Читать книгу Die Leiche im Paradies / Tod auf der Rennbahn / Mord im Grand-Hotel - Drei Romane in einem Band - Rita Hampp - Страница 20

ZWÖLF

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Marie-Luise Campenhausen war nervös. Ihr Besucher hatte sich an diesem Montag für die Mittagszeit angesagt, und sie sorgte sich, wie die Begegnung ausgehen würde. Hatte sie alles richtig durchdacht? Würde sie sich am Ende in ihren eigenen Stricken verfangen? Nein, das war nicht möglich. Sie hatte die halbe Nacht wach gelegen und jede Szene durchgespielt, die möglich war.

Allerdings gab es noch viel vorzubereiten. Als Erstes mussten die verdächtigen Familienfotos verschwinden. Eine einsame alte Frau besaß höchstens ein Porträt von ihrem verstorbenen Dackel, aber keine unzähligen Fotos von Nichten, Neffen und deren Kindern. Über den Computer stülpte sie eine Decke und hoffte, ihr Besucher würde das Gebilde für einen abgehängten Vogelkäfig halten. Der Pokal vom letzten Bridgeturnier landete vorsichtshalber im Schlafzimmerschrank. Der Schnappschuss vom letzten Urlaub in den Bergen, in pfiffiger Wanderkleidung, kam ebenfalls mit den anderen unpassenden Fotos in die unterste Schublade des alten Sekretärs.

Vielleicht sollte sie ihrem Besucher den Mund noch ein bisschen wässriger machen? Sie holte das scheußlich bunte Meißner Porzellan aus dem Gästezimmer und drapierte ein paar Stücke auf dem Kaminsims. Mienchen humpelte herbei. Sie sah verlangend zu den Teilen hoch und maunzte unternehmungslustig.

»Nein, das ist nichts für dich. Untersteh dich, sonst kommst du ins Arbeitszimmer!« Beleidigt verzog sich die Katze auf ihren Lieblingsplatz und tat so, als gäbe es Frauchen nicht mehr.

Marie-Luise sah ihr belustigt zu, dann blickte sie sich kritisch im Wohnzimmer um. Ja, so konnte es gehen. Das Heim einer alten, einsamen, steinreichen Witwe. Der ideale Köder.

Einen Augenblick schwankte sie, ob sie nicht doch Lea Weidenbach informieren sollte. Doch dann verwarf sie die Idee. Sie wollte das allein durchziehen. Eine junge Zeugin an ihrer Seite würde ihr gut ausgetüfteltes Vorhaben kaputtmachen. Außerdem hatte die Journalistin genug mit ihrem Beruf zu tun. Nein, da war es besser, das Tonband mitlaufen zu lassen. Das würde als Beweis für etwaige Schurkereien genügen.

Zufrieden ging sie aus dem Haus und blieb am Eingang stehen. Es war noch nicht allzu schwül, auch wenn die Luft im Tal schon stand. In zwei, drei Stunden würde es hier nicht mehr auszuhalten sein. Das war ein merkwürdiges Wetter, wie im heißesten August. Hoffentlich wurde der Sommer nicht ebenso so mörderisch wie 2003. Das war ja wirklich nicht auszuhalten gewesen.

Beschwingt lief sie los. Sie wollte ein paar dieser köstlichen Pralinen im Café König kaufen und war froh, dass es nicht weit und der Weg durch die prächtige Parkanlage der Lichtentaler Allee schattig war.

An der Baustelle des Burda-Museums blieb sie für einen Augenblick stehen und freute sich über den Fortschritt der Arbeiten. Das Haus sollte im Oktober eröffnen. Wie wunderbar! Sie liebte zwar moderne Kunst, aber mit den Ausstellungen in der daneben liegenden Kunsthalle hatte sie nie viel anfangen können. Sie war wirklich aufgeschlossen, aber der dort gezeigte Stil war ihr zu avantgardistisch. Sie hatte sich ein paar Mal bemüht, den Sinn dieser Werke zu begreifen, aber es hatte, trotz Führung, einfach nicht geklappt, und sie hatte sich alt und ignorant gefühlt. Aber Picasso, Richter und Polke und ihr geliebter Rothko, den sie in den Staaten schätzen gelernt hatte – ah, dass deren Bilder bald in greifbarer Nähe sein würden, das konnte sie kaum noch erwarten.

