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Von Trainingstipps zu Terrorcodes

Die Inszenierung der extremen Rechten in Krisenzeiten

Neonazis versuchen jede gesellschaftliche Krise zu nutzen, um ihre Gewalt zu legitimieren und das Vertrauen in die demokratischen Institutionen zu schwächen – so auch während der Debatte um Flucht und Migration seit dem Jahr 2014 sowie der Coronapandemie 2020. Dafür trainieren sie Kampfsport und inszenieren ihre Wehrhaftigkeit. Diese Entwicklung ist besorgniserregend – gerade deshalb gilt es, die medialen Selbstdarstellungen der Szene kritisch zu analysieren.

Die verschiedenen Terrorakte der jüngsten Zeit – vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) bis zum Mord an Walter Lübcke, um nur die prominentesten zu nennen – beweisen, wie mörderisch die rassistische Ideologie der extremen Rechten ist. Sie richtet sich gegen Migranten und Migrantinnen, gegen Menschen also, die im nationalsozialistischen Weltbild nichts wert sind und die sie als ihre politischen Feinde bezeichnen. Die Aktivitäten der Szene sind in letzter Konsequenz immer auf Gewalt ausgerichtet.

Um genau diese Gewalt zu trainieren, haben extrem rechte Kader und Schlüsselorganisationen über die vergangenen Jahre gezielt und strategisch in den Kampfsport investiert. Durch Veranstaltungen, internationale und lokale Trainings, eine mediale Debatte in ihren Publikationen und über eigene Modelabels konnten sie Strukturen aufbauen. Es ist ein professionelles Geschäft mit der Gewalt.

Zugleich zielt die extrem rechte Szene darauf ab, gesellschaftliche Verunsicherung zu schaffen und das Vertrauen in die Institutionen des demokratischen Staats anzugreifen. Regelmäßig kursieren „Meldungen“ in extrem rechten Foren, in denen die nächste gesellschaftliche Krise ausgerufen wird, die das gesamte politische System ins Wanken bringen könnte. Neonazis sehnen sich diesen Ausnahmezustand herbei: Sie glauben fest an den viel beschworenen Tag X, an dem man selbst zuschlägt und die politische Macht an sich reißt.

Extrem rechte Kampfsportler in der Coronakrise

Als Mitte März 2020 das Coronavirus die Welt in Atem hielt, postete das extrem rechte Medienportal FSN auf seinem Telegrammkanal das Bild eines Vermummten vor brennenden Häusern und Autos. „Erlebe die Auferstehung einer Nation“ stand in dicken Lettern davor. Untertitelt war der Post vielsagend mit: „Erst Corona, danach Wirtschaftskrise, dann …?! ;)“. FSN steht für „Frei Sozial National“. Tausende solcher Posts kursierten durch die vielen Chatgruppen, weit über die nationalsozialistische Kernszene hinaus.

Auch die extrem rechte Kampfsportorganisation „Kampf der Nibelungen“ veröffentlichte inmitten der Krise nur vermeintlich harmlose Trainingsvideos – wie so viele andere haben sie mit digitalen Angeboten die Kontaktsperren überbrückt. Vordergründig absolviert darin ein Sportler in einem Businessanzug verschiedene Übungen in den knapp dreiminütigen Clips: Liegestütze, Laufen und Kniebeuge. Dabei ist sein Gesicht weiß geschminkt, sein roter Mund als Narbe auf der Wange verlängert.

Symbolisch wird hier auf den „Joker“ aus Batman angespielt. In dessen Story geht es um gefühlte gesellschaftliche Demütigungen, für die er sich letztlich mit der Herbeiführung des Ausnahmezustands und blanker Zerstörung rächt. Unter Neonazis sowie in der nihilistischen Memekultur rechter Internettrolle ist der Film sehr beliebt. Der weiße, gewalttätige Hauptdarsteller bietet sich als fatalistische Identifikationsfigur an. Denn die „obsessive Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft“ ist ein zentrales Element des Faschismus, wie der Historiker Robert Owen Paxton sagt. Der vermeintlich harmlose Clip kann als direkter Gewaltaufruf in die extrem rechte Szene verstanden werden: Hier kokettieren Trainingstipps mit Terrorcodes.

Gesellschaftliche Krisen als Taktgeber

Die verschiedenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Krisen der vergangenen Jahrzehnte sind die zentralen Taktgeber der extremen Rechten und ihrer Militanz: Auf die Hartz-IV-Reformen der frühen 2000er Jahre und die Ende des Jahrzehnts folgende Finanz- bzw. Bankenkrise reagierte die Szene mit der Gründung „antikapitalistischer Kollektive“. In den Debatten um Flucht und Migration im Zuge der gestiegenen Zahlen Geflüchteter seit 2014 wiederum baute die extreme Rechte die Erzählung auf, der deutsche Staat habe seine Grenzen nicht gegen die als „Invasoren“ Betitelten schützen können.

Auf dieses Framing setzte auch die extrem rechte „Identitäre Bewegung“ (IB). In der Publikation „Kontrakultur“ des IB-Kaders Mario Müller heißt es recht unverhohlen: „Die ethnisch deutsche Bevölkerung wird in den kommenden Jahrzehnten verdrängt, ausgetauscht gegen raum- und kulturfremde Zuwanderer. Im 21. Jahrhundert geht es um nicht weniger als um das Überleben unseres Volkes und ganz Europas!“ Von AfD-Politikern sind viele ähnliche Zitate bekannt. Sie haben einen ethnopluralistischen Ansatz gemeinsam, demzufolge jedes Volk sowohl eine unveränderliche Identität als auch eine Sesshaftigkeit auf ihrem Gebiet der Welt besäße. Das mag in manchem Ohr nach traditionell inspirierter Brauchtumspflege klingen, doch ihm wohnt ein zutiefst gewaltvoller Kern inne. Denn Migration wird mit allen Mitteln unterbunden.

So reisten im Winter 2020 militante Neonazis aus ganz Europa nach Griechenland, um dort gewalttätig gegen Geflüchtete vorzugehen. Ihre Gewalt ist geschult, im Kampfsport trainiert. Nicht zufällig erreichten extrem rechte Events wie der „Kampf der Nibelungen“ – aber auch Rechts-Rock-Festivals* – in den Jahren 2017 und 2018 ihre höchsten Zuschauerzahlen. Der gewalttätige Rassismus mobilisiert die Szene, sie macht mobil für die erhofften politischen Kämpfe.

Demzufolge ist weder die Gewalt extrem rechter Hooligans beim Aufmarsch der „Hooligans gegen Salafisten“ in Köln 2014 eine Überraschung, noch sind es die Entwicklungen in Sachsen: Hier sind zum einen recht spontan entstandene Strukturen wie die „Gruppe Freital“ zu nennen, die 2015 und 2016 in Sachsen Anschläge auf Unterkünfte für Geflüchtete verübte. Oder die Gruppe „Revolution Chemnitz“, die sich von den dortigen Großaufmärschen im Spätsommer 2018 dazu motiviert fühlte, einen bewaffneten Aufstand für den 3. Oktober desselben Jahres zu planen.

Hinzu kommen Organisationen wie „Nordkreuz“ und „Uniter“, deren Mitglieder sich laut Recherchen der taz ebenso auf einen Tag X vorbereiten und dafür Waffentrainings veranstalten. Darüber hinaus muss immer im Hinterkopf behalten werden, dass sich laut staatlichen Behörden rund 25.000 Schusswaffen aufgrund von Verlust oder Diebstahl nicht mehr bei ihren rechtmäßigen Besitzern befinden, darunter knapp 100 aus den Beständen von Polizei und Bundeswehr. Nicht auszuschließen, dass eine Vielzahl davon in extrem rechten Kreisen kursiert.

Sie bringen ihre Kampffähigkeiten in allerlei rechte Aufmärsche, Szenen und Bewegungen ein. Denn stets versucht die extreme Rechte, krisenhafte Entwicklungen zu verschärfen. Sie sollen als staatliche Kontrollverluste und Handeln der liberalen Demokratie gegen die eigene Bevölkerung interpretiert und gewaltvoll zugespitzt werden – imaginiert als homogene und widerspruchsfreie Volksgemeinschaft.

Rechte Gewalt in Deutschland

Obendrein wurden in den vergangenen Jahren mehrere rechtsterroristische Anschläge und Morde von Menschen begangen, die zwar einer extrem rechten, rassistischen, frauenfeindlichen und antisemitischen Ideologie anhingen, aber nicht aus den bekannten Strukturen und Milieus der militanten extremen Rechten hierzulande stammten. So zum Beispiel der Attentäter von München 2016, der neun Menschen in einem Einkaufszentrum tötete, der Mörder von Halle 2019, der zwei Menschen vor der jüdischen Synagoge umbrachte, sowie der Täter von Hanau, der im Februar 2020 zehn Personen erschoss. Ihre Radikalisierung fand weniger im RechtsRock* von „Blood & Honour“, sondern eher durch die digitale Auseinandersetzung mit den Schriften und Taten eines Anders Breivik** oder des Täters von Christchurch*** statt. Die Landschaft an rechtsterroristischen Netzwerken und Tätern differenziert sich aus. Sie wird unübersichtlicher.

Gleichzeitig gibt es eine lange Geschichte extrem rechter Gewalt unterhalb der Schwelle des Terrorismus: Seit Jahren und Jahrzehnten registrieren Organisationen der Opferberatung sowie staatliche Behörden zwar unterschiedliche Zahlen – jedoch immer auf hohem Niveau. Das Bundesinnenministerium sieht auf Basis der Daten aus den Landespolizeien bundesweit zwischen 2001 und 2019 jährlich zwischen rund 800 bis 1.700 extrem rechte Gewalttaten. Die Jahre 2015 und 2016 stechen auch hier negativ heraus: Mit 1.485 und 1.698 derartigen Straftaten bilden die beiden Jahre den traurigen Höhepunkt. Zumal die Dunkelziffer stets hoch bleibt, da viele Vorfälle entweder nicht zur Anzeige bei der Polizei gebracht oder dort nicht richtig erfasst werden.

So beklagen die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt seit Jahren eine „beunruhigende Diskrepanz zwischen Zahlen der Beratungsstellen und Strafverfolgungsbehörden“. Im Jahresbericht zu den Zahlen 2018 heißt es: „Während Opferberatungsstellen von mindestens 183 Todesopfern rechter Gewalt seit 1990 ausgehen, erkennt das Bundesinnenministerium lediglich 84 Todesopfer an.“ Da die Statistik alle zwei Jahre überarbeitet wird, kommen bis Ende 2020 mindestens der CDU-Politiker Walter Lübcke sowie die Opfer von Halle und Hanau hinzu. Antirassistische Initiativen sprechen deshalb von 208 Todesopfern.

Die abweichenden Einschätzungen staatlicher Behörden haben eine lange Tradition. Denn bei Weitem nicht alle Toten sind Opfer fest organisierter, terroristischer Strukturen geworden – darunter befinden sich auch viele Menschen, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren und Opfer einer mörderisch umgesetzten Ideologie wurden: Geflüchtete an kleinstädtischen Marktplätzen, Punks in Provinzdiskotheken, Obdachlose an winterlichen Bahnhöfen. In solchen Fällen waren die Täter selten trainierte Kampfsportler, sondern oftmals rechte Schläger, die ihrer Gewalt ungezügelten und hasserfüllten Lauf ließen.

Um diese Bandbreiten extrem rechter Gewalt analytisch zu fassen, schlägt der Potsdamer Politikwissenschaftler Gideon Botsch vor, diese auf zwei Achsen zu verorten: Zum einen meint er den Grad der Vorbereitung, der von verhältnismäßig spontanen Gewaltausbrüchen bis hin zu detailliert geplanten Angriffen reicht. Zum anderen sei die Schwere der Gewalttat zu beachten, die sich von verbalen Bedrohungen bis hin zu terroristischen Akten erstrecken kann.

Gleichermaßen spielt der Kampfsport in der extremen Rechten auf der gesamten Breite dieser Achsen eine Rolle: In seiner szenemedialen Vermarktung sowie in seinem physischen Gewalttraining dient er als konstante Mobilmachung. Da sich Neonazis sowohl für vermeintlich spontane Auseinandersetzungen sowie größere Gewalttaten fit machen bzw. halten, erfüllt der Kampfsport eine zentrale Funktion in der über ein Jahrhundert alten sozialdarwinistischen Ideologie der extremen Rechten. Demzufolge erscheint das massive Engagement im Kampfsportmarkt nur logisch.

Zum Aufbau des Buchs

Diese Bedrohung von ganz rechts außen gilt es ernst zu nehmen, ohne dabei unkritisch die heroische Selbstinszenierung der Szene ungewollt fortzuschreiben. Vielmehr muss die Strategie der extremen Rechten im Kampfsport analysiert werden: Was sind ihre Ziele? Welche Maßnahmen ergreift sie? Welche Mittel der Selbstinszenierung verwendet sie? Welche Widersprüche tun sich in der Szene auf? In welche Kontexte muss der Kampfsport gebettet werden, um seine komplexe Entwicklung zu verstehen? In welchem Verhältnis steht detailreiches Wissen über Neonazis im Kampfsport zu einer politischen Analyse?

Das Ziel dieses Buchs besteht demzufolge darin, über die Strukturen des Kampfsports in der deutschen sowie europaweit vernetzten extremen Rechten aufzuklären. Hierzu werden nicht allein Akteure und Organisationen beschrieben, sondern auch die Funktionen des Kampfsports in der extremen Rechten und seine Entwicklung analysiert – stets einhergehend mit einer Kritik extrem rechter Ideologie und verschiedenen Kontextualisierungen: in der Geschichte der militanten extremen Rechten, in der Landschaft des Kampfsport- und Fitnessmarkts sowie der Vernetzung europäischer Neonazis über Landesgrenzen hinweg.

Deshalb widmen sich die Autor*innen dieses Buchs unterschiedlichen Ländern, um sich folgenden Fragen zu nähern: Wie haben sich die Landschaft des Kampfsports sowie die extreme Rechte über die vergangenen Jahre entwickelt? Welche Akteure und Organisationen sind essenziell für den Kampfsport der Szene? Inwiefern wird der Sport beispielsweise mit Hooliganismus und RechtsRock verknüpft? Welche Gegenwehr aus Zivilgesellschaft, Sport und Staat gibt es?

Sowohl in den Texten zu Deutschland als auch in den Beiträgen zu anderen Ländern in Europa werden extrem rechte Quellen herangezogen, zitiert und analysiert. Zudem kommen Kampfsportler*innen, Vertreter*innen staatlicher Behörden, wissenschaftlicher Institutionen sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen zu Wort, um das Themenfeld aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Gerahmt werden die Texte durch Beiträge zu Sport im Nationalsozialismus, Fragen der Prävention sowie eine Reportage über den internationalen Kampfsporttourismus, der bis nach Thailand reicht.

Hinweise an die Leser*innen

Überdies sei eine kurze Erläuterung zur geschlechtlichen Schreibweise angebracht. Viele Begriffe in diesem Buch sind gegendert. So wird darauf hingewiesen, dass sich beispielsweise unter Bürger*innen nicht allein Männer, sondern auch Frauen und Menschen befinden, die sich jenseits einer zweigeschlechtlichen Norm sehen. Nur in Bezug auf männerbündische Neonazikampfsportler wird diese Schreibweise in den allermeisten Fällen nicht angewandt. Denn sie würde eine geschlechtliche Vielfalt andeuten, die in der Szene quasi nicht existiert. Ohne Frage gibt es auch Frauen in wichtigen Positionen innerhalb der extremen Rechten, doch in den Kampfsport-Organisationen spielen sie kaum eine Rolle.

Wie an diesen Zeilen bereits deutlich wird: Kampfsport in der extremen Rechten ist ein komplexes Thema. Weshalb ich Ihnen zwei Hinweise mit auf den Weg der Lektüre geben möchte. Erstens: Lassen Sie sich von den vielen Namen verurteilter Terrorgruppen, offiziell aufgelöster Netzwerke, verbotener Kameradschaften, extrem rechter Bands und Hooligans sowie gespaltener (Klein-)Parteien und ihrer Kampagnen bitte nicht verwirren. Und zweitens: Sitzen Sie den extrem rechten Versteckspielen hinter vermeintlich harmlosen Begriffen nicht auf.

Die Gründe für den ersten Hinweis, also die Existenz vieler kleinerer Organisationen, sind vielfältig. Zum einen war das Spektrum rechts der CDU über Jahrzehnte auch aufgrund egomanischer Spaltereien und staatlicher Verbote nicht fähig, sich in größeren Massenorganisationen zu sammeln. Erst mit der AfD scheinen derlei Ansätze zu gelingen. So haben wir es insbesondere am militanten rechten Rand mit einer enorm ausdifferenzierten, teilweise zerstrittenen Landschaft an Organisationen zu tun.

Zum anderen existieren viele Gruppen und Netzwerke trotz aller öffentlichen Auflösungen und staatlichen Verbote weiter unter anderen Namen, die Personen stellen ihre politischen Aktivitäten kaum ein. Dies ist auch der Fall, wenn alte Labels strategisch schlichtweg unbrauchbar geworden zu sein scheinen. Zuletzt war dies in der Debatte um die gestiegenen Zahlen Geflüchteter zu sehen. Hinter vielen rassistischen „Nein zum Heim“-Aufmärschen steckten bekannte NPD-Kader, die ihre Parteizugehörigkeit aus Kalkül eher verbargen.

Womit wir zum zweiten Hinweis kommen: Denn militante Neonazis wechseln nicht nur ihre Labels, sondern versuchen oft, ihre eigene Gewalt und ihre nationalsozialistische Ideologie hinter vermeintlich harmlosen Begriffen zu verbergen, die für große Teile der Gesellschaft positiv besetzt sind: Heimat und Tradition, Körper und Geist, Familie und Gemeinschaft. Es ist eine gezielte Strategie, um polizeilichen Ermittlungen und staatlichen Verboten vorzubeugen sowie gleichzeitig im konservativen Teil des bürgerlichen Spektrums anschlussfähig zu sein.

Doch letztlich steckt dahinter immer, wirklich immer, die sozialdarwinistische Ideologie der extremen Rechten, Leben als konstanten, rassistischen und antisemitischen Kampf zu interpretieren. Seien Sie sich bei aller sprachlichen Mimikry der Szene stets sicher: Im Kern ist es eine menschenverachtende Ideologie, an deren Konsequenz kein Zweifel besteht – die nationalsozialistische Gewalt.

Kampfsport und Demokratie

Weshalb es eine breite Debatte über Gegenstrategien und Prävention im Kampfsport braucht. Sie ist nicht allein in der Innen- und Sportpolitik der Länder sowie des Bundes notwendig, sondern auch in den kommunalen Verwaltungen, den Sportverbänden sowie den vielen Kampfsport- und Fitnessstudios auf dem freien Markt. Sie ist unerlässlich und muss disziplinenübergreifend sowie im Grunde international geführt werden.

Um diese Debatte anzuregen, möchte ich zu guter Letzt noch ein paar Einwände aufgreifen, die mir bei meinen Recherchen und Diskussionen unterkamen. Erstens wurde mir entgegnet, dass Neonazis doch nur eigene Events gründeten, weil sie auf dem – vielfach von Migranten geprägten – Kampfsportmarkt sportlich keine Chance hätten. Zumal es doch eventuell sogar gut sei, wenn sie ihre Gewalt miteinander in der Sporthalle austrügen anstatt an Unbeteiligten. Außerdem wurde ich gefragt, was trainierte Neonazis gegen eine hochgerüstete, bewaffnete Polizei oder gar Militär auslösen könnten, wenn sie den politischen Umsturz wollten.

Die erste Behauptung ist leider falsch, die zweite naiv. Denn zum einen gibt es eine lange Liste an erfolgreichen, extrem rechten Kampfsportlern. Diverse Hooligans beispielsweise aus Cottbus waren Europameister oder nationale Titelträger im Kickboxen. Zum anderen ist der Kampfsport in der extremen Rechten vielfach verknüpft mit den Wehrsport- und Schieß-übungen der Szene. Derlei Trainings zielen auf die Bekämpfung politischer Feinde und des demokratischen Staates. Deshalb wird die Gewalt nie in den Gyms bleiben.

In Anbetracht dessen wäre es zynisch, Ihnen viel Spaß beim Lesen zu wünschen. Stattdessen hoffe ich, dass Zivilgesellschaft, Staat und vor allem der nicht-rechte Kampfsport das Wissen und die Analysen nutzen können, um wirksame Strategien gegen rechte Gewalt und ihr Training zu entwickeln. Denn eines muss uns allen bewusst sein: Die zentralen Fragen zum Verhältnis zwischen Demokratie und Sport für die nähere Zukunft stellen sich genau hier – im Kampfsport.

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*Zur Schreibweise von RechtsRock siehe Erklärung auf Seite 90.

*Zur Erklärung des Begriffs siehe Kapitel „Music is the Key“.

**Anders Behring Breivik ist ein rechtsterroristischer und islamfeindlicher norwegischer Massenmörder. Er beging am 22. Juli 2011 die Anschläge in Oslo und auf der Insel Utøya, bei denen 77 Menschen ums Leben kamen.

***Beim Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch (Neuseeland) am 15. März 2019 tötete der aus Australien stammende Rechtsterrorist Brenton Tarrant mit Schusswaffen insgesamt 51 Menschen und verletzte weitere 50, einige davon schwer.

Ihr Kampf

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