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4. Galerie

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Von der Fußgängerzone ging es in eine Seitenstraße. Pia war hier schon häufig langgekommen, immer, wenn sie von der Uni noch ins Bistro gegangen waren. Sie kannte natürlich auch die edle Galerie, die an dieser Straße lag, mehr als einmal war sie mit ihrer Clique vor dem Schaufenster stehen geblieben und hatte die modernen Bilder und Skulpturen bewundert. Keno ging neben ihr her und während Pia sicher war, dass es sich unmöglich um diese Galerie handeln konnte, schlenderte er zielstrebig darauf zu. „Galerie Barenhoff?“, fragte sie fassungslos.

Keno nickte. „Ja. Wolf Barenhoff ist mein Onkel.“

Ihre Füße spürten gerade einen Hauch von Mafia, ihr war, als steckten sie in Beton, der sie schlagartig vor dem Eingang zum Halten brachte.

„Willst du nicht mit reinkommen?“ Keno zog eine Augenbraue hoch. „Wäre jetzt schlecht, er will dich unbedingt kennenlernen.“

Pia atmete tief durch und folgte Keno in den exklusiven Laden. Der Boden war mit dunklem Holzparkett belegt, Wände und Decken waren in mattem Weiß gehalten, wurden aber von indirektem Licht mit blassen Farben illuminiert. Auf schlichten Sockeln standen Skulpturen aus Holz, Stein, Bronze und Drahtgeflecht. An den Wänden hingen einige wenige großformatige Bilder. Keno ging voran, sie folgte ihm in einen weiteren Raum, dort waren kleinere Skulpturen auf Ablagen an der Wand ausgestellt, die Bilder in einer Art Regal angeordnet. Auch in diesem Raum blieb viel Luft für das weiße Nichts dazwischen. Pia folgte Keno eine große Wendeltreppe aus Stahl hinauf ins Obergeschoss. Gedanklich hatte sie sich auf einen Mann vorbereitet, der Ähnlichkeit mit Keno hatte, schließlich waren die beiden verwandt. Sicherlich war er groß, dunkelhaarig, schlank und sportlich. Einen korrekt sitzenden, dunklen Anzug setzte sie ebenfalls voraus. Der Mann, der sich hinter dem Chromgestell-Schreibtisch erhob, entsprach nicht wirklich ihren Erwartungen. Er war etwas größer als Keno, dabei aber auffallend hager. Er trug ein Sakko zu T-Shirt und Jeans und hatte die langen hellen Haare im Nacken zusammengebunden. Sein Alter konnte sie nicht wirklich gut einschätzen, dafür gaben auch die vereinzelten weißen Haare kein Indiz. Aber sicherlich ging er auf die vierzig zu, er hatte ein paar feine Fältchen in den Augenwinkeln. Pias Blick sprang zweimal zwischen den beiden Männern hin und her. Wer war das Original, wer die Fälschung?

„Wolf“, stellte Keno sie vor, „das ist Pia.“

Sie reichte dem Mann die Hand und er nahm sie mit einem freundlichen Lächeln, das dann doch leicht an Kenos Grinsen erinnerte. Zumindest die Mimik verriet ein paar gemeinsame Gene. „Freut mich sehr. Sie sind also die Künstlerin, die gemeinsam mit ihrer Katze malt.“

„Na ja“, druckste Pia herum. „Es war ja eher ein Zufall.“

„Kunst und Zufall widersprechen sich nicht zwangsläufig“, entgegnete er heiter. Er bot ihnen einen Platz in der anthrazitfarbenen Sitzgarnitur an und holte Gläser von einem weißen Sideboard, während sie sich setzen. „Was möchten Sie trinken? Kaffee, Sekt, Wasser, Bitter Lemon, O-Saft?“

Pia schaute einen Moment unsicher zu Keno.

„Ich denke, wir sollten uns einen Sekt gönnen“, wartete Wolf Barenhoff die Antwort nicht ab. „Du auch Keno?“

„Klar.“

Als Barenhoff eingegossen hatte, setzte er sich zu ihnen, sie stießen an und sie nahm einen Schluck. Das Zeug perlte schön im Mund und hatte eine leichte, kaum wahrnehmbare Süße.

„Ich wollte gern die Frau kennen lernen, von der Keno so …“

Pia bemerkte sehr wohl, dass es Kenos Blick war, der seinen Onkel innehalten ließ.

„Mein Neffe hat sehr von ihrem künstlerischen Talent geschwärmt. Von dem kleinen Kater natürlich auch. Dass Sie ihn Pikatzo getauft haben, war ein brillanter Schachzug.“

„Es war eine Eingebung“, korrigierte Pia. „Ich hab damit keinen Zweck verfolgt.“

„Ich bin Künstler, Kunstliebhaber, aber ich bin auch Geschäftsmann. Wenn ein Projekt bereits so ausgereift rüberkommt, dass sich ein Bild vom Fleck weg verkauft, dann wäre ich ziemlich dumm, da nicht nachzugreifen.“

„Ich will ehrlich sein. Es war eher ein Zufallsprodukt“, gestand Pia zum zweiten Mal.

„Das Ergebnis war dennoch sehr überzeugend und ich würde gern mehr Ihrer Bilder hier in meiner Galerie anbieten.“

„Es gibt nur das eine.“

„Spricht etwas dagegen, mit der Katze zusammen in eine kreative Phase einzutreten?“, hakte Barenhoff nach.

Pia sah wieder zu Keno herüber, der zuckte mit den Schultern. „Das musst du schon selbst entscheiden.“

Sie sog die Luft hörbar durch die Nase ein. „Ich hätte schon Lust, es zu versuchen. Aber ich kann natürlich nichts versprechen.“

Barenhoff nickte. „Keno hat mir ihre räumlichen Verhältnisse geschildert. Das ist vermutlich zu beengt für das Vorhaben, besonders, wenn der Kater seinen Freiraum braucht. Ich würde Ihnen Räume zur Verfügung stellen. Ich habe ein kleines Atelier am alten Güterbahnhof, das nutze ich selbst kaum noch. Die Volkshochschule hat sich für Kurse eingemietet, und ein Freund fertigt dort seine Drahtskulpturen an. Sobald weitere Bilder verkauft sind, würden wir uns auf eine kleine Miete einigen.“

„Klingt fair“, warf Keno ein. „Also, damit du weißt, worauf du dich einlässt“, fuhr er fort. „Wolf ist keiner, der Leute über den Tisch zieht. Du kannst ihm da schon vertrauen. Und wenn es Probleme gibt, kann man immer reden. Und ich bin ja auch noch da.“

„Du“, wiederholte Pia knapp. „Du weißt, dass wir uns auch noch nicht wirklich lange kennen“, raunte sie leise.

Er nickte. „Aber ist doch entspannt mit mir, oder etwa nicht?“ Sein Grinsen kam wieder durch, und zum ersten Mal fiel ihr sein Grübchen auf.

Pia hatte mit Keno noch eine Stunde in der Couchgarnitur gesessen, dabei hatten sie sich den Sekt einverleibt und in Kunstkatalogen geblättert. Barenhoff hatte derweil im Erdgeschoss Kundschaft bedient und anschließend noch einige Dinge am Schreibtisch erledigt. Als er den Computer herunterfuhr, schlug er vor, Pia das Atelier direkt nach Ladenschluss zu zeigen. Inzwischen war sie voller Ideen und so mit Energie und Sekt aufgeladen, dass sie es gar nicht abwarten konnte. Als sie den Laden verließen, begann es zu regnen. Pia hielt mit den langen Schritten der Männer mit und machte zwischendrin immer wieder kleine Hüpfer. Sie hatte doch zu viel von dem Sekt getrunken. Aber es fühlte sich richtig an, richtig, angenehm und sicher, obwohl sie mit zwei Männern unterwegs war, die sie kaum kannte. Oben auf dem Parkdeck stiegen sie in Wolf Barenhoffs dunklen Audi. Als die Zentralverriegelung klackte, streifte sie ein mulmiges Gefühl, das sie jedoch zügig beiseite drängte.

Pia war von dem alten Industriegebäude restlos begeistert. Die kleine Halle war in mehrere Bereiche geteilt. Neben einer Teeküche mit einer Lounge aus Europaletten gab es zwei große und ein kleines Atelier, auch ein Bad mit Dusche, um sich nach großen Farbsauereien wieder unter Menschen trauen zu können. Der Boden bestand aus Estrich, der mit einer dunkelgrauen Betonfarbe versehen war, praktisch und unempfindlich. Barenhoff erklärte, dass er den kleinen Raum für sie vorgesehen hatte, und das reichte Pia voll und ganz. Eine Wand war mit Regalen bestückt, um Arbeitsmaterialien unterzubringen, es gab drei Staffeleien in verschiedenen Größen, ein Waschbecken, Ablagen und einen großen Arbeitstisch. Der Raum war beinahe doppelt so groß wie ihre gesamte Studentenbude und durch die Fensterfront fiel genügend Tageslicht hinein. Die Deckenbeleuchtung konnte in verschiedenen Abstufungen gedimmt werden.

„Ich habe die Halle vor etwa zwölf Jahren erworben und für meine Zwecke umbauen lassen“, erklärte Wolf Barenhoff. „Das einzige Problem ist die Dämmung, das hat nicht so umfassend funktioniert wie geplant. Wenn es im Winter längere Zeit richtig kalt ist, dann wird es problematisch, das Ganze hier noch warm zu halten.“

„Okay. Das hieße dann dick anziehen oder pausieren.“

„So wird es sein“, Barenhoff nickte mit einem Schulterzucken durch das er optisch ein „Sorry“ implementierte.

„Bis dahin ist ja noch hin“, bemerkte Keno leichthin.

Pikatzo

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