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Einleitung

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Nachdem in einem der sensationellsten Prozesse der neuesten Zeit gegen den Schuldigen die Todesstrafe ausgesprochen worden war, schien dieser Kriminalfall, der nicht nur das südfranzösische Volk in Atem gehalten, sondern die ganze Welt interessiert hatte, für immer abgeschlossen. Aber der Präsident der französischen Republik wandelte das Todesurteil auf dem Gnadenwege in „lebenslängliche Verbannung“ um — Deportation nach Cayenne! Der Urheber eines der abscheulichsten Verbrechen schien vergessen — bis die Zeitungen die Erinnerung an ihn wieder aufleben ließen. Es war ihm geglückt, aus der Hölle von Guyana zu entfliehen und nach Venezuela zu entkommen. Dort soll der Flüchtling ein neues Leben begonnen haben; ein Pariser Journalist behauptet, er habe ihn selbst gesprochen. Wie dem auch sei: Dieser Prozeß, den ich in dem vorliegenden Roman behandle, ist ebenso erschütternd durch die problematische Persönlichkeit des Verbrechers wie durch die Seltsamkeit der Ereignisse, die zu seiner Entlarvung führten.

Die Grenzgebiete der menschlichen Seele sind auch für den erfahrensten Psychologen größtenteils noch eine terra incognita. Alle Urteile der Sachverständigen sind mehr oder weniger subjektive Erkenntnisse und müssen es bleiben. Der Streit, ob der Verbrecher geboren wird, das heißt, ob er seine Anlagen schon mit in’s Leben bringt, oder ob Schuld und Sühne mehr als schicksalhafte Belastung sind, wird kaum jemals entschieden werden können. Der Verbrecher in dem vorliegenden Roman ist trotz der Grausamkeit, mit der er die Tat beging, die ihn selbst vernichtete, im Sinne der Dramen des großen Aeschylos eine tragische Gestalt. Seine Richter hielten ihn für zurechnungsfähig. In meinen Schilderungen entferne ich mich wenig von den Tatsachen, aber ich habe seelische Abgründe angedeutet, die nicht nur mit „dichterischer Freiheit“ erklärt werden sollen. In uns allen schlummert die Schuld. Manchmal weckt ein ungewöhnliches Ereignis eine Leidenschaft, die in uns auflodert, Instinkte, die unseren Abscheu erregen. Unsere durch Vererbung und Erziehung aufgebauten Hemmungen bewahren uns. Aber die Liebe in einer ihrer bunten Spielarten stürzt wie eine Sturmflut über alle Dämme hinweg, und urplötzlich enthüllt sich in dem Kulturmenschen der Gegenwart der furchtbare Dämon Kain. —

In diesem Roman galt es nichts zu beweisen. Ich habe eine ungeheuerliche Begebenheit dargestellt, und wenn es mir gelungen ist, die Nachdenklichkeit des Lesers geweckt zu haben, so hat mein Werk seine Aufgabe erfüllt: unterhalten zu haben, ohne nach der Lektüre vergessen zu werden.

Berlin, Juni 1930.

Robert Heymann.

Ein Weib-ein Narr-ein Mörder

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