Die Sammlung würde zudem eine glanzvolle Ergänzung zu den alten Meistern sein, die Mennicke früher ab und an in seiner Alleevilla der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte. Sie hoffte sehr, dass seine Stiftung diese schöne Tradition wieder aufnehmen würde. Vielleicht wusste ihr Besucher nachher Näheres. Der kannte sich bestimmt mit solchen Dingen und vor allem auch mit Stiftungen aus.

Wieder beschlich sie ein ungutes Gefühl. Es wäre ihr doch wohler, wenn sie einen Zeugen oder eine Zeugin dabeihätte. Aber dann würde sie niemals als hilfloses Opfer durchgehen. Wenn ihr Gast tatsächlich einen so gestandenen Mann wie Mennicke hatte täuschen und übers Ohr hauen können, ja, ihn vielleicht sogar ins Grab gebracht hatte, hatte sie dann wirklich eine Chance gegen ihn? Welche Tricks benutzte er, um sich in das Vertrauen seiner Klienten zu schleichen? Nun, sie würde es gleich erfahren. Diese leise Furcht, die sie nicht mehr losließ, sollte ihr als Warnung dienen, wachsam zu bleiben. Auf keinen Fall würde sie auch nur das geringste und unschuldigste Stück Papier unterschreiben.

Als sie die Pralinen erstanden hatte, überlegte sie kurz, ob sie ihrem alten Freund Werner Strass in der Kreuzstraße einen Besuch abstatten sollte. Sein Sohn hatte bestimmt wieder einen neuen Krimi für sie besorgt. Aber ein Blick auf die Uhr hielt sie davon ab. Wie immer würde sie der originelle Bücherexperte in ein Streitgespräch über einen der Autoren verwickeln, was ihr in der Regel größtes Vergnügen bereitete. Aber heute hatte sie dafür keine Zeit.

Mit leisem Bedauern machte sie sich auf den Heimweg und tröstete sich damit, dass sie im Moment gar keinen neuen Krimi brauchte, solange sie höchstpersönlich in einem realen Stück mitspielte. Und als sie wieder zu Hause war, war sie heilfroh, auf den Umweg verzichtet zu haben. Die Schwüle hatte ihr mehr zugesetzt, als sie zunächst gedacht hatte. Sie scheuchte Mienchen aufs Sofa, ließ sich auf ihrer beider Lieblingssessel fallen und schnaufte tief durch. Dann fielen ihr ihre Pflichten ein. Sie musste das alte Tonband noch in Gang setzen.

Mühsam rappelte sie sich hoch und schleppte das schwere Gerät aus Willis ehemaligem Arbeitszimmer heran und prüfte, ob es noch funktionierte. Dann schob sie es vorsichtig unter das Sofa und ließ eine Wolldecke so weit herunterhängen, dass man nichts mehr davon sah. Ja, so ging es. Jetzt noch der Stock, und dann nur das Humpeln nicht vergessen.

Schließlich schob sie das Schüsselchen mit den Pralinen zurecht und ging in die Küche, um das Teewasser aufzusetzen. Dabei spähte sie vorsichtig aus dem Fenster auf den Parkplatz. Der große schwarze Mercedes da unten musste es sein. Er war früher gekommen als vereinbart. Ihr Herz machte einen kleinen Satz, und sie bekam Angst vor ihrer eigenen Courage. Hoffentlich ging alles gut.

*

Maximilian Gottlieb saß in Säuerles Büro und trommelte mit den Fingern auf die Schreibunterlage. Er hatte seit der halben Brezel zum Frühstück nichts mehr gegessen, und dann hatte Appelt, dieser Mistkerl, mitten im Verhör angeboten, Völker zu Mittag ausgerechnet einen Big Mac zu besorgen. Gottliebs Magen hatte Purzelbäume geschlagen, als er beobachtete, wie Völker in das weiche Brötchen biss und der Ketchup an der Seite hervorquoll. Der Geruch nach Hackfleisch, Zwiebeln und Gurke war so unwiderstehlich gewesen, dass er dem Mann das Essen fast aus der Hand gerissen hätte. Stattdessen hatte er versucht, seinen Hunger und seine aufkommenden Aggressionen mit Zigaretten und Kaffee zu bekämpfen. Darüber war ihm seine Ration Gitanes ausgegangen, und es war bis jetzt keine Zeit gewesen, sich neue zu besorgen.

