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4.

Die entscheidende Waffe

»Ich fürchte, mein Assistent wird nicht erscheinen«, sagte Professor Tammo-Tor mit dünner Stimme.

»Was soll das heißen?«, wollte Lat-Antin wissen.

Der mit Preisen überhäufte Wissenschaftler strich mit zitternden Fingern durch das graue Haar. Er wirkte, als wäre er am liebsten fortgelaufen. Ausgerechnet im Moment des Triumphs, wenn sich die Theorien seines Forscherlebens beweisen sollten!

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Lat-Antin schärfer als zuvor.

Auf den leicht geschwungenen Sitzreihen hinter ihrem Kommandosessel verstummten die letzten Gespräche. Auch der senilste Offizier musste begreifen, dass gerade etwas Schwerwiegenderes geschah als eine geringfügige Verzögerung.

Tammo-Tor stand vor dem Instrumentenpult, das sich an der gesamten zehn Meter breiten Front des Bunkers entlangzog. Diese Seite des Bauwerks, das man einzig für die Vorführung dieses Tages errichtet hatte, war vollständig transparent gehalten. Eine teure Angelegenheit, vor allem wegen der hitzebeständigen und strahlungssicheren Beschichtung, aber von hohem Symbolwert.

Die geladenen Offiziere sollten den Eindruck erhalten, dass ihnen nichts vorenthalten wurde, weil es bei dieser Sache schlicht nichts zu verbergen gab.

In der Salzwüste vor ihnen würde die gewaltigste Bombe detonieren, die man jemals auf Bhanlamur konstruiert hatte. Die Männer und Frauen in diesem Bunker sollten es mit eigenen Augen sehen, ohne zwischengeschaltete Kameras. Die Erfahrung musste so sinnlich erlebbar werden, dass man sie gerade noch überlebte.

»Er wird nicht kommen.« Tammo-Tor steckte die Hände in die Rocktaschen, nur um sie sofort wieder hervorzuholen und hinter dem Rücken zusammenzulegen. »Mein Assistent ist der Meinung, dass der Test nicht ausreichend vorbereitet wurde.«

»Unsinn!« Lat-Antin sprang auf. Sie schritt so rasch zur rechten Seite des Instrumentenpults, dass ihr Cape knatterte. »Ich werde keine Verzögerung akzeptieren. Wenn es sein muss, drücke ich den Knopf eben selbst. Begib dich auf deine Position!«

Tammo-Tor blickte sich so verloren um, als wüsste er nicht, dass sich der zweite Knopf am äußersten linken Ende befand, zehn Meter von Lat-Antin entfernt. Beide Auslöser mussten gleichzeitig betätigt und zwei Sekunden gehalten werden, damit es zur Zündung kam.

Auch das war effektvoll gestaltet, mit Leitungen, die innerhalb des transparenten Pults verliefen. Von beiden Seiten ausgehend würden sie rot aufleuchten, ihr Licht würde sich in der Mitte treffen, wo eine Leitung mit doppeltem Umfang in den Boden führte.

Lat-Antin ärgerte sich, dass sie diesen Aufbau für den Test gewählt hatte. Bei den Abschussbasen diente er dazu, der Wahnsinnsaktion eines Einzelgängers vorzubeugen. Aber bei dieser Vorführung schien sie die Einzige zu sein, die sich noch an die Befehle erinnerte.

»Worauf wartest du?«, herrschte sie den Wissenschaftler an.

Tammo-Tors Adamsapfel hüpfte. »Mir wäre lieber, wenn ich noch einige Kontrollrechnungen vornehmen könnte.«

»Das fällt dir reichlich spät ein!«

Schweiß glänzte in den Falten seiner Stirn. »Wenn wir tatsächlich eine Kettenreaktion auslösen, könnte Bhanlamurs komplette Atmosphäre abfackeln.«

»Das ist eine Mindermeinung!«

Hektisch glitt Lat-Antins Blick über die Militärs auf der vierstufigen Tribüne. Sie sah viele nachdenkliche, wenn nicht sogar besorgte Gesichter. Dabei waren an jedes Cape Ehrenquasten genäht, die Mut und Entschlossenheit bezeugen sollten! Sie wurden wohl viel zu voreilig verliehen.

»Nur Spinner vertreten diese These«, behauptete sie. »Leute, deren wissenschaftliche Karriere in Trümmern liegt.« Wofür Lat-Antin gesorgt hatte. Es war von Vorteil, wenn man dem Geheimdienst vorstand. »Es handelt sich um Panikmache. Die Angst wird geschürt, um unsere Schlagkraft zu zersetzen. Mich würde nicht wundern, wenn eine feindliche Macht dahinterstünde.«

Sie brauchte nicht auszusprechen, welche feindliche Macht sie im Sinn hatte. Nur die Bewohner des Südkontinents kamen infrage.

Gardari Thont hatte den niedrigsten Rang unter den Anwesenden. Er war lediglich ein Adjutant. Seine Vorgesetzte, die Kommandantin des neuesten und schlagkräftigsten Schiffs der Marine, war verhindert, weil sie ebendiese schwimmende Festung auf ihre Jungfernfahrt vorbereiten musste – ein ebenso wichtiges Vorhaben wie dieser Bombentest.

Gardari Thont wirkte als Einziger zuversichtlich, ja, sogar erwartungsfroh. Und er sah so unglaublich gut aus. Als wäre er das Idealbild, wie ein Mann geformt sein sollte – etwas, dem die Natur ansonsten vergeblich nacheiferte. Entgegen den Konventionen im Militär trug er das glatte, braune Haar offen, sodass es ihm bis zur halben Länge seines Capes auf den Rücken fiel. Knapp nickte er Lat-Antin zu.

»Aber wenn diese minimale Wahrscheinlichkeit eintritt und es zu dem kommt, was die Kritiker vorhersagen«, brachte Tammo-Tor mit seinem lächerlichen Stimmchen vor, »kommt es zu einer Katastrophe, die das Ende alles Lebens auf Bhanlamurs Oberfläche bedeuten könnte. Die gesamte Atmosphäre würde abbrennen.«

Beinahe war Lat-Antin dem Zausel dankbar dafür, dass er sie von den in diesem Moment unpassenden Erinnerungen an Thonts Hände auf ihrem Körper ablenkte. »Du selbst hast geschrieben, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit nahe null liegt«, erinnerte sie. »Niedriger, als mit verbundenen Augen sieben Schuss ins Zentrum einer beweglichen Zielscheibe zu setzen.«

»Das stimmt, aber es gibt andere Berechnungen, und wenn ich mich irre ...«

Lat-Antin riss die Pistole aus dem Holster und richtete sie auf Tammo-Tor. »Ich werde das nicht diskutieren! Der Befehl wird ausgeführt! Jetzt! Sofort!«

In der Stille des Bunkers war das Wimmern des alten Wissenschaftlers gut zu hören. Er presste die Lider zusammen, der Oberkörper zitterte. Aber er machte keine Anstalten, an den zweiten Knopf zu treten.

Gardari Thont stand auf. »Ich werde das übernehmen.« Alle Blicke folgten ihm, während er die Position einnahm, die eigentlich dem Chefentwickler der Bombe zugedacht war. Er lächelte zu Lat-Antin herüber.

Sie ließ die Waffe sinken und legte die freie Hand auf ihren Knopf. »Drei – zwei – eins – Zündung!«

Sie drückte so fest, dass ihr Daumen schmerzte. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie, wie die rote Lichtbahn, die von ihrer Position ausging, die Mitte des Pults eine halbe Sekunde vor der erreichte, die von Thont kam.

Das Verbindungselement schaltete. Der vereinigte rote Strahl sank in den Boden.

Lat-Antins Kopf ruckte hoch. Sie sah in die Ferne.

Der Bunker war in einen flach abfallenden Hügel gebaut. Die Salzwüste erstreckte sich bis zum Horizont. An manchen Stellen war sie vollständig weiß, aber überwiegend mischte sich Ocker hinein. Über ihr flimmerte die Luft.

Ein neuer Hügel entstand. Innerhalb von drei Herzschlägen hob er sich aus dem Boden, schwoll an, wuchs, brach auf.

Die transparente Wand dunkelte so weit herab, dass die Landschaft in der Schwärze nicht mehr zu sehen war. Dennoch gleißte ein Licht so hell, dass es in den Augen stach, stieß empor wie eine Schwertklinge. Es verlängerte sich weiter und weiter in die Höhe.

Offenbar verlor es schnell an Leuchtkraft. Zwar blieb es für Lat-Antin ein gerade noch erträgliches Gleißen, aber die Verdunkelung der Wand verdämmerte. Die Struktur der Landschaft ließ sich wieder erahnen.

Sand und Salz prasselten gegen die Scheibe wie eine Armada blutdürstiger Insekten.

Eine riesige Wolke wallte am Horizont. Der Hügel war fort, stattdessen gab es dort unzählige kleine Erhebungen. Auswurf der Explosion.

Das Prasseln verebbte. Die durch die Erde laufende Druckwelle erreichte den Bunker, der Boden zitterte.

Die Wolke stieg auf, sog Staub und Sand mit sich in die Höhe. Oben, wo sie auf eine Barriere anderer Luftschichten traf, wanderte sie zu den Seiten und formte so die Gestalt eines Pilzhuts nach. Genau wie vorhergesagt.

Tammo-Tor schien seine Furcht vergessen zu haben. Seine Miene zeigte nur noch andächtiges Staunen.

Nach und nach standen die Offiziere auf, als könnten sie dadurch eine bessere Beobachtungsposition erreichen.

Lat-Antin steckte die Pistole weg.

Thont nickte ihr anerkennend zu.

Im Kontrollpult leuchteten Anzeigen auf. Zahlenreihen rauschten vorbei, Fieberkurven bauten sich auf.

»Werte die Sensordaten aus!«, forderte Lat-Antin den Forscher abfällig auf. »Das wirst du ja wohl noch schaffen.«

Er eilte ans Pult.

Einer der Offiziere stimmte die Hymne der großen Flut an. Die anderen fielen ein. Während die Pilzwolke draußen immer majestätischer anschwoll, füllte der triumphale Gesang den Bunker.

Gardari Thont schlenderte zu ihr herüber. »Ich werde Assena-Dree von deinem Erfolg berichten. Wir müssen unsere Stärke nutzen.« Sein unwiderstehlicher Geruch füllte ihre Nase. »Es ist der richtige Zeitpunkt für die Jungfernfahrt der GEVELU AVALANI.«

»Das stimmt«, befand Lat-Antin. »Aber deine Abreise hat noch eine Stunde Zeit.« Sie berührte seinen Oberschenkel. »Ich will jetzt einen Mann.«

Perry Rhodan 3101: Die Letzten der Lemurer

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