisbeescheibe für seinen Hund warf, ansonsten gehörte der Strand mir allein. Ich legte mein Brett in den Sand und brachte eine Schicht Wachs auf, behielt dabei das Meer die ganze Zeit im Blick. Eine flatternde, blau-weiße Flagge, und ich konnte es nicht erwarten, sie zu hissen. Ich schätzte die Wellen ab und entschied mich, auf eine Zehn-Millimeter-Leash umzusteigen. Mehr Zugkraft, weniger Risiko, dass sie im schweren Wellengang riss. Ein weiterer, alles entscheidender Verzweigungspunkt. Wäre ich bei den fünf Millimetern geblieben, wäre die Leash vielleicht gerissen und das Board wäre von mir weggeschwommen, statt wie ein Bumerang zurückzukommen und mir den Schädel einzuschlagen. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Ich ging raus und lebte die letzten zweiunddreißig Minuten des Lebens, wie ich es bis dahin kannte. Ich erinnere mich, wie der Sand zwischen meinen Zehen drückte und die Brandung um meine Knöchel zischte. Empfindungen, die ich immer geliebt habe. Der Hund bellte fröhlich, während ich immer tiefer ins Wasser watete und dann hinauspaddelte. Die erste Welle, die ich erwischte, überraschte mich. Sie war schnell und rau, aber ich zähmte sie mit meiner Balance, attackierte den Kamm und stieß wieder hinein, um ihr zu zeigen, wer hier der Boss war. Ich ritt sie mit der Rückhand, bis sie sich erschöpft hatte. Die zweite Welle war ein Cruncher und warf mich vom Brett, sobald ich auf die Füße kam. Der Ozean lachte und zerrte an mir, aber ich packte die Seiten meines Boards und kam mit einem Ruck wieder hoch. Mit dem nächsten Set zeigte ich ihm, was ich draufhatte, zog s-förmige Cutback-Schleifen und hob gekonnt in die Luft ab, bevor ich direkt durch die Krümmung der Welle schoss und vor Begeisterung heulte. Nichts kommt an dieses Gefühl heran. Zumindest nicht für mich. Vielleicht Snowboarden auf einer Lawine oder Skaten bei einem Erdbeben. Ich weine innerlich. Jubelnd, triumphierende Tränen. Ich reite buchstäblich die Welt, und genau so fühlt es sich auch an. Wenn Sex mit einem schönen Menschen der Himmel ist, dann ist das Surfen Gott selbst.
Ich lachte – es war das allerletzte Mal, dass ich lachte – und paddelte erneut zu den schweren Wellen hinaus. Und dann sah ich sie. Eine Wand aus Wasser, die sich vor mir auftürmte, heranbrandete und den Horizont ausfüllte. Ein freakiger Motherfucker von einer Welle, die nur einen einzigen Zweck hatte: zu beweisen, wie klein und unbedeutend ich war. Mein Instinkt schrie nach einem Rückzug, aber ich war innerlich wie unter Strom; nichts konnte mich aufhalten. Der Rest der Welt verschwand. Ich fühlte mich gleichzeitig winzig und grenzenlos.
Das war mein größter Wunsch. Mein einziger Albtraum.
Das war die Welle, die mich töten würde.
Ich erwischte sie zunächst perfekt, hob den Kopf, sprang auf die Füße und fühlte den Schub unter meinem Board. Auf die Geschwindigkeit war ich vorbereitet, nicht aber auf die dahinter liegende Kraft. Ich dachte, ich hätte es im Griff, aber sie raubte mir völlig den Atem und stieß mich mit solcher Wucht in das Wellental, dass ich beinahe den Halt verlor. Riesenfäuste hämmerten von unten gegen mein Brett und die Gischt besaß scharfe Zähne. Aber ich weigerte mich abzuhauen, auch dann noch, als ich das Weißwasser hinter mir hörte; eine krachende Gewitterwolke, größer als der Mond. Ich wendete in den offenen Rücken der Welle und blieb in dieser Position. Keine Chance für Tricks. Das war alles, was ich tun konnte, um nicht von ihr gefickt zu werden. Dann kam der Moment, für den ich lebte (ironischerweise auch der Moment, für den ich starb): Die Oberkante der Welle baute sich in hohem Bogen über mir auf, schraubte sich vor mir in die Höhe und plötzlich glitt ich durch einen perfekt gerundeten Zylinder aus Wasser. Der Tunnel. Das Glashaus. Der grüne Raum. Eine surreale und heftige Erfahrung. So nah am Traum, wie man im Wachzustand nur träumen kann. Ich ballte die Fäuste und brüllte es heraus.
Am Ende des Tunnels sah ich das Tageslicht als winzigen Kreis, der von Gischt und einem mandarinenfarbenen Himmel erfüllt war. Ich hielt auf diesen Kreis zu, aber die Welle verengte sich rasch um mich. Ich würde es auf keinen Fall rechtzeitig schaffen. Ich überlegte, ob ich einen Rückzieher machen sollte, verlagerte den hinteren Fuß nur millimeterweit, aber dieses winzige Zögern war alles, was die Welle brauchte. Sie hob das hintere Ende meines Boards in die Höhe und warf mich ab. Weniger als eine Sekunde lang hing ich in der Luft, dann wurde ich zerkaut und verschluckt. Die Gewalt war jenseits allen Fassungsvermögens. Ich hatte Tausende von Wellen herausgefordert und viele von ihnen hatten mich überwältigt, aber so etwas hatte ich noch nie erlebt. Eine Atombombe im Ozean. Ein schwarzes Loch des Meeres. Mein Körper wurde in den Abgrund geschleudert, in die Höhe gezerrt, herumgeworfen. Nur ein weiteres Stück Seetang, das gleich schlaff am Ufer angespült werden würde. Ich versuchte mich zu schützen – mich zu einer Kugel zusammenzurollen und meinen Kopf mit beiden Händen zu bedecken –, aber ich hatte keinerlei Kontrolle über meinen Körper. Ich wurde tief hinabgestoßen, über den sandigen Untergrund geschleift, bis mir die Haut von Gesicht und Händen geschürft wurde. Mein Herz drosch einen wilden, zuckenden Takt und meine Lunge sehnte sich schmerzlich nach Luft. Mein Verstand erblasste vor dem, was mit mir geschah, und als ich für eine weitere Achterbahnfahrt nach oben gerissen wurde, peitschte mein Board an der Leash, schnitt durchs Wasser wie ein Rochen und schlug mir mitten auf die Stirn.
In jenem Augenblick sah ich Nadia, wie sie in unserem Bett lag, die zerknüllten Laken zwischen ihren Beinen. Eine Strähne ihrer Haare war wie ein welkes Blatt an ihre linke Wange gepresst, die Spitze gewellt. Das Licht, das durch die Jalousien drang, war jetzt wilder. Sie blinzelte mit ihren riesigen Augen wie ein Waldtier aus einem Disney-Cartoon, und ich schrie nach ihr. Ich wollte diese Welle nicht mehr. Diesen Ozean. Ich wollte meine wunderschöne Freundin, wollte mich in ihre Umarmung hineinfallen lassen, wie ich es noch vor weniger als einer Stunde getan hatte. Wollte Sterne um ihre Brustwarzen zeichnen und tief in sie eindringen. Ich rief ihren Namen, aber es kam kein Laut aus meiner Kehle. Nicht einmal ein Flirren in der Luft. Meine Hand, die sich nach ihr ausstreckte, gab es nur in meiner Vorstellung. Die Vertiefung, die mein Kopf im Kissen hinterlassen hatte, war immer noch da. Als läge dort mein Geist. Näher konnte ich ihr nicht kommen.
Jimis Gitarre, laut und rau. »Little Wing« waberte aus dem Radio in Darryls Zimmer. Auch ich waberte, entfernte mich von Nadia, schwebte durch zwei Wände und erblickte Darryl mit seinem Mädchen, ihre Beine über seinen Schultern, beide keuchend, schwitzend, die Geräusche ihrer Leidenschaft eingehüllt in die Musik. Das war es, was mein bester Freund tat, während ich im Meer ertrank. Man sollte meinen, es gäbe einen Sinn für Vorahnungen. Irgendeinen Instinkt. Nichts Gravierendes, nur ein Innehalten bei dem, was er da gerade machte. Ein komisches Gefühl, das ihm sagte, dass etwas nicht stimmte. Ich kannte ihn immerhin seit sechzehn Jahren. Aber nein, er ahnte nichts, war vollkommen selbstvergessen, viel zu beschäftigt damit, sich gehenzulassen. Get down on it, wie Kool & the Gang. Er konnte mich nicht hören, mich nicht spüren, egal wie laut ich schrie.
Ich katapultierte mich mit einem Rückwärtssalto aus dem Zimmer und schwebte in der kalten Luft über Vancouver Island, hörte Jimi Gitarre spielen, während mein Körper starb. Du hast sicher schon Berichte von Menschen gelesen, die Nahtoderfahrungen beschreiben. Der innere Friede. Das helle Licht. So ist es nicht … Es ist verdammt furchterregend. Ich wollte mich nur noch in meinen Körper zurückschleppen und irgendwo im Meer auftauchen, mit nichts weiter als Kopfschmerzen und einem Knacks in meinem Ego. Ich schrie, aber niemand hörte mich. Ich streckte die Hände aus, konnte jedoch nichts berühren. Die Insel lag unter mir; sie hatte die Form eines gebrochenen Flügels. Ich sah die Brandung der Wellen von hier oben, einen Pinselstrich Sand. Aber all das gehörte mir nicht mehr. Was auch immer mich auf der Erde festgehalten hatte, war zerrissen, und nun schwebte ich davon … in einen Himmel, der schmerzhaft blau war, auf eine Sonne zu, die eher einem heulenden Gesicht glich.
Draußen: Mein Körper wurde ans Ufer gezerrt, von dem Mann, der das Frisbee geworfen hatte. Sein Hund rannte in aufgeregten Kreisen um mich herum, die Scheibe fest zwischen die Kiefer geklemmt. Der Mann versuchte, mich mit einer Herzdruckmassage wiederzubeleben, aber als es ihm endlich gelang, mein Herz wieder in Gang zu bringen, war mein Hirn bereits ganze acht Minuten und vierundvierzig Sekunden ohne Sauerstoff gewesen.
Drinnen: Ich duellierte mich zum allerersten Mal mit ihm. Zum ersten Mal von vielen. Mit meinem Erzfeind. Jeder Superheld hat einen. Batman hat den Joker. Superman hat Lex Luthor. Spiderman hat den Green Goblin. Und ich … Ich habe den Imperator der Finsternis.
Ich habe Dr. Quietus.