Zuerst hatte ihn das Ergebnis des Verhörs enttäuscht. Völker hatte noch immer nicht gestanden, doch sein Alibi war wackliger denn je. Die Kollegen in Leipzig hatten wirklich gute Arbeit geleistet. Sie hatten rückwirkend in ihren Neuigkeitsbögen entdeckt, dass sie den Mann ein paar Mal bereits spätnachmittags bis zum nächsten Morgen in die Ausnüchterungszelle gesteckt hatten. Somit war er nicht jeden Abend in seiner Stammkneipe, wie die Zeugen behaupteten.

Außerdem hatte Völker Schulden bis über beide Ohren. Sein Scheidungsschreiben lief eindeutig darauf hinaus, Trixi Völker die Zahlungen für die Eigentumswohnung aufzudrücken. Dann erfuhr Völker von Mennickes Tod und rechnete sich aus, dass seine Frau erben würde. Nach einer Scheidung würde er leer ausgehen. Hatte er sie also umgebracht, um an dieses Geld zu kommen? Es war zumindest denkbar.

Und es gab dieses Foto in Trixis Wohnung. Sie hatten es der Gerichtsmedizin zugesandt, und die Freiburger Kollegen hatten gestern Nachmittag endlich zurückgerufen: Auf achtzig Prozent schätzten sie die Wahrscheinlichkeit, dass Trixi Völker mit so einem geflochtenen Gürtel erdrosselt worden war. Achtzig Prozent! Für einen Indizienprozess würde das reichen.

Den Knüller aber hatte er selbst erst vor einer Stunde erfahren. Nun hatten sie den unschlagbaren Beweis gegen Völker, der alle Zweifel ein für alle Mal ausschloss.

In wenigen Minuten würde die Pressekonferenz beginnen, und er würde den mutmaßlichen Mörder von Trixi Völker präsentieren.

»Max, es geht los.« Sonja Schöller steckte ihren frisch gefärbten Dauerwellkopf durch die Tür. »Wie ich prophezeit habe: Der große Konferenzraum ist rappelvoll.«

»Und die Weidenbach grimmig in der ersten Reihe, stimmt’s?«

»Nö, die ist nicht da.«

Seltsam. Er hatte sich schon gewundert, dass sie nicht angerufen hatte, als er die Einladung für die nachmittägliche Pressekonferenz verschickt hatte. Die anderen Medien hatten sofort nachgefragt und vermutet, dass es eine wichtige Mitteilung im Fall Paradies geben könnte. Nur die Weidenbach hatte sich in Schweigen gehüllt. Dabei hätte er von ihr am ehesten eine geschickte Vorab-Anfrage erwartet.

Er hatte sich insgeheim sogar ein bisschen auf einen wütenden Schlagabtausch mit ihr gefreut. Sie betrachtete Völker ganz offensichtlich als harmlosen, trauernden Ehemann – wie würde sie reagieren, wenn er nun ausgerechnet ihn als Hauptverdächtigen präsentieren würde?

Konnte sie keine Niederlage einstecken? Schickte sie am Ende ihren langhaarigen Volontär vor, statt selbst zu kommen und zu ihrem Irrtum zu stehen? Er hatte sie vollkommen anders eingeschätzt.

Ganz würde sie ihm allerdings nicht entkommen. Selbst wenn sie sich vor der Pressekonferenz drückte, würde sie wenigstens danach tatendurstig auf die Direktion eilen. Völker nämlich hatte ihn gebeten, nein, angefleht, die Weidenbach sprechen zu dürfen, bevor er ins Untersuchungsgefängnis überstellt würde. Und er – allen Vorschriften zum Trotz – hatte eingewilligt.

Als er Völker vorhin mit der Indizienlage konfrontiert und ihm die Festnahme erklärt hatte, da hatte Völker so außergewöhnlich reagiert, dass ihm tatsächlich für eine Sekunde Zweifel gekommen waren, ob er der Schuldige war.

Wie ein Ertrinkender hatte Völker sich an ihn geklammert. »Bitte nicht!«, hatte er eindringlich geflüstert, schneeweiß im Gesicht. Nur eine Ader an der Schläfe hatte gepocht, als würde sie gleich bersten. »Das dürfen Sie nicht. Das ist nicht fair. Ich habe Trixi nichts zuleide getan. Niemals. Wir waren füreinander geschaffen. Ich kann gar nicht existieren ohne sie. Ihr Tod ist doch schon mehr, als ich ertragen kann.«

Lukas Decker und Hanno Appelt hatten den Mann von ihm losgerissen und auf einen Stuhl gedrückt. Dort war Völker in sich zusammengesackt. »Das ist schrecklich!«, hatte er gejammert. »Wie können Sie das nur denken?«

Gottlieb hatte versucht, kühl und nüchtern zu bleiben, doch er konnte es nicht verhindern: Irgendwie tat Völker ihm Leid.

Das war das Letzte, was er jemals als Polizist hatte spüren wollen. Mitleid mit einem Mörder.

Oder hatte er sich womöglich geirrt?

Nein, das konnte nicht sein. Dieser letzte Beweis, den er vor einer Stunde bekommen hatte, war einfach zu erdrückend. Ja, er war mehr wert als jedes Geständnis. Völker war der Mörder, Punkt. Und er selbst wurde offenbar auf seine alten Tage sentimental. Er brauchte dringend ein paar Tage Urlaub, dann würde er wieder der Alte sein.

Erst jetzt fiel ihm ein, was ihn an Völkers Verhalten irritiert hatte: Er hatte nicht nach einem Anwalt verlangt.

*

Lea war noch in der Wohnung der Ermordeten. Wenn sie sich nicht beeilte, würde die Pressekonferenz ohne sie anfangen, und sie würde die Kollegen fragen müssen, was sie verpasst hatte. Ein Alptraum. Sie hasste es, Informationen nicht aus erster Hand zu bekommen.

Als Franz ihr von der bevorstehenden Pressekonferenz erzählt hatte, hatte sie die Welt nicht mehr verstanden. Sie brauchte nur eins und eins zusammenzählen, um zu erraten, was sie gleich erwartete. Aber warum Völker? Nach dem, was sie über ihn wusste, ergab es keinen Sinn.

Oder hatte Gottlieb mehr herausgefunden als sie? Hatte Völker ihr doch nicht alles gesagt? Dieses Zucken, dieses Ausweichen vorhin – hatte ihr Instinkt richtig reagiert, als er die Alarmglocken angeworfen hatte? Wenn Völker der Mörder gewesen sein sollte, dann hätte er am Mordtag in Baden-Baden sein müssen. Davon aber war nie die Rede gewesen.

Vielleicht hing alles mit der Fahrkarte nach Leipzig und zurück zusammen, die sie in Trixis Unterlagen gefunden hatte. Womöglich hatte Trixi damals ihren Mann besucht, und es war zum Streit gekommen, der einen Monat später tödlich endete?

Andererseits – was sollten dann Trixis Andeutungen über das Komplott? Hätte sie ihr nicht konkret am Telefon gesagt, wenn sie sich von ihrem Ehemann bedroht gefühlt hätte?

Energisch bemühte sie sich, ihren Verstand wieder einzuschalten. Sie war Polizeireporterin, sie wusste, was zu tun war, um sich aus dem Meer der tausend Fragen zu befreien.

Sie sprang hoch, riss die Schreibtischschubladen auf und stopfte alles in den Rucksack, was ihr wichtig erschien. Völker konnte das egal sein, der war wahrscheinlich schon in der Zelle des Untersuchungsgefängnisses.

Kurz bevor sie die Wohnung verlassen wollte, klingelte ihr Handy. Es war Marie-Luise Campenhausen. Sie klang völlig außer Atem, als hätte sie sich schrecklich aufgeregt.

»Wir haben ihn«, japste sie ins Telefon, »Wiesinger ist der Mörder. Ich kann es beweisen.«

Lea hatte alle Mühe, Miss Marple zu beruhigen. »Ich glaube, Sie irren sich. Wir haben uns alle geirrt.«

»Nein, ich schwöre. Ich hatte ihn gerade zum Tee, und ...«

»Frau Campenhausen, ich muss los. Ich bin sowieso schon zu spät. Ich rufe Sie nachher an, okay?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, schaltete Lea das Handy aus. Sie wusste, das war extrem unhöflich und würde Frau Campenhausen gehörig vor den Kopf stoßen. Es tat ihr grundsätzlich Leid, dass sie die alte Dame in das Drama hineingezogen hatte. Sie würde später alle Hände voll zu tun haben, ihrer Meisterdetektivin zu erklären, warum die Polizei einen anderen verhaftet hatte.

Sie machte sich selbst Vorwürfe. Auch wenn sie Wiesinger verdächtigte, so war das noch lange kein Grund, eine über Siebzigjährige so zu verwirren, dass sie womöglich in einen Staubmantel schlüpfte und eine Sonnenbrille aufsetzte. Das war doch unverantwortlich. Wiesinger zum Tee!

Doch jetzt musste sie sich sputen. Wenn sie gut durch die Rheinstraße kam und im Behördenzentrum, wo die Pressekonferenz stattfinden sollte, einen Parkplatz fand, könnte sie es gerade noch schaffen. Pressekonferenzen fingen immer zehn Minuten später an, darauf setzte sie jetzt.

Um acht nach drei öffnete sie Tür zum Konferenzraum. Gottlieb hatte schon angefangen, und die Kollegen neben der Tür machten nur unwirsche Handbewegungen, als sie sich flüsternd erkundigen wollte, was sie verpasst hatte. Es war noch ein Stuhl frei, der in der ersten Reihe, auf dem sie auch sonst immer saß. Gottlieb unterbrach seinen Vortrag und winkte sie nach vorne.

»Da Ihre Kollegin Weidenbach zu dem Fall eine ganz eigene Theorie vertritt, erlauben Sie mir bitte, dass ich sie nachträglich auf den Stand der Dinge bringe«, sagte er und grinste ihr zu.

Lea grinste zurück und freute sich, dass ihn das offensichtlich irritierte. Dass sie ihm wegen seiner süffisanten Bemerkung am liebsten die Augen ausgekratzt hätte, brauchte ja niemand zu wissen.

»Es gibt also vier Gründe, die für Völkers Verhaftung sprechen«, fuhr Gottlieb fort. »Erstens: Die Zeugen haben sich als höchst unzuverlässig erwiesen. Für ein Alibi reichen ihre Aussagen nicht mehr aus. Zweitens: Es existiert ein Testament von Trixi Völker, das ihren Ehemann zum Alleinerben einsetzt, und Völker hat massive Schulden. Drittens: Auf einem Foto trägt Völker einen Gürtel, der laut Gerichtsmedizin mit achtzig Prozent Sicherheit die Mordwaffe gewesen sein könnte, was wir aber nicht eruieren können, weil das Beweisstück verschwunden ist.«

Lea schnappte nach Luft. So wie Gottlieb es darstellte, klang alles plausibel. Aber sie wusste, dass er wesentliche Dinge unterschlug: Erstens: die Zeugen im Killiwilly konnten sich gut an Völkers Anwesenheit in der Mordnacht erinnern. Sie hatte einige selbst befragt, und auch Piet hatte ihr gegenüber Völkers Alibi bestätigt.

Zweitens: Trixis »Erbe« betrug lächerliche zweitausenddreihundert Euro. Wahrlich kein Mordmotiv. Die Beerdigung kostete ja schon mehr. Im Gegenteil: Sie hatte ihrem Mann ab und zu Geld geschickt. So eine Quelle brachte man doch nicht zum Versiegen, wenn man Schulden hatte.

Drittens: Das Foto war über siebzehn Jahre alt, der Gürtel wahrscheinlich einfach ausgemustert worden, wie Zehntausende solcher geflochtenen Gürtel auf der Welt auch. Wenn man Gottliebs alte Fotoalben durchforstete, würde man wahrscheinlich selbst bei ihm auf ein ähnlich potenzielles Mordwerkzeug stoßen.

Sie würde seine Indizienkette morgen im Aufmacher in der Luft zerreißen. Jetzt war sie auf Punkt vier gespannt.

Gottlieb machte es kurz. »Den wichtigsten Beweis zuletzt. Wir haben in Trixi Völkers Wohnung auf dem Wasserhahn im Bad einen Fingerabdruck gesichert. Vor einer Stunde bekamen wir das Ergebnis aus dem Labor. Es steht eindeutig fest: Der Fingerabdruck stammt vom Verdächtigen. Er muss also am Tattag in der Wohnung gewesen sein, denn danach hat niemand mehr den Hahn berührt.«

Die Leiche im Paradies / Tod auf der Rennbahn / Mord im Grand-Hotel - Drei Romane in einem Band